TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 97/16/0207

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1358;
ASVG §110 Abs1 Z1;
ASVG §110;
ASVG §334;
GGG 1984 §30 Abs2 Z1;
GGG 1984 §30 Abs3;
GGG 1984 TP2 Anm1;
GJGebG 1962;
ZPO §41;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch vom 24. April 1997, Zl. 860-33/97, betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich im Einklang mit der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin machte als Klägerin im Verfahren 9 Cg 239/94w des Landesgerichtes Feldkirch Ansprüche gemäß § 334 ASVG gegen zwei beklagte Parteien geltend und entrichtete trotz der dafür gemäß § 110 Abs. 1 Z. 1 ASVG bestehenden Gebührenfreiheit irrtümlich Pauschalgebühr. Diese Pauschalgebühr erhielt sie in der Folge auf Grund eines entsprechenden Antrages wieder rückerstattet.

Gegen das erstinstanzliche, klagsstattgebende Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19. Juni 1996 beriefen beide beklagte Parteien, wobei die Berufung des Zweitbeklagten Erfolg hatte. Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß die Klage gegen den Zweitbeklagten kostenpflichtig abgewiesen wurde. In der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes wurde die Beschwerdeführerin u.a. verpflichtet, der zweitbeklagten Partei die Hälfte der von den beiden Berufungswerbern entrichteten Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren zu ersetzen, welcher Verpflichtung die Beschwerdeführerin in der Folge entsprach.

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin am 27. Februar 1997 den folgenden Rückzahlungsantrag:

"In obbezeichneter Rechtssache besteht gem § 110 ASVG Gebührenfreiheit, da es sich um Ansprüche gem § 334 ASVG handelt. Aus diesem Grund wurde auch die ursprünglich für die Klage (aufgrund des Abbuchungsvermerkes) abgebuchte Pauschalgebühr refundiert.

Die im Berufungsverfahren siegreiche zweitbeklagte Partei erhielt einen Kostenzuspruch an Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren in Höhe von S 5.300,--. Die Beklagten haben offensichtlich für das Berufungsverfahren ebenfalls die Pauschalgebühr entrichtet.

Insoweit die Klägerin diese Kosten ersetzt hat, nämlich im Rahmen des Kostenzuspruches laut Urteil des OLG Innsbruck vom 16.10.1996, nämlich mit einem Teilbetrag von S 5.300,--, ist die Klägerin daher nunmehr berechtigt, den Rückzahlungsantrag zu stellen.

Es wird daher beantragt, den Betrag von S 5.300,-- an Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren auf das untenstehende Konto des Vertreters des Klägers zu überweisen."

Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit der Begründung als unzulässig zurück, daß gemäß § 30 Abs. 3 GGG nur derjenige antragslegitimiert sei, der die Gebühr entrichtet habe. Die Beschwerdeführerin sei daher nicht antragslegitimiert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Rückzahlung von zu Unrecht bezahlten Gerichtsgebühren verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 110 Abs. 1 Z. 1 ASVG hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

    "(1) Von der Entrichtung der bundesrechtlich geregelten

öffentlichen Abgaben, der Bundesverwaltungsabgaben sowie der

Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren sind ... befreit:

1. Rechtsgeschäfte, Rechtsurkunden und sonstige Schriften sowie

die im Verfahren vor den Gerichten und Verwaltungsbehörden

durchgeführten Amtshandlungen, wenn sie ... oder wenn sie die

Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Dienstgeber (§ 334) oder dritte Personen (§ 335) betreffen;"

Gemäß der Anm 1 zu TP 2 GGG unterliegt der Pauschalgebühr nach TP 2 u.a. das Berufungsverfahren.

Nach § 2 Z. 1 lit. c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet.

§ 30 GGG lautet auszugsweise:

"... (2) Gebühren sind zurückzuzahlen:

1. wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde; ...

...

(3) Die Rückzahlung hat der Kostenbeamte von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Gebühr entrichtet hat, zu verfügen. ..."

