TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/15 W101 2166221-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2020
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Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W101 2166221-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch RA Mag. Nadja LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2019, Zl. 600413407 – 191030007/ BMI-BFA_Wien_RD, hinsichtlich der Spruchteile I. bis V. (als zweites Teilerkenntnis) zu Recht erkannt:

A)

I.       Hinsichtlich des Spruchteiles I. des o.a. Bescheides wird der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG mit der Maßgabe stattgegeben, dass dieser Spruchteil wie folgt zu lauten hat:
„Dem Antrag auf Mängelheilung vom 08.11.2019 wird gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und Z 3 AsylG-DV 2005 stattgegeben und demzufolge ist dem Antragsteller ein Reisedokument auszustellen.“

II. Hinsichtlich des Spruchteiles II. des o.a. Bescheides (Zurückweisung des Antrages gemäß § 55 AsylG 2005) und der damit verbundenen Spruchteile III. bis V. des o.a. Bescheides wird der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und diese Spruchteile ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste 2012 mit einem gültigen Visum D legal in das österreichische Bundesgebiet ein und war seit dem 02.11.2012 aufrecht gemeldet. Dem Beschwerdeführer war sodann von der MA35 eine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck „Student“ mit Gültigkeit vom 11.12.2012 bis 28.09.2013 erteilt worden, welche in der Folge bis zum 29.09.2014 verlängert worden war.

Am 23.01.2014 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA genannt) vom 20.04.2015 erhielt der Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 5 AsylG 2005 internationalen Schutz als Asylberechtigter.

Am 10.10.2016 langte beim BFA eine Verständigung ein, dass der Beschwerdeführer im Sommer 2016 in den Iran gereist sei. Daraufhin leitete das BFA im Fall des Beschwerdeführers ein Aberkennungsverfahren ein, in dem sich u.a. herausstellte, dass der Beschwerdeführer mit gültigem Reisepass in den Iran gereist, sich im Sommer 2016 dort aufgehalten und er nach der Rückreise seinen Reisepass nach Österreich selbst vernichtet hatte, damit seine Reisebewegung nicht nachvollzogen werden hätte sollen.

Da der Beschwerdeführer sich wieder unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt hatte, war ihm mit Bescheid des BFA vom 12.07.2017 der Status des Asylberechtigten wiederum aberkannt worden und gleichzeitig war in diesem Bescheid eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen worden. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde ein, die jedoch vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen worden war (Anm.: Diese Entscheidung erwuchs am 24.08.2017 in Rechtskraft). Der vom Bundesverwaltungsgericht auch ausgesprochenen Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Ausreise aus Österreich ist er in weiterer Folge aber nicht nachgekommen.

Am 15.02.2018 war der Beschwerdeführer mittels Mandatsbescheides zur Einholung eines Reisedokumentes aufgefordert worden, wogegen er fristgerecht eine Vorstellung erhob.

Mit Bescheid vom 22.06.2018 trug das BFA dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2 und 2b FPG auf, bei der zuständigen ausländischen Behörde seines Herkunftsstaates ein Reisedokument einzuholen. Im Falle der Ausstellung eines Reisedokuments hätte der Beschwerdeführer dieses dem BFA vorzulegen gehabt.

Mit Bescheid vom 17.08.2018 war gegen den Beschwerdeführer gemäß § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 idgF für den Fall der Nichterfüllung eine angedrohte Haftstrafe von 14 Tagen verhängt worden. Diese Vollstreckungsverfügung hatte aber nicht vollzogen werden können, da der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt (für rund fünf Monate lang) an seiner Meldeanschrift nicht wohnhaft war. Am 26.02.2019 sprach der Beschwerdeführer selbst beim BFA vor, war daraufhin festgenommen und die Vollstreckungsverfügung in Vollzug gesetzt worden.

Am 12.03.2019 erfolgte die behördliche Anmeldung an seiner derzeitigen Meldeadresse, XXXX in XXXX . An dieser Adresse wohnt er mit seiner Lebensgefährtin Mag XXXX und seit der Geburt seines Sohnes am XXXX auch mit diesem im selben Haushalt.

