TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 W175 2236040-1

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W175 2236040-1/2E

W175 2236041-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 01.09.2020, GZ. Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0041/2020, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb XXXX , beide somalische Staatsangehörige, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 19.06.2020, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) gab an, der Vater des Zweitbeschwerdeführers (BF2) zu sein. Die BF, Staatsangehörige Somalias, stellten am 05.07.2018 elektronisch und am 20.09.2018 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (ÖB Addis Abeba) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Als Bezugsperson wurde die Tochter beziehungsweise Halbschwester der BF, ebenfalls somalische Staatsangehörige, genannt, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.03.2018, rechtskräftig seit 06.04.2018, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.

2. Mit Schreiben vom 02.10.2018 leitete die ÖB Addis Abeba die Antragsunterlagen an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) weiter. Im diesbezüglichen Schreiben wurde ausgeführt, dass somalische Reisepässe generell nicht anerkannt werden würden. Die Identität der BF könne nicht geprüft und verifiziert werden. In Bezug auf somalische Dokumente wurde darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit, diese nicht automatisch als korrekt eingestuft werden könnten. Eine Überprüfung durch die ÖB sei nicht möglich, da in Somalia keine funktionierenden behördlichen Strukturen bestehen würden, der ÖB keine Unterschrifts- und Stempelproben vorliegen würden und die ÖB über keine Vertrauensleute in Somalia verfüge, welche allfällige Recherchen durchführen könnten. Es bestünden Zweifel an der Identität, dem Verwandtschaftsverhältnis mit der Bezugsperson und an den sonstigen Angaben der BF. Die Durchführung eines DNA-Tests zum Beweis der leiblichen Vaterschaft sowie eine Altersfeststellung betreffend den BF2 wurden angeregt.

3. Mit Schreiben vom 12.02.2019 ersuchte das BFA die ÖB Addis Abeba um die Veranlassung einer Altersdiagnose betreffend den BF2. Es bestünden erhebliche Bedenken an der Echtheit der vorgelegten Urkunden und Beweismittel. Es ergehe das Ersuchen, diese auf Echtheit zu überprüfen.

4. Mit Schreiben der ÖB Addis Abeba vom 12.02.2019 wurde der BF2 zur Durchführung einer Altersfeststellung innerhalb von zwei Wochen aufgefordert.

5. Mit Mail vom 22.02.2019 teilte der rechtliche Vertreter der BF mit, dass der BF2 versucht habe nach Addis Abeba zu reisen, um dort die Altersfeststellung durchführen zu lassen. Er sei jedoch an der Grenze abgewiesen worden und müsse erst ein Visum besorgen. Es werde um entsprechende Fristverlängerung ersucht. Die ÖB Addis Abeba gewährte am 22.02.2019 eine Fristverlängerung bis zum 08.03.2019.

6. Am 02.03.2019 wurde der BF2 einer Altersfeststellung unterzogen. Die radiologische Untersuchung des linken Handgelenkes zeige eine geschlossene Epiphyse des Radius. Unter Zusammenschau der Röntgenuntersuchung und des klinischen Bildes (körperliche Untersuchung) sei von einem Alter von über 18 Jahren auszugehen. Im ärztlichen Schreiben vom 04.03.2019 wurde ausgeführt, dass eine Röntgenaufnahme des Ellbogens und des Handgelenks durchgeführt worden sei. Die „radial head“ und „distal radial epiphysis“ seien geschlossen. Die ÖB Addis Abeba übermittelte dem BFA am 05.03.2019 die Ergebnisse der Untersuchung.

7. Die Familie der BF in Österreich sowie die BF selbst wurden für den 17.04.2019 vor das BFA beziehungsweise vor die ÖB Addis Abeba zur Durchführung einer Paralleleinvernahme geladen.

8. Mit Mail vom 17.04.2019 teilte die ÖB Addis Abeba dem BFA mit, dass zum Einvernahmetermin nur der BF1 erschienen sei. Da der BF1 ohne Dolmetscher erschienen sei, sei ein Interview nicht möglich gewesen. Der BF2 sei nicht erschienen. Der BF1 habe angegeben, dass sich der BF2 in einem psychiatrischen Krankenhaus befinde. Reisepasskopien und ein ärztliches Schreiben für den BF2 wurden vom BF1 vorgelegt.

9. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005, datiert mit 28.06.2019, teilte das BFA betreffend den BF1 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Das Bundesministerium für Inneres habe gemäß § 35 Abs. 4 Z 2 AsylG mitgeteilt, dass eine Einreise des BF1 nach Österreich den öffentlichen Interessen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK widerspreche. Die Angaben des BF1 zur Angehörigeneigenschaft würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Die vom BF1 vorgelegten Dokumente würden nicht genügen, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.

In der diesbezüglichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass sich im vorliegenden Fall gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses ergeben hätten. Die Mutter der Bezugsperson sei am 17.04.2019 durch das BFA einvernommen worden. Diese habe angegeben, dass der BF2 (ihr Stiefsohn) nicht zur Paralleleinvernahme an der ÖB erscheinen würde, da er sich in einem psychiatrischen Krankenhaus aufhalten würde. Er habe erst am Tag der Einvernahme erfahren, dass die Mutter der Bezugsperson nicht seine leibliche Mutter sei und habe einen Schwächeanfall erlitten. Beide Einvernahmen seien abgebrochen worden. Im Zuge der Aktsichtung habe festgestellt werden können, dass im gesamten Verfahren widersprüchliche Angaben gemacht worden seien und somit den BF kein Glauben geschenkt werde. Auch seien widersprüchliche Angaben betreffend den Kontaktabbruch beziehungsweise der Kontaktaufnahme zwischen den BF und der Bezugsperson getätigt worden.

In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005, datiert mit 28.06.2019, teilte das BFA betreffend den BF2 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Das Bundesministerium für Inneres habe gemäß § 35 Abs. 4 Z 2 AsylG mitgeteilt, dass eine Einreise des BF2 nach Österreich den öffentlichen Interessen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK widerspreche, da es sich bei der Bezugsperson nur um ein Halbgeschwister handle. Der BF2 sei volljährig und die von ihm genannte Bezugsperson leite den Status als Asylberechtigten ihrerseits nur aus einem Familienverfahren nach dem 4. Abschnitt des AsylG ab. Die Angaben des BF2 zur Angehörigeneigenschaft würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.

In der diesbezüglichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass der BF2 angegeben habe, am XXXX geboren worden zu sein und somit im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig gewesen sei. Am 17.04.2019 habe eine Paralleleinvernahme des BF1 und der Mutter der Bezugsperson (Stiefmutter des BF2) stattgefunden. Die Mutter der Bezugsperson habe angegeben, dass der BF2 (ihr Stiefsohn) nicht zur Paralleleinvernahme an der ÖB erscheinen würde, da er sich in einem psychiatrischen Krankenhaus aufhalten würde. Er habe erst am Tag der Einvernahme erfahren, dass die Mutter der Bezugsperson nicht seine leibliche Mutter sei und habe einen Schwächeanfall erlitten. Beide Einvernahmen seien abgebrochen worden. Im Zuge der Aktsichtung habe festgestellt werden könne, dass im gesamten Verfahren widersprüchliche Angaben gemacht worden seien und somit den BF kein Glauben geschenkt werde. Aus der durchgeführten Altersfeststellung gehe hervor, dass der BF2 volljährig sei. Auf dem durch den BF1 vorgelegten ärztlichen Schreibens sei das Alter des BF2 mit 31 Jahren angeführt worden. Für das BFA sei es nicht glaubhaft, dass der BF2 erst am Tag der Einvernahme erfahren habe, dass die Mutter der Bezugsperson nicht seine leibliche Mutter sei. Im Reisepass, im Einreiseantrag sowie in den gesamten weiteren Unterlagen scheine der Name der Mutter des BF2 auf (Anm.: dies ist ein anderer Name als der Name der Mutter der Bezugsperson). Auch sei zweifelhaft, weshalb die Ausstellung der Geburtsurkunde erst Monate nach Ausstellung des Reisepasses erfolgt sei. Es sei amtsbekannt, dass gefälschte somalische Dokumente leicht erwerbbar seien und keineswegs von der Echtheit der Dokumente ausgegangen werden könne. Weiters handle es sich beim BF2 nur um ein Halbgeschwister der Bezugsperson. Es gebe weder Nachweise über das Versterben der leiblichen Mutter noch eine Adoptionsurkunde.

10. Mit Schreiben vom 02.07.2019 wurde den BF jeweils eine Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung der Anträge mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine ausführliche Begründung sei jeweils der beiliegenden Mitteilung und Stellungnahme des BFA zu entnehmen. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

11. Die BF erstatteten am 12.07.2019 Stellungnahmen und brachten darin im Wesentlichen vor, dass die vermeintlichen Widersprüche durch das BFA nicht ausformuliert worden und pauschal vorgehalten worden seien. Es bestehe daher nicht die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen und die vermeintlichen Widersprüche auszuräumen. Der BF1 und der BF2 seien nicht einvernommen worden. Es liege eine Verletzung des Parteiengehörs vor und sei eine Einvernahme der BF vorzunehmen. Der Mitteilung des BFA müsse in nachvollziehbarer Weise entnommen werden können, aus welchen Gründen die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus nicht wahrscheinlich sei. Das Altersfeststellungsgutachten sei nicht zur Einsicht und zur Stellungnahme vorgelegt worden. Auch hier sei das Recht auch Parteiengehör verletzt worden. Die einvernommene Mutter der Bezugsperson habe nicht angegeben, dass der BF2 erst am Tag der Einvernahme erfahren habe, dass sie nicht seine leibliche Mutter sei. Sie habe angegeben, dass der BF2 dies schon länger wisse und seither psychische Probleme habe. Der BF2 habe im Bus einen Schwächeanfall erlitten. Betreffend das auf dem ärztlichen Schreiben angegeben Alter wurde ausgeführt, dass der BF2 Analphabet sei und nicht lesen habe können, was darauf stehe. Fremde Leute hätten die Anmeldung des Sohnes im Krankenhaus übernommen, da der BF1 auf der Toilette gewesen sei. Der BF1 könne sich nicht erklären, weshalb das Alter des BF mit 31 Jahren angegeben worden sei; vielleicht hätten ihn die Leute aufgrund seiner Größe älter geschätzt. Weiters sei nicht ersichtlich, weshalb das BFA von Falschaussagen ausgehe. Ohne Überprüfung der Dokumente könne nicht pauschal von Fälschungen ausgegangen werden. Es liege eine antizipierte Beweiswürdigung vor. Die kriminaltechnische Untersuchung der vorgelegten Urkunden wurde beantragt. Die Einvernahme und Terminbekanntgabe für die Einvernahme der BF wurde beantragt. Die Bezugsperson habe eigenständig Asyl erhalten und sei die minderjährige Tochter des BF1 und Halbschwester des BF2. Die BF seien nicht über die Möglichkeit einer DNA-Analyse belehrt worden. Die Durchführung einer DNA-Analyse wurde beantragt. Es werde versucht werden, eine Bestätigung über das Versterben der Mutter des BF2 zu beschaffen. Die Trennung der Familie stehe in direktem Zusammenhang mit den Fluchtgründen. Es sei dringend geboten, das Familienleben nach Art. 8 EMRK in Österreich fortzuführen.

12. Mit Schreiben der ÖB wurden die BF zur Einvernahme am 18.02.2020 an die ÖB geladen.

13. Am 18.02.2020 fand die Paralleleinvernahme der BF und ihrer Familie in Österreich statt. Das Einvernahmeprotokoll der BF wurde durch die ÖB Addis Abeba an das BFA übermittelt.

14. Das BFA teilte am 27.02.2020 in seiner erneuten Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG betreffend den BF1 mit, dass die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Das Bundesministerium für Inneres habe gemäß § 35 Abs. 4 Z 2 AsylG mitgeteilt, dass eine Einreise des BF1 nach Österreich den öffentlichen Interessen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK widerspreche. Die Angaben des BF1 zur Angehörigeneigenschaft würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Die vom BF1 vorgelegten Dokumente würden nicht genügen, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Die Volljährigkeit der Bezugsperson sei bereits gegeben, sodass die Einreise des antragstellenden Elternteilt mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern sei. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.

