TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/5 W212 2207999-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2020
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Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67
FPG §70

Spruch

W212 2207999-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2018, Zahl: 434973901-180649494, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß §§ 67 und 70 Abs. 3 FPG 2005 i.d.g.F. sowie § 18 Abs. 3 BFA-VG i.d.g.F. stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, brachte am 28.10.2016 bei der Magistratsabteilung 35 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte ein und berief sich hierbei auf eine am 16.09.2016 in Serbien geschlossene Ehe mit einer bulgarischen Staatsangehörigen. Da der Beschwerdeführer und seine Gattin bei der persönlichen Antragstellung das Datum der Eheschließung nicht hätten angeben können, mangels gemeinsamer Sprache nicht miteinander hätten kommunizieren können und an getrennten Wohnsitzen gelebt hätten, ersuchte die MA 35 die Landespolizeidirektion um Erhebungen wegen des Verdachts einer Aufenthaltsehe.

In einem Bericht einer Landespolizeidirektion vom 22.03.2017 wird ausgeführt, dass die an der Meldeadresse des Ehepaars durchgeführten, näher dargestellten, Erhebungen den Verdacht einer zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin möglichen Aufenthaltsehe, insbesondere infolge eines diesbezüglichen Eingeständnisses der Ehegattin, massiv erhärtet hätten.

Am 20.04.2017 wurde zunächst die Ehegattin des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe als Zeugin befragt. Über Vorhalt der von ihr laut Polizeibericht am 22.03.2017 eingestandenen Scheinehe mit dem Beschwerdeführer bestritt die Zeugin dies und gab an, dass man ihre Angabe, ihr Mann würde nicht in der gleichen Wohnung wohnen, vielleicht falsch verstanden habe. Die Zeugin habe ihren Mann vor etwa einem Jahr in der Arbeit in einer näher bezeichneten Diskothek kennengelernt, wo dieser Gast gewesen wäre. Um welchen Monat es sich gehandelt habe, wisse sie nicht mehr. Sie habe im März 2016 angefangen dort zu arbeiten, und gleich danach ihren Mann kennengelernt. Den Vorhalt, dass sie laut Sozialversicherungsdatenauszug erst seit Mai dort gearbeitet hätte, bejahte die Zeugin. Befragt, wie die Beziehung weiter aufgebaut worden wäre, gab die Zeugin an, sie hätten sich in der erwähnten Diskothek kennengelernt und im September geheiratet. Um eine genauere Schilderung ersucht, gab die Zeugin an, sie hätten Nummern ausgetauscht. Auf Nachfrage gab sie an, das erste Treffen habe in der Wohnung seiner Mutter stattgefunden; danach hätten sie sich fast jeden Tag getroffen. Zehn bis fünfzehn Tage nach dem Kennenlernen hätten sie beschlossen, zu heiraten. Sie hätten dies gemeinsam beschlossen. Die Hochzeit habe in XXXX stattgefunden. Über Vorhalt, dass die Hochzeit laut Heiratsurkunde in XXXX stattgefunden habe, fragte die Zeugin, was XXXX sei. Trauzeugen seien die Mutter, der Onkel und zwei der Zeugin nicht bekannte Verwandte ihres Mannes sowie der Bruder der Zeugin gewesen. Die Frage, ob all diese Personen Trauzeugen gewesen wären, verneinte die Zeugin, dies seien lediglich die beiden der Zeugin nicht bekannten Personen gewesen. Auf die Frage, wo die Hochzeitsfeier stattgefunden habe und wie viele Personen anwesend gewesen wären, antwortete die Zeugin, dass es keine Hochzeitsfeier gegeben habe. Eine Hochzeitsreise habe es ebenfalls nicht gegeben. Sie seien fast eine Woche in Serbien gewesen und hätten im Haus der Mutter ihres Mannes übernachtet. Ihr Mann sei nicht berufstätig. Derzeit wohne sie in einer Wohnung gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrem Mann. Über Vorhalt, dass die Wohnung nur 35 m2 habe, meinte die Zeugin, ihr Bruder sei nicht immer da. Die Zeugin wurde sodann zum Verlauf der letzten Tage befragt. Sie und ihr Mann hätten keine gemeinsamen Hobbies. Das Hobby ihres Mannes sei Fußball, jenes der Zeugin sei Musik und Filme. Ihr Mann und sie hätten keine gemeinsamen Bekannten und sie hätten noch nie gemeinsam Urlaub gemacht. Sie halte ihre Angabe, –entgegen dem Polizeibericht – eine normale Ehe zu führen, aufrecht.