Am 13.03.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte, welchen das BFA bescheidmäßig abwies.

Am 10.10.2019 brachte der Beschwerdeführer gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein. Er begründete seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass seine Außerlandesschaffung eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen würde, weil er mit seiner österreichischen Lebensgefährtin namens Mag XXXX und seinem am XXXX geborenen Sohn im selben Haushalt lebe. Seinem Antrag legte er ein Konvolut an Beweismitteln bei, insbesondere den österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweis seiner Lebensgefährtin und seines Sohnes sowie dessen Geburtsurkunde und eine Arbeitsplatzzusage eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche und einem Gehalt von rund 1.000 Euro pro Monat. In dem Konvolut u.a. enthalten waren auch diverse Empfehlungsschreiben seiner österreichischen Lebensgefährtin, deren Verwandten, gemeinsamer Freunde und seines auch in Österreich lebenden Bruders.

Da der Beschwerdeführer seinem Antrag kein gültiges Reisedokument angeschlossen hatte, erteilte das BFA einen diesbezüglichen Verbesserungsauftrag. Am 08.11.2019 langte beim BFA vom Beschwerdeführer, nun anwaltlich vertreten, ein ergänzender Schriftsatz samt Antrag auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 ein.

Mit Bescheid vom 20.11.2019, Zl. 600413407 – 191030007/ BMI-BFA_Wien_RD, wies das BFA einerseits den Antrag auf Mängelheilung vom 08.11.2019 gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG-DV 2005 ab (Spruchpunkt I.) und andererseits den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurück (Spruchpunkt II.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG erließ es weiters gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 (Spruchpunkt III.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran fest (Spruchpunkt IV.) und erließ ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und 7 FPG 2005 (Spruchpunkt V.).

Zu diesen Spruchteilen des o.a. Bescheides stellte das BFA neben aktuellen Länderfeststellungen fest:

Der Beschwerdeführer sei iranischer Staatsbürger und seine Identität stehe fest. Er sei im arbeitsfähigen Alter und seiner Muttersprache mächtig. Er sei während der Gültigkeitsdauer des Visums D und der erteilten Aufenthaltstitel in Österreich zum Aufenthalt berechtigt, aber nicht niedergelassen gewesen. Während des laufenden Asylverfahrens und während des Zeitraumes, als er anerkannter Flüchtling gewesen sei, habe er sich ebenfalls rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten. Seit der Aberkennung seiner Flüchtlingseigenschaft hielte er sich illegal im österreichischen Bundesgebiet auf.

Er lebe in einer Lebensgemeinschaft und sei das gemeinsame Kind österreichischer Staatsbürger. Es liege nach Aktenlage aber keine eingetragene Partnerschaft vor. Sein Bruder halte sich als anerkannter Flüchtling ebenfalls im österreichischen Bundesgebiet auf. Zu Österreich bestünden derzeit keine beruflichen Bindungen, aber soziale Bindungen.

Laut Aktenlage würden seine Eltern in seinem Heimatland leben und es sei nicht davon auszugehen, dass der Kontakt zu ihnen abgerissen sei. Er sei im arbeitsfähigen Alter und der Landessprache des Iran mächtig. Da von familiären Bindungen zum Herkunftsstaat auszugehen sei, sei auch von einer Wohnmöglichkeit im Iran auszugehen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.08.2017 sei die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Iran festgestellt worden, da keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen seien, wonach die Abschiebung unzulässig wäre.

Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots: Der Beschwerdeführer sei seiner Rückkehrverpflichtung in den Iran nach Aberkennung seines Flüchtlingsstatus nicht nachgekommen. Auch die nationalen Gesetzesbestimmungen würden die Erlassung eines Einreiseverbots begründen. Anhand des WGKK-Auszuges stehe eindeutig fest, dass er in dem Zeitraum, in dem er aufgrund seines Flüchtlingsstatus zur Arbeitsaufnahme berechtigt gewesen wäre, genau einen Tag ein Beschäftigungsverhältnis innegehabt hätte. Dem gegenüber stünden Beschäftigungszeiten vom 28.08.2017 bis 31.10.2017 und 01.11.2017 bis 28.02.2018 und seien diese Beschäftigungsverhältnisse als illegal anzusehen, da er ab der Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft keinen Zugang zum Arbeitsmarkt mehr gehabt hätte.

Derzeit scheine kein Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers auf und er sei somit nicht dazu in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus Eigenem auf legale Art und Weise zu finanzieren. Es bestehe laut Aktenlage auch kein Rechtsanspruch auf Unterstützung durch andere Personen, selbst wenn diese Unterstützung tatsächlich gewährt werde. Er sei daher als mittellos anzusehen.

Er sei nach Aberkennung seines Flüchtlingsstatus illegal im Bundesgebiet verblieben.

Er wäre weder dazu bereit, der Behörde ein Reisedokument vorzulegen, noch an der Erlangung eines Reisedokuments mitzuwirken.

Er habe gegen das Meldegesetz verstoßen, indem er es unterlassen habe, sich an seiner Meldeanschrift fristgerecht anzumelden, und hätte unangemeldet Unterkunft genommen.

Seine geänderten persönlichen Verhältnisse hätten zu keinem positiven Gesinnungswandel zur österreichischen Rechtsordnung geführt, da er beharrlich illegal im österreichischen Bundesgebiet verbleibe. Es könne daher keine günstige Zukunftsprognose abgegeben werden. Im Hinblick auf seinen bisher gezeigten Arbeitswillen, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich seine wirtschaftliche Situation in absehbarer Zeit bessern werde.

Die Gesamtbeurteilung des vorliegenden Sachverhaltes hinsichtlich seiner derzeitigen Lebenssituation, seinem bisher gezeigten Verhalten, der zu erwartenden Zukunftsprognose und der beurteilten Gefährdungsprognose habe ergeben, dass in seinem Fall eine aktuelle und gegenwärtige Gefährdung für die öffentliche Ordnung vorliege.

Sein bisher gezeigtes Verhalten bestätige, dass er offensichtlich nicht gewillt sei, sich gemäß den österreichischen Gesetzen zu verhalten, und er habe diese bewusst ignoriert.

Das erlassene, auf die Dauer von drei Jahren befristete Einreiseverbot sei unter genauer Beurteilung festgelegt worden, damit er dem BFA beweisen könne, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgehe.

Im Hinblick auf den Zeitraum des erlassenen Einreiseverbots seien alle aus dem Ermittlungsverfahren erhobenen Erkenntnisse zu seiner Person berücksichtigt worden, wodurch es nur aufgrund seiner familiären Bindungen zu einer Reduzierung des möglichen Erlassungszeitraumes für das gegenständliche Einreiseverbot gekommen sei. Diese größere Reduzierung sei seitens des BFA als vertretbar beurteilt worden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin fristgerecht eine Beschwerde (eingelangt am 18.12.2019), focht den Bescheid damit vollinhaltlich an und beantragte u.a., das Bundesverwaltungsgericht möge

1.       eine mündliche Verhandlung anberaumen;

2.       sofern nicht alle zu Lasten des Beschwerdeführers gehenden Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig aufgreifen bzw. allenfalls dem Beschwerdeführer einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können;

3.       der Beschwerde – allenfalls nach Erfahrensergänzung – stattgeben, den Bescheid im angefochtenen Umfang abändern und in der Sache selbst entscheiden;

4.       den angefochtenen Bescheid im angefochtenen Umfang aufheben bzw. dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV auf Mängelheilung stattgegeben werde und ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erteilt werde; den Spruchpunkt III. des Bescheides ersatzlos beheben; in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG erteilen, sowie feststellen, dass seine Abschiebung in den Iran unzulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise ersatzlos behoben werde.

5.       den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes V. ersatzlos aufheben; in eventu die Dauer des verhängten Einreiseverbotes verkürzen; in eventu

6.       den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

In der Folge legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom 20.12.2019 die Beschwerde samt dem dazugehörenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor (eingelangt am 07.01.2020).

Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.01.2020 war in teilweiser Stattgabe der Beschwerde Spruchteil VI. des o.a. Bescheides ersatzlos behoben worden, wodurch der Beschwerde gegen die übrigen Spruchteile des o.a. Bescheides die aufschiebende Wirkung in der Folge zukommt.

Für den 17.03.2020 war im Fall des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung – antragsgemäß – anberaumt gewesen, welche aber kurzfristig coronabedingt wieder abberaumt worden war.

Nachfolgend stellte sich heraus, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr notwendig war, da der maßgebende Sachverhalt gegenständlich als geklärt anzusehen war.

Im August 2020 langten beim Bundesverwaltungsgericht für den Beschwerdeführer noch drei weitere Empfehlungsschreiben ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, geb. XXXX , ist iranischer Staatsangehöriger und seine Identität steht fest. Er ist gesund und im arbeitsfähigen Alter.

Der Beschwerdeführer ist im Herbst 2012 mit einem gültigen Visum D legal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Nach dem Ablauf des Visum D hat er von der MA35 eine quotenfreie Aufenthaltsbewilligung erhalten.

Am 23.01.2014 hat er in Österreich einen Asylantrag gestellt und hat das BFA diesem Antrag mit Bescheid vom 20.04.2015 stattgegeben und ihn als Asylberechtigten anerkannt.

Am 23.11.2016 hat das BFA gegen den Beschwerdeführer ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Mit Bescheid vom 12.07.2017 hat das BFA den dem Beschwerdeführer zunächst zuerkannten Status des Asylberechtigten wiederum aberkannt, festgestellt, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde und weiters festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.08.2017, Zl. L509 2166221-1/2E, als unbegründet abgewiesen und ist dieses Erkenntnis am 24.08.2017 in Rechtskraft erwachsen.

Somit steht fest, dass der Beschwerdeführer sich seit seiner Einreise in Österreich im Jahr 2012 bis zum 24.08.2017 legal in Österreich aufgehalten hat.

Der Beschwerdeführer hat seinen Reisepass im Jahr 2016 nach erfolgter Rückreise nach Österreich selbst vernichtet.

Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf dem Niveau von B1; die Prüfung hat er am 09.10.2019 in Wien abgelegt.

Der Beschwerdeführer absolviert derzeit das Masterstudium für „Industrielle Elektronik“.

Der Beschwerdeführer hat mit seiner österreichischen Lebensgefährtin Mag XXXX einen am XXXX in Wien geborenen österreichischen Sohn. Er lebt mit beiden an derselben Wohnadresse im gemeinsamen Haushalt.

Der Beschwerdeführer hat seine Lebensgefährtin im November 2017 kennengelernt, sie haben eine Beziehung aufgebaut und ein Jahr später war sie vom Beschwerdeführer schwanger. Seit der Schwangerschaft haben der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin nicht mehr mit dem Heiraten warten wollen. Das Heiraten hat aber nicht funktioniert, weil der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Reisepasses ist. Der Beschwerdeführer hat im Februar 2019 bei der iranischen Botschaft die Ausstellung eines iranischen Reisepasses beantragt, diesen aber nicht bekommen. Sie haben drei Mal beim Standesamt in Margarethen (Wien) vorgesprochen und alles versucht, um auch ohne Reisepass heiraten zu können.

