TE Vwgh Beschluss 2020/12/18 Ra 2017/08/0007

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Veröffentlicht am 18.12.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §111 Abs1
ASVG §111 Abs2
ASVG §33 Abs1
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VStG §19 Abs1
VStG §19 Abs2
VStG §9 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §29 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die außerordentliche Revision des G S in L, vertreten durch Dr. Christian Schubeck, Dr. Michael Schubeck, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 8. November 2016, 405-7/89/1/12-2016, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15. April 2016, mit dem der Revisionswerber schuldig erkannt worden war, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener einer GmbH zu verantworten, dass diese am 5. Mai 2015 einen Arbeitnehmer als LKW-Fahrer beschäftigt habe, ohne diesen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, er (der Revisionswerber) habe hierdurch eine Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 und 2 ASVG begangen und werde hierfür gemäß § 111 Abs. 2 ASVG mit einer Geldstrafe von € 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 336 Stunden) bestraft, als unbegründet ab.

2.2. Das Verwaltungsgericht führte zum (hier im Blick stehenden) Strafausspruch im Wesentlichen aus, es komme der zweite Strafrahmen des § 111 Abs. 2 ASVG zur Anwendung, weil ein Wiederholungsfall vorliege. Der Revisionswerber weise nämlich bereits zwei - laut der außer Streit gestellten „Vormerkungsabfrage“ vom 17. Oktober 2016: drei - Bestrafungen in den Jahren 2012 bis 2014 zu (zweimal) € 2.180,-- und (einmal) € 2.910,-- wegen Übertretungen des § 111 Abs. 1 und 2 iVm. § 33 Abs. 1 (bzw. einmal Abs. 2) ASVG auf. Weitere zwei Bestrafungen in den Jahren 2013 und 2014 zu € 2.600,-- und € 4.500,-- beträfen Übertretungen des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 AuslBG. Ferner schienen zahlreiche (über 40) Verwaltungsstrafen vorrangig im verkehrsrechtlichen Bereich auf. Was das Verschulden anbelange, so sei dem Revisionswerber - infolge Verletzung der Erkundigungspflicht bzw. Nichteinrichtung eines Kontrollsystems - zumindest grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Milderungsgründe lägen nicht vor, insbesondere stelle - mit Blick auf den Schutzzweck der Norm (Sicherstellung der Beitragsleistung und der Pflichtversicherung für die Dienstnehmer sowie Bekämpfung der Schwarzarbeit) - die Anmeldung erst am Folgetag keinen Milderungsgrund dar. Unter den aufgezeigten Umständen sei die Verhängung der Höchststrafe gerechtfertigt. Dies insbesondere aus spezialpräventiven Gründen, um dem Revisionswerber das durch erhebliche Sorglosigkeit geprägte Unrecht seines Verhaltens eindringlich vor Augen zu führen und ihn in Hinkunft von weiteren derartigen Taten abzuhalten, aber auch aus generalpräventiven Gründen, um Übertretungen des ASVG vor allem im Bereich des Transportgewerbes wirksam zurückzudrängen. Der Verhängung der Höchststrafe stünden auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Revisionswerbers, der verheiratet sei und ein laufendes Einkommen von € 1.260,-- netto monatlich erziele, nicht entgegen. Soweit er nach seinen Angaben für zwei Kinder (im Alter von 17 und 19 Jahren) sorgepflichtig sei, habe er dazu keine weiteren Angaben gemacht; insbesondere habe er nicht weiter thematisiert, inwiefern er den Pflichten auch tatsächlich nachzukommen habe. Bei Gesamtbetrachtung sei daher noch von durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen auszugehen. Der Revisionswerber behaupte (zwar) auch Schulden von zirka einer Million Euro. Mangels eines gegenteiligen konkreten und substanziellen Vorbringens sei (jedoch) davon auszugehen, dass er durch die Höchststrafe in seiner wirtschaftlichen Existenz nicht gefährdet sei.

2.3. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3. Gegen dieses Erkenntnis - und zwar nur gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe - wendet sich die außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete (im eingeleiteten Vorverfahren) eine Revisionsbeantwortung.

