TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/7 I408 1229348-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.2020
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Entscheidungsdatum

07.12.2020

Norm

ASVG §293
AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §60
B-VG Art133 Abs4
FPG §55 Abs2
NAG §11

Spruch

I408 1229348-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Erwachsenenvertreter XXXX , dieser wiederum vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, hielt sich von 1982 bis 1993 zu Ausbildungszwecken legal in Österreich auf und kehrte nach Abschluss seiner Ausbildung nach Nigeria zurück.

Im Jahr 2002 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, der im Juni 2002 abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer bekämpfte diese Entscheidung, verließ jedoch unmittelbar darauf Österreich, woraufhin das Beschwerdeverfahren eingestellt wurde.

Nach illegaler Einreise stellte der Beschwerdeführer am 29.09.2014 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid der belangten Behörde abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.12.2019, I408 1229348-2/15E, bestätigt, am 10.02.2020 schriftlich ausgefertigt und ist in Rechtskraft erwachsen.

Seiner Ausreiseverpflichtung kam der Beschwerdeführer in Folge nicht nach und stellte am 11.03.2020 durch seinen Erwachsenenvertreter einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 AsylG.

Die beabsichtigte niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde am 25.06.2020 konnte wegen der Weigerung des Beschwerdeführers, einen Mund-Nasenschutz zu tragen, nicht durchgeführt werden (AS 59).

In Ermangelung der Vorlage relevanter Unterlagen forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Verbesserungsauftrag vom 25.06.2020 zur Vorlage eines gültigen Reisedokumentes, einer Geburtsurkunde, eines Lichtbildes des Beschwerdeführers, eines Nachweises des Rechtsanspruches auf eine ortsübliche Unterkunft, eines Nachweises über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz und eines Nachweises über einen gesicherten Lebensunterhalt auf (AS 61).

Mit Schriftsatz vom 16.07.2020 legte der Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers ein Konvolut an Unterlagen vor (AS 65 ff) und ersuchte um Fristerstreckung, weil der Beschwerdeführer nach einem Sturz in einem Krankenhaus aufhältig war.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.10.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine zweiwöchige Frist gewährt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 13.11.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers wurde letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2020, I408 1229348-2/15E, rechtskräftig negativ entschieden. Seither besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer. Dieser Ausreiseverpflichtung kam er bisher nicht nach.

Der volljährige, ledige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Während seines ersten Aufenthaltes im Bundesgebiet von 1982 bis 1993 hat der Beschwerdeführer eine Höhere Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt für Textiltechnik besucht und diese am 08.10.1990 positiv abgeschlossen.

Er beherrscht aufgrund seiner 10-jährigen Ausbildung in Österreich von 1982 bis 1993 die deutsche Sprache sehr gut und ist strafgerichtlich unbescholten. Abgesehen von seiner medizinischen Betreuung bestehen in Österreich keine näheren persönlichen oder privaten Beziehungen.

Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Antragstellung auf internationalen Schutz im September 2014 Leistungen der Grundversorgung und ist nach wie vor in einer Unterkunft der Volkshilfe untergebracht. Er ist bemüht, über den Verkauf von Straßenzeitungen zu seinem Lebensunterhalt beizutragen, bringt damit nach eigenen Angaben zwischen € 300 und € 400 ins Verdienen, ist aber weiterhin nicht selbsterhaltungsfähig.

Es liegt bei ihm seit etwa 25 Jahren eine paranoide Schizophrenie vor, die zu akustische Halluzinationen und Alkoholmissbrauch führen. Diese Erkrankung war bereits Gegenstand des Asylverfahrens des Beschwerdeführers und äußert sich in einer Stimmungslabilität, wobei sich beim Beschwerdeführer sowohl in der persönlichen Untersuchung durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen am 20.07.2017 als auch in der mündlichen Verhandlung am 16.12.2019 ein durchaus geordneter, klarer Gedankengang zeigte. Wie schon im Gutachten des gerichtlich beeidete Sachverständige vom 20.02.2017 darlegt, kam es in der Verhandlung am 16.12.2019, die bereits vor dem erkennenden Richter erfolgte, immer dann zu einer wesentlichen Beeinträchtigung in der Stimmungslabilität, sobald Fragen aus der Vergangenheit gestellt wurden. In diesen Phasen war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, klare Gedanken zu fassen, weinerlich, mit Neigung zur Dekompensation. Mit einem Themenwechsel konnte die Stimmungslage wieder normalisiert werden. Der Beschwerdeführer war im Wesentlichen wach, persönlich, zeitlich, örtlich und situativ orientiert und sprachlich kontaktfähig. Die Gedankengänge waren verlangsamt, aber geordnet und zielorientiert. Ebenso waren Auffassungsvermögen, Kritikfähigkeit und Realitätsbezug vorhanden. Der Beschwerdeführer reiste damals eigenständig und ohne Begleitung zur mündlichen Verhandlung von Oberösterreich aus an. Lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigung sind nicht erkennbar.

