TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W261 2231801-1

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Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1 Abs1
VOG §10 Abs1
VOG §4 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W261 2231801-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 20.04.2020, betreffend Spruchpunkt I., der Stattgabe des Antrages vom 13.02.2020 gemäß § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 2 letzter Satz und § 10 Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG, in der Fassung der bis 31.12.2019 geltenden Fassung) für die aufgrund des Vorfalles vom XXXX erlittenen Gesundheitsschädigungen zu entrichtende gesetz- und satzungsgemäße Kostenbeteiligung und Rezeptgebühren ab 01.03.2020, und betreffend Spruchpunkt II., der Abweisung des Antrages auf Kostenübernahme der Heilfürsorgeselbstbehalte, die vor dem 01.03.2020 angefallen sind, zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wird mangels Beschwer zurückgewiesen.

II.     Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 11.02.2020 (eingelangt am 13.02.2020) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld und Heilfürsorge in Form der Übernahme der Selbstbehalte. Dabei gab er an, am XXXX XXXX von einem namentlich bekannten Täter und einer namentlich bekannten Mittäterin im Auftrag eines namentlich bekannten Bestimmungstäters gefesselt, mit der Pistole XXXX geschlagen und mit der Verstümmelung XXXX und dem Umbringen bedroht worden zu sein, falls er ein vorgelegtes Schriftstück nicht unterzeichne. Darüber hinaus sei er erpresst und mit dem Umbringen bedroht worden, falls er dies verweigere. Schließlich sei er XXXX eingesperrt zurückgelassen worden. In einem durch das Landesgereicht für Strafsachen XXXX zu XXXX durchgeführten Strafverfahren seien der Täter, die Mittäterin und auch der Bestimmungstäter unter anderem wegen schwerer Nötigung verurteilt worden. Der Bestimmungstäter sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 05.11.2018 gemäß § 369 Abs. 1 StPO iVm § 366 StPO für schuldig erkannt worden, dem Beschwerdeführer einen Betrag von € 27.170,- an Schmerzengeld zu bezahlen. Mit den darüberhinausgehenden Ansprüchen sei der Beschwerdeführer auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Der Beschwerdeführer schloss die rechtskräftigen Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 12.01.2016 sowie vom 05.11.2018 dem Antrag an. Er habe gegen die Mittäterin ein Schadenersatzverfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen in XXXX angestrebt, in welchem dem Beschwerdeführer mit Urteil vom 19.11.2018 ein Betrag von € 25.300,- an Schmerzengeld zugesprochen worden sei. Die Forderungen gegen den Bestimmungstäter und die Mittäterin seien trotz eines eingeleiteten Exekutionsverfahrens nicht einbringlich gewesen. Er beantrage daher Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz.

Er leide durch den Vorfall an XXXX Diese Verletzungen hätten einem medizinischen Gutachten zufolge seelische Schmerzen in komprimierter Form auf den 24-Stunden Tag von 3 Tagen starke Schmerzen, 3 Wochen mittelstarke Schmerzen und 28 Wochen leichte Schmerzen verursacht. Er sei in medizinischer Behandlung und müsse Medikamente einnehmen. Als XXXX sei er bei einer namentlich genannten XXXX versicherung versichert. Diese Versicherung sehe eine Deckelung und Selbstbehalte vor. Diese Versicherung habe nicht alle Kosten übernommen, weil der Behandlungskostenrahmen ausgeschöpft gewesen sei. Insgesamt habe er bis zum 15.01.2020 Behandlungskosten in der Höhe von € 6.314,06 selbst tragen müssen. Er lege dazu eine Aufstellung, aus welcher ersichtlich sei, welche Kosten er von der Versicherung erstattet erhalten habe, vor. Er beantrage daher die Übernahme der Kosten für die notwendige Heilfürsorge in der Höhe von € 6.314,06.

2. Die belangte Behörde informierte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27.02.2020 im Rahmen des Parteiengehörs darüber, dass der Antrag auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz wegen der Versäumung der Antragsfrist (zwei Jahre) abgewiesen werde.

Aufgrund der geltenden zweijährigen Antragsfrist für Heilfürsorge bestehe grundsätzlich erst ein Anspruch darauf ab dem Antragsfolgemonat, dies sei frühestens der 01.03.2020. Für die vom Beschwerdeführer in der Kontoaufstellung geltend gemachten Kosten könne daher kein Ersatz geleistet werden. Der Beschwerdeführer werde auch darauf hingewiesen, dass für Arzneimittel der Homöopathie und ähnlichen Präparaten (z.B. Nahrungsergänzungsmittel) keine Kosten übernommen werden könnten. Der Beschwerdeführer werde aufgefordert, innerhalb einer gesetzten Frist neben einer Kopie des Reisepasses oder der Staatsbürgerschaftsurkunde die saldierten Rechnungen von Ärzten und Rezeptgebühren (lautend auf den Namen des Beschwerdeführers), abzüglich des Zuschusses der Krankenkasse des Beschwerdeführers, nachzureichen. Die belangte Behörde behalte sich vor, Arztrechnungen, sowie Rechnungen von Rezeptgebühren zwecks Überprüfung der Kausalität dem ärztlichen Dienst vorzulegen.

3. Der Beschwerdeführer übermittelte der belangten Behörde mit Schreiben vom 18.03.2020 (eingelangt am 19.03.2020) Unterlagen zu den Krankheitskosten. Die aus der USA importierten XXXX Produkte würden nach dem Arzneimittel-Kodex wegen der höheren (und wirksameren) Dosierung gegenüber der in Österreich sonst erhältlichen Produkten als Arzneimittel gelten. Er übermittle dazu eine Bestätigung der Apotheke.

Er habe den Antrag nicht früher stellen können, weil das letzte strafgerichtliche Urteil erst im Jahr 2019 rechtskräftig geworden sei. Das erlittene Trauma sei noch zu behandeln. Das Gesetz knüpfe die Antragsfrist daran, wann die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten worden sei, dies sei bei ihm noch immer der Fall. XXXX seien nicht bei der Krankenkasse versichert, sondern bei der XXXX versicherung einer namentlichen genannten Versicherungsanstalt. Für die bisher von ihm selbst getragene Kostendifferenz gelte dasselbe wie oben. Vor Verurteilung des Bestimmungstäters hätte kein Antrag gestellt werden können. Der Höhe nach sei der Schaden erst im Rahmen von weiteren Verfahren geklärt worden. Der Beschwerdeführer schloss diesem Schreiben eine Bestätigung der Apotheke und eine Reihe von Schreiben an und von einer namentlich genannten Versicherungsanstalt an.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.04.2020 wurden dem Beschwerdeführer im Spruchpunkt I. aufgrund seines Antrages vom 13.02.2020 gemäß § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 2 letzter Satz und § 10 Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG; in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung) für die aufgrund des Vorfalles vom XXXX erlittenen Gesundheitsschädigungen XXXX zu entrichtenden gesetz- und satzungsmäßigen Kostenbeteiligungen und Rezeptgebühren ab 01.03.2020 bewilligt.

Im Spruchpunkt II. wies die belangte Behörde die Kostenübernahme für Heilfürsorgeselbstbehalte, die vor dem 01.03.2020 angefallen sind, gemäß § 4 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 VOG (in der bis 31.12.2029 geltenden Fassung) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund des vom Beschwerdeführer vorgelegten Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX zu XXXX vom 12.01.2016 sowie vom 05.11.2018 die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Daher seien gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz VOG für die Schädigungen des § 1 Abs. 1 VOG zu entrichtende gesetz- und satzungsgemäße Kostenbeteiligung zu übernehmen. § 10 Abs. 1 in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung besage, dass Leistungen nach § 2 nur von dem Monat an zu übernehmen seien, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt werden würden, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung gestellt worden sei. Aufgrund der geltenden 2-jährigen Antragsfrist bestehe ein grundsätzlicher Anspruch erst ab Antragsfolgemonat, frühestens ab 01.03.2020. Daher könne für die laut Kostenaufstellung gelten gemachten Kosten kein Ersatz geleistet werden.

5. Mit gesondertem Bescheid vom 20.04.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld aufgrund des Vorfalles vom XXXX gemäß § 1 Abs. 1, § 6a und 10 Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG; in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung) ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass § 10 Abs. 1 VOG in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung besage, dass Leistungen nach § 2 nur von dem Monat an erbracht werden würden, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung gestellt werde. Nach Ablauf dieser Frist könne ein Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nicht mehr gestellt werden.

6. Gegen beide Bescheid erhob der Beschwerdeführer persönlich mit Emailnachricht vom 13.05.2020 das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führte dieser aus, dass er als XXXX bei einer XXXX versicherung versichert sei. Er habe daher keine Kostenbeteiligungen und keine Rezeptgebühren zu bezahlen. Er habe einen Etat zur Behandlung und darüber hinaus einen Selbstbehalt. Es sei eine Zumutung, dass sein Vorbringen hinsichtlich der Substanzen der XXXX Medikamente schlichtweg ignoriert worden sei. Ferner seien die Kosten der Behandlungen ab 2016 entstanden. Der namentlich genannte Anstifter der Tat sei erst rechtskräftig im Jahr 2019 verurteilt worden. Das VOG habe den sachlichen Zweck, dem Geschädigten zum Ersatz zu verhelfen, wenn er anders nicht an Ersatz kommen. Das sei hier der Fall. Von keinem der Straftäter sei bisher ein Euro zu erhalten gewesen. Ob eine Körperverletzung vorliege, entscheide erst das Strafurteil. Offenbar und sachlicher Weise müsse das in Rechtskraft erwachsen sein, keinesfalls könne ein Antrag verfristet sein, wenn das Opfer die Gerichtsentscheidung abwarte, und die Schädiger exekutiert werden würden, aber erst dann festgestellt werden müsse, dass die Justiz nicht in der Lage sei, von den veruntreuten € 1,4 Mio auch nur irgendetwas hereinzubringen. Gesetze seien verfassungskonform auszulegen. Die Tat könne erst nach einem gerichtlichen Urteil als Straftat beurteilt werden. Im Jänner 2016 sei weder das medizinische Gutachten vorgelegen, noch seien Behandlungen notwendig gewesen. Jegliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik fehle. Ferner sei es eine unsachliche Zumutung zu behaupten, dass die Körperverletzung abgeschlossen sei, weil diese noch andauere und weitere Folgen nach sich ziehe. Es sei auch dargelegt worden, dass der höhere Betrag von € 4.000,- zur Anwendung komme. Die Beamtin habe jegliches Vorbringen – in einer das Opfer herabwürdigenden Weise – ignoriert, und ihre Amtspflicht zur Feststellung des Sachverhaltes verletzt. Es sei eigentlich eine Zumutung, dem Geschädigten erklären zu wollen, ob dieser mit Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln behandelt werde. Die Nachbemerkung zur Kausalität ignoriere die Gerichtsgutachten von zwei namentlich genannten Medizinern. Eigentlich habe die Antragsmöglichkeit außer Verärgerung und Aufwand nur Schaden angerichtet, weil unsachgemäß und gesetzwidrig vorgegangen worden sei. Besonders kurios sei das Antragsformular, welches nicht einmal klarstelle, was der Antragsteller der Höhe nach beantragen möchte. Auf Seite 17 des vorgelegten Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen stehe, dass man das Opfer nicht neuerlich mit dem Vorfall konfrontieren solle. Die Behandlung durch die belangte Behörde sei daher unsachgemäß erfolgt. Es sei unsachgemäß dem Opfer die Unterstützung als seit zwei Jahren verfristet zu verweigern, obwohl die Urteile gegen die Schädiger und die erste Exekutionsführung überhaupt erst die Inanspruchnahme der Verbrechensopferunterstützung notwendig machen würden. Dies, obwohl man den Gesetzeswortlaut sehr wohl genau so auslegen könnte, und dies sachgemäß auch so müsse. Es werde daher beantragt, die beiden Bescheide aufzuheben und den Anträgen Folge zu geben, dies alles nach einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer schloss dieser Beschwerde zwei medizinische Sachverständigengutachten an.

7. Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 22.05.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo dieser am 08.06.2020 einlangte. Beim Bundesverwaltungsgericht wird das gegenständliche Beschwerdeverfahren wegen der beantragten Leistungen aus der Heilfürsorge zu Zahl W261 2231801-1 und das Verfahren wegen der Pauschalentschädigung für Schmerzengeld zu Zahl W261 2231689-1 geführt.

8. Die belangte Behörde teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit Eingabe vom 31.08.2020 mit, dass der Beschwerdeführer eine neue Adresse habe.

9. Das Bundesverwaltungsgericht holte am 11.11.2020 einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister ein, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger.

Er wurde am XXXX durch eine mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung schwer am Körper verletzt und hat folgende kausale Gesundheitsschädigungen erlitten:
XXXX
XXXX ,
XXXX

- XXXX .

Der Beschwerdeführer stellte am 13.02.2020 (Datum des Einlagens) unter anderem einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen in Form von Heilfürsorge in Form der Übernahme von Selbstbehalten nach dem Verbrechensopfergesetz.

Zwischen dem Tatzeitpunkt, welcher als Zeitpunkt der Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung gilt, und dem Zeitpunkt der Antragstellung liegen mehr als drei Jahre.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich der österreichischen Staatsbürgerschaft beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 13.02.2020 (Datum des Einlangens), welche sich mit dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholtem Auszug aus dem Zentralen Melderegister decken.

Die weiteren Feststellungen beruhen auf den vom Beschwerdeführer selbst in seinem Antrag vom 13.02.2020 (Datum des Einlangens) gemachten Angaben, welche durch die von ihm vorgelegten Urkunden, wie das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 21.01.2016, Zl. XXXX gegen XXXX (in den Feststellungen als Täter genannt) und XXXX (in den Feststellungen als Mittäterin genannt) und das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 05.11.2018, Zl. XXXX gegen XXXX (in den Feststellungen als Bestimmungstäter genannt) bestätigt werden.

Die Feststellungen zu seinen zