TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/12 W161 2233656-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2020
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Entscheidungsdatum

12.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §61 Abs1 Z1
FPG §61 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W161 2233656-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020, Zl. 1262220210-200237054, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 4a, 10 Abs.1 Z.1, 57 AsylG, § 9 BFA-VG. und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 2.3.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Laut vorliegender EURODAC-Treffermeldung wurde der Beschwerdeführer am 20.05.2019 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt und stellte er am 05.06.2019 in Griechenland einen Asylantrag.

1.2. Bei seiner Erstbefragung am 2.3.2020 gab der Beschwerdeführer an, er leide an keinen Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Er sei am XXXX in Aleppo, Syrien geboren, syrischer Staatsangehöriger und ledig. Er habe seinen Herkunftsstaat im August 2018 verlassen und sei zu Fuß in die Türkei gegangen (Aufenthalt 1 Jahr). Von dort sei er über Griechenland (Aufenthalt 6 Monate), Albanien (Aufenthalt 5 Tag), Kosovo (Aufenthalt 1 Tag), Serbien (Aufenthalt 2,5 Monate) und Ungarn (Durchreise) nach Österreich gelangt.

Er habe in Griechenland um Asyl angesucht, den Stand seines Asylverfahrens in Griechenland wisse er nicht. Er habe in Griechenland keine Unterstützung bekommen und auf der Straße schlafen müssen. Er möchte nicht mehr zurück. Sein Zielland sei Deutschland gewesen. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, die Türkei habe seine Stadt Afrin im August 2018 bombardiert, er hätte Angst um sein Leben gehabt und deshalb sein Heimatland verlassen. Bei einer Rückkehr in die Heimat habe er Angst vor der Türkei und der syrischen Regierung. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen.

1.3. In der Folge führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge BFA) Konsultationen mit Griechenland.

Mit Schreiben vom 5.6.2020 teilte Griechenland mit, dass der Beschwerdeführer in Griechenland am 5.6.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hat. Seit 3.4.2020 sei er anerkannter Flüchtling in Griechenland.

1.4. Bei einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 15.7.2020 gab der Beschwerdeführer an, er fühle sich physisch und psychisch in der Lage, die Einvernahme durchzuführen. Er habe eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen und bis dato im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt

Die Frage, ob er irgendwo um Asyl angesucht habe, wurde vom Beschwerdeführer verneint. Er gab dazu an, er habe nur Fingerabdrücke abgegeben und seien Fotos gemacht worden, damit er einen Ausweis erhalte, um sich dort frei zu bewegen. Er habe den Dolmetscher ausdrücklich gefragt, ob es ein Asylantrag sei und er habe das verneint. Befragt nach dem Stand seines Asylverfahrens in Griechenland, gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Ausweis bekommen und sei 6 Monate in Griechenland gewesen. Er habe von den griechischen Behörden ein Schreiben erhalten, dass er sich frei bewegen könne. Er habe auf das Verfahren nicht gewartet. Er habe nicht gewusst, dass ein Asylverfahren laufe. Ihm sei keine Entscheidung zu seinem Asylverfahren mitgeteilt worden. Er habe ihn Griechenland nur eine Decke bekommen. Weil das Camp überlastet gewesen wäre, habe man ihm gesagt, dass er sich mit der Decke einen Schlafplatz suchen solle. Er habe nur 90 Euro im Monat bekommen, um sich zu versorgen. Er habe in Griechenland keinen Aufenthaltstitel erhalten. Über Vorhalt, dass ihm der Aufenthaltstitel, den er seit 03.04.2020 habe, bislang nicht habe ausgefolgt werden können, gab der Beschwerdeführer an, er habe es nicht abgewartet. Er habe zwar eine Aufenthaltsberechtigung gehabt, sei aber nicht versorgt worden. Zur beabsichtigten Ausweisung nach Griechenland gab der Beschwerdeführer an, er wolle nicht nach Griechenland, weil er dort gemerkt habe, dass es dort Rassismus von der Polizei und den Menschen gegen Leute wie ihn gäbe. Er sei krank und im Spital gewesen, wäre aber nicht aufgenommen und nicht behandelt worden. Gleich bei der Einreise in Griechenland hätte er festgestellt, dass es dort nicht gut sei. Er habe die Zeit in Österreich genossen und gemerkt, dass es hier besser sei. Man erkenne das Asyl an und werde hier besser behandelt. Er habe in Österreich etwas ganz Anderes als in Griechenland erlebt.

1.5. Mit Bescheid des Bundesamts vom 16.07.2020 wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der Beschwerdeführer nach Griechenland zurückzugeben habe. In Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich die Lage für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Griechenland einschließlich des Zuganges zu medizinischer Versorgung dar: Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen:

Allgemeines zum Asylverfahren

Letzte Änderung: 4.10.2019

Das griechische Asylverfahren besteht im Wesentlichen aus einem Verfahren für nach dem 7. Juni 2013 gestellte Anträge. Die griechische Asylbehörde führt es dezentral in ihren Regional Asylum Offices (RAO) oder den Asylum Units (AU) durch. Zusätzlich existiert noch ein Verfahren für Anträge, die vor dem 7. Juni 2013 gestellt wurden (Altfälle). Außerdem wird derzeit auf den griechischen Ägäisinseln Lesbos, Chios, Samos, Leros, Rhodos und Kos ein Fast-Track-Verfahren praktiziert. Bedingt durch das Abkommen mit der Türkei, wird bei Personen, die nach dem 20. März 2016 auf den Inseln ankommen sind, mittels jenes Fast-Track-Verfahrens festgestellt, ob ihr Antrag zulässig ist, oder ob sie in die Türkei zurückkehren müssen. (Für zusätzliche Informationen siehe Abschnitt 6.2 Unterbringung auf den Ägäischen Inseln (Hotspots)). Es existieren in allen Verfahren Beschwerdemöglichkeiten (bei unterschiedlichen Rechtsmittelfristen) mit aufschiebender Wirkung (AIDA 3.2019; für ausführliche Informationen zum Asylverfahren siehe folgende Quellen: AIDA 3.2019; vgl. MCP o.D.a; MCP o.D.b; USDOS 13.3.2019).

2019 gab es in Griechenland bis 30. Juni 30.443 Asylanträge (VB 21.8.2019).