Am 20.04.2017 wurde der Beschwerdeführer zum Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Über Vorhalt des Inhalts des Polizeiberichts vom 22.03.2017 gab der Beschwerdeführer an, die Polizei habe das falsch verstanden. Im Bundesgebiet lebe die Mutter des Beschwerdeführers, zwei Halbgeschwister würden in Serbien leben. Der Beschwerdeführer ginge momentan keiner Beschäftigung nach, sein Aufenthalt werde durch seine Frau, seine Mutter und seinen Onkel finanziert. Er habe seine Frau vor etwa einem Jahr in einer Diskothek gesehen und angesprochen. Das erste Treffen habe in einem Lokal stattgefunden. Seiner Mutter habe er seine nunmehrige Frau zwei bis drei Wochen nach dem Kennenlernen vorgestellt. Auf Vorhalt der Aussage seiner Frau, wonach das erste Treffen bei der Mutter des Beschwerdeführers stattgefunden habe, meinte der Beschwerdeführer, er wisse es nicht mehr, dies sei schon fast ein Jahr her. Befragt, wann sie beschlossen hätten, zu heiraten, meinte der Beschwerdeführer, sie hätten darüber gesprochen, dass er nicht mehr hin- und herfahren müsse. Dies hätten sie beim ersten Treffen mit seiner Mutter und seiner Frau im August letzten Jahres beschlossen. Darauf angesprochen, dass seine Frau angegeben hätte, dass dies bereits zwei Wochen nach dem Kennenlernen geschehen sei, erwiderte der Beschwerdeführer, im August seien sie – seine Mutter, seine Frau, sein Onkel, der Bruder seiner Frau und er selbst – nach Serbien gefahren. Befragt, wie lange sie dort gewesen seien, korrigierte der Beschwerdeführer seine Aussage und erklärte, dass es Anfang September gewesen wäre. Seine Frau sei nur einige Tage geblieben, der Beschwerdeführer habe auf seinen Reisepass warten müssen. Die Hochzeit habe in XXXX stattgefunden. Trauzeugen seien der Onkel und der Pate des Beschwerdeführers gewesen. Ansonsten seien der Bruder seiner Frau und die Mutter des Beschwerdeführers anwesend gewesen. Befragt, wo die Hochzeitsfeier stattgefunden habe und wie viele Personen anwesend gewesen wären, erklärte der Beschwerdeführer, es habe nur eine kleine Feier zu Hause gegeben. Weshalb sie nicht in Österreich geheiratet hätten, wisse der Beschwerdeführer nicht. Eine Hochzeitsreise habe es nicht gegeben. In Serbien hätten sie im Haus seiner Mutter gewohnt. Seine Frau sei berufstätig. Er wohne mit seiner Frau in einer Wohnung seines Onkels, in welcher manchmal auch der Bruder seiner Frau schlafe. Auf Vorhalt der Angabe seiner Frau, demzufolge ihr Bruder Hauptmieter sei, verneinte der Beschwerdeführer dies und gab an, der Bruder bezahle nur für den Strom. Seine Frau und er hätten keine gemeinsamen Hobbies/Interessen. Seine Frau möge Musik und Filme, er selbst möge Fußball. Seine Frau und er hätten keine gemeinsamen Bekannten und hätten noch nie gemeinsam Urlaub gemacht.

Am 09.05.2017 wurde der vom Beschwerdeführer und seiner Ehegattin bezeichnete Bruder der Ehegattin als Zeuge vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl befragt. Der Zeuge gab an, er habe eine Beziehung mit der Schwester der Mutter der Ehegattin des Beschwerdeführers gehabt; die Bezeichnung Bruder liege in einem Übersetzungsfehler begründet; sie würden in der Familie so zueinander sagen. Der Zeuge wohne nun an einer näher angeführten Adresse. In der Wohnung des Beschwerdeführers und seiner Frau sei er gewesen, als er ihnen bei Renovierungsarbeiten geholfen hätte. Als er dort gearbeitet hätte, habe er auch dort geschlafen. Er bezahle den Strom für die Wohnung, da sie nicht genug Geld gehabt hätten. Er sei bei der Hochzeit dabei gewesen, welche in XXXX stattgefunden hätte.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes für XXXX vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28.10.2016 auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts zurückgewiesen und es wurde festgestellt, dass dieser nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle. Begründend wurde ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens für die Behörde feststünde, dass der Beschwerdeführer und seine Ehegattin kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führen würden, ein solches zu keiner Zeit geführt hätten und die Ehe nur geschlossen worden sei, um einen Aufenthaltstitel erlangen.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes XXXX vom XXXX wurde das Verfahren über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde infolge deren Zurückziehung eingestellt.

