TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 95/11/0122

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
32/06 Verkehrsteuern;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §52;
KDV 1967 §30 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §67 Abs2;
KVG 1934 §64 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des D in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 1. März 1995, Zl. I/7-St-P-9419, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer war aus Anlaß des zweiten von ihm begangenen Alkoholdeliktes mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 15. Juni 1993 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B wegen Verkehrsunzuverlässigkeit vorübergehend bis 7. März 1994 entzogen worden. Vor Ausfolgung des Führerscheines holte die genannte Behörde unter anderem ein Gutachten betreffend die geistige und körperliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen ein. Im amtsärztlichen Gutachten vom 11. Juli 1994, wurde der Beschwerdeführer "vom Standpunkt verkehrspsychologischer Begutachtung" als zum Lenken von Kraftfahrzeugen derzeit nicht geeignet beurteilt. Daraufhin sprach die Bezirkshauptmannschaft Mödling mit Bescheid vom 8. September 1994 die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers "ab Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens vom 11. Juli 1994" sowie das Verbot der Erteilung einer neuen Lenkerberechtigung "auf die Dauer der geistigen und körperlichen Nichteignung" aus. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen.

Der Beschwerdeführer berief und legte unter anderem Befunde betreffend alkoholspezifische Leberwerte vor.

Eine von der belangten Behörde beigezogene ärztliche Amtssachverständige erstattete am 12. Jänner 1995 folgendes Gutachten (im engeren Sinn):

"Es besteht eine Diskrepanz zwischen den anamnestischen Angaben und den vorgelegten Befunden. Die alkoholspezifischen Leberwerte sind nach wie vor erhöht, obwohl Alkoholkarenz seit einem Jahr und außerdem keinerlei Vorerkrankungen angegeben wurden. Auf mangelnde Verläßlichkeit läßt weiters schließen, daß es knapp drei Monate nach der Nachschulung wiederum zu einem Alkoholdelikt kam, und daß Herr D zwischenzeitlich ohne Führerschein fuhr.

Der Berufungswerber ist daher derzeit nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte die bekämpfte Entscheidung auf das von ihr als schlüssig bezeichnete Gutachten der Amtssachverständigen vom 12. Jänner 1995. Das Gutachten spreche eindeutig aus, daß die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B nicht gegeben sei.

Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Entgegen der Darstellung im angefochtenen Bescheid trifft es nicht zu, daß dieses (oben wiedergegebene) Gutachten "eindeutig" das Fehlen der "gesundheitlichen" Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausspricht. Von der "gesundheitlichen" Eignung des Beschwerdeführers ist darin überhaupt nicht die Rede.

Mangels näherer Ausführungen ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt ist, aus diesem Gutachten ergebe sich "schlüssig" die gesundheitliche - also die geistige und/oder körperliche - Nichteignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Das Gutachten trifft keine wie immer geartete Aussage über den damaligen, für die Beurteilung seiner Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen relevanten körperlichen und geistigen Zustand des Beschwerdeführers. Mangels dahingehender Ausführungen kann dieses Gutachten von vornherein keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde daraus gezogene Schlußfolgerung bilden. Es befaßt sich nicht mit der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, sondern mit einer davon zu unterscheidenden Eignungsvoraussetzung nach § 64 Abs. 2 KFG 1967, nämlich mit der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers ("mangelnde Verläßlichkeit"). Bei dieser handelt es sich um eine Charaktereigenschaft, die von der Kraftfahrbehörde anhand der Aktenlage (der daraus ersichtlichen Straftaten des Betreffenden und ihrer Wertung) im Wege der Lösung einer Rechtsfrage ohne Heranziehung von Sachverständigen zu beurteilen ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1991, Slg. Nr. 13361/A, vom 30. April 1991, Zl. 90/11/0153, und vom 15. März 1994, Zl. 94/11/0064). Die Sachverständige hat somit offensichtlich die ihr gestellte Aufgabe, die Beurteilung der geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen aus medizinischer Sicht, verfehlt.

Bemerkt sei, daß die - hier nicht erfolgte - Beurteilung der ein Element seiner geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bildenden nötigen Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsanpassung einen entsprechenden Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vorausgesetzt hätte (§ 31a Abs. 2 KDV 1967).

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf ein untaugliches Gutachten gestützt. Dieser war somit - ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995110122.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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