Seit Beginn seines neuerlichen Aufenthaltes in Österreich steht der Beschwerdeführer deshalb in ärztlicher Behandlung und wird von der psychosozialen Beratungsstelle XXXX unterstützt bzw. betreut. Wegen seiner paranoiden Schizophrenie erhält er die Medikamente Risperdal und Zyprexa. Aufgrund seines Alkoholkonsums hat er auch einen Alkoholentzug hinter sich und erhält unterstützend Medikamente. Durch einen Sturz im Juli 2020 erlitt er ein Hämatom am rechten Oberschenkel und vom 10.08.2020 bis 13.08.2020 war er wegen Alkoholabhängigkeit und paranoider Schizophrenie in kurzer stationärer Behandlung. Bereits in seinem Asylverfahren hatte er einen Erwachsenenvertreter gerichtlich zugewiesen.

Der Beschwerdeführer war trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung jahrelang in Nigeria, Kanada und Israel aufhältig und auch Österreich seit 2014 u.a. als Verkäufer einer Straßenzeitung und als Erntehelfer im Einsatz.

In Nigeria leben neben seiner Mutter auch noch Geschwister des Beschwerdeführers. Die Familie des Beschwerdeführers ist als vermögend anzusehen. So erhielt der Beschwerdeführer in seiner Jugend eine fachspezifische Ausbildung in Österreich und auch andere Geschwister konnten sich außerhalb Nigerias in England, Kanada oder den USA eine Existenz aufbauen. Von 1993 bis 2002 war der Beschwerdeführer als Betriebsleiter in Nigeria tätig und kennt die dortigen Verhältnisse. So hatte er dort wegen seines Krankheitsbildes Zugang zu den entsprechenden Medikamenten, wenn auch nicht in dem Ausmaß und der Qualität wie in Österreich.

Damit wird der Beschwerdeführer – wie auch im schriftlich ausgefertigten Erkenntnis vom 10.02.2020 ausgeführt - im Fall einer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein, denn es sollte ihm mit Unterstützung seiner Familie möglich sein, im Herkunftsland die entsprechende Behandlung zu erhalten und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.“

Dem gegenständlichen Antrag sind dieselben Unterlagen zu seinem Privatleben beigelegt, die auch schon im Verfahren auf internationalen Schutz eingebracht wurden und wurde auch dasselbe Vorbringen hinsichtlich der Integration des Beschwerdeführers in Österreich erstattet. Ergänzend wurde lediglich ein Bewerbungsschreiben datiert vom 10.03.2020 vorgelegt.

1.2. Zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 14.10.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende Peoples Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin, wie auch zuletzt, zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern der Maximalversorgung (z.B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard. Nahezu alle, auch komplexe Erkrankungen, können hier kostenpflichtig behandelt werden. In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Covid-19 (Stand 23.11.2020)

Die COVID-19-Situation in Nigeria ist nach wie vor angespannt. Die veröffentlichten absoluten Zahlen an bisherigen Infizierten (rund 62.000) geben angesichts der geringen Durchtestung der 200-Millionen-Bevölkerung ein verzerrtes Bild. Aussagekräftiger ist der Anteil der positiven Fälle gemessen an der Zahl der durchgeführten Tests. Dieser lag im Oktober 2020 landesweit bei mehr als drei Prozent, in der Metropole Lagos hingegen bei etwa 30 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen noch nicht die Auswirkung der #EndSARS-Proteste, bei denen von den Demonstrierenden praktisch keine Schutzvorkehrungen gegen COVID-19 getroffen worden sind. Ein Anstieg an positiven Fällen ist hauptsächlich in der Südwestzone des Landes zu beobachten. In einigen Bundesstaaten herrscht überhaupt Skepsis an der Notwendigkeit von COVID-19 Maßnahmen. Die allgemeine Risikowahrnehmung und die Nachfrage nach Tests sind gering.

Seit 2020 ist die nigerianische Wirtschaft aufgrund des erneuten Verfalls des Rohölpreises sowie der massiven wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie wieder geschwächt. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden sein wird, ist bislang noch nicht abzuschätzen. Für 2020 wird aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Nigeria und der drastisch gesunkenen Erdölpreise mit einer Schrumpfung des nigerianischen BIP um 4,4 Prozent gerechnet. In der 2. Jahreshälfte 2020 ist jedoch ein Wiederanziehen der Konjunktur feststellbar und für 2021 wird ein Wachstum von 2,2 Prozent erwartet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Zudem wurde Einsicht in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts zum vorangegangenen Asylverfahren I408 1229348-2 genommen. Ergänzend zum vorliegenden Akt wurde Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem AJ-WEB Auskunftsverfahren und der Grundversorgung (GVS) eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren und zur bestehenden Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Zentralen Fremdenregister und der Einsichtnahme in den Gerichtsakt zu I408 1229348-2 sowie aus dem schriftlich ausgefertigten Erkenntnis vom 10.02.2020 und der schriftlichen Ausfertigung desselben vom 10.02.2020.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben sowie zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich im Wesentlichen aus den Unterlagen zum Verfahren I408 1229348-2, ergänzt durch die im gegenständlichen Verfahren neu vorgelegten Unterlagen sowie den Eintragungen in GVS, ZMR und AJ-WEB. Aus den neu vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine signifikanten Veränderungen in seinem Krankheitsbild und wurde auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Neu vorgebracht wurde zum einen ein Bewerbungsschreiben des Beschwerdeführers, datiert vom 10.03.2020, für die Stelle als Mitarbeiters in der Wäscheversorgung eines Klinikums. Dies begründet jedoch keine wesentliche Sachverhaltsänderung. Eine konkrete Arbeitsplatzzusage brachte der Beschwerdeführer nicht in Vorlage, sondern führte er im Beschwerdeschriftsatz lediglich aus, dass er ausschließlich Absagen aufgrund seines fehlenden Aufenthaltstitels erhalten habe.

Zum anderen legte der Beschwerdeführer einen Arztbrief vom 06.07.2020 vor, aus welchem nur hervorgeht, dass der Beschwerdeführer durch einen Sturz ein Hämatom am rechten Oberschenkel erlitt, sowie, dass er an Myalgie (Muskelschmerz) und Polyathralgien (Gelenkschmerzen) leidet. Aus der Natur dieser Verletzungen geht hervor, dass diese nicht lebensbedrohlich sind und es ist auch durch den Umstand, dass die (neuen) gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers in der Beschwerde mit keinem Wort erwähnt wurden, nicht von einer nennenswerten medizinischen Verschlechterung auszugehen. Das monierte Vorliegen einer paranoiden Schizophrenie wurde im rechtskräftigen Erkenntnis vom 10.02.2020 berücksichtigt und ist daraus kein neues Vorbringen gegeben.

Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ist aus dem eingeholten GVS-Auszug ersichtlich und dass der Beschwerdeführer weiterhin in einer Flüchtlingsunterkunft lebt, ergibt sich aus dem ZMR. Der behauptete Zuverdienst von EUR 300 bis 400 monatlich ist plausibel, wurde auch bereits im Asylverfahren festgestellt und spricht für die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Da der Beschwerdeführer seinen Unterhalt sowie seine Unterkunft überwiegend aus Mitteln der Grundversorgung bestreitet, war die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit festzustellen. Das Bestehen eines Familienlebens wurde in der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren verneint und haben sich dazu auch keine (neuen) Hinweise ergeben oder sind vorgebracht worden.

2.3. Zur Lage in Nigeria:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 23.11.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland im Beschwerdeschriftsatz nicht entgegen, sondern verwies vielmehr geradezu darauf.

In Bezug auf seine Erkrankung räumte der Beschwerdeführer schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.12.2019 ein, dass er in Nigeria die entsprechenden Medikamente erhalten habe.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Der mit „Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ betitelte § 56 AsylG lautet:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.“

Der mit „Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen“ überschriebene §60 AsylG lautet:

„(1) Aufenthaltstitel (iSd 7. Hauptstücks des AsylG) dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 und 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.“

§ 11 Abs. 5 NAG lautet:

„Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

§ 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 105/2020, lautet:

(1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet des Abs. 2

a) für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,

aa) wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) oder dem/der eingetragenen PartnerIn im gemeinsamen Haushalt leben 1 120,00 € (Anm. 1, 1a, 1b),

bb) wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen 882,78 € (Anm. 2),

...

Anm. 2:

für 2017: 889,84 €

für 2018: 909,42 €

für 2019: 933,06 €

für 2020: 966,65 €

...“

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Den gegenständlichen Antrag stellte der Beschwerdeführer am 11.03.2020. Sohin war er zum Zeitpunkt der Antragstellung unbestritten seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig und sein Aufenthalt war mindestens ab der Stellung seines jüngsten Asylantrages am 29.09.2014 bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 10.02.2020 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Dadurch ergibt sich ein rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren, womit der Beschwerdeführer zunächst die geforderte Voraussetzung des § 56 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG erfüllt.