Internationale Organisationen, NGOs und Menschenrechtsaktivisten äußern sich besorgt über Probleme im griechischen Asylsystem, einschließlich Schwierigkeiten bei der Antragstellung und bezüglich der Sorgfalt bei der Prüfung der Anträge und Beschwerden; des Mangels an geeigneten Empfangszentren und Personal; der unhygienischen Zustände; der Überbelegung; unzureichender Wohlfahrts-, Integrations-, Beratungs-, Rechts- und Dolmetscherdienste; Diskriminierung; sowie Inhaftierung in überfüllten Reception and Identification Centres (RIC) (USDOS 13.3.2019; vgl. AIDA 3.2019; CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; UNHCR 4.2019).

Berichten zufolge wendet Griechenland immer wieder sogenannte Pushbacks an, besonders beim Fluss Evros, der die natürliche Grenze zwischen Griechenland und der Türkei bildet, um Migranten vom griechischen Territorium fernzuhalten. Berichte verweisen auf die systematische Gewaltanwendung durch Strafverfolgungsbehörden im Grenzgebiet Evros, gefolgt von illegaler Abschiebung von Personen, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können (GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; CoE-PACE 8.6.2019; AIDA 3.2019; DZ 24.3.2019). In diesem Zusammenhang wurde keine ordnungsgemäße offizielle Untersuchung eingeleitet. Eine vom Ombudsmann eingeleitete Untersuchung von Amts wegen vom Jahr 2017 ist immer noch nicht abgeschlossen (AIDA 3.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es gibt auch Berichte über Push-Backs, Gewalt, Diebstähle und Misshandlung durch uniformierte und maskierte Truppen ohne erkennbare Insignien (CoE-PACE 8.6.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es kommt zu rassistischen Angriffen auf Flüchtlinge, Migranten und deren Verteidiger. Auf den Inseln nimmt die fremdenfeindliche Rhetorik in den lokalen Gemeinschaften zu. Eine Polizeistatistik vom März 2018 zeigt einen deutlichen Anstieg an Hassverbrechen im Vergleich zum Vorjahr (UNHCR 21.3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; EK 7.9.2018; BPB 30.3.2019).

Seit Mai 2019 verzeichnet Griechenland einen unerwarteten Anstieg von Geflüchteten, die aus der Türkei eingereist sind (DZ 9.8.2019). Einem Bericht vom Juli 2019 zufolge waren die Kapazitäten in den Hotspots erneut auf Rekordniveau, die Ankünfte überstiegen die Transfers auf das Festland mehrere Wochen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren vor allem ausgelastete Kapazitäten am Festland und mangelnde Rückführungen in die Türkei (VB 23.7.2019). Mit 29. August 2019 betrug die Anzahl der Flüchtlinge und Migranten auf den Inseln 24.672, der höchste Stand seit drei Jahren. Schließlich wurde am 31. August 2019 die Entlastung der Inseln durch Transfers der Betroffenen in bereits bestehende Unterkünfte auf dem Festland entschieden. Am 2. September 2019 begann der Transfer von 1.500 Migranten aus Lesbos zum Lager Nea Kavala im Norden Griechenlands (ÖB 2.9.2019; vgl. NCCBCIA 30.8.2019; EK 30.8.2019; UNHCR 26.8.2019). Die Rückführung in die Türkei auf der Basis des Sicherer-Drittstaat-Prinzips kann nur von den Inseln aus stattfinden. Die Rücknahmeverpflichtung der Türkei endet, wenn Flüchtlinge von den griechischen Inseln auf das Festland verlegt werden (DS 4.9.2019; vgl. DW 2.9.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        BPB – Bundeszentrale für Politische Bildung (20.3.2019): Current Developments in Greece‘s Refugee and Asylum Policy, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/287927/current-developments-in-greece-s-refugee-and-asylum-policy, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (8.6.2019): Pushback policies and practice in Council of Europe member States [Doc. 14909],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2011497/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019

-        DS – Der Standard (4.9.2019): Ausschreitungen in überfüllten Flüchtlingslager auf Lesbos, https://www.derstandard.at/story/2000108241874/ausschreitungen-in-ueberfuelltem-fluechtlingslager-auf-lesbos, Zugriff 26.9.2019

-        DW – Deutsche Welle (2.9.2019): Griechenland verlegt über tausend Flüchtlinge, https://www.dw.com/de/griechenland-verlegt-%C3%Bcber-tausend-fl%C3%Bcchtlinge/a-50261110, Zugriff 26.9.2019

-        DZ – Die Zeit (9.8.2019): Griechenland will Migranten schneller in die Türkei abschieben, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/asylverfahren-abschiebung-griechenland-tuerkei-migration, Zugriff 26.9.2019

-        DZ – Die Zeit (24.3.2019): Im Freien gefangen, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/eu-tuerkei-abkommen-griechenland-gefluechtete-fluechtlingslager, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Ekathimerini (30.8.2019): Greece sees first mass arrival of migrant boats in three years, http://www.ekathimerini.com/244080/article/ekathimerini/news/greece-sees-first-mass-arrival-of-migrant-boats-in-three-years, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Ekathimerini (7.9.2018): Two migrant teens attacked in northern Greece, NGO reports, http://www.ekathimerini.com/232394/article/ekathimerini/news/two-migrant-teens-attacked-in-northern-greece-ngo-reports, Zugriff 26.9.2019

-        GHM/MRG/OMCT/SOKADRE – GHM – Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG – Minority Rights Group International (Autor), OMCT – World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor) (6.2019): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of Greece,
https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002233.html, Zugriff 26.9.2019

-        MCP – Ministry of Citizen Protection (o.D.a): Applying for asylum, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=62, Zugriff 26.9.2019

-        MCP – Ministry of Citizen Protection (o.D.b): Asylum in Greece, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=103, Zugriff 26.9.2019

-        NCCBCIA – National Coordination Center for Border Control, Immigration and Asylum (30.8.2019): National Situational Picture Regarding the Islands at Eastern Aegean Sea (29/8/2019), https://infocrisis.gov.gr/5593/national-situational-picture-regarding-the-islands-at-eastern-aegean-sea-29-8-2019/?lang=en, Zugriff 26.9.2019

-        ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (2.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (26.8.2019): Aegean Islands – Weekly Snapshot 19-25 August 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71021, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (21.3.2019): Refugees in Greece still exposed to racist violence, https://www.unhcr.org/gr/en/11282-refugees-in-greece-still-exposed-to-racist-violence.html, Zugriff 26.9.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019

-        VB des BM.I Griechenland (21.8.2019): Bericht des VB, per E-Mail

-        VB des BM.I Griechenland (23.7.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Aktuelle Entwicklungen des griechischen Asylgesetzes (seit Ende 2019)

Letzte Änderung: 19.3.2020

Das griechische Parlament hat mit großer Mehrheit eine Verschärfung des Asylgesetzes beschlossen. Die weitreichende Asylgesetzgebung soll ab Anfang 2020 gültig sein. Einige der wichtigsten Änderungen kurz zusammengefasst:

-        Verfahren in 5 Stufen: 1.) Information 2.) Aufenthalt in Aufnahmezentren 3.) Registrierung und medizinische Kontrolle (Vulnerabilität führt zu prioritärem Verfahren, hat aber keine substanzielle Auswirkung auf den Asylantrag) 4.) „neues Asylverfahren“ 5.) Beförderung entweder auf das Festland (vulnerable Personen) oder in Rückführungszentren.