Im vorliegenden Fall stellt sich zunächst die Frage, ob die im Verfahren 9 Cg 239/94w des Landesgerichtes Feldkirch von den Berufungswerbern entrichtete Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren überhaupt zu entrichten war oder (wie die Beschwerdeführerin meint) mit Rücksicht auf § 110 Abs. 1 Z. 1 ASVG gar nicht entrichtet hätte werden müssen. Geht man davon aus, daß im zitierten Verfahren tatsächlich Ansprüche der Beschwerdeführerin gemäß § 334 ASVG geltend gemacht wurden (was auch durch den Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht ausgeschlossen erscheint), dann waren auch die beklagten Parteien als Berufungswerber von der Entrichtung der Pauschalgebühr befreit, weil es sich bei § 110 ASVG um den Fall einer sachlichen Gebührenfreiheit handelt, die nach dem aus den Materialien hervorleuchtenden Willen des Gesetzgebers auch der jeweils anderen Seite zugute kommen soll (vgl. MGA ASVG Anm 1 zu § 110 ASVG). Was in diesem Zusammenhang für beide an einem zweiseitigen Rechtsgeschäft beteiligten Parteien auch vom Verwaltungsgerichtshof so entschieden wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1964, Zl. 436/63, Slg. N.F. 3032/F), hat betreffend kontradiktorische zivilgerichtliche Verfahren auch für den jeweiligen Prozeßgegner zu gelten.

Die im vorliegenden Fall in Rede stehende Gebührenbefreiung gemäß § 110 Abs. 1 Z. 1 ASVG bezieht sich u.a. ausdrücklich auf sonstige Schriften und die im Verfahren vor den Gerichten durchgeführten Amtshandlungen, wenn sie die Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Dienstgeber gemäß § 334 ASVG betreffen. Dabei ist zu beachten, daß sich der Wortlaut dieser Befreiungsbestimmung, was die Gerichtsgebühren betrifft, noch am System des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes orientierte, welches die Gebührenpflicht jeweils für einzelne Eingaben (Schriftsätze), Protokolle, Entscheidungen (also einzelne gerichtliche Amtshandlungen) etc. vorsah (vgl. dazu Tschugguel/Pötscher, MGA Gerichtsgebühren5 137 und 138 Erl 1 Abs. 1 zu TP 1 GGG). Nach dem System des nunmehr geltenden Gerichtsgebührengesetzes BGBl. 501/1984 besteht für den jeweiligen Verfahrensabschnitt eines Zivilprozesses nur noch eine einzige Pauschalgebühr, neben der weitere Einzelgebühren nicht mehr anfallen (Tschugguel/Pötscher a.a.O.). Gemäß Anm 1 zu TP 2 GGG unterliegt u.a. im Zivilprozeß der Verfahrensabschnitt Berufungsverfahren der Pauschalgebühr. Damit ist ein Berufungsverfahren, welches einen auf § 334 ASVG gestützten, zur Durchsetzung gegen den Dienstgeber erhobenen Anspruch eines Trägers der Sozialversicherung betrifft, eine Amtshandlung in einem Verfahren vor einem Gericht iS des § 110 Abs. 1 Z. 1 ASVG und demgemäß sachlich gebührenbefreit. Auch die Berufungswerber hätten daher im Verfahren 9 Cg 239/94w des Landesgerichtes Feldkirch für die von ihnen erhobene Berufung gar keine Pauschalgebühr entrichten müssen.

Insoweit ist daher der Beschwerde zu folgen und für die weiteren Überlegungen davon auszugehen, daß die für das Berufungsverfahren entrichtete Pauschalgebühr an sich gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG zurückzuzahlen ist, sofern - wie oben schon angedeutet - es sich tatsächlich um ein Verfahren gemäß § 334 ASVG gehandelt hat.

Die zweite und für den Beschwerdefall entscheidende Problemstellung ist dann die Frage der Antragslegitimation gemäß § 30 Abs. 3 GGG. Nach dem auch von der belangten Behörde so gesehenen klaren Wortlaut der zitierten Bestimmung kommt die Aktivlegitimation für einen Rückzahlungsantrag ausschließlich derjenigen Partei zu, die die Gebühr entrichtet hat.