Laut aktuellem Strafregisterauszug ist der Beschwerdeführer unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die obigen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem Gerichtsakt. Hervorzuheben bleibt insbesondere:

Der Beschwerdeführer ist im Sommer 2016 – trotz aufrechtem Flüchtlingsstatus – in den Iran gereist, um sich für rund 20 Tage um seinen kranken Vater zu kümmern. Im Irrglauben, dass seine kurze Rückreise in den Iran unerkannt bleiben würde, wenn er den Reisepass im Anschluss vernichte, hat er diesen selbst nach seiner Ankunft aus dem Iran zerrissen. Hätte der Beschwerdeführer damals gewusst, dass seine kurze Rückreise in den Iran auch über andere Wege den österreichischen Behörden bekannt werden könnte, so hätte er seinen Reisepass aller Wahrscheinlichkeit nach nicht selbst vernichtet, da der Beschwerdeführer nun mit allerlei Problemen konfrontiert ist, vor allem hat er seine Lebensgefährtin bisher nicht heiraten können, nur weil er ohne Reisepass in Österreich aufhältig ist. Dass der Beschwerdeführer selbst versucht hat, im Februar 2019 bei der iranischen Botschaft einen neuen Reisepass ausgestellt zu bekommen bzw. dort einen diesbezüglichen Antrag gestellt hat, ergibt sich aus dem glaubwürdigen Vorbringen der Lebensgefährtin in ihrem Empfehlungsschreiben für den Beschwerdeführer, das dem gegenständlichen Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 angeschlossen war.

Dass der Beschwerdeführer zusammen mit seiner österreichischen Lebensgefährtin einen am XXXX in Wien geborenen österreichischen Sohn hat und sie im gemeinsamen Haushalt leben, ergibt sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde vom XXXX und den vorgelegten Staatsbürgerschaftsnachweis sowie einer aktuellen Abfrage aus dem ZMR und ist unstrittig.

Der Beschwerdeführer wird in Bälde sein Masterstudium für „Industrielle Elektronik“ abschließen und spricht Deutsch auf dem Niveau von B1. Der Beschwerdeführer wäre daher als qualifizierte Arbeitskraft einzustufen.

Dass der Beschwerdeführer sich hier neben seiner Partnerschaft und seinen familiären Bindungen auch einen Freundeskreis aufgebaut hat, ergibt sich aus zahlreichen Empfehlungsschreiben im gegenständlichen Verfahren. Bereits das BFA hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Beschwerdeführer über soziale Bindungen in Österreich verfügt. Die sozialen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich sind daher unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2.2. Die zur Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sind:

§ 55 AsylG 2005 lautet:

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

§ 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 lautet:

Urkunden und Nachweise für Aufenthaltstitel

(1) Folgende Urkunden und Nachweise sind – unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 – im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

§ 4 AsylG-DV 2005 lautet:

Verfahren

(1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

§ 9 BFA-VG lautet:

Schutz des Privat- und Familienlebens

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

3.2.3. Zu Spruchteil I. des Erkenntnisses:

Da der Beschwerdeführer keinen Reisepass (mehr) besitzt, hat er – in Ergänzung seines Antrages gemäß § 55 AsylG 2005 – am 08.11.2019 durch seine Rechtsvertreterin einen Antrag auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 gestellt.

Nach dem Heilungstatbestand des § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 „kann“ die Behörde die Heilung eines Mangels u.a. nach § 8 AsylG-DV 2005 (unterbliebene Vorlage der dort genannten Urkunden) „auf begründeten Antrag“ des Drittstaatsangehörigen zulassen, wenn das zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK erforderlich ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (insbesondere VfGH 22.09.2008, B642/08) ist die die zuständige österreichische Behörde – und auch das BVwG – beim Ausspruch einer Ausweisung stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden EGMR) hat in seiner Judikatur in den letzten Jahren unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht. Nach den Vorgaben der Judikatur des EGMR, insbesondere nach den im Fall BOULTIF (EGMR 02.08.2001, Appl. 54.273/00) formulierten Kriterien, ist zu ermitteln:

-        die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll;

-        die Staatsangehörigen der einzelnen Betroffenen;

-        die familiäre Situation des Beschwerdeführers und insbesondere gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe und andere Faktoren, welche die Effektivität eines Familienlebens bei einem Paar belegen;

-        die Frage, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und wenn ja, welches Alter sie haben, und

-        das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte in dem Land unter Umständen begegnet, in das der Beschwerdeführer auszuweisen ist.