Mit Schreiben vom 10.07.2018 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer von der wegen der festgestellten Scheinehe beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis und gewährte ihm die Möglichkeit, hierzu, zu Berichten über die Versorgungssituation in Serien sowie näher aufgelisteten Fragestellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen, binnen Frist eine Stellungnahme einzubringen. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers langte nicht ein.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2018 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte Identität und Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers fest und legte seiner Entscheidung Berichte zur Situation in Serbien zugrunde.

Zur Begründung des Aufenthaltsverbotes wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer, welcher am 16.09.2016 eine bulgarische Staatsangehörige geheiratet hätte, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nicht erfülle. Das Bestehen einer Scheinehe sei mit rechtskräftigem Bescheid vom XXXX bestätigt worden. Demnach habe der Beschwerdeführer das Bestehen einer Ehe vorgetäuscht, um dadurch einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt und ein Aufenthaltsrecht illegal lukrieren zu können; dies stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen in Österreich und der Nichtbeachtung von Rechtsnormen könne eine positive Zukunftsprognose nicht gestellt werden. Der Beschwerdeführer, welcher sich seit Oktober 2016 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte, führe kein Familienleben mit seiner Ehegattin, ginge keiner Erwerbstätigkeit nach, beherrsche die deutsche Sprache nicht und habe sich seinen bisherigen Aufenthalt unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen. Der Beschwerdeführer beherrsche Serbisch, habe den Großteil seines Lebens in Serbien verbracht und keine Integration im Bundesgebiet dargetan. Es sei daher davon auszugehen, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der ausgesprochenen Dauer notwendig sei, um der von ihm ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu begegnen. Die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes sei im Sinne der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten, sodass ein Durchsetzungsaufschub nicht zu erteilen gewesen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen sei.

3. Gegen den dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 16.10.2018 fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde, in der begründend ausgeführt wurde, die Behörde stütze die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe auf den Bescheid des Landeshauptmannes für XXXX , welcher jedoch keine Bindungswirkung entfalte. Darüber hinausgehende beweiswürdigende Erwägungen seien dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Erteilung der Aufenthaltskarte sei zurückgezogen worden, da die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegen hätten. Die im Verfahren vor der MA35 aufgelisteten Umstände ließen den zwingenden Schluss auf das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nicht zu. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei daher ungeklärt, zumindest könne dieser nicht auf die offensichtlich unzureichend und mangelhaft geführten Erhebungen der Landespolizeidirektion XXXX bzw. des Bescheides des Amtes der XXXX Landesregierung gestützt werden. Zum Nachweis eines tatsächlich bestehenden Familienlebens würden Zeugen namhaft gemacht werden. Selbst bei Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe könne diese nicht automatisch als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verstanden werden. Bei begünstigten Drittstaatsangehörigen genüge für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur ein persönliches Verhalten, welches eine erhebliche Gefahr darstelle. Eine den Anforderungen des § 67 Abs. 1 FPG entsprechende Abwägung sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer sei seit mehreren Jahren in Österreich wohnhaft und es bestehe daher eine ausgeprägte soziale Integration. Neben seinen Eltern würden viele Verwandte und Freunde in Österreich leben. Dies sei ebenso wie der Umstand, dass es sich um das erstmalige Fehlverhalten des Beschwerdeführers handeln würde, zu berücksichtigen. Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte die Behörde zudem von der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand nehmen müssen.

4. Mit Aktenvermerk vom 22.10.2018 hielt die ursprünglich für das gegenständliche Verfahren zuständig gewesene Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vorliegen würden.

Einem Bericht einer Landespolizeidirektion vom 29.11.2018 lässt sich entnehmen, dass an verschiedensten Tages- und Nachzeiten versucht worden wäre, einen Festnahmeauftrag an der letzten Meldeadresse des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin durchzuführen, der Beschwerdeführer jedoch nie habe angetroffen werden können. Seine Ehegattin habe angegeben, dass der Beschwerdeführer seine persönlichen Dokumente an sich genommen und sich seither nicht mehr in der Wohnung aufgehalten hätte. Über dessen Aufenthaltsort sei sie nicht informiert. Der Beschwerdeführer habe am 29.11.2018 eine Abmeldung jener Adresse vorgenommen, ohne eine Verzugsadresse angegeben zu haben.