Die Beschwerdeführerin hat im vorliegenden Fall nach ihrem eigenen Sachverhaltsvorbringen und auf Grund des von ihr selbst in ihrer Beschwerde wörtlich wiedergegebenen Rückzahlungsantrages aber nicht selbst die Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren entrichtet. Sie hat vielmehr an den im Berufungsverfahren obsiegenden Zweitbeklagten eine Zahlung geleistet, die der Erfüllung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des Berufunggerichtes diente. Die Entrichtung der Prozeßkostenschuld durch die unterlegene Prozeßpartei auf Grund einer gemäß §§ 41 ff ZPO ergangenen Kostenentscheidung ist die Begleichung derjenigen Schuld, die einem speziellen, in der Zivilprozeßordnung geregelten öffentlich-rechtlichen Anspruch (vgl. dazu die bei Stohanzl MGA JN-ZPO14 unter E 3 zu § 41 ZPO referierte zahlreiche Judikatur) entspringt, gegenüber dem siegreichen Prozeßgegner als dem Gläubiger dieser Kostenersatzforderung. Keineswegs ist darin aber die Entrichtung der Gerichtsgebühr an den Bund als Gebührengläubiger zu verstehen, woran sich aber gemäß § 30 Abs. 3 die Aktivlegitimation für einen Rückzahlungsantrag knüpft.

Was die Beschwerdeführerin als Prozeßkostenschuldnerin auf Grund einer in Rechtskraft erwachsenen Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes an den siegreichen Berufungswerber leisten mußte und geleistet hat, kann sie daher nicht vom Bund im Wege eines Rückzahlungsantrages gemäß § 30 Abs. 3 GGG zurückverlangen.

Insoweit sich die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Rechtsausführungen dazu auf die Position einer Legalzessionarin gemäß §§ 1358, 1422f ABGB zu stützen versucht, ist ihr folgendes entgegenzuhalten:

Eine Anwendung des § 1358 ABGB scheidet von vornherein aus, weil die Erfüllung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes durch die Beschwerdeführerin gegenüber dem Gläubiger des Kostenanspruches nicht die Bezahlung einer fremden Schuld darstellt, wofür die Beschwerdeführerin gehaftet hätte. Selbst wenn man den Rückzahlungsanspruch des Zweitbeklagten (= obsiegenden Berufungswerbers), der unnötigerweise Pauschalgebühr entrichtet hat, als fremde Schuld (hier Schuld des Bundes gegenüber dem Zweitbeklagten) ansieht, so hat die Beschwerdeführerin einerseits durch die Begleichung ihrer Prozeßkostenschuld nicht die Rückzahlungsverpflichtung des Bundes gegenüber dem siegreichen Berufungswerber erfüllt und andererseits für die Erfüllung einer Gebührenrückzahlungsschuld des Bundes gegenüber dem Zweitbeklagten in Ermangelung einer entsprechenden Rechtsgrundlage auch nicht gehaftet. Aus § 1358 ABGB konnte der Beschwerdeführerin daher im Wege der Legalzession keine Antragslegitimation gemäß § 30 Abs. 3 GGG erwachsen.

Was die sogenannte Forderungseinlösung gemäß §§ 1422, 1423 ABGB anlangt, übersieht die Beschwerde grundlegend, daß es dazu der Abgabe einer Willenserklärung bedarf, nämlich des sogenannten Einlösungsbegehrens (vgl. z.B. Reischauer in Rummel, ABGB II2 Rz 5 und 6 zu § 1422 ABGB). Daß die Beschwerdeführerin eine solche Einlösungserklärung abgegeben hätte, ergibt sich aber weder aus ihrer eigenen Sachverhaltsschilderung noch aus dem von ihr selbst wörtlich wiedergegebenen Rückzahlungsantrag. Die erst im Rahmen der Darlegung der Beschwerdegründe aufgestellte Behauptung einer Einlösung ist demnach als unzulässige und daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung anzusehen, auf die nicht weiter eingegangen werden muß.

Da schließlich auch die bisher offenbar unterbliebene amtswegige Rückzahlung der Pauschalgebühr immer nur an diejenige Partei erfolgen dürfte, die die Pauschalgebühr entrichtet hat, muß auch das letzte Beschwerdeargument (welches auf eine von Amts wegen an die Beschwerdeführerin zu erfolgende Rückzahlung hinausläuft) versagen.

Somit ergab sich bereits aus dem Beschwerdeinhalt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997160207.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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