Der Beschwerdeführer erfüllt auch die weitere Erteilungsvoraussetzung des § 56 Abs. 1 Z 3 AsylG, weil er durch den Erwerb eines Abschlusszeugnisses einer Höheren Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt für Textiltechnik das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß
§ 9 Abs. 4 Z 3 IntG erfüllt hat.

Was nun die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 60 AsylG angeht, liegt zunächst ein Erteilungshindernis des Abs. 1 leg.cit. nicht vor.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AsylG betreffend ist zum einen darauf abzustellen, ob der Beschwerdeführer iSd Z 1 über einen Rechtsanspruch auf eine „ortsübliche“ Unterkunft und iSd Z 2 über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügt. Da der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung erhält, verfügt er über eine Unterkunft und eine Krankenversicherung.

Zur Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG iVm § 11 Abs. 5 NAG ist vorweg anzumerken, dass der Judikatur zufolge die Prüfung, ob der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ob also ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, durch eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu erfolgen hat. Ein Abstellen allein auf den Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung verbietet sich dann, wenn in absehbarer Zeit mit einer Änderung der Einkommensverhältnisse zu rechnen ist. Es genügt für den Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass im Fall der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels eine konkretisierte Erwerbstätigkeit aufgenommen und damit das notwendige Ausmaß an Einkommen erwirtschaftet werden könnte. (vgl. VwGH 27.02.2020, Ra 2019/22/0203).

Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen.

Der Richtsatz beträgt für das Jahr 2020 gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG EUR 966,65. Nach der Judikatur schadet ein geringfügiges Unterschreiten dieser Grenze nicht (vgl. VwGH 10.12.2019, Ra 2018/22/0288). Der Fremde hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer gesichert erscheint (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0284).

Der Beschwerdeführer ist mangels eigener Einkünfte in ausreichender Höhe nicht selbsterhaltungsfähig und bestehen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine positive Prognosebeurteilung. Er verfügt (neben staatlichen Leistungen aus der Grundversorgung) lediglich über ein Einkommen in Höhe von EUR 300 bis 400 monatlich aus dem Verkauf einer Straßenzeitung, welches somit deutlich unter dem geforderten Richtsatz des ASVG liegt. Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer hätte „wohl eine Anstellung in einer der genannten Firmen bekommen“, hätte er nur eine Aufenthaltsberechtigung vorweisen können, ist für eine positive Prognosebeurteilung nicht ausreichend. Nicht nur hat der Beschwerdeführer keine konkrete Aussicht auf eine Arbeitsstelle, etwa in Form eines Arbeitsvorvertrages, geltend gemacht, sondern wäre auch bei Vorliegen eines solchen nicht gewährleistet, inwieweit sich der Beschwerdeführer in seiner Tätigkeit bewähren wird und ob das Arbeitsverhältnis einen maßgeblichen zeitlichen Bestand haben wird.

Da die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG somit nicht vorliegt, kommt die Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ im vorliegenden Fall nicht in Betracht und war die Beschwerde daher spruchgemäß abzuweisen.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung, zur Zulässigkeit der Abschiebung und zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheides):

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung wurde bereits im Vorverfahren zu GZ I408 1229348-2 vor rund einem Jahr rechtskräftig erkannt und haben sich im
Verfahren - abgesehen von dem damals knapp über fünfjährigen zum nunmehr knapp über sechsjährigen Aufenthalt - keine Hinweise auf eine etwaige Änderung der Umstände ergeben, sodass eine neuerliche Prüfung der diesbezüglichen Voraussetzungen entfallen kann.

Gleiches gilt für die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria, worüber im Vorverfahren ebenfalls rechtskräftig abgesprochen wurde. Hinweise auf eine nennenswerte Änderung der Lage in Nigeria bzw. der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers haben sich nicht ergeben und wurde auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sodass sich eine neuerliche Prüfung erübrigt und die Zulässigkeit der Abschiebung weiterhin gegeben ist.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zuerkannt. Dies entspricht dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 FPG und bereitet somit auch Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides keinerlei Bedenken.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt ist und auch bei einem positiven Eindruck vom Beschwerdeführer bei einer mündlichen Verhandlung keine Zuerkennung des beantragten Aufenthaltstitels möglich wäre, kann eine Beschwerdeverhandlung - die vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer überdies auch nicht beantragt wurde (vgl. VwGH 19.06.2020, Ro 2019/11/0017) - gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten, zumal das Bundesverwaltungsgericht ohnedies den Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde folgt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung besonders berücksichtigungswürdige Gründe Erwachsenenvertreter finanzielle Mittel Pandemie psychische Erkrankung Selbsterhaltungsfähigkeit soziale Verhältnisse Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.1229348.3.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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