TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/15 I412 2235951-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2020
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Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs4 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4
NAG §11
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2235951-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER über die Beschwerde des XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch VMÖ Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark (BFA-St) vom 11.09.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2002 ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der vom damaligen Bundesasylamt mit Bescheid vom 23.04.2003 negativ entschieden und nach Zurückziehen des erhobenen Rechtsmittels im Dezember 2013 rechtskräftig wurde.

Von 2003 bis 2015 war der Beschwerdeführer mit einer Österreicherin verheiratet und hielt er sich aufgrund unterschiedlicher Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf. Seit 15.10.2015 ist der Beschwerdeführer in Besitz einer Rot-Weiß-Rot Karte plus, die zuletzt bis 14.10.2018 gültig war. Derzeit ist ein Verfahren nach Verlängerungsantrag laufend.

Mit Urteil des LGS Graz vom 07.03.2019, GZ XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehen und Verbrechen gegen das Suchtmittelgesetz nach § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG, §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 28a Abs. 4 Z 3 SMG und § 12 2. Fall StGB §§ 28a Abs. 1 2. Fall, 28a Abs. 4 Z 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Einer dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil des OLG Graz vom 26.06.2019 keine Folge gegeben.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 11.09.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt I). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer zudem ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Absatz 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Absatz 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 07.10.2020. Darin räumt der Beschwerdeführer seine Vergehen und Verbrechen gegen das Suchtmittelgesetz ein, verweist aber auch darauf, dass er außerdem kein negatives Verhalten in Österreich gesetzt habe und hätte das Gesamtverhalten beurteilt werden müssen. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen und gehe sie bei ihren Ausführungen zur Integration von vagen Annahmen aus, die beispielsweise durch eine Einvernahme leicht ermittelt werden hätten können. Die positiven Aspekte seines mittlerweile 18-jährigen Aufenthaltes seien nicht gewürdigt worden und sei das Bundesamt so zu einer überschießenden Entscheidung gelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der 55-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum. Seine Identität steht fest.

Er hält sich seit dem Jahr 2002 im Bundesgebiet auf und wurde sein Antrag auf internationalen Schutz im Dezember 2003 rechtskräftig negativ beschieden.

Von 2003 bis 2015 war der Beschwerdeführer mit einer Österreicherin verheiratet und hielt er sich aufgrund verschiedener Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf. Zuletzt war er in Besitz einer Rot-Weiß-Rot – Karte plus, die bis 14.10.2018 Gültigkeit hatte. Ein Verlängerungsantrag wurde am 01.10.2018 bei der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde gestellt und ist das Verfahren laufend. Seit 10.03.2015 besteht gegen den Beschwerdeführer ein von französischen Behörden verhängtes Einreiseverbot im Schengener Gebiet.

Der Beschwerdeführer ging nicht durchgehend einer Erwerbstätigkeit nach, war aber für mehrere verschiedene Arbeitgeber tätig, zuletzt bis 13.01.2017 bei einer Personaldienstleistungsfirma. Er ist arbeitsfähig und –willig und arbeitet aktuell auch in der Haftanstalt in der Bäckerei.

Seit seiner Einreise ins Bundesgebiet weist er eine lückenlose Wohnsitzmeldung auf. Derzeit verbüßt er seine Haftstrafe in einer Justizanstalt nach Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Jahren und 6 Monaten durch das LGS Graz. Der Verurteilung liegen Vergehen und Verbrechen gegen das Suchtmittelgesetz zu Grunde. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von August 2017 bis 23.04.2018 in einer das 25-fache der Grenzmenge überschreitenden Menge Suchtgift als Bestimmungstäter eingeführt, indem er andere Personen in wiederholten Angriffen veranlasste, über 65 kg Cannabiskraut von Italien nach Österreich zu transportieren und es ihm sodann für den Weiterverkauf an seine Abnehmer zu übergeben, Suchtgift anderen überlassen, indem er zumindest 46 kg Cannabiskraut an seine Abnehmer gewinnbringend weiterverkaufte und Suchtgift mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt wird, indem er am 20. und am 23.04.2020 145,2 g bzw. 16 g Cannabiskraut bis zur Sicherstellung in seiner Wohnung aufbewahrte. Einer dagegen erhobenen Berufung wurde keine Folge gegeben, sodass das Urteil mit 26.06.2019 rechtskräftig wurde.

Der Beschwerdeführer ist geschieden, hat Kontakt zu seiner Exfrau und einen Freund, führt aber kein Familienleben in Österreich. In Nigeria leben seine Mutter und Schwester, drei leibliche Kinder und deren Mutter. Er spricht Deutsch und hat Sprachkurse in Österreich absolviert.

Sein Aufenthalt im Bundesgebiet stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Es besteht keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Der Beschwerdeführer bringt keine anderen oder neuen Gründe vor, die er nicht bereits in seinem Asylverfahren in den Jahren 2002/2003 geltend gemacht hat. Er kehrte auch mehrmals für Familienbesuche kurzzeitig nach Nigeria zurück.

Zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Politische Lage

Letzte Änderung: 20.5.2020

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2019; vgl. AA 16.1.2020; GIZ 3.2020a) mit insgesamt 774 LGAs/Bezirken unterteilt (GIZ 3.2020a; vgl. AA 16.1.2020). Jeder der 36 Bundesstaaten wird von einer Regierung unter der Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs (State Governor) und eines Landesparlamentes (State House of Assembly) geführt (GIZ 3.2020a; vgl. AA 16.1.2020). Polizei und Justiz werden vom Bund kontrolliert (AA 16.1.2020).

Nigeria ist eine Bundesrepublik mit einem starken exekutiven Präsidenten (Präsidialsystem nach US-Vorbild) (AA 24.5.2019a). Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten – zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte – und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 16.1.2020).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen, ethnischer Zugehörigkeit und vor allem strategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 16.1.2020). Gewählte Amtsträger setzen im Allgemeinen die von ihnen gemachte Politik um. Ihre Fähigkeit, dies zu tun, wird jedoch durch Faktoren wie Korruption, parteipolitische Konflikte, schlechte Kontrolle über Gebiete des Landes, in denen militante Gruppen aktiv sind, und die nicht offengelegten Gesundheitsprobleme des Präsidenten beeinträchtigt (FH 1.2019).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt (GIZ 3.2020a). Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten der Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja (GIZ 3.2020a; vgl. BBC 26.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015. Überschattet wurden die Wahlen von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten. Wahlbeobachter und Vertreter der Zivilgesellschaft kritisierten außerdem Organisationsmängel bei der Durchführung der Wahlen, die Einschüchterung von Wählern sowie die Zerstörung von Wahlunterlagen an einigen Orten des Landes (GIZ 3.2020a). Die Opposition sprach von Wahlmanipulation. Abubakar fechtet das Ergebnis vor dem Obersten Gerichtshof aufgrund von Unregelmäßigkeiten an. Die Aussichten, dass die Beschwerde Erfolg hat, sind gering (GIZ 3.2020a).

Die Nationalversammlung besteht aus zwei Kammern: Senat mit 109 Mitgliedern und Repräsentantenhaus mit 360 Mitgliedern (AA 24.5.2019b). Aus den letzten Wahlen zur Nationalversammlung im Februar 2019 ging die Regierungspartei „All Progressives‘ Congress“ (APC) siegreich hervor. Sie konnte ihre Mehrheit in beiden Kammern der Nationalversammlung vergrößern. Die größte Oppositionspartei, die „People’s Democratic Party“ (PDP) hatte von 1999-2015 durchgehend den Präsidenten gestellt. 2015 musste sie zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung seitdem geschwächt (AA 16.1.2020).

Auf subnationaler Ebene regiert die APC in 20 der 36 Bundesstaaten (AA 16.1.2020). Am 9.3.2019 wurden Wahlen für Regionalparlamente und Gouverneure in 29 Bundesstaaten durchgeführt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Gouverneurswahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Auch hier kam es zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020a). Kandidaten der APC von Präsident Buhari konnten 17 Gouverneursposten gewinnen, jene der oppositionellen PDP 14 (Stears 9.4.2020). Regionalwahlen haben großen Einfluss auf die nigerianische Politik, da die Gouverneure die Finanzen der Teilstaaten kontrollieren und für Schlüsselsektoren wie Gesundheit und Bildung verantwortlich sind (DW 11.3.2019).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein. Dieser Einfluss wird von der jüngeren Generation aber zunehmend in Frage gestellt (AA 24.5.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844, Zugriff 31.1.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019b): Nigeria - Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeria/205786, Zugriff 9.4.2020

-        BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3, Zugriff 12.4.2019

-        DW - Deutsche Welle (11.3.2019): EU: Nigerian state elections marred by 'systemic failings', https://www.dw.com/en/eu-nigerian-state-elections-marred-by-systemic-failings/a-47858131, Zugriff 9.4.2020

-        FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/nigeria, Zugriff 20.3.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 9.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

-        Stears News (9.4.2020): Governorship Election Results, https://nigeriaelections.stearsng.com/governor/2019, Zugriff 9.4.2020
Sicherheitslage

Letzte Änderung: 20.5.2020

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 16.1.2020). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 16.1.2020; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten (EASO 11.2018a; vgl. AA 16.1.2020), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. Im „Middlebelt“ kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt. Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt jedoch latent konfliktanfällig. IPOB ist allerdings derzeit in Nigeria nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nassarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger, Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten betroffen. Weiterhin bestimmen immer wieder gewalttätige Konflikte zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie gut organisierten Banden die Sicherheitslage. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 forderten diese in Abuja auch wiederholt Todesopfer (AA 16.4.2020).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen auf dem Landweg in die nordöstlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Von nicht erforderlichen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias, in die Bundesstaaten Sokoto, Katsina und Jigawa wird abgeraten. Von Reisen in die folgenden Bundesstaaten wird abgeraten, sofern diese nicht direkt auf dem Luftweg in die jeweiligen Hauptstädte führen: in Zentral-und Nord-Nigeria Kaduna, Zamfara, Kano und Taraba, in Südnigeria: Ogun, Ondo, Ekiti, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Anambra, Enugu, Abia, Ebonyi und Akwa Ibom. Auch von Reisen in die vorgelagerten Küstengewässer, Golf von Guinea, Nigerdelta, Bucht von Benin und Bucht von Bonny, wird abgeraten (AA 16.4.2020).

In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt (AA 16.4.2020). Das britische Außenministerium warnt vor Reisen nach Borno, Yobe, Adamawa und Gombe, sowie vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta, sowie Reisen nach Zamfara näher als 20km zur Grenze mit Niger. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zu Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers, und Reisen im Bundesstaat Niger im Umkreis von 20km zur Grenze zu den Staaten Kaduna und Zamfara, westlich des Flusses Kaduna (UKFCO 15.4.2020). Gewaltverbrechen sind in bestimmten Gebieten Nigerias ein ernstes Problem, ebenso wie der Handel mit Drogen und Waffen (FH 1.2019).

In der Zeitspanne April 2019 bis April 2020 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.712), Zamfara (685), Kaduna (589) und Katsina (392). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (3), Kebbi (3), Kano (7), Jigawa (7), Kwara (8), Enugu (8) und Ekiti (9) (CFR 2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (16.4.2020): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise

(Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, 16.4.2020

-        CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 16.4.2020

-        FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019, Nigeria, https://freedomhouse.org/country/nigeria/freedom-world/2019, Zugriff 17.4.2020

-        UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (15.4.2020): Foreign Travel Advice – Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 16.4.2020

Grundversorgung

Letzte Änderung: 20.5.2020

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 3.2020c). 2018 wurde ein Wachstum von 1,9 Prozent erreicht (AA 24.5.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 3.2020c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 3.2020c). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).

Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 3.2020c) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 3.2020c; vgl. AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2019).