Am 06.02.2020 wurde der Beschwerdeführer infolge vorheriger Verhängung der Schubhaft nach Serbien abgeschoben.

5. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Serbiens und führt die im Spruch erstangeführten Personalien.

1.2. Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Jahr 2003 unter den Personalien XXXX ins Bundesgebiet ein und begründete hier im April 2003 einen Hauptwohnsitz.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 20.12.2004 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 FPG idF BGBL I Nr. 75/1997 ausgewiesen, nachdem er nach Ablauf eines befristeten Visums unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben war.

Mit Berufungsbescheid der Sicherheitspolizeidirektion XXXX vom 20.05.2005 wurde der dargestellte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen, da der Beschwerdeführer aufgrund der zwischenzeitlich mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe als begünstigter Drittstaatsangehöriger gegolten habe.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 05.07.2006 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß §§ 87 iVm 86 Abs. 1 FPG ein auf § 63 Abs. 1 FPG gestütztes Aufenthaltsverbot von fünf Jahren erlassen. Begründend wurde ausgeführt, dass die durchgeführten Ermittlungen ergeben hätten, dass die zwischen dem Beschwerdeführer und der österreichischen Staatsangehörigen geschlossene Ehe, auf die er einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck „Familiengemeinschaft mit Österreicher“ gestützt hätte, lediglich deshalb eingegangen worden sei, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen und ein gemeinsames Familienleben mit seiner Ehegattin tatsächlich nie geführt worden sei.

Mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 21.03.2010 wurde in Stattgabe eines Devolutionsantrags die Berufung gegen den dargestellten Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.05.2011, 2010/21/0237-6, wurde eine gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 29.02.2012 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Bescheides, mit welchem gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, abgewiesen.

Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats XXXX vom 11.06.2012 wurde der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Unter den zuvor genannten Personalien war der Beschwerdeführer von 02.04.2003 bis 18.02.2011 und von 19.04.2011 bis 27.07.2012 mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.

1.3. Der Beschwerdeführer schloss im September 2016 in Serbien die standesamtliche Ehe mit einer bulgarischen Staatsangehörigen, welche aufgrund einer Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer) zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Der Beschwerdeführer stellte in der Folge unter den nunmehr geführten, im Spruch ersichtlichen, Personalien am 28.10.2016 bei der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte.

Ermittlungen ergaben, dass die vom Beschwerdeführer geschlossene Ehe mit dem Zweck eingegangen worden ist, dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen und ein tatsächliches Familienleben zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin nicht geführt worden ist.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes für XXXX vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28.10.2016 auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß § 54 Abs. 1 iVm Abs. 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen und es wurde festgestellt, dass dieser nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle. Begründend wurde ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens für die Behörde feststünde, dass der Beschwerdeführer und seine Ehegattin kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führen würden, ein solches zu keiner Zeit geführt hätten und die Ehe nur geschlossen worden sei, um einen Aufenthaltstitel erlangen.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes XXXX vom XXXX , Zahl VGW- XXXX , wurde das Verfahren über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde infolge deren Zurückziehung eingestellt.

Der Beschwerdeführer war in der Folge nicht mehr zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

1.4. Der Beschwerdeführer war zuletzt seit 10.10.2016 mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet und ist am 06.02.2020 in den Herkunftsstaat zurückgekehrt. Der strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer ging im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach und hat mit Ausnahme des Kontakts zu seiner im Bundesgebiet lebenden Mutter und einem Onkel keine Bindungen zum Bundesgebiet dargetan.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer (nunmehr) geführten Personalien und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf den im Veraltungsakt dokumentierten Umstand, dass er Inhaber eines serbischen Reisepasses lautend auf die im Spruch genannten Personalien ist. Dass der Beschwerdeführer unter der festgestellten abweichenden Identität bereits im Zeitraum 2003 bis 2012 im Bundesgebiet aufhältig gewesen ist, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Mitteilung einer Landespolizeidirektion vom 11.05.2017 sowie der Einsichtnahme in den zu diesen Personalien übermittelten Verwaltungsakt.

Die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Inhalt der entsprechenden Verwaltungs- und Gerichtsakten. Die Ausführungen zu seiner erstmaligen Einreise unter abweichenden Personalien im Jahr 2003 und den folgenden Verfahrenshandlungen, insbesondere der Erlassung eines fünfjährigen Aufenthaltsverbotes infolge einer mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Aufenthaltsehe, ergeben sich aus dem eindeutigen Akteninhalt, insbesondere der Ausfertigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.05.2011, mit dem eine Beschwerde betreffend die Erlassung des befristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde.

