TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/27 96/19/0044

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Veröffentlicht am 27.06.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §12;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z7;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des S in B, vertreten durch den zum Sachwalter bestellten E, dieser vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. November 1995, Zl. 304.184/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 25. September 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß den §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen. Als Begründung wurde herangezogen, daß der Beschwerdeführer - nachdem sein Asylantrag in der BRD rechtskräftig abgelehnt worden war - kurz vor seiner Ausreise aus der BRD beim österreichischen Generalkonsulat in München einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für Österreich gestellt habe. Nach seiner Abschiebung aus Deutschland sei er nach einem kurzen Aufenthalt in seiner Heimat illegal nach Österreich eingereist, habe sich hiezu der Dienste eines Schleppers bedient und einen gefälschten Reisepaß benützt. Nach seiner Einreise nach Österreich habe er einen Asylantrag gestellt, welcher vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 9. Mai 1995, die Berufung dagegen mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Juni 1995 abgewiesen worden sei.

Der Beschwerdeführer habe daher wohl den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich im Ausland gestellt, den Abschluß des Verfahrens jedoch nicht im Ausland abgewartet, sondern sei zwischenzeitlich illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Einer von der Bezirkshauptmannschaft Baden ausgesprochenen Ausweisung des Beschwerdeführers habe er keine Folge geleistet. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens sei offensichtlich, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Gesetze, insbesondere an jene, mit denen der Zuzug und der Aufenthalt Fremder geregelt sei, zu halten; daher sei die Annahme gerechtfertigt, daß sein Aufenthalt in Österreich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, weder für die öffentliche Sicherheit noch für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe eine Gefährdung darzustellen, da er niemandem zur Last falle, zumal sein Bruder für seinen Aufenthalt und seinen Unterhalt in Österreich aufkomme. Die Behörde hätte § 10 Abs. 3 des Fremdengesetzes im Rahmen ihres Ermessens anwenden müssen; es lägen berücksichtigungswürdige humanitäre Gründe dafür vor, ihm einen Aufenthalt in Österreich zu gewähren.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. November 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 7 FrG abgewiesen. Die Berufungsbehörde ging davon aus, daß sich der Beschwerdeführer aufgrund seines rechtskräftig abgewiesenen Asylantrages illegal in Österreich aufhalte. Dieser illegale Aufenthalt stelle nach Ansicht der Berufungsbehörde, insbesondere bei einem Erstantrag, einen schwerwiegenden Verstoß gegen das österreichische Fremdenrecht dar. Dadurch habe der Beschwerdeführer gezeigt, daß er nicht gewillt sei, die Vorschriften des österreichischen Fremdenrechtes einzuhalten und zu respektieren. Die Tatsache seines illegalen Aufenthaltes stelle daher eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, da das Verhalten auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben könnte und eine Billigung dieses Verhaltens jegliche fremdenrechtliche Bestimmung obsolet erscheinen ließe. Darüberhinaus habe der Beschwerdeführer bei der am 1. Mai 1995 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet die Grenzkontrolle umgangen, indem er sich nach seinen eigenen Angaben eines Schleppers und eines gefälschten Reisepasses bedient habe. Bei der Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß insbesondere im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen die öffentlichen Interessen überwögen, auch habe die Berufungsbehörde insbesondere bei dieser Abwägung humanitäre Gründe berücksichtigt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (29. November 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage in der Fassung der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 7 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

7. sich der Sichtvermerkswerber nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufhält."

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer den Umstand, daß sich die belangte Behörde bei Ermittlung des Sachverhaltes lediglich auf seine Einvernahme gestützt, aber seine Angaben über die Inhaftierung seines Vaters und die ihm drohende Verfolgung in seinem Heimatstaat nicht entsprechend berücksichtigt habe. Hätte die belangte Behörde dies getan und die von ihr gewonnenen Erkenntnisse entsprechend bewertet, wäre ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen gewesen.

Angaben über eine behauptete, dem Beschwerdeführer drohende Verfolgung in seinem Heimatstaat können jedenfalls im Verfahren betreffend die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG aber keine Rolle spielen. Das Vorliegen solcher lebensbedrohender Umstände im Heimatland des Beschwerdeführers ist nicht im Verfahren zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung, sondern in einem Verfahren betreffend Asylgewährung geltend zu machen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. November 1996, Zl. 96/19/2261, und vom 30. Mai 1997, Zl. 96/19/0448). Der belangten Behörde unterlief daher kein Verfahrensfehler, wenn sie das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigte. Daß die von der belangten Behörde als entscheidungswesentlich herangezogenen Fakten (Einreise des Beschwerdeführers mit Hilfe eines Schleppers unter Umgehung der Grenzkontrolle, Abweisung eines Asylansuchens in der BRD sowie rechtskräftige Abweisung des Asylantrages auch in Österreich) durch die Ermittlungsergebnisse nicht gedeckt wären, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Wie eben dargelegt, bestreitet der Beschwerdeführer nicht, unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist zu sein. Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG als verwirklicht angenommen und dem Beschwerdeführer im Grunde des § 5 Abs. 1 AufG die angestrebte Bewilligung versagt hat (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0326).

Dabei sind die vom Beschwerdeführer geschilderten Umstände in seinem Heimatland ebensowenig rechtlich relevant wie das Vorbringen, er habe sich vom Tag seiner Einreise in das Bundesgebiet an ordnungsgemäß verhalten, lebe bei seinem Bruder und werde von diesem entsprechend unterstützt.

Der Beschwerdeführer rügt implizit das Fehlen der Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK, wenn er vorbringt, sich "unter dem Schutz des Privat- und Familienlebens" bei seinem Bruder aufzuhalten. Die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG stellt einen bereits vom Gesetzgeber vorbedachten zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben - auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK - dar, weshalb im Einzelfall nicht darauf einzugehen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497 = ZfVB 1995/5/1729, sowie das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/1208). Eine derartige, Ausnahmen ausschließende Regelung, wie sie § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG trifft, kann nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes deshalb notwendig sein, um zu sichern, daß das in anderen fremdenrechtlichen Vorschriften (insbesondere im Aufenthaltsgesetz) entwickelte geschlossene Ordnungssystem nicht gestört wird, welches der Erreichung des - sachlich begründbaren und durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckten - Zieles, die Einreise von Fremden nach Österreich zwecks längerem oder dauerndem Aufenthalt im Bundesgebiet (Einwanderung) in geordnete Bahnen zu lenken, dient. Der durch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung bewirkte Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erweist sich daher im Hinblick auf das dargestellte öffentliche Interesse gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK als gerechtfertigt.

Der belangten Behörde konnte daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG im vorliegenden Fall für gegeben erachtete. Die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung war daher schon allein aus diesem Grund nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Auf den von der belangten Behörde des weiteren herangezogenen Abweisungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und die dagegen erhobenen Einwendungen brauchte somit nicht eingegangen zu werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190044.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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