Die Prozentsätze der Unterernährung haben sich in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegen nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 3.2020b). Über 80 Prozent der ca. 190 Millionen Nigerianer leben unterhalb der Armutsgrenze - Tendenz steigend (GIZ 3.2020c). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 3.2020b). Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmittelpreise variieren ebenfalls nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2019).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 3.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vgl. BS 2020).

Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 3.2020b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 3.2020c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2019).

Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Von den auf Hilfe Angewiesenen (7,1 Millionen) sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/wirtschaft/205790, Zugriff 16.4.2020

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 18.5.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.4.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria, Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020

-        IOM Nigeria - International Organization for Migration (17.3.2020): Emergency Response, 2019 Annual Reports, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2019_annual_report_-_iom_nigeria_emergency_responsefinal.pdf, Zugriff 15.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

Rückkehr

Letzte Änderung: 14.4.2020

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines gültigen nigerianischen Reisepasses (IZR und AS 25ff) fest. Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt und aus den im IZR ersichtlichen Aufenthaltstiteln und dem Verlängerungsantrag. Das französische Einreiseverbot aus dem Jahr 2015 ergibt sich aus der Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS).

Die Feststellungen zur mittlerweile geschiedenen Ehe, dem aufrechten Kontakt zur Exfrau und zu einem Freund in Österreich, sowie die Feststellungen zu den im Herkunftsstaat verbliebenen Angehörigen ergeben sich aus seinen entsprechenden Behauptungen in der Stellungnahme vom 22.11.2019 (AS 189ff) und sind diese Angaben mangels gegenteiliger Anhaltspunkte als glaubhaft zu werten.

Die Feststellung zum Erwerbsleben in Österreich ergibt sich aus einer im Akt einliegenden Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Daraus ergibt sich auch die Arbeitsfähigkeit und schildert er auch im Beschwerdeschriftsatz, dass er in der Haftanstalt in der Bäckerei tätig ist.

Dass er Deutsch auf Niveau B1 spricht, belegte der Beschwerdeführer durch Kursbestätigungen und kann der Erwerb von passablen Sprachkenntnissen bei einem mittlerweile 18-jährigen Aufenthalt durchaus angenommen werden. In Gesamtschau mit den zeitweisen Beschäftigungsverhältnissen und den vorgebrachten Mitgliedschaften in afrikanischen Kulturvereinen, die nicht belegt wurden, kann aber in Relation mit der langen Aufenthaltsdauer keine übermäßige Integrationsleistung erblickt werden, zumal er zuletzt durch Begehung von mehrfachen Verbrechen gegen das Suchtmittelgesetz durch Einfuhr und Inverkehrsetzen von über 110 kg Cannabiskraut einen gegenteiligen Einfluss auf die Gesellschaft, nämlich die Gefährdung der Volksgesundheit, genommen hat.

Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Die Umstände hinsichtlich der den Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung (AS 77ff).

Der Umstand, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, ergibt sich aus seinem massiven strafrechtswidrigen Verhalten. Der Beschwerdeführer wurde wegen mehreren Suchtgiftdelikten, wobei es sich um zwei Verbrechen und ein Vergehen handelt, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechseinhalb Jahren verurteilt. Bereits aus der Urteilsausfertigung des Straflandesgerichtes ist die spezialpräventive Begründung der langjährigen Freiheitsstrafe zu entnehmen (AS 109) und hielt auch das OLG in seinem Berufungsurteil fest: „[…] Die vom Berufungswerber verübte Suchtmitteldelinquenz und die von der Einfuhr und Inverkehrsetzung derart großer Suchtgiftmengen ausgehende beträchtliche Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Menschen (§ 28b SMG iVm § 1 Suchtgift-Grenzmengenverordnung) erfordert eine strenge Sanktionierung, die der personalen Täterschuld und dem Unwert der verschuldeten Tat Rechnung trägt und auch gegenüber anderen potentiell Tatgeneigten abschreckende und für Rechtstreue bestärkende Signale aussendet. Für eine Reduktion des Strafmaßes besteht daher kein Raum.“ (AS 171)

Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit seine Haftstrafe und ergibt sich aus der Verständigung der Justizanstalt (AS 174) das errechnete Strafende mit 23.10.2024. Der Beschwerdeführer hat also noch weitere vier Jahre in einer Haftanstalt zu verbüßen und wird er sich danach erst in Freiheit beweisen müssen, um von einem Wegfall der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen zu können.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (VwGH, 20.8.2013, 2013/22/0108) ist ein Gesinnungswandel eines Straftäters primär daran zu prüfen, ob und wielange er sich in Freiheit wohlverhalten hat. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde zum gegebenen Zeitpunkt keine positive Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer angenommen hat.

Die Feststellung, dass keine reale Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird, ergibt sich daraus, dass eine entsprechende Gefährdung zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgebracht wurde. Das Vorbringen beschränkt sich auf den Verweis auf seine bereits im Asylverfahren geltend gemachten Gründe, ohne auf eine Gefährdungshandlung überhaupt einzugehen. Das Asylverfahren wurde negativ beschieden und ist mit dem Vorbringen, er habe damals die Berufung gegen den abweisenden Bescheid nur deshalb zurückgezogen, weil er durch die Heirat mit einer Österreicherin einen Aufenthaltstitel bekommen habe, nichts gewonnen. Über seine Fluchtgründe wurde rechtskräftig negativ abgesprochen und gab der Beschwerdeführer zudem an, Nigeria auch in den letzten 18 Jahren, wenn auch nur kurzzeitig und behaupteter Maßen ohne sich in der Öffentlichkeit zu zeigen (AS 261), besucht zu haben.

Der Beschwerdeführer hat zudem familiäre Anknüpfungspunkte und wird sich auch im Falle, dass er nicht auf die Unterstützung seiner Angehörigen zurückgreifen kann, als gesunder und arbeitsfähiger Mann seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sichern können. Eine existenzielle Bedrohung war daher auszuschließen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitierten aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria. Seit der Bescheiderlassung haben sich keine Änderungen ergeben und ist der Beschwerdeführer diesen Ausführungen auch nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Da sich der Beschwerdeführer rechtmäßig aufgrund des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ bzw. des Verlängerungsantrages im Bundesgebiet aufhält, hat sich die belangte Behörde bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zutreffend auf § 52 Abs. 4 FPG gestützt.

§ 52 Abs. 4 FPG lautet:

"Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen."

Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid auf den Tatbestand des § 52 Abs. 4 Z 4 FPG, somit auf das Vorliegen eines Versagungsgrundes für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG).

§ 11 Abs. 1 und 2 NAG lauten:

„(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.“

Es ist daher für die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG iVm § 11 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Z 1 NAG eine Gefährdungsprognose zu erstellen.

Nach § 53 Abs. 3 FPG kann ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen der Z 5 bis 9 in unbefristeter Dauer erlassen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 07.02.2019, rechtskräftig am 26.06.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt, weil er in mehreren Fällen als Bestimmungstäter andere Täter zur Einfuhr und zum Inverkehrsetzen von mehr als 110 kg Cannabiskraut veranlasst hat und zudem Suchtgift in seiner Wohnung verwahrt hat.

Gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG hat als "bestimmte Tatsache", die (u.a.) bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes von Relevanz ist, insbesondere zu gelten, wenn „ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist“. Dies ist gegenständlich jedenfalls erfüllt, da er wie angegeben zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechseinhalb Jahren verurteilt wurde und somit die geforderten drei Jahre um mehr als das Doppelte übersteigt.