2.2. Die Feststellungen über die vom Beschwerdeführer unter den nunmehr geführten Personalien beantragte Aufenthaltskarte sowie die rechtskräftig erfolgte Zurückweisung jenes Antrags und die gemäß § 54 Abs. 7 NAG getroffene Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle, ergeben sich aus den im Akt einliegenden Ausfertigungen der Bescheide des Landeshauptmannes für XXXX vom XXXX und des Beschlusses vom XXXX über die Einstellung des bezughabenden Beschwerdeverfahrens durch das Verwaltungsgericht XXXX sowie die Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister. Die Feststellung über den Inlandsaufenthalt und die Zeiten der Hauptwohnsitzmeldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

Die Feststellungen über die Staatsangehörigkeit und den aufenthaltsrechtlichen Status der Ehegattin des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt sowie der aktuellen Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister. Die erfolgte Eheschließung ergibt sich aus der im Akt einliegenden Heiratsurkunde und wurde auch dem Verfahren vor der Niederlassung- und Aufenthaltsbehörde zugrunde gelegt.

2.3. Die Feststellungen über die Ermittlungsergebnisse zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe ergeben sich aus dem Bericht einer Landespolizeidirektion vom 22.03.2017, den Niederschriften der Einvernahmen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.04.2017, den Ausführungen im rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes für XXXX vom XXXX sowie den schlüssigen Erwägungen im angefochtenen Bescheid. Der Beschwerdeführer ist dem Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe im gegenständlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt konkret entgegengetreten, sondern es fanden die im Bescheid vom XXXX getroffenen Erwägungen durch die in den Befragungen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgetretenen Widersprüche und vagen Aussagen über ihre Lebensumstände zusätzliche Bestätigung.

Dass der Beschwerdeführer keine relevanten Integrationsmerkmale in sozialer, kultureller und sprachlicher Hinsicht aufweist, ergibt sich aus seinen Aussagen gegenüber der belangten Behörde und den diesbezüglich getroffenen Feststellungen im bekämpften Bescheid, denen in der Beschwerde ebenfalls nicht substantiiert entgegengetreten worden ist. Dass dieser im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ergibt sich zusätzlich aus einem im Akt einliegenden Sozialversicherungsdatenauszug.

Die Feststellungen über die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) 3.1. Zum Aufenthaltsverbot:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet idgF auszugsweise wie folgt:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) […]

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.“

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 12.03.2013, Zl. 2012/18/0228 fest:

"§ 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 enthält zwar nur zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet (bzw. im Fall von Minderjährigen). Es muss aber angenommen werden, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern (arg. a minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 angesiedelt ist - heranzuziehen ist. Dies gebietet im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie eine unionsrechtskonforme Interpretation, weil das Aufenthaltsverbot eine Ausweisungsentscheidung im Sinn der Richtlinie beinhaltet. Zum gleichen Ergebnis führt eine verfassungskonforme Interpretation, weil die Anwendung eines weniger strengen Maßstabes für Aufenthaltsverbote als für bloße Ausweisungen sachlich nicht zu rechtfertigen wäre."

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist ein begünstigter Drittstaatsangehöriger der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

In seiner Entscheidung vom 25.01.2018, Ra 2017/21/0237, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Bestimmung des § 21 Abs. 5 BFA-VG bei Aufenthaltsverboten nach § 67 FPG nicht zur Anwendung gelange, weshalb im Beschwerdeverfahren von der Sach- und Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt auszugehen ist.

3.1.3. Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Staatsangehörige der Republik Serbien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Der Beschwerdeführer ist seit September 2016 mit einer bulgarischen Staatsbürgerin verheiratet, welche im Bundesgebiet zuletzt einer Erwerbstätigkeit nachging und über eine unbefristete Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer) verfügt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass einem Fremden, der mit einem in Österreich lebenden, sein unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmenden EU-Bürger aufrecht verheiratet ist (unabhängig davon, ob die Ehe als Scheinehe zu qualifizieren wäre), die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zukommt. Insofern treffe zu, dass das formell aufrechte Bestehen der Ehe maßgeblich ist. Das steht der Wahrnehmung einer Scheinehe aber nicht entgegen, sondern bedeutet nur, dass sich die Konsequenzen dieser Scheinehe nach den für begünstigte Drittstaatsangehörige geltenden Regeln bestimmen. Insbesondere käme etwa die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nach § 67 Abs. 1 FPG, weil auf Grund des persönlichen Verhaltens des begünstigten Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, in Betracht. Daran kann auch auf Grundlage der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) kein Zweifel bestehen, sieht doch deren Art. 35 vor, dass die Mitgliedstaaten die Maßnahmen erlassen können, die notwendig sind, um die durch die Richtlinie verliehenen Rechte "im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug - wie z.B. durch Eingehung von Scheinehen - zu verweigern" (vgl. VwGH 14.4.2016, Ro 2016/21/0005 mwN).