-        Aufnahmephase: Bei Nichtbeachtung von Überstellungsentscheidungen erfolgt eine automatische Zuweisung ins Rückführungsverfahren; der Antrag wird innerhalb von drei Tagen abgewickelt; ebenso gilt dies bei einem Verstoß gegen die Verhaltensregeln in den Hotspots.

-        Verfahrensdauer: Laut dem neuen Gesetz beträgt das reguläre Asylverfahren 6 Monate (+ 3 Monate bei Massenzustrom), das beschleunigte Verfahren 20 Tage (+ 10 Tage bei Massenzustrom) und das Schnellverfahren (Fast-Track) auf den Inseln 7 Tage. Folgeanträge werden innerhalb von 5 Tagen geprüft.

-        Subsidiärer Schutz: Die Dauer der Aufenthaltserlaubnis bei Gewährung von subsidiären Schutz wurde von drei Jahren auf ein Jahr gekürzt.

-        Beschwerdefristen: Zukünftig betragen die Beschwerdefristen beim regulären Asylverfahren 3 Monate, beim beschleunigten Verfahren 40 Tage, bei Unzulässigkeit 30 Tage, bei Beschwerden von Inhaftierten 20 Tage.

-        Zugang zu Beschäftigung wird erst nach 6 Monaten nach Einbringung des Asylantrags gewährt.

-        Haft: Das Gesetz sieht vor, dass Flüchtlinge „ausnahmsweise und aus bestimmten Gründen“ für 50 Tage in Haft gehalten werden können, die verlängert werden kann, aber nicht länger als 18 Monate dauern darf.

-        Aufenthaltsrecht: Ein Aufenthaltsrecht in Griechenland besteht nur bis zum Abschluss des Asylverfahrens in der ersten Beschwerdeinstanz, ein Verfahren in der zweiten Instanz hat keine aufschiebende Wirkung für die Rückführung.

-        Zusammensetzung des Beschwerdeausschusses: Im bisherigen System setzten sich die Beschwerdeausschüsse für abgelehnte Asylwerber aus zwei griechischen Richtern und einem vom UNHCR ausgebildeten unabhängigen Sachverständigen im Flüchtlingsrecht zusammen. Die Ausschüsse sollen zukünftig aus drei Verwaltungsrichtern bestehen. Weiters kann eine Einzelrichterkonstellation beispielsweise für beschleunigte Verfahren angewendet werden.

-        Unbegleitete Minderjährige/Vulnerable: Das neue Gesetz sieht vor, dass das beschleunigte Verfahren auf unbegleitete Minderjährige und andere vulnerable Gruppen angewendet werden kann. Es gibt Änderungen bei der Definition der Familienangehörige, die Einschränkungen bei der Familienzusammenführung bedeuten können. Weiters wurde das Vulnerabilitätskriterium Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (inklusive Überlebende von Schiffsbrüchen) gestrichen.

-        Zugang zu medizinischer Versorgung: Ab 2020 werden Asylwerber nur noch Zugang zur Notfallversorgung haben.

-        Unterbringung: Die neue Regelung sieht vor, dass anerkannte Flüchtlinge gezwungen werden, ihre Unterkunft innerhalb von zwei Monaten statt den bisherigen sechs Monaten nach Schutzgewährung zu verlassen.

-        Verpflichtung der Bewerber zu persönlicher Vorsprache bei jedem Schritt des Asylverfahrens: so soll sicherstellen, dass sich der Asylwerber in der zugewiesenen Region aufhält.

-        NGOs: die am System beteiligten NGOs müssen künftig eine Zertifizierung besitzen (ÖB 23.10.2019a; vgl. AI 24.10.2019; DZ 1.11.2019; EK 22.10.2019; GGHR 1.11.2019; ECRE 31.10.2019; HRW 29.10.2019; TNH 4.11.2019; UNHCR 24.10.2019; MoCP 11.11.2019).

UNHCR, der Ombudsmann, die Nationale Menschenrechtskommission, zivilgesellschaftliche Organisationen und die Athener Anwaltskammer zeigten sich tief besorgt über das Ziel der Gesetze, über die Vereinbarkeit ihrer Bestimmungen mit dem nationalen und internationalen Recht und den Verwaltungsdruck, den die Gesetze auf die Asylbehörden ausüben können. Oppositionsparteien (SYRZIA, KINAL, KKE) äußerten bei den Diskussionen im Parlamentsausschuss am 29.10.2019 ähnliche Bedenken (ECRE 31.10.2019; vgl. ÖB 23.10.2019a; ÖB 23.10.2019b; BI 1.11.2019; HRW 29.10.2019; UNHCR 24.10.2019).

Die Opposition sowie NGOs hatten auch Kritik an der Begutachtungsfrist geübt, die mit vier Arbeitstagen sehr kurz bemessen war. Die kurze Frist zur öffentlichen Konsultation des Gesetzesentwurfs wurde von der Nationalen Kommission für Menschenrechte ebenfalls kritisiert, die die Regierung in Menschenrechtsfragen berät (ÖB 23.10.2019a; vgl. UNHCR 24.10.2019).

Kommentar der Staatendokumentation: Die weiteren praktischen Auswirkungen ab 1.1.2020 werden beobachtet und es wird gegebenenfalls mittels KI reagiert.

Die griechische Regierung hat als Reaktion auf die aktuelle Lage an der griechisch-türkischen Grenze am 2. März 2020 ein Notstandsgesetz erlassen. Gemäß den neusten Bestimmungen wird die Registrierung von Asylanträgen irregulär eingereister Personen ab dem 1. März 2020 voraussichtlich für einen Monat ausgesetzt (ELENA 6.3.2020; vgl. FIDH 5.3.2020; DS 1.3.2020). Darüber hinaus sieht das Gesetz die sofortige Rückkehr irregulär eingereister Personen in ihr Herkunftsland oder in ein Transitland vor, wenn es möglich ist (dabei ist es jedoch noch unklar, wie die Aussage „wenn es möglich ist“ von den griechischen Behörden interpretiert wird) (AI 2.3.2020; vgl. FIDH 10.3.2020). Zudem soll die illegale Einreise scharf sanktioniert werden (PA 4.3.2020). Berichten zufolge haben beispielsweise die Gerichte bereits Haftstrafen für Personen verhängt, welche die Grenze ohne Papiere überquert haben und zwar unter Umständen, die, so die Kritik, die Möglichkeit auf ein faires Verfahren mit einer ordnungsgemäßen Abwicklung, ausschlossen (HRW 4.3.2020; vgl. HRW 10.3.2020).

Eine weitere Reaktionsmaßnahme der griechischen Regierung war die Entsendung von Polizei, Armee und Spezialkräften an die Grenzen, die Durchführung von Militärübungen mit scharfer Munition in der Nähe der Landesgrenze des Evros und der Ägäis, und das Ansuchen um verstärkte Unterstützung bei der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) (HRW 4.3.2020; vgl. AI 2.3.2020).

Die Europäische Union (EU) stellte sich angesichts der Lage an der griechisch-türkischen Grenze demonstrativ hinter die griechische Regierung. Demnach hieß es in der Erklärung, auf die sich die Minister der 27 EU-Mitgliedsstaaten bei ihrem Sondertreffen einigten, dass illegale Grenzübertritte nicht toleriert werden (DST 5.3.2020; vgl. FAZ 5.3.2020).

Die Maßnahmen der griechischen Behörden gegen zunehmende Ankünfte von Migranten über Land und Meer wurden von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen und NGOs stark kritisiert (FIDH 10.3.2020; vgl. AI 2.3.2020; DW 3.3.2020; PA 4.3.2020; HRW 4.3.2020; BBC 9.3.2020; FIDH 5.3.2020).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (24.10.2019): Amnesty International Submission on the proposed changes to the Greek Law on International Protection [EUR 25/1280/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2018926/EUR2512802019ENGLISH.PDF, Zugriff 19.12.2019

-        AI – Amnesty International (2.3.2020): Greece: Inhumane asylum measures will put lives at risk, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025631.html, Zugriff 18.3.2020

-        BBC News (9.3.2020): EU to take in some child migrants stuck in Greece, https://www.bbc.co.uk/news/world-europe-51799470, Zugriff 18.3.2020

-        BI – Balkan Insight (1.11.2019): Tougher Greek Asylum Law Criticised by Rights Groups, https://balkaninsight.com/2019/11/01/tougher-greek-asylum-laws-criticised-by-rights-groups/, Zugriff 19.12.2019

-        DS – Der Spiegel (1.3.2020): Griechenland setzt Asylrecht für einen Monat aus, https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-griechenland-setzt-asylrecht-fuer-einen-monat-aus-a-14421c7e-80da-43d7-976c-9d00cae92127, Zugriff 18.3.2020

-        DST – Der Standard (5.3.2020): Neuer EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei in Arbeit, https://www.derstandard.at/story/2000115347037/neuer-eu-fluechtlingepakt-mit-der-tuerkei-in-arbeit, Zugriff

-        DW – Deutsche Welle (3.3.2020): Wie Empörung in blinde Wut umschlägt, https://www.dw.com/de/wie-emp%C3%B6rung-in-blinde-wut-umschl%C3%A4gt/a-52619223, Zugriff 18.3.2020

-        DZ – Die Zeit (1.11.2019): Griechisches Parlament verschräft Asylgesetz, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/kyriakoks-mitsotakis-griechenland-asylgesetz-verschaerfung, Zugriff 19.12.2019

-        ECRE – European Council on Refugees and Exiles (31.10.2019): Greece: New Restrictions on Rights and Procedural Guarantees in International Protection Bill*, https://www.ecre.org/greece-new-restrictions-on-rights-and-procedural-guarantees-in-international-protection-bill/, Zugriff 19.12.2019

-        EK – Ekathimerini (22.10.2019): Asylum bill faces criticism by human rights organizations, http://www.ekathimerini.com/245728/article/ekathimerini/news/asylum-bill-faces-criticism-by-human-rights-organizations, Zugriff 19.12.2019

-        ELENA – European Legal Network on Asylum (6.3.2020): Weekly Legal Update, https://mailchi.mp/ecre/elena-weekly-legal-update-6-march-2020?e=989a4aebdd#11, Zugriff 18.3.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine (5.3.2020): Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-bekraeftigt-ihre-entschlossenheit-zum-schutz-der-aussengrenzen-16664531.html, Zugriff 18.3.2020

-        FIDH – International Federation for Human Rights (Autor), ActionAid Hellas; ActionAid International; ActionAid Italia, et al. (Autor) (10.3.2020): Refugees Crisis - Protect our laws and humanity!, https://www.fidh.org/en/region/europe-central-asia/greece/refugees-crisis-protect-our-laws-and-humanity, Zugriff 18.3.2020

-        FIDH – International Federation for Human Rights (Autor), IUIA-IROL - Institute for the Rule of Law – International Association of Lawyers; ELDH - European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights; AED - European Democratic Lawyers; et al. (Autor) (5.3.2020): Greece - violation of refugees' human rights is unjustifiable, https://www.fidh.org/en/region/europe-central-asia/greece/greece-violation-of-refugee-s-human-rights-is-unjustifiable, Zugriff 18.3.2020

-        GGHR – Government Gazette of the Hellenic Republic (1.11.2019): Law No 4636 On International Protection and other provisions, per E-Mail via ÖB Athen

-        HRW – Human Rights Watch (10.3.2020): Greece/EU: Allow New Arrivals to Claim Asylum, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026151.html, Zugriff 18.3.2020

-        HRW – Human Rights Watch (4.3.2020): Greece/EU: Respect Rights, Ease Suffering at Borders, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025901.html, Zugriff 18.3.2020

-        HRW – Human Rights Watch (29.10.2019): Greece: Asylum Overhaul Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019174.html, Zugriff 19.12.2019

-        MoCP – Hellenic Republic Ministry of Citizen Protection (11.11.2019): Overview of Law 4636/2019 on International Protection, Bericht via VB, per E-Mail

-         ÖB – Österreichische Botschaft des BM.A in Athen (23.10.2019a), Bericht der ÖB, per E-mail

-         ÖB – Österreichische Botschaft des BM.A in Athen (23.10.2019b), Bericht der ÖB, per E-mail

-        PA – Pro Asyl (4.3.2020): Die griechisch-türkische Grenze darf nicht zur menschenrechtsfreien Zone werden!, https://www.proasyl.de/news/die-griechisch-tuerkische-grenze-darf-nicht-zur-menschenrechtsfreien-zone-werden/, Zugriff 18.3.2020

-         TNH – The New Humanitarian (4.11.2019): Briefing: How will Greece’s new asylum law affect refugees?, https://www.thenewhumanitarian.org/news/2019/11/04/Greece-new-asylum-law-refugees, Zugriff 19.12.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (24.10.2019): UNHCR urges Greece to strenghten safeguards in draft asylum law, https://www.unhcr.org/gr/en/13170-unhcr-urges-greece-to-strengthen-safeguards-in-draft-asylum-law.html, Zugriff 19.12.2019

Non-Refoulement

Letzte Änderung: 4.10.2019

Generell bietet Griechenland einen gewissen Schutz gegen Ausweisung oder Rückkehr von Personen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre. Bei Rückschiebungen im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens soll gelegentlich Personen die Asylantragstellung verweigert worden sein. Außerdem gibt es Berichte über informelle Push-backs an See- und Landgrenzen, wobei es immer wieder zu Gewaltanwendung kommt (USDOS 13.3.2019; vgl. AIDA 3.2019; ARSIS/GCR/HR360 11.12.2018; CoE-CPT 19.2.2019; CoE-CommDH 6.11.2018; CoE-PACE 8.6.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        ARSIS/GCR/HR360 – Association for the Social Support of Youth/Greek Council for Refugees/Human Rights 360 (11.12.2019): The new normality: Continuous push-backs of third country nationals on the Evros river, https://www.gcr.gr/el/news/press-releases-announcements/item/1028-i-nea-kanonikotita-ston-evro-ameiotes-synexizontai-oi-paranomes-epanaproothiseis-politon-triton-xoron, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (19.2.2019): Report to the Greek Government on the visit to Greece carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 19 April 2018 [CPT/Inf (2019) 4],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2003329/2019-04-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24],
https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (8.6.2019): Pushback policies and practice in Council of Europe member States [Doc. 14909],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2011497/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019

Versorgung

Letzte Änderung: 4.10.2019

Das Gesetz sieht vor, dass die Bereitstellung der Aufnahmebedingungen für Asylwerber durch die zuständige Behörde in Zusammenarbeit mit den gegebenenfalls zuständigen Regierungsstellen, internationalen Organisationen und zugelassenen gesellschaftlichen Akteuren gewährleistet wird. Die materiellen Aufnahmebedingungen sind unter anderem von den verfügbaren materiellen Ressourcen der Betroffenen abhängig. Unter bestimmten Umständen kann die materielle Versorgung auch gekürzt oder gestrichen werden. In der Praxis sind Asylwerber auf den Inseln von gewissen Aufnahmebedingungen ausgeschlossen. Dies gilt auch für Asylwerber, die sich in Haftanstalten befinden. Die materielle Versorgung wird entweder in Form von Sachleistungen oder als Geldleistungen erbracht. Im Rahmen der sogenannten Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA) unter der Leitung von UNHCR, finanziert von der Europäischen Kommission, werden mittels einer speziellen Karte vorab festgelegte monatliche Bargeldzuwendungen (Cash-Card-Programm) für Flüchtlinge und Asylwerber ausbezahlt. Dies bietet ihnen die Möglichkeit, ihren Grundbedarf selbst zu decken, wodurch sie auch die lokale Wirtschaft unterstützen (AIDA 3.2019; vgl. EK 2.4.2018; EK 20.12.2018). Im Juli 2019 gab es 72.290 Bezieher der EU-finanzierten Geldleistungen, darunter 13.800 anerkannte Schutzberechtigte (UNHCR 7.2019). Der Auszahlungsbetrag liegt zwischen 90 € für eine Einzelperson mit Unterkunft und Verpflegung und bis zu 550 € für eine Familie mit sieben oder mehr Personen (AIDA 3.2018; vgl. UNHCR 7.2019). Antragsteller dürfen in Griechenland arbeiten, sobald sie über die dazu notwendigen Dokumente („international protection applicant card“ oder „asylum seeker‘s card“) verfügen. Aber die hohe Arbeitslosigkeit und bürokratische Hürden (z.B. Schwierigkeiten beim Zugang zur Steuernummer) schränken die Möglichkeiten ein, eine legale Beschäftigung finden zu können (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Europäische Kommission (20.12.2018): Migration und Grenzen: Kommission genehmigt 305 Mio. EUR für unter Druck stehende Mitgliedstaaten, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-6884_de.htm, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Europäische Kommission (2.4.2018): Unterstützung für Flüchtlinge in Griechenland: 180 Mio. EUR an Soforthilfe, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-2604_de.htm, Zugriff 26.9.2019

-        GHM/MRG/OMCT/SOKADRE – GHM – Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG – Minority Rights Group International (Autor), OMCT – World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of Greece, https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (7.2019): Cash Assistance Update, http://estia.unhcr.gr/en/greece-cash-assistance-july-2019/, Zugriff 26.9.2019

Unterbringung auf dem Festland

Letzte Änderung: 4.10.2019

Das sogenannte Reception and Identification Service (RIS) und das sogenannte Directorate for the Protection of Asylum Seekers werden gegebenenfalls als zuständige Behörde für die Aufnahme von Asylwerbern benannt. Darüber hinaus werden im Rahmen des Hilfsprojekts der Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA), eine Kooperation von UNHCR und Europäischer Kommission, Anträge auf Unterbringung von vulnerablen Asylwerbern bearbeitet. Das sogenannte National Center for Social Solidarity (EKKA) ist für die Unterbringungsvermittlung von UM zuständig (AIDA 3.2013).

Wenn die Unterbringung von Antragsstellern in Form von Sachleistungen erfolgt, sollte eine oder eine Kombination der folgenden Unterbringungsformen angewendet werden: (a) Unterbringung an der Grenze oder in den Transitzonen; (b) Aufnahmezentren in adaptierten öffentlichen oder privaten Gebäuden, welche von staatlichen oder privaten gemeinnützigen Organisationen verwaltet werden; (c) Privathäuser, Wohnungen oder Hotels, die im Rahmen des Unterbringungsprogramms für Antragssteller gemietet und entweder von staatlichen oder privaten gemeinnützigen Organisationen oder von internationalen Organisationen betrieben werden (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018).