In der diesbezüglichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass sich auch nach (erneuter) Paralleleinvernahme der BF und der Mutter der Bezugsperson keine Änderung im Verfahren ergeben hätten. Es hätten sich gravierende Widersprüche ergeben, weshalb die Behörde zur Annahme komme, dass der Antrag lediglich aus medizinischen oder sonstigen Überlegungen gestellt worden sei. Der BF2 habe in der Einvernahme angegeben, dass er immer mit dem BF1 und lediglich zwei Brüder zusammengelebt hätte. Ein gemeinsames Familienleben zu den Bezugspersonen habe er nicht vorgebracht. Auch sei angegeben worden, dass er sich seit seiner Geburt bis August 2018 in Somalia aufgehalten habe. Der BF1 habe dazu im Widerspruch angegeben, mit der gesamten Familie zusammen gelebt zu haben. Von 2010 bis 2017 hätten sie sich in Somalia aufgehalten. Zuvor hätte er in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gelebt. Im Einreiseantrag habe er angegeben, sich von 1952 bis 1964 in Somalia, von 1964 bis 2010 in den VAE und seit August 2018 in Äthiopien aufgehalten zu haben. Die Mutter der Bezugsperson habe in ihrer Erstbefragung ihrem Asylverfahren angegeben, keinen Kontakt zu ihren Familienangehörigen zu haben. Im weiteren Verfahren habe sie ausgeführt, dass immer Kontakt bestanden hätte. In der nunmehrigen Einvernahme am 18.02.2020 habe sie wiederrum angegeben, dass der Kontakt erst in der Türkei zustande gekommen sei. Zuvor habe es keinen Kontakt gegeben und nach der Ausreise aus der Türkei sei der Kontakt wiederrum abgebrochen. Die BF hätten angegeben, dass immer Kontakt bestanden habe. Der BF2 habe weiters angegeben, dass ihn die Bezugsperson und deren Mutter davon informiert hätten, dass sie nunmehr Asyl in Österreich erhalten hätten. Der BF1 habe hingegen ausgeführt, dass seine Tochter in Kanada ihm mitgeteilt hätte, dass die Mutter der Bezugsperson (die Exfrau des BF1) und die Bezugsperson nun Asyl in Österreich hätten. Betreffend die nicht gemeinsam stattgefundene Ausreise aus Somalia habe die Mutter der Bezugsperson angegeben, dass nur eine bestimmte Anzahl an Plätzen vorhanden gewesen wäre. Der BF2 habe angegeben, nicht mitgereist zu sein, da sein Fuß zu diesem Zeitpunkt gebrochen gewesen war. Insgesamt hätten sich die Verfahrensparteien als unglaubwürdig erwiesen. Auf die erste Prognose des BFA werde verwiesen. Auch bestünden weiterhin Zweifel am Alter des BF2. Überdies würde sich die leibliche Mutter des BF2 seinen Angaben zu Folge in Österreich befinden. Selbst wenn man den Angaben der BF Glauben schenken würde, stehe für das BFA fest, dass der BF1 freiwillig und wissentlich seine Familie verließ. Die Bezugspersonen seien im Jahr 2015 nach Österreich gekommen und rund drei Jahre zuvor aus Somalia ausgereist. Es habe somit sei 2012 kein gemeinsames Familienleben mehr bestanden. Es liege kein schützenswertes Privat- und Familienleben und keine Verletzung des Art. 8 EMRK vor. Es könne weder festgestellt werden, ob es je zu einem Kontaktabbruch gekommen ist noch wann der Kontakt wieder aufgenommen worden sei. Es sei lediglich mehrheitlich angegeben worden, dass der BF1 die Familie verlassen habe.

In seiner erneuten Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG betreffend den BF2 teilte das BFA mit, dass die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Das Bundesministerium für Inneres habe gemäß § 35 Abs. 4 Z 2 AsylG mitgeteilt, dass eine Einreise des BF2 nach Österreich den öffentlichen Interessen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK widerspreche, weil kein schützenswertes Familienleben festgestellt worden sei. Der BF2 sei aus Sicht der Behörde volljährig. Die Angaben des BF2 zur Angehörigeneigenschaft würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Die vorgelegten Dokumente würden nicht genügen, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.

Die Ausführungen in der diesbezüglichen Stellungnahme deckten sich mit der Stellungnahme betreffend den BF1.

15. Mit Schreiben vom 27.02.2020 berichtigte die Mutter der Bezugsperson ihre Angaben in der Einvernahme dahingehend, dass es nicht richtig sei, dass sie gesagt habe, sie wolle nicht, dass der BF1 nach Österreich komme. Sie sei offenbar falsch verstanden worden. Sie wolle, dass ihr Ex-Mann und Vater ihrer Kinder nach Österreich komme.

16. Mit Aktenvermerk vom 27.02.2020 hielt das BFA fest, dass diese Berichtigung eine reine Schutzbehauptung darstelle. Es habe somit lediglich ein weiterer Widerspruch festgestellt werden können.

17. Mit Bescheiden vom 19.06.2020 wies die ÖB Addis Abeba die Anträge auf Erteilung von Einreisetitels gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab. Das BFA habe nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass durch die Stellungnahme der BF nicht unter Beweis gestellt werden habe können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten entgegen der seinerzeit erfolgten Mitteilung wahrscheinlich sei.

18. Am 16.07.2020 brachten die BF im Wege ihrer rechtlichen Vertretung Beschwerden ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die negativen Bescheide von der ÖB, ohne Bezug auf die erneute Stellungnahme des BF zu nehmen, ausgestellt worden seien, und auch ohne, dass Gelegenheit gegeben worden sei, eine Stellungnahme abzugeben. Auch sei nicht auf die Stellungnahmen der BF vom 12.07.2019 und 30.10.2019 eingegangen worden, wonach von einem bestehenden Familienleben auszugehen sei. Die Bezugsperson und die BF seien auch nach Erreichen der Volljährigkeit, die aufgrund der unverschuldet langen Verfahrensdauer eingetreten sei, weiter auf eine gegenseitige Unterstützung angewiesen. Der BF leide unter psychischen Problemen und benötige Medikamente. Auch der BF1 brauche medizinische Hilfe. Die Familie der Bezugsperson schicke ihnen Geld. Es bestehe eine stark ausgeprägte Nahebeziehung, regelmäßiger Kontakt und ein Abhängigkeitsverhältnis. Es ergebe sich die Verpflichtung, den Familiennachzug aus Art. 8 EMRK zuzulassen. Die Bezugsperson habe mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern fluchtbedingt die Heimat verlassen. Ein Familienleben sei nur in Österreich möglich. Die Behörde habe sich nicht umfassend mit Art. 8 EMRK auseinandergesetzt. Auch sei kein DNA-Test ermöglich worden. Bei minderjährigen Bezugspersonen sei auf die Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung abzuzielen. Den Beschwerden waren ärztliche Unterlagen angeschlossen.

19. In der Folge erließ die ÖB Addis Abeba am 01.09.2020, Zl. Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0041/2020, eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen wurden. Begründend führte die ÖB Addis Abeba aus, es sei ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr BFA) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden sei. Die Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des BFA durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des Bundesamtes einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde.

Die Bezugsperson sei zum Zeitpunkt der Entscheidung jedenfalls bereits volljährig gewesen. Es komme nicht auf die Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung an. Art. 8 EMRK gewähre kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land. Auf eine Familienzusammenführung nach dem NAG wurde verwiesen. Der BF1 sei ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit der Bezugsperson nicht mehr Familienangehöriger iSd § 35 Abs. 5 AsylG gewesen. Der BF2 werde als Halbbruder der Bezugsperson nicht als Familienenghöriger iSd § 35 Abs. 5 AsylG angesehen. Überdies habe sich das BFA in seinen Stellungnahmen ausführlich zu den Zweifeln an einer tatsächlichen Familienangehörigeneigenschaft und einem tatsächlichen Familienleben iSd Art. 8 EMRK geäußert. Es hätten Paralleleinvernahmen stattgefunden und hätten sich gravierende Widersprüche in den Angaben der Bezugsperson und deren Mutter sowie der BF ergeben. Selbst wenn die Bezugsperson und der BF2 noch nicht die Volljährigkeit erreicht hätten, würde ohnehin kein schützenswertes Familienleben vorliegen. Der BF1 sei von der Mutter der Bezugsperson geschieden. Der BF2 habe weder zu der Altersfeststellung noch zu seiner leiblichen Mutter bzw. seiner Stiefmutter sinnvolle Angaben machen können.