In Österreich wird in der Bestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgeschrieben, was bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen ist.

Die Prüfung der einzelnen Tatbestände des § 9 Abs. 2 BFA-VG hat unter Einbindung der vom EGMR in seiner Judikatur aufgestellten Kriterien zu erfolgen. Nach leg. cit. sind wörtlich folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren, überlangen Verzögerungen begründet ist.

Ausgehend von obigen Feststellungen, ist im Fall des Beschwerdeführers sein Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK nach dieser Gesetzesbestimmung wie folgt zu beurteilen:

zu Z 1: Der Beschwerdeführer ist im Herbst 2012 mit einem Visum D legal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, hat dann eine quotenfreie Aufenthaltsbewilligung als Student erhalten, welche bis zum 29.09.2014 verlängert wurde. Am 23.01.2014 hat er allerdings einen Asylantrag gestellt und hat auch am 20.04.2015 vom BFA bescheidmäßig den Status des Asylberechtigten zuerkannt bekommen, während dieses Verfahrens war er zum vorläufigen Aufenthalt als Asylwerber berechtigt. Danach hielt er sich als Asylberechtigter bis zur Aberkennung seines Asylstatus in Österreich wiederum legal auf. Sein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich endete mit der Rechtskraft in seinem Aberkennungsverfahren, also am 24.08.2017.

Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer sich während der Gesamtdauer seines Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet seit Herbst 2012 und fünf Jahre lang durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und sein Aufenthalt erst seit 25.08.2017 unrechtmäßig ist, d.h. es überwiegt also der Zeitraum des rechtmäßigen Aufenthaltes bei Weitem jenen des unrechtmäßigen Aufenthaltes.

zu Z 2: Mit seiner österreichischen Lebensgefährtin und seinem am XXXX in Wien geborenen österreichischen Sohn lebt der Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt.

Bei der zu prüfenden Bindung bzw. Beziehung zwischen einem Vater und einem minderjährigen Kind, gilt es insbesondere, bei der Entscheidung über die Außerlandesschaffung des Vaters, die Auswirkungen auf das Kindeswohl und hier vor allem auch die Bedeutung der Bindung des Vaters an das Kind in den ersten Lebensmonaten für die Entwicklung des Kindes ausreichend zu berücksichtigen (VfGH 10.03.2020, E 4269/2019 und mit weiteren Nachweisen VfGH 11.06.2018 E 343/2018).

Unter Berücksichtigung dieser Judikatur besteht daher im Fall des Beschwerdeführers ein tatsächliches Familienleben.

zu Z 3: Neben seinem privaten Familienleben hat der Beschwerdeführer als Student auch einen großen Freundeskreis und verfügt demzufolge über diverse soziale Bindungen, was schon vom BFA ebenso festgestellt wurde. Im Fall des Beschwerdeführers ist daher auch sein Privatleben eindeutig schutzwürdig.

zu Z 4: Berücksichtigt man neben den zahlreichen sozialen Bindungen des Beschwerdeführers die Tatsache, dass er hier in Österreich ein komplexes Studium wie das Masterstudium für „Industrielle Elektronik“ absolvieren kann, dies auch in Bälde abschließen wird, und die Tatsache, dass er die deutsche Sprache auf dem Niveau von B1 spricht, so ist beim Beschwerdeführer unzweifelhaft von einem bereits äußerst hohen Integrationsgrad auszugehen.

zu Z 5: Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat seine Bindungen zu seinen Verwandten aufrechterhalten hat. Die Bindungen hier in Österreich an seine österreichische Lebensgefährtin und seinen österreichischen Sohn müssen aber als viel enger gewertet werden, sodass diese Bindungen als stärker anzusehen sind als jene zu den Verwandten im Iran.

zu Z 6: Wie oben festgestellt, ist der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten.

Hervorzuheben bleibt, dass die bisher genannten Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 BFA-VG für den Beschwerdeführer sprechen.