Als Ehegatte einer EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, kam dem Beschwerdeführer demnach grundsätzlich die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zu; dies galt unabhängig davon, dass die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist, und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG vorlag (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349; 25.9.2017, Ra 2017/20/0293).

Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Landeshauptmannes für XXXX vom XXXX , Zahl XXXX , wurde jedoch der Antrag des Beschwerdeführers vom 28.10.2016 auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß § 54 Abs. 1 iVm Abs. 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen und es wurde festgestellt, dass dieser nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle.

Dem Beschwerdeführer kommt damit ungeachtet des formalen Fortbestehens der (Aufenthalts-)Ehe mit einer EU-Bürgerin die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger nicht zu. Das BFA hat damit die für begünstigte Drittstaatsangehörige geltenden Bestimmungen im konkreten Fall zu Unrecht zur Anwendung gebracht und ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen.

3.1.4. Im Falle des Beschwerdeführers wäre richtigerweise (angesichts seines – infolge rechtskräftiger Zurückweisung seines Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte und der Feststellung, dass dieser nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle – unrechtmäßigen Aufenthalts) die Zulässigkeit einer auf § 52 Abs. 1 FPG gestützten Rückkehrentscheidung sowie eines auf § 53 Abs. 2 Z 8 FPG gestützten Einreiseverbotes zu prüfen gewesen (siehe VwGH 24.1.2019, Ra 2019/21/0004, wo in einer vergleichbaren Konstellation der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG als rechtmäßig beurteilt wurde).

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass es sich bei Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot einerseits sowie bei einem Aufenthaltsverbot andererseits um unterschiedliche Maßnahmen handelt. Erstere ergehen gegen Drittstaatsangehörige, verpflichten diese zur Ausreise in deren Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat (Rückkehrentscheidung; siehe § 52 Abs. 8 FPG) und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten (das sind jene Staaten, für die die Richtlinie 2008/115/EG gilt; siehe das Erkenntnis VwGH 22.5.2013, 2013/18/0021) einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten (Einreiseverbot; siehe § 53 Abs. 1 FPG). Ein Aufenthaltsverbot ist dagegen jene aufenthaltsbeendende Maßnahme, die gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige in Betracht kommt und verpflichtet "nur" zum Verlassen und über den festgesetzten Zeitraum zum Verbleib außerhalb des Bundesgebietes. Angesichts des demnach unterschiedlichen normativen Gehalts der erwähnten Maßnahmen, die zudem an unterschiedliche Voraussetzungen anknüpfen, sind sie nicht "austauschbar"; damit komme aber die vom Revisionswerber und vom BVwG offenbar angedachte Transformation eines Einreiseverbotes in ein Aufenthaltsverbot, wenn der betroffene Fremde EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger wird, nicht in Betracht (vgl. VwGH 14.11.2017 Ra 2017/21/0151).

Vor dem Hintergrund jener Erwägungen kam angesichts des unterschiedlichen Regelungsinhaltes die erstmalige Beurteilung einer Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Aussprüche im Stadium des Beschwerdeverfahrens nicht in Betracht; das Bundesverwaltungsgericht hätte andernfalls erstmals u.a. gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat abzusprechen, womit der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten und dem Beschwerdeführer eine Beschwerdeinstanz genommen würde.

3.1.5. Das gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Aufenthaltsverbot sowie die darauf aufbauenden Aussprüche eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung waren daher zu beheben. Ungeachtet dessen ist nochmals festzuhalten, dass ein rechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet infolge Zurückweisung seines Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte und Feststellung, dass dieser nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt, nicht vorgelegen hat.

4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§ 21 Abs. 7 BFA-VG iVm 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsehe Aufenthaltsrecht Aufenthaltsverbot aufgehoben begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung Rechtsanschauung des VwGH Rückkehrentscheidung Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2207999.1.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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