20. Mit Schreiben vom 10.09.2020 wurde bei der ÖB Addis Abeba ein Vorlageantrag gemäß
§ 15 VwGVG eingebracht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aus der Beschwerdevorentscheidung nicht hervorgehe, dass eine Abwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 EMRK vorgenommen worden sei. Das Verfahren sei mangelhaft, da wie bereits in der Beschwerde ausgeführt, das Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei und die Auseinandersetzung mit dem Privat- und Familienleben der BF und der Bezugsperson unzutreffend bzw. nicht erkennbar durchgeführt worden sei, und sei der negative Bescheid ohne Bezug auf die erneute Stellungnahme des BFA ausgestellt worden, ohne die Möglichkeit zu gewähren, im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme abzugeben. Auch sei nicht auf die Erklärungen in den Stellungnahmen der BF vom 12.07.2019 und 30.10.2019, wonach von einem bestehenden Familienleben auszugehen sei, eingegangen worden.

21. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 13.10.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 14.10.2020, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF, Staatsangehörige Somalias, stellten am 05.07.2018 elektronisch und am 20.09.2018 persönlich bei der ÖB Addis Abeba Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde die Tochter bzw. Halbschwester der BF genannt. Der Bezugsperson wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.03.2018 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Die Bezugsperson wurde am 07.12.2019 volljährig. Der Mutter der Bezugsperson (Exfrau des BF1 und Stiefmutter des BF2) sowie weiteren Geschwistern der Bezugsperson wurde im Rahmen des Familienverfahrens, abgeleitet von der Bezugsperson, der Status von Asylberechtigten erteilt.

Beim BF2 wurde am 02.03.2019 eine Altersfeststellung durchgeführt. Diese ergab, dass von einem Alter über 18 Jahren auszugehen sei.

Am 17.04.2019 war eine Paralleleinvernahme der BF und der Bezugsperson sowie deren Mutter geplant. Der BF1 erschien ohne Begleitung eines Dolmetschers. Der BF2 erschien zum Interviewtermin nicht, da er sich in einer psychiatrischen Klinik aufhalte. Die Mutter der Bezugsperson wurde einvernommen. Von der Einvernahme des BF1 wurde Abstand genommen.

Das BFA teilte der ÖB Addis Abeba nach Erhalt und Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung der Anträge auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Betreffend den BF1 wurde ausgeführt, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da 1.) das Bundesministerium für Inneres gemäß § 35 Abs. 4 Z 2 AsylG mitgeteilt habe, dass eine Einreise des BF1 nach Österreich den öffentlichen Interessen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK widerspreche, 2.) die Angaben des BF1 zur Angehörigeneigenschaft in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden und 3.) die vom BF1 vorgelegten Dokumente nicht genügen würden, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Betreffend den BF2 wurde ausgeführt, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da 1.) das Bundesministerium für Inneres gemäß § 35 Abs. 4 Z 2 AsylG mitgeteilt habe, dass eine Einreise des BF2 nach Österreich den öffentlichen Interessen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK widerspreche, da es sich bei der Bezugsperson nur um ein Halbgeschwister handle, 2.) der BF2 volljährig sei und die von ihm genannte Bezugsperson den Status als Asylberechtigten ihrerseits nur aus einem Familienverfahren nach dem 4. Abschnitt des AsylG ableite und 3.) die Angaben des BF2 zur Angehörigeneigenschaft in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden.

Die BF brachten hierzu am 12.07.2019 eine Stellungnahme ein.

Am 18.02.2020 fanden Paralleleinvernahmen der BF und der Bezugsperson sowie deren Mutter statt.