Der Beschwerdeführer hält sich – wie bereits gesagt – seit 25.08.2017 im österreichischen Bundesgebiet unrechtmäßig auf und er hat zumindest sein Familienleben in einem Zeitpunkt entstehen lassen, in dem sich die Beteiligten seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren. Auch ist die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers nicht in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet. Damit liegen drei Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 BFA-VG (Z 7 bis Z 9) vor, die gegen den Beschwerdeführer sprechen.

Somit liegen sechs Tatbestandsvoraussetzungen vor, die für den Beschwerdeführer sprechen, und drei, die gegen den Beschwerdeführer sprechen. Berücksichtigt man im Zuge einer Gesamtbetrachtung, dass bei den für den Beschwerdeführer sprechenden Tatbestandsvoraussetzungen so gewichtige dabei sind, wie etwa das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, so wird deutlich, dass eine Gesamtbetrachtung des § 9 Abs. 2 BFA-VG zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen muss.

Folglich ist es zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers iSd Art. 8 EMRK erforderlich, dass der Beschwerdeführer in Österreich verbleibt. Daher ist auch der Heilungstatbestand der Z 2 des § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 erfüllt.

Da der Beschwerdeführer im Februar 2019 bei der iranischen Botschaft einen Reisepass beantragt, aber diesen nicht erhalten hat, ist im konkreten Fall darüber hinaus die Z 3 des § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 erfüllt.

Die Abweisung des Antrags auf Mängelheilung durch die belangte Behörde in Spruchteil I. des o.a. Bescheides erweist sich daher als nicht rechtens.

3.2.4. Zu Spruchteil II. des Erkenntnisses:

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH darf ein Verwaltungsgericht aufgrund einer gegen eine Zurückweisung erhobene Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden (vgl. VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, Zl. 2013/08/0136). Hat das BFA in seinem Bescheid über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens (hier: Antrag gemäß § 55 AsylG 2005) gar nicht abgesprochen, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche Entscheidung (hier: Zurückweisung dieses Antrages) getroffen, dann ist es nach der Judikatur des VwGH dem BVwG als Beschwerdeinstanz verwehrt, erstmals den eigentlichen Verfahrensgegenstand einer meritorischen Erledigung zuzuführen.

Nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung nach Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Wie oben unter 3.2.3. bereits ausführlich dargelegt, ist aber im Fall des Beschwerdeführers sehr wohl ein geänderter Sachverhalt gegeben, weil seine Außerlandesschaffung eine Verletzung seines Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK darstellen würde. Somit liegen im Fall des Beschwerdeführers auch die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ebenso wenig vor (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0159).

Die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 durch die belangte Behörde in Spruchteil II. des o.a. Bescheides erweist sich daher als nicht rechtens. Folgerichtig erweisen sich auch die mit dieser Zurückweisung verbundenen (übrigen) Spruchteile III. bis V. des o.a. Bescheides als nicht rechtens (vgl. VwGH 17.11.2015, Ra 2016/21/0314).

3.3. Da den angefochtenen Spruchteilen I. bis V. des o.a. Bescheides aus diesen Gründen eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anhaftet, war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber ist schließlich darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen sein wird, weil derzeit die Tatbestandsvoraussetzungen der Z 1 leg. cit. erfüllt sind. Dies natürlich nur unter der Voraussetzung, dass sich zwischenzeitlich nicht erhebliche negative Umstände ergeben, die wiederum gegen den Beschwerdeführer sprechen würden.

3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte – trotz des entsprechenden Antrages – hinsichtlich des Spruchteiles I. des o.a. Bescheides gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG und hinsichtlich des Spruchteiles II. und der damit verbundenen Spruchteile III. bis V. des o.a. Bescheides gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt.

3.6. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe oben unter 3.2.3. und 3.2.4. zit. Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Teilbehebung Heilung Interessenabwägung Kindeswohl Lebensgemeinschaft Privat- und Familienleben rechtmäßiger Aufenthalt Reisedokument Rückkehrentscheidung behoben Voraussetzungen wesentliche Sachverhaltsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W101.2166221.2.01

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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