TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/28 I419 2235526-1

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Veröffentlicht am 28.12.2020
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Entscheidungsdatum

28.12.2020

Norm

AuslBG §15
AuslBG §20e Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
NAG §47
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I419 2235526-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas Joos als Vorsitzenden sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Markus Hintner und die fachkundige Laienrichterin Jennifer Schumacher als Beisitzer und Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH, gegen den Bescheid des AMS Bregenz vom 06.07.2020, Zl. XXXX ,

A) 1. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid soweit behoben, als er die Bestätigung der Voraussetzungen gemäß § 15 AuslBG versagt.

Im Verfahren über die Ausstellung einer „Rot-Weiß-Rot–Karte plus“ gemäß § 47 Abs. 4 NAG wird der BH Bregenz gegenüber nach § 20e Abs. 1 Z. 1 AuslBG bestätigt, dass Herr XXXX die Voraussetzungen gemäß § 15 AuslBG erfüllt.

2. beschlossen:

Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Ausstellung einer „Rot-Weiß-Rot–Karte plus“ gemäß § 47 Abs. 4 NAG richtet, wird sie wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem bekämpften Bescheid wies das AMS den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ab und versagte die Bestätigung, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen gemäß § 15 AuslBG erfülle.

2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, das AMS habe zur Integration des Beschwerdeführers keine hinreichenden Ermittlungsschritte gesetzt. Dieser habe das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt und weise weitere, näher genannte Integrationsmerkmale auf. Das AMS habe zudem zu Unrecht nicht nur die Bestätigung versagt, sondern auch den Antrag nach dem NAG abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Pkt. I. wiedergegebene Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt. Außerdem wird festgestellt:

1.1 Der Beschwerdeführer ist peruanischer Staatsangehöriger und zog im März 2017 zu seiner Mutter, die mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist und seit 2010 hier wohnt. Dieser ist sein Stiefvater. Der Beschwerdeführer ist seither durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet und wohnt seit spätestens 12.09.2018 durchgehend im Inland.

1.2 Ab 12.09.2018 hatte der Beschwerdeführer eine (nach späterer Verlängerung) bis 11.09.2020 gültige „Niederlassungsbewilligung–Angehöriger“. Er beantragte am 16.06.2020 bei der BH Bregenz die Ausstellung einer „Rot-Weiß-Rot–Karte plus“, worauf die BH beim AMS anfragte, ob er die Voraussetzungen gemäß § 15 AuslBG erfülle.

1.3 Im September 2018 hat er die Deutschprüfung B1, am 10.09.2020 die ÖIF-Integrationsprüfung A2 bestanden.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Verfahrensgang und Feststellungen ergaben sich aus dem Akt des AMS zusammen mit der Beschwerde samt deren Beilagen. Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Zentralen Melderegister (ZMR) eingeholt.

Aus den genannten Auszügen ergeben sich die bisherigen Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers und die jetzige Antragstellung sowie die Feststellungen zum Wohnsitz, die anhand der Angaben in der Beschwerde ergänzt und bestätigt werden konnten.

2.2 Betreffend die vorgelegte Bestätigung des „Wifi“, wonach der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung „abgelegt“ habe, wurde dort die ergänzende Auskunft eingeholt, dass er diese Prüfung auch bestanden hat. (Aktenvermerk vom 10.12.2020) Danach erweist sich die im Beschwerdeverfahren nachgereichte Bestätigung des ÖIF vom 08.10.2020 als richtig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1 Zur Behebung der abweisenden Entscheidung über den Antrag gemäß § 47 Abs. 4 NAG (Spruchteil A) 1.):

Angehörigen von Zusammenführenden, die bereits eine „Niederlassungsbewilligung–Angehöriger“ besitzen, ist nach § 47 Abs. 4 NAG ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot–Karte plus“ zu erteilen, wenn (neben anderen Voraussetzungen) eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des AMS gemäß § 20e Abs. 1 Z. 1 AuslBG vorliegt.

In § 20e Abs. 1 Z. 1 AuslBG ist vorgesehen, dass vor Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ das AMS der nach dem NAG zuständigen Behörde zu bestätigen hat, dass die Voraussetzungen gemäß § 15 AuslBG vorliegen. Dieser sieht vor, dass (unter anderem) Ausländern, die im Besitz einer „Niederlassungsbewilligung–Angehöriger“ sind, in einem Zweckänderungsverfahren zur Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot–Karte plus“ unbeschränkter Arbeitsmarktzugang eingeräumt wird, wenn sie (§ 15 Abs. 1 Z. 1) seit zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen und fortgeschritten integriert sind.

Als fortgeschritten integriert im Sinne des § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG gelten nach § 15 Abs. 2 (auch) Personen, deren Zulassung zu einer Beschäftigung im Hinblick auf ihre besondere soziale und familiäre Verankerung in Österreich geboten ist. Dazu gehören laut dem zweiten Satz des Abs. 2 insbesondere nachgezogene Familienangehörige, die das Modul I der Integrationsvereinbarung erfüllt haben.

Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist nach § 9 Abs. 4 IntG (unter anderem) dann erfüllt, wenn der Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 IntG vorliegt. Nach § 11 Abs. 2 IntG umfasst die Prüfung Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt.

Der Beschwerdeführer hat den Feststellungen nach die ÖIF-Integrationsprüfung A2 bestanden und somit das Modul I der Integrationsvereinbarung erfüllt. Er ist wie festgestellt seiner Mutter nachgezogen und seit spätestens 12.09.2018 auch wieder im Inland wohnhaft. Als niedergelassen gilt nach § 2 Abs. 2 Z. 1 NAG (unter anderem), wer sich hier zu Zweck der Begründung eines Wohnsitzes aufhält, der länger als sechs Monate besteht. Daher ist der Beschwerdeführer auch seit (mehr als) zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen. Er ist demnach fortgeschritten integriert im Sinn des § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG.

Das AMS hat nach § 20e Abs. 3 AuslBG bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 Z. 1, 2 oder 3 die Bestätigung mit Bescheid zu versagen und diesen unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Ausländer oder die Ausländerin zu übermitteln.

Für die Entscheidung im Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich die aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich. Da der Beschwerdeführer wie gezeigt gegenwärtig die Voraussetzungen des § 15 AuslBG erfüllt, ist dieser Umstand der nach dem NAG zuständigen Behörde gegenüber zu bestätigen, sodass der bekämpfte Bescheid in seinem die Versagung aussprechenden Punkt nicht bestehen kann und wie geschehen die Bestätigung der BH Bregenz gegenüber zu erteilen war.

3.2 Zur Zurückweisung der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Ausstellung einer „Rot-Weiß-Rot–Karte plus“ (Spruchteil A) 2.):

Das AMS hat mit dem bekämpften Bescheid unter einem auch den Antrag des Beschwerdeführers an die BH abgewiesen, diese möge ihm gemäß § 47 Abs. 4 NAG eine „Rot-Weiß-Rot–Karte plus“ erteilen.

In § 47 letzter Satz NAG ist vorgesehen, dass das Verfahren betreffend den Aufenthaltstitel „ohne Weiteres“ einzustellen ist, wenn die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice „über die Zulassung“ im Fall des § 20e Abs. 1 Z. 1 AuslBG rechtskräftig wird, sodass daraus zu schließen ist, dass das Verfahren über den Anspruch nach dem

NAG weder vor noch nach der Rechtskraft der Versagung der AMS-Bestätigung mit einer Entscheidung des AMS über den Antrag nach dem NAG endet. Auch den Materialien zu § 20e AuslBG ist Derartiges nicht zu entnehmen (2163 BlgNR 24. GP, 6). Der in der Literatur vertretenen Meinung, dass beim Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 15 AuslBG die regionale Geschäftsstelle (des AMS) den Antrag abzulehnen habe (Deutsch/Nowotny/Seitz, AuslBG² [2018] § 15 Rz 15), steht demnach der Gesetzeswortlaut entgegen. Das hat auch Konsequenzen für die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit.

Behörde nach dem NAG ist gemäß seinem § 3 Abs. 1 der Landeshauptmann. Dieser kann, wenn es im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle zu entscheiden. Eine solche Verordnung hat der LH von Vorarlberg 2005 erlassen (LGBl. Nr. 51). Darin werden die BH (auch) ermächtigt, im Namen des Landeshauptmannes Entscheidungen im Zusammenhang mit Aufenthaltstiteln zu treffen (§ 1 lit. a). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem (beabsichtigten) Wohnsitz des Fremden (§ 4 Abs. 1 NAG).

Über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem NAG entscheidet nach dessen § 3 Abs. 2 das örtlich zuständige Verwaltungsgericht des Landes. Nach § 4 Abs. 2 NAG richtet sich die örtliche Zuständigkeit eines VwG des Landes nach dem Sprengel, in dem die nach Abs. 1 zuständige Behörde ihren Sitz hat. Demgemäß ist zur Entscheidung über die Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid nach dem NAG, für dessen Erlassung eine der BH Vorarlbergs zuständig war, das LVwG Vorarlberg zuständig.

Dieses Ergebnis entspricht auch Art. 131 Abs. 2 B-VG, wonach über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1, sohin auch Bescheidbeschwerden nach dessen Z. 1, das BVwG in Rechtssachen in jenen Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes erkennt, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden (während nach Art. 131 Abs. 1 B-VG grundsätzlich die VwG der Länder über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 entscheiden, wenn nicht das BFG zuständig ist oder eine einfachgesetzliche Regelung nach Abs. 4 f eine abweichende verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit begründet).

Zur Wahrnehmung der Unzuständigkeit hat der VwGH ausgesprochen, dass ungeachtet der den VwG durch die subsidiäre - sinngemäße - Anwendbarkeit des § 6 AVG eröffneten Möglichkeit, Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, an die zuständige Stelle - die auch ein anderes VwG sein kann - durch verfahrensleitenden Beschluss im Sinne des § 31 Abs. 2 VwGVG weiterzuleiten, jedenfalls dann, wenn die Unzuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zweifelhaft und nicht offenkundig ist, eine Entscheidung über die Zuständigkeit in der in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Form zu treffen ist, nämlich durch Beschluss über die Zurückweisung wegen Unzuständigkeit oder Erkenntnis in der Sache bzw. Zurückweisung aus anderen Gründen oder Einstellung unter Bejahung der Zuständigkeit. (18.02.2015, Ko 2015/03/0001 mwN).

Da das BVwG sich in Bezug auf die Beschwerde insoweit nicht für zuständig hält, als (das AMS zwar als Behörde im Allgemeinen in unmittelbarer Bundesverwaltung tätig ist, indes) die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot–Karte plus“ oder die Abweisung eines diesbezüglichen Antrags nach § 47 Abs. 4 NAG nicht zu jenen Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes zählt, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, hatte es sich betreffend diesen Teil des angefochtenen Bescheides einer materiellen Entscheidung zu enthalten und der angeführten Judikatur entsprechend einen Beschluss über die Zurückweisung wegen Unzuständigkeit zu fassen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Wahrnehmung der sachlichen Unzuständigkeit. Ferner ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Betreffend die Bestätigung der Voraussetzungen gemäß § 15 AuslBG war der Sachverhalt auf Basis der vorhandenen Beweismittel geklärt und die Rechtssache im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif, weshalb von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen

werden konnte. Betreffend die partielle Zurückweisung war eine Verhandlung wegen § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG nicht erforderlich.

Schlagworte

Integration Integrationsvereinbarung Niederlassungsbewilligung Rot-Weiß-Rot-Karte plus Teilstattgebung Unzuständigkeit Voraussetzungen Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2235526.1.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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