Die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA wurde auch nach der Stellungnahme der BF hiezu aufrechterhalten. In der erneuten Mitteilung wurde betreffend den BF1 ausgeführt, dass die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da 1.) das Bundesministerium für Inneres gemäß § 35 Abs. 4 Z 2 AsylG mitgeteilt habe, dass eine Einreise des BF1 nach Österreich den öffentlichen Interessen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK widerspreche, 2.) die Angaben des BF1 zur Angehörigeneigenschaft in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden, 3.) die vom BF1 vorgelegten Dokumente nicht genügen würden, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen und 4.) die Volljährigkeit der Bezugsperson bereits gegeben sei, sodass die Einreise des antragstellenden Elternteilt mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern sei. Betreffend den BF2 teilte das BFA mit, dass die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da 1.) das Bundesministerium für Inneres gemäß § 35 Abs. 4 Z 2 AsylG mitgeteilt habe, dass eine Einreise des BF2 nach Österreich den öffentlichen Interessen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK widerspreche, weil kein schützenswertes Familienleben festgestellt worden sei, 2.) der BF2 aus Sicht der Behörde volljährig sei, 3.) die Angaben des BF2 zur Angehörigeneigenschaft in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden und 4.) die vorgelegten Dokumente nicht genügen würden, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen.

Mit Bescheiden der ÖB Addis Abeba vom 19.06.2020 wurden die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen.

Die gegen die Bescheide fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurden mit Beschwerdevorentscheidung der ÖB Addis Abeba gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

Am 10.09.2020 wurde bei der ÖB Addis Abeba ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht, der dem Bundesverwaltungsgericht durch das BMI samt Verwaltungsakt mit Schreiben vom 13.10.2020, am 14.10.2020 eingelangt, vorgelegt wurde.

Die erstmals mit den Beschwerden vorgelegten ärztliche Unterlagen unterliegen dem Neuerungsverbot des § 11a Abs. 2 FPG und sind daher unbeachtlich.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen, insbesondere das Alter der Bezugsperson, ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten der ÖB Addis Abeba und wurden von den BF auch nicht bestritten.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde – insbesondere in die angefochtenen Bescheide und die dagegen erhobenen Beschwerden und die Stellungnahmen des BFA.

Wie bereits die belangte Behörde erwogen hat, ergibt sich der festgestellte Sachverhalt widerspruchsfrei aus den (behördlich) aufgenommenen, im Verwaltungsakt einliegenden Beweismitteln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:

„Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).

Beschwerdevorentscheidung

§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Vorlageantrag

§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Anzuwendendes Recht

§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

[…]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005:

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

„Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Übergangsbestimmungen

§75

[…]

(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs 1 Z 15, 3 Abs 4 bis 4b, 7 Abs 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs 6 und 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter. […]“

Die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln wurden am 05.07.2018 elektronisch und am 20.09.2018 persönlich, und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht. Gemäß der Übergangsbestimmung § 75 Abs. 24 AsylG 2005 war daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der geltenden Fassung anzuwenden.

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen.

Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).

Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des BFA noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige BFA die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe hiezu BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des BFA und die in der Folge darauf gestützte Auffassung der Vertretungsbehörde nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend sind:

Im vorliegenden Fall wurden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson die in Österreich asylberechtigte Tochter des BF1 und Halbschwester des BF2 genannt.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den vorliegenden Akten zweifelsfrei, dass die angegebene Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Behörde bereits volljährig war. Der BF1 fällt somit nicht unter den Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005. Der BF2 als Halbbruder der Bezugsperson wird per definitionem nicht vom Familienbegriff des § 35 Abs. 5 oder des § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 erfasst.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung zu Zlen. Ra 2015/21/0230 bis 0231-3 unter anderem mit dem Begriff Familienangehöriger nach § 35 Abs. 5 Asylgesetz näher auseinandergesetzt und insbesondere dargelegt, dass aus den ErläutRV zum FNG-AnpassungsG 2014 eine restriktive Tendenz in Bezug auf den zu erfassenden Personenkreis zu erkennen sei. Auch sehe die RL 2003/86/EG den Nachzug von Aszendenten (insbesondere den Eltern) in ihrem Art. 4 Abs.2 lit. a nur optional vor.

Auch der Verfassungsgerichtshof sah in seiner Entscheidung vom 18.9.2015 zu E 360-361/2015-21 keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft der beschwerdeführenden Parteien als Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005.

Mit seinem Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 hat der VwGH, unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte eine endgültige Klarstellung getroffen. Zunächst verwies der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218), der zusammengefasst zu entnehmen ist, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG zielt aber gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen einen Einreisetitel zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 35 AsylG auch auf unionsrechtliche Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht genommen, was dazu führen kann, dass in bestimmten Konstellationen der Familienzusammenführung dem Familienangehörigen weitergehende Rechte – etwa durch die Gewährung des Status des Asylberechtigten – eingeräumt werden als es die Familienzusammenführungsrichtlinie vorsieht, was die Richtlinie auch ausdrücklich zulässt. Somit ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des § 34 und des § 35 AsylG Fälle erfassen können, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig aber den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen als es die Richtlinie verlangt. Daher kann es jedenfalls nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof (unter anderem) in seiner Entscheidung Ra 2016/18/0253 vom 21.02.2017 ausführt, stellt die Ausstellung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG nur eine von mehreren im nationalen österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Laufe des Verfahrens nach § 35 AsylG volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet werden würde, da sie bei der Beantragung des internationalen Schutzes nach der Einreise nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG erweist sich daher von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der BF auf Familienzusammenführung mit ihrer in Österreich befindlichen, bereits volljährigen Tochter (bzw. Halbschwester) zu entsprechen. Sie sind vielmehr auf die anderen, im NAG und FPG eröffneten Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen.

Zusammengefasst kommt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218, zu dem Schluss, dass ausgehend davon, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht zum Regelungsinhalt hat, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern nur Vorgaben dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist, es unschädlich ist, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG (dessen Erteilung ja nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG eine nur im Inland zulässige Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können) gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen festgelegt werden. Sofern sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG als nicht möglich erweist, ist von einem Antragsteller ein anderer Weg im Rahmen weiterer, ebenfalls die Familienzusammenführungsrichtlinie umsetzender Vorschriften zu beschreiten, um die Familienzusammenführung zu erreichen (z.B. im Weg des § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG). Dass einem Drittstaatsangehörigen die Zuerkennung desselben Schutzstatus wie dem bereits in Österreich lebenden Fremden versagt bleibt, kann somit von vornherein nicht zur Verletzung der Familienzusammenführungsrichtlinie führen.

Zur Frage, auf welchen Zeitpunkt sich die Beurteilung, ob im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG von einem Familienangehörigen in Bezug auf nachzugswillige Eltern auszugehen ist, zu beziehen hat, führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Ra 2015/21/0230 vom 28.01.2016 aus, dass vor dem Hintergrund, dass gemäß § 35 Abs. 1 AsylG nur Familienangehörige gemäß Abs. 5 den maßgeblichen Antrag stellen können, kein Zweifel an der in § 35 Abs. 5 AsylG enthaltenen Definition bestehen kann und dass ein Verständnis dahingehend, dass bei antragstellenden Eltern bezüglich des Kriteriums der Minderjährigkeit ihres in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erhalten habenden Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen wäre, nicht in Betracht kommt.

Nach Darlegung seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der Verwaltungsgerichthof nunmehr im Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 klar, dass er (auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Revision) keinen Anlass sieht, von dieser bisherigen Rechtsprechung abzugehen. In diesem Sinne auch bekräftigend VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/18/0076 bis 0084.

Ebenso befasst sich der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 03.05.2018 mit dem – zwischenzeitig abgeschlossenen – Verfahren über das Vorabentscheidungsersuchen zur Zahl C-550/16. Der EuGH hat in dem bezughabenden Urteil vom 12.04.2018 ausgesprochen: „Art. 2 Buchst. f in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ist dahin auszulegen, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als „Minderjähriger“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.“ Allerdings muss – so der EuGH weiter – der auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 3 lit. a Familienzusammenführungsrich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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