Andererseits ist zu berücksichtigen und dem Beschwerdeführer in seine Ausführungen auch beizupflichten, dass er sich während des langjährigen Aufenthaltes bislang rechtstreu verhalten hat und in keiner Weise negativ in Erscheinung getreten ist. Allerdings hat der Beschwerdeführer in nur einer einzigen Verurteilung seine massive kriminelle Energie zweifelsfrei bewiesen und hilft auch seine Rechtfertigung, er habe nach dem Jobverlust Geldprobleme gehabt und sich deshalb zu den Taten hinreißen lassen, nicht (AS 251). Aus der Urteilsausfertigung des LGS Graz ergibt sich die etappenweise Einfuhr von mehr als 110 kg Cannabiskraut von Italien nach Österreich und rechtfertigen „Geldprobleme“ nicht den langen Tatzeitraum von August 2017 bis 23.04.2018 und auch nicht das mehrfache Überschreiten der 25-fachen Grenzmenge. Die mehrmalige, kiloweise Einfuhr von Suchtmitteln in Zusammenarbeit mit weiteren Mittätern setzt ein durchdachtes Netzwerk im Drogenmilieu und einen logistischen Planungsaufwand voraus, der in keiner Relation zur „Lösung von Geldproblemen infolge von Arbeitslosigkeit“ durch Suchtgiftverkauf steht.

Daraus ergibt sich, dass die belangte Behörde zu Recht von einer weitreichenden Missachtung der österreichischen Rechtsordnung ausging; der Bekämpfung des Suchtgifthandels kommt hohe Bedeutung zu und hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, dass bei derart schweren Verbrechen im Zusammenhang mit Suchtmitteln weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Einreiseverbot entgegenstehen (vgl. etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, mwN). Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und steht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auch nicht der höchstgerichtlichen Judikatur (VwGH 17.03.2016, Ro 2015/22/0016) entgegen, wonach bei einem mehr als 10-jährigen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich auszugehen ist.

Da der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers seit fast zwei Jahrzehnten in Österreich liegt, greift die Rückkehrentscheidung massiv in sein Privat- und Familienleben ein, sodass ihre Verhältnismäßigkeit unter dem Gesichtspunkt von Art 8 EMRK am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen ist. Nach § 9 Abs. 1 BFA-VG ist (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198).

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob sie auf Dauer unzulässig ist, also wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht verfügen, unzulässig wäre. Dies scheidet im Falle des Beschwerdeführers aus, da er von der österreichischen Exfrau geschieden ist und nur der weiterhin aufrechte Kontakt, nicht aber ein Abhängigkeitsverhältnis geltend gemacht wurde.

Die in § 9 Abs. 5 und 6 BFA-VG festgelegten Einschränkungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bei besonders langer Aufenthaltsdauer im Inland stehen einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer nicht entgegen, weil § 53 Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt ist.

Bei der Interessenabwägung ist hier gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit vielen Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und seit 2003 über gültige Aufenthaltstitel verfügt. Er hat schon aufgrund des langjährigen Lebensmittelpunktes in Österreich ein schützenswertes Privatleben begründet, auch wenn die integrativen Schritte in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht nicht übermäßig sind. Aufgrund der zumindest zeitweisen Erwerbstätigkeit im Inland hat der Beschwerdeführer auch Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und kann von der Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden. Es liegt damit kein übermäßiger, aber ein im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 4 zu beachtender Grad der Integration vor. Der Beschwerdeführer hat aber auch noch gemäß § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG maßgebliche Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er die prägenden Jahre seiner Kindheit und Jugend verbrachte. Er spricht eine der dortigen Landessprachen, es leben seine Kinder, Mutter und Schwester in Nigeria und hat er durch mehrmalige Besuche den Kontakt zum Herkunftsstaat nicht abreißen lassen. Es wird ihm aufgrund seiner Arbeitsfähigkeit und der auch im Ausland gesammelten Berufserfahrung möglich sein, trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Nigeria für seinen Lebensunterhalt aufzukommen und sich ohne größere Probleme wieder in die dortige Gesellschaft zu integrieren. Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG liegen ebensowenig vor wie den Behörden zurechenbare überlange Verzögerungen iSd § 9 Abs 2 Z 9 BFA-VG.

In Fällen gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit steht die Zulässigkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch gegen langjährig in Österreich befindliche Fremde nicht in Frage. Das massive strafrechtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers, der wegen der Einfuhr und dem Inverkehrsetzen einer übergroßen Menge eines äußerst gefährlichen Suchtgifts als Bestimmungstäter und dem Besitz von Suchtgiften zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, hat in der Interessenabwägung maßgebliche Berücksichtigung zu finden, zumal der VwGH in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten hat, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (siehe z.B. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249).

Aufgrund der gravierenden Suchtgiftdelinquenz des Beschwerdeführers ist daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn in einer Gesamtbetrachtung der nach § 9 BFA-VG zu berücksichtigenden Umstände trotz seines langen rechtmäßigen Aufenthalts, der sozialen und beruflichen Integration zulässig und geboten. Sein Fehlverhalten bewirkt eine so erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, dass sogar seine privaten Interessen zurücktreten müssen. Die Rückkehrentscheidung ist angesichts der Schwere der strafgerichtlich zu ahndenden Verstöße des Beschwerdeführers zur Verwirklichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, namentlich der Verhinderung strafbarer Handlungen, des Schutzes der öffentlichen Ordnung und der Gesundheit anderer, dringend geboten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ihn in Österreich keine Sorgepflichten treffen und er den Kontakt zu seiner Exfrau und dem Freund in Österreich über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet, soziale Netzwerke) pflegen kann. Die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung ist daher nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs. 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs. 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs. 3).

Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gründe einer Verfolgung wurden bereits im Asylverfahren negativ beschieden und reiste er in den vergangenen 18 Jahren mehrmals nach Nigeria, sodass von einer Verfolgung oder Bedrohung im Sinne der Art 2 oder 3 EMRK nicht auszugehen ist. Es liegen unter Berücksichtigung der stabilen Situation dort und der Lebensumstände des arbeitsfähigen Beschwerdeführers, der an keiner dort nicht behandelbaren Erkrankung leidet, keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden. Daher ist auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids nicht korrekturbedürftig und war die Beschwerde dagegen abzuweisen.

Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Wie bereits oben dargelegt, kann gegen den BF aufgrund der Erfüllung der Tatbestände des § 53 Abs 3 Z 1 und 5 FPG ein bis zu zehnjähriges oder sogar ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die sein Gesamtverhalten einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Außerdem ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; siehe auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Hier ist der belangten Behörde dahin beizupflichten, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die ein Einreiseverbot erforderlich macht, zumal er den grenzüberschreitenden Suchtgifthandel einer übergroßen Menge an Cannabiskraut von Italien nach Österreich als Bestimmungstäter verwirklichte. Festzuhalten ist, dass er Beschwerdeführer mit seiner Verurteilung zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG (Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren) um mehr als das Doppelte erfüllt. Der Beschwerdeführer hat den Tatbestand des Suchtgifthandels noch dazu mehrfach erfüllt und wurden das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen, mehrfaches Überschreiten der 25-fachen Grenzmenge bei zwei Verbrechen (1 x 12-faches, 1 x 9-faches Überschreiten der 25-fachen Grenzmenge) und die professionelle Vorgehensweise als erschwerend bei den Strafzumessungsgründen berücksichtigt. Die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes bei einer derart massiven Straffälligkeit steht wie bereits oben angeführt auch in Einklang mit der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207).

Auch wenn das Straflandesgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel und die teilgeständige Verantwortung betreffend 10 kg Cannabiskraut des Beschwerdeführers als mildernd wertete, musste es trotzdem aus spezial- und generalpräventiven Gründen eine langjährige Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verhängen und wurde diese Entscheidung durch das Berufungsgericht bestätigt.

Die generalpräventive Begründung steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR, der festhält, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11).

Hinsichtlich der spezialpräventiven Begründung geht auch der VwGH von einer erfahrungsgemäß hohen Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten aus (siehe z.B. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249) und hat der Beschwerdeführer diese Annahme durch Begehung mehrerer Verbrechen bestätigt. Auch wenn er angibt, selbst nicht drogenabhängig und kein Straßenhändler zu sein und deshalb die Wiederholungsgefahr nicht gegeben sei, ist ihm schwer anzulasten, dass er aus Geldproblemen heraus sich zu Suchtgiftdelinquenzen hat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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