4.1. Der Revisionswerber macht in der Zulässigkeitsbegründung der Revision geltend, es sei fraglich, ob trotz Vorliegen von Sorgepflichten für zwei Kinder, von Vermögenslosigkeit und einem Einkommen im Bereich des Existenzminimums die Höchststrafe verhängt werden dürfe. Diese Frage sei in der Rechtsprechung bisher nicht einheitlich beantwortet worden, sie sei auf Grund des allgemeinen Interesses auch von grundsätzlicher Bedeutung. Wie sich aus § 19 Abs. 2 VStG ergebe und vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur vertreten werde (Hinweis auf VwGH 18.10.2007, 2006/09/0031), seien Sorgepflichten und andere persönliche Umstände bei der Strafbemessung jedenfalls entsprechend zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht habe dies außer Acht gelassen und den eingeräumten Ermessensspielraum unter Abweichen von der Rechtsprechung überschritten.

4.2. Mit diesen Ausführungen zeigt der Revisionswerber jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

5.1. Nach § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Strafbemessung die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden (soweit nicht schon die Strafdrohung bestimmenden) Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die §§ 32 bis 35 StGB sind sinngemäß anzuwenden. Bei Geldstrafen sind auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten zu berücksichtigen.

5.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, handelt es sich bei der Strafbemessung um eine Ermessensentscheidung für den einzelnen Fall, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten (soeben angeführten) Kriterien vorzunehmen ist (vgl. etwa VwGH 20.9.2005, 2003/05/0060). Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. VwGH 7.8.2017, Ra 2016/08/0188; 9.12.2019, Ra 2019/03/0123).

Das Verwaltungsgericht ist dabei verpflichtet, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgebenden Gründe insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/09/0120).

6. Vorliegend wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht zu sehen, dass die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis - unter Ausführungen zur Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat, unter Berücksichtigung der erheblichen Erschwerungsgründe bei gleichzeitigem Fehlen von Milderungsgründen, unter Bedachtnahme auf den erhöhten Verschuldensgrad, unter Berücksichtigung der gewichtigen spezial- und generalpräventiven Erfordernisse sowie unter Bedachtnahme auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - vorgenommene Straffestsetzung dem oben dargelegten Prüfungsmaßstab (zumindest Vertretbarkeit der Strafbemessung mit Blick auf die maßgeblichen Gründe) nicht genügen würde.

7.1. Was die - im Fokus der Revision stehenden - persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft, so ist dem Verwaltungsgericht auch speziell in diesem Punkt kein aufzugreifender Fehler unterlaufen. Das Verwaltungsgericht konnte bei dem angegebenen Einkommen des verheirateten Revisionswerbers und bei zwei behaupteten - jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf ihr tatsächliches Bestehen bzw. ihren Umfang nicht hinreichend nachgewiesenen - Sorgepflichten nicht unvertretbar von (noch) durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen ausgehen. Soweit der Revisionswerber Schulden von zirka einer Million Euro behauptete und daraus - erstmals in der Revision und damit unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot - Vermögenslosigkeit ableitete, ist ihm entgegenzuhalten, dass er seine sonstigen Vermögensverhältnisse im Verfahren trotz gebotener Gelegenheit nicht offenlegte (nur am Rande sei erwähnt, dass sich in den Akten durchaus Hinweise auf erhebliches Vermögen - wie etwa eine Unternehmensbeteiligung - finden). Auch insoweit erscheint es daher nicht unvertretbar, wenn das Verwaltungsgericht zur Überzeugung gelangte, dass mangels eines gegenteiligen konkreten Vorbringens von einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz durch die verhängte Höchststrafe nicht auszugehen sei.

7.2. Nach dem Vorgesagten bestand daher für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung, bei der Strafbemessung in besonderer Weise auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Vielmehr konnte das Verwaltungsgericht von durchschnittlichen - die Verhängung der Höchststrafe jedenfalls nicht ausschließenden - Verhältnissen ausgehen.

8. Dem steht die vom Revisionswerber angeführte - zudem einen anders gelagerten, mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbaren Fall betreffende - Entscheidung VwGH 18. Oktober 2007, 2006/09/0031, nicht entgegen.

9. Insgesamt wird daher - in der maßgeblichen gesonderten Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 19.11.2019, Ra 2016/08/0113) - keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 18. Dezember 2020

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017080007.L00

Im RIS seit

15.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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