2016 wurde auf dem Festland eine Reihe von temporären Lagern errichtet, um die Bedürfnisse von Drittstaatsangehörigen zu befriedigen, die nach der Schließung der Westbalkanroute in Griechenland aufhältig waren. Es gibt ca. 25 solcher Einrichtungen, die auf unklarer Rechtsbasis operieren. Nur drei dieser Zentren können als offiziell bezeichnet werden: Elaionas, Schisto und Diavata, die Ende Dezember 2018 eine Gesamtkapazität von 4.106 Plätzen hatten. Etwa 21 weitere Zentren sind inoffiziell existent. Inklusive Elaionas, Schisto und Diavata lag die Auslastung der temporären Unterbringungszentren am 7.9.2018 bei 16.110 Personen. Aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage für die Errichtung der überwiegenden Mehrheit der Lager gelten keine Mindestnormen und sind keine Hausregeln in Kraft. Weiters gibt es in Griechenland keine Möglichkeit, eine Beschwerde gegen die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen einzureichen. Die Bedingungen sind je nach Einrichtung auf dem Festland unterschiedlich, da an jedem Standort verschiedene Arten von Unterkünften und Dienstleistungen angeboten werden. Eine beträchtliche Anzahl der Lager besteht aus vorgefertigten Einheiten oder befindet sich in Gebäuden oder Militärbaracken. In einigen Lagern auf dem Festland wurden Zelte aufgestellt, um den erhöhten Bedarf an Unterkünften im Jahr 2018 zu decken. In mehreren Einrichtungen sind die Umstände nach wie vor schlecht, da Überbelegung, mangelnde Leistungserbringung (unter anderem in Hinsicht auf medizinische und psychologische Versorgung), Gewalt, Sicherheitsdefizite und fehlende Rechtsgrundlage gemeldet werden (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommdH 6.11.2018). Ausführliche Informationen zu den verfügbaren Diensten und Defiziten in den einzelnen Lagern auf dem Festland sind dem im 9.2018 herausgegebenen Protection Monitoring Tool zu entnehmen (ASB/DRO/IOM/UNHCR 9.2018).

Die Binnenverteilung der Flüchtlinge erfolgt nur schleppend, so ist der Großteil in Athen und Thessaloniki untergebracht (UNHCR 9.2019; vgl ÖB 23.9.2019).

Das Hilfsprojekt der Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA) ist eine Kooperation von UNHCR und Europäischer Kommission, mit dem Ziel Flüchtlinge außerhalb von Lagern unterzubringen und zu versorgen (EK 2.4.2018). Von den insgesamt 23.156 Plätzen (Stand 1.1.2019) befinden sich 1.510 Plätze auf den Inseln. Bis Ende Dezember 2018 waren 22.686 Personen im Rahmen des Programms untergebracht, davon 5.649 anerkannte Flüchtlinge und 17.037 Asylwerber. In den ESTIA-Einheiten werden hauptsächlich Familien mit einer Durchschnittsgröße von fünf Personen untergebracht; 48% der Untergebrachten sind Kinder (AIDA 3.2019). Das ESTIA-Unterbringungsprogramm steht nur besonders schutzbedürftigen Asylwerbern offen (Pro Asyl/RSA 8.8.2018).

Trotzdem führen Kapazitätsmangel, kontinuierliche Ankünfte und die geringen Rückführungszahlen zu einer allgemeinen Überbelegung der griechischen Aufnahmezentren, insbesondere auf den Ägäischen Inseln, wo die Situation besonders kritisch ist, aber auch auf dem Festland (CoE-CommdH 6.11.2018). Ein weiteres Problem stellen die Mittel- und Obdachlosigkeit dar. Die Zahl der obdachlosen Antragssteller ist unbekannt. Aufgrund des Mangels an Unterbringungskapazitäten auf dem Festland greifen Neuankömmlinge, einschließlich Vulnerable, auf Notunterkünfte zurück oder bleiben in den städtischen Gebieten von Athen, Thessaloniki und Petra obdachlos. Andere leben unter prekären Bedingungen in besetzten oder verlassenen Gebäuden ohne Zugang zu Strom oder Wasser (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA 8.8.2018; MSF 18.3.2019).

Im Nordosten Griechenlands, nahe der türkischen Grenze, befanden sich im Erstaufnahme- und Identifikationszentrum (RIC) von Fylakio, auch als „Hotspot“ genannt, Ende 2018 240 Personen (davon ca. 120 UM) (AIDA 3.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        ASB/DRO/IOM/UNHCR – Arbeiter Samariter-Bund/Danish Refugee Council/ UN High Commissioner for Refugees (9.2018): Protection Monitoring Tool – Open Reception Facilities (sites) in the Mainland, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/67419.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommdH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Europäische Kommission (2.4.2018): Unterstützung für Flüchtlinge in Griechenland: 180 Mio. EUR an Soforthilfe, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-2604_de.htm, Zugriff 26.9.2019

-        MSF – Médecins Sans Frontières (18.3.2019): EU-Turkey deal continues cycle of containment and despair,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2005674.html, Zugriff 26.9.2019

-        Pro Asyl/RSA – Refugee Support Aegean (8.2018): Update – Stellungnahme – Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/701739/1999815/1999817/20085633/PRO_ASYL%2C_Lebensbedingungen_international_Schutzberechtigter_in_Griechenland%2C_30%2E08.2018.pdf?nodeid=20085316&vernum=-2, Zugriff 26.9.2019

-        ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (23.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (9.2019): Diplomatic Missions Briefing, Bericht per E-Mail

Unterbringung auf den Ägäischen Inseln (Hotspots)

Letzte Änderung: 4.10.2019

Seit Inkrafttreten der EU-Türkei-Erklärung vom 18.3.2016 hat sich die Funktion der griechischen Hotspot-Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos grundlegend gewandelt. Von Registrierungs- und Verteilungszentren wurden sie zu Erstaufnahme- und Identifikationszentren (RIC - Reception and Identification Centres) und Langzeitlager umgewandelt, in denen Zulässigkeitsprüfungen und Asylverfahren durchgeführt werden, was durch die geografische Restriktion der Bewegungsfreiheit auf die Inseln in Folge der EU-Türkei-Erklärung ermöglicht wird. Menschen werden dabei nach dem irregulären Übertritt der europäischen Außengrenze in der Ägäis auf den griechischen Hotspot-Inseln festgesetzt und an der Weiterreise gehindert (BM 5.2019; vgl. AIDA 3.2019). Wird in den Hotspots ein Asylantrag gestellt, ist dieser im Grenzverfahren beschleunigt zu behandeln. Ein wichtiges Element des beschleunigten Grenzverfahrens ist die Zulässigkeitsprüfung. Dabei wird geprüft, ob die Türkei für einen Antragsteller entweder als sicherer Drittstaat oder als first country of asylum bestimmt werden kann. Ist dies der Fall, wird der Asylantrag der Person als unzulässig abgelehnt und sie kann ohne Prüfung der Asylgründe in die Türkei abgeschoben werden (AIDA 3.2019).

Auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos gibt es fünf Reception and Identification Centers (RIC). Zusammen mit anderen Unterbringungsarten waren Ende 2018 folgende Kapazitäten/Auslastungen vorhanden:

(AIDA 3.2019).

Ende September befanden sich etwa 88.750 Flüchtlinge und Migranten in Griechenland, davon 25.250 Personen auf den Inseln (Stand: Ende August 2019). Auf den Inseln (Hotspots) wurden 20.500 Personen in den sogenannten Reception and Identification Centers (RIC); 1.450 in offenen Zentren; 1.500 im Rahmen des ESTIA-Programms und 1.800 Personen in sonstigen Unterkünften untergebracht. Die Inseln sind weiterhin überfüllt. Derzeit sind in Samos 7 mal mehr Flüchtlinge als vorgesehen untergebracht, Moria (Lesbos) arbeitet auf 5facher Kapazität, Kos auf 4facher und Chios und Leros auf 2facher Kapazität. Die einheimische Bevölkerung auf den Inseln reagiere immer schlechter auf die Unterbringung weiterer Flüchtlinge, da sich durch die Überfüllung der Lager zusätzliche Konfliktfelder ergeben (UNHCR 9.2019; vgl. ÖB 23.9.2019).

Die Hotspots werden vor allem für mangelnde Unterbringungsbedingungen und Überbelegung kritisiert. Probleme mit der Qualität von Wasser, Nahrung, Versorgung vulnerabler Gruppen, Information, rechtlicher Hilfe und Übersetzerleistungen, gibt es weiterhin. Medizinische und psychologische Versorgung sind ungenügend und erschwert zugänglich. In den Camps auf den Inseln gibt es regelmäßig Unruhen, die zu Spannungen und vereinzelt zu Polizeigewalt führen. Darüber hinaus wird über Gewalt unter den Hotspots-Einwohnern, aber auch über Spannungen zwischen den Einheimischen und den Lagerbewohnern berichtet. Weiters wurden Fälle physischer und sexueller Belästigung und Gewalt innerhalb der Hotspots und eine hohe Rate psychologischer Probleme gemeldet (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommdH 6.11.2018; MSF 18.3.2019; HRW 17.1.2019). Es gibt nicht genug winterfeste Quartiere, keine ausreichende medizinische Versorgung und keinen vernünftigen Schulunterricht für Kinder (AI 15.3.2019).

Es fanden vom 30. August bis zum 04. September 2019 insgesamt 1.958 Überführungen von den Inseln auf das Festland statt (ÖB 6.9.2019). Die meisten von ihnen wurden in das Camp Nea Kavala verlegt, die restlichen in verfügbare Unterkünfte in Nord-Griechenland (VB 6.9.2019). Die Kapazitätsgrenze wurde auf dem Festland erreicht. Vor allem in der Region Kavalla bestehen derzeit nur Zeltunterkünfte, die nicht für eine Winterunterbringung geeignet sind (ÖB 6.9.2019).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (15.3.2019): Drei Jahre EU-Türkei-Deal: Kein Grund zum Feiern, https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/tuerkei-drei-jahre-eu-tuerkei-deal-kein-grund-zum-feiern, Zugriff 26.9.2019

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        BM – Boardermonitoring.eu (5.2019): Gefangene des Deals, https://bordermonitoring.eu/berichte/2019-gefangene-des-deals/, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommdH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002233.html, Zugriff 26.9.2019

-        MSF – Médecins Sans Frontières (18.3.2019): EU-Turkey deal continues cycle of containment and despair,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2005674.html, Zugriff 26.9.2019

-        ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (23.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

-        ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (6.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (9.2019): Diplomatic Missions Briefing, Bericht per E-Mail

-        VB des BM.I Griechenland (6.9.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 4.10.2019

Nach der nationalen Gesetzgebung haben Asylwerber Anspruch auf kostenlosen Zugang zu notwendiger Gesundheits-, Arzneimittel- und Krankenhausversorgung, gegebenenfalls einschließlich der erforderlichen psychiatrischen Versorgung (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018). Weiters ermöglicht das Gesetz den freien Zugang zu öffentlichen Gesundheitsdiensten und pharmazeutischer Behandlung für Personen ohne Sozialversicherung und Vulnerable, das gilt auch für Asylwerber und deren Familienangehörige (AIDA 3.2019). Berichten zufolge ist der Zugang zu medizinischer Versorgung in der Praxis trotz der günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen sehr eingeschränkt. Das von den sukzessiven Sparmaßnahmen stark betroffene öffentliche Gesundheitswesen steht weiterhin unter Druck und ist nicht in der Lage, den Gesamtbedarf an Gesundheitsdienstleistungen, weder für die Einheimischen noch für Migranten, zu decken. Dazu kommen die administrativen Hindernisse für Asylwerber beim Erhalt der Sozialversicherungsnummer (CoE-CommDH 6.11.2018; vgl. AIDA 3.2019).

Alle Einwohner des Landes haben Anspruch auf medizinische Notfallversorgung unabhängig vom Rechtsstatus. Notfälle oder komplexere Fälle werden in die oft überlasteten und unterbesetzten lokalen Krankenhäuser überwiesen. Einige chronisch erkrankte Personen hatten weiterhin Probleme beim Zugang zu entsprechenden Medikamenten (USDOS 13.3.2019).

In den letzten drei Jahren lebten tausende von Personen infolge des EU-Türkei-Abkommens unter überfüllten, unhygienischen, unsicheren und erniedrigenden Bedingungen mit geringem Zugang zu medizinischer Grundversorgung in den Hotspots. Dies führte zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes (MSF 18.3.2019). Die Situation in den überbelegten Lagern auf den Ägäischen Inseln – insbesondere in Moria auf Lesbos und in Vathy auf Samos – bleibt weiterhin besorgniserregend und der Zugang zu Gesundheitsdiensten besonders eingeschränkt (AIDA 3.2019; CoE-PACE 4.3.2019).

Betreffend der Zuständigkeit der Gewährleistung der medizinischen Versorgung gehen die Quellen auseinander. Laut Ärzte ohne Grenzen (MSF) wird die humanitäre und medizinische Verantwortung auf den Inseln heute noch von freiwilligen Organisationen getragen, die die Zuständigkeit des Staates ersetzen (MSF 9.9.2019). Laut dem Bericht der Kommissarin des Europarats für Menschenrechte liegt hingegen die Verantwortung für die Gesundheitsdienste auf den Inseln seit 2017 nicht mehr bei NGOs, sondern bei staatlichen Akteuren (insbesondere beim Gesundheitsministerium und KEELPNO). NGOs zufolge führte diese Änderung zu weiteren Einschränkungen beim Zugang zu medizinischer Versorgung sowie ambulanter Behandlung, die mit Leistungslücken und Personalmangel im Gesundheitswesen begründet werden (CoE-CommDH 6.11.2018). Das US Außenministerium berichtet, dass die medizinische Betreuung in den Unterbringungszentren durch Freiwillige, Vertragsärzte der NGOs, Hellenic Center for Disease Control and Prevention (KEELPNO) und Militärärzte gemeinsam gewährleistet wird (USDOS 13.3.2019).

Die Anzahl, der in den RIC tätigen medizinischen Mitarbeiter reicht demnach nicht aus, um den Bedarf zu decken. Nach Angaben der griechischen Behörde arbeiten 62 Gesundheitsfachkräfte, darunter 23 Ärzte in Moria. Andere Quellen sprechen von niedrigeren Zahlen. Die offiziellen Zahlen in den anderen Hotspots liegen unter denen von Moria. Die Arbeit der medizinischen Teams wird durch den Mangel an Dolmetschern und interkulturellen Vermittlern erschwert. In Moria untergebrachte Personen geben an, dass sie sowohl im RIC als auch im lokalen Krankenhaus eine unangemessene Medikation erhielten. NGOs betonen, dass die Bedingungen in den Hotspots gefährlich und unhygienisch seien, insbesondere für Kinder und dass Krankheiten im Zusammenhang mit schlechter Hygiene (z.B. Hautinfektionen, ansteckende Krankheiten, einschließlich Tuberkulose) unter diesen Bedingungen nicht angemessen behandelt werden können. Darüber hinaus müssen sich die medizinischen Fachkräfte auch mit zunehmenden Problemen der psychischen Gesundheit auseinandersetzen, die manchmal durch die Lebensbedingungen in den RICs verursacht werden (CoE-CommDH 6.11.2018). Der Mangel an Psychologen und Dolmetschern erschwert die Identifikation und Betreuung von Asylwerbern, die unter nicht offensichtlichen Vulnerabilität (z.B. Folteropfer) leiden (UNHCR 27.8.2019).

Seit 2016 stellt MSF in Griechenland diverse Dienste wie medizinische Grundversorgung, Behandlung chronischer Erkrankungen, sexuelle und reproduktive Gesundheitsfürsorge, Physiotherapie, klinisch-psychologische Betreuung sowie ein umfassendes soziales Unterstützungspaket zur Verfügung. Die MSF Psychologen-Teams betreuen weiters Menschen mit psychischen Problemen wie Depression, Angstzustände und Psychosen und rehabilitieren Überlebende von Folter. Von den Psychologen wird die Wohnsituation der Patienten als größtes Problem genannt (MSF 18.3.2019).

UNHCR arbeitet daran, den Zugang der Asylwerber und anerkannten Flüchtlinge zu medizinischer Versorgung zu verbessern und kooperiert hierzu mit staatlichen Stellen. Weiters unterstützt UNHCR finanziell die medizinische Grundversorgung und die psychosoziale Betreuung auf Lesbos und die psychische Gesundheitsversorgung in Attika. Die Vergabe der Sozialversicherungsnummer (AMKA) wurde im Juli 2019 unterbrochen, da ein Schreiben zur AMKA-Vergabe widerrufen wurde, das neu eingetroffenen Asylwerbern den Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten verwehrt. Dies erschwert auch den Zugang zu Unterkünften für Obdachlose und für Opfer sexueller Gewalt sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung, für Menschen mit chronischen Erkrankungen (UNHCR 27.8.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (4.3.2019): The situation of migrants and refugees on the Greek islands: more needs to be done [Doc. 14837], https://www.ecoi.net/en/file/local/2004109/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019

-        MSF – Médecins Sans Frontières (18.3.2019): EU-Turkey deal continues cycle of containment and despair,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2005674.html, Zugriff 26.9.2019

-        MSF – Médecins Sans Frontières (9.9.2019): Greece: Greek and EU authorities deliberately neglecting people trapped on islands, https://www.msf-me.org/article/greece-greek-and-eu-authorities-deliberately-neglecting-people-trapped-islands, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (27.8.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 July 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71038, Zugriff 26.9.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019

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Schutzberechtigte

Letzte Änderung: 4.10.2019

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Humanitär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Die Aufenthaltserlaubnis wird in der Regel ein bis zwei Monate nach der Entscheidung ausgestellt. In der Zwischenzeit gilt die Asylwerberkarte mit dem Stempel „Pending Residence Permit". Nach fünf Jahren Aufenthalt kommt ein Flüchtling für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung infrage, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt (AIDA 3.2019). Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. Sie erhalten außerdem nur dann international gültige Reisedokumente, wenn sie keine Reisedokumente ihres Heimatstaats erlangen können. Darüber hinaus bestehen keine rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede bei der Behandlung der genannten Personengruppen (AA 26.9.2018a; vgl. AIDA 3.2019).

NGOs bezeichnen die Lebensbedingungen für Menschen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland als alarmierend. Schutzberechtigte sehen sich nicht nur mit fehlenden Möglichkeiten zur Integration in die griechische Gesellschaft konfrontiert, sondern auch oft mit unzulänglichen Lebensumständen und humanitären Standards, einer äußerst prekären sozioökonomischen Situation und kämpfen oft um ihr bloßes Überleben. Es bestehen weiterhin flächendeckende Defizite bezogen auf die Aufnahme, Versorgung und Integration von Schutzberechtigten. In der Praxis besteht für Flüchtlinge immer noch kein gesicherter Zugang zu Unterbringung, Lebensmittelversorgung, medizinischer und psychologischer Behandlung oder zum Arbeitsmarkt. Auf dem Festland sind Fälle bekannt, in denen anerkannte Flüchtlingeinoffiziell für einige Monate weiter in den Unterbringunszentren bleiben durften und Bargeld erhielten wie Asylbewerber. Jedoch wurden für sie keine weiteren Integrationsmaßnahmen ergriffen. Sie erhielten keinen Zugangzu entsprechenden Informationen oder Unterstützung bei der Integration (Pro Asyl/RSA 8.2018).

Besondere staatliche Hilfsangebote für anerkannte Schutzberechtigte

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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