TE Vwgh Erkenntnis 2011/3/24 2008/23/1338

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Veröffentlicht am 24.03.2011
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 1997 §1 Z6 idF 2003/I/101
AsylG 1997 §10 Abs1 idF 2003/I/101
AsylG 1997 §10 Abs2
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2008/23/1339
2008/23/1340

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Dr. Fasching, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerden 1. des T C, geboren 1975,

2. der T A, geboren 1973, und 3. der E A, geboren 2006, alle vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 20. Mai 2008, Zl. 248.753-2/2E-IX/49/08, (ad 1., protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/1338), Zl. 308.477-C1/15E-XIX/63/07, (ad 2., protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/1339), und Zl. 308.454-C1/12E-XIX/63/07, (ad 3., protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/1340), betreffend Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache und Ausweisung(ad 1.) bzw. §§ 3, 8, 10 Asylgesetz 2005 (ad 2. und 3.; weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40, insgesamt somit EUR 3.319,20, binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige Georgiens; die Zweitbeschwerdeführerin ist die Mutter der Drittbeschwerdeführerin und seit 30. Juli 2007 mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet. Die Drittbeschwerdeführerin ist somit die Stieftochter des Erstbeschwerdeführers.

Der Erstbeschwerdeführer stellte am 27. September 2003 einen Asylantrag, der mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. August 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen wurde. Unter einem wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Erstbeschwerdeführers nach Georgien festgestellt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 2007, Zl. 2006/19/0333, wurde die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt.

Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin stellten am 16. August 2006 Anträge auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt erkannte mit Bescheiden vom 30. November 2006 gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ihnen weder den Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) zu, noch gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 jenen von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.), und wies Zweit- und Drittbeschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien aus (Spruchpunkt III.).

Am 19. Dezember 2007 beantragte der Erstbeschwerdeführer (abermals) internationalen Schutz (unter anderem) mit der Begründung, dass er nunmehr mit seiner in Österreich geheirateten Frau (der Zweitbeschwerdeführerin) und seiner Stieftochter (der Drittbeschwerdeführerin) zusammenlebe.

Mit Bescheid vom 14. April 2008 wies das Bundesasylamt diesen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und den Erstbeschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien aus.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem erstangefochtenen Bescheid "gemäß § 68 Abs.1 AVG und § 10 AsylG (2005)" ab.

Zum Familienleben des Erstbeschwerdeführers führte die belangte Behörde darin aus:

"Der (Erstbeschwerdeführer) lernte seine Ehefrau (die Zweitbeschwerdeführerin) (erst) im August 2006 in Österreich kennen und ehelichte diese am 30. Juli 2007. Deren Tochter (die Drittbeschwerdeführerin) hat der (Erstbeschwerdeführer) nicht adoptiert. Damit erfüllt der (Erstbeschwerdeführer) nicht die Voraussetzungen des Familienbegriffs iSd § 2 Z 22 AsylG (2005) und zwar weder in Bezug auf seine Ehefrau noch auf deren Tochter. Ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG (2005) liegt im vorliegenden Fall daher nicht vor."

Die Berufungen von Zweit- und Drittbeschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit dem zweit- und drittangefochtenen Bescheid vom selben Tag "in allen Spruchpunkten" ab.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte, erwogen:

1. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits sowohl zum Familienbegriff für eine "Asylerstreckung" nach § 10 Abs. 2 AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003, als auch betreffend das "Familienverfahren" gemäß § 10 Abs. 1 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 ausgeführt hat, erfasst der vom Gesetzgeber verwendete Begriff "Kinder" in diesem Zusammenhang auch Adoptiv- und Stiefkinder (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, Zl. 2002/20/0514). Da die Definition von "Familienangehörigen" in § 2 Z 22 AsylG 2005, auf den § 34 Abs. 1 AsylG 2005 verweist, insoweit wortgleich jener in § 1 Z 6 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 entspricht, auf welche § 10 Abs. 1 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 Bezug nahm, ist an dieser Rechtsprechung auch für das AsylG 2005 festzuhalten, sodass zur Begründung in diesem Punkt gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das bereits zitierte Erkenntnis vom 22. Dezember 2005 verwiesen wird.

Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde lag daher ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 vor.

2. Die maßgebliche Sach- und Rechtslage entspricht im Übrigen insoweit, als das Bundesasylamt alleine den Antrag des Erstbeschwerdeführers und im Gegensatz zu den Sachentscheidungen betreffend die übrigen Familienmitglieder zurückgewiesen hat, weshalb die belangte Behörde den den Erstbeschwerdeführer betreffenden Bescheid des Bundesasylamtes ersatzlos hätte beheben müssen, jener, die dem hg. Erkenntnis vom 25. November 2009, Zlen. 2007/01/1153, 1168 bis 1171, zu Grunde lag, weshalb zur Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses verwiesen wird.

Der erstangefochtene Bescheid war aus den in dem verwiesenen Erkenntnis näher dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Da dies im Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 auch auf den zweit- und drittangefochtenen Bescheid der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin durchschlägt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, Zlen. 2007/20/0743, 0892 bis 0894, sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 25. November 2009, mwN), waren auch diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. März 2011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2011:2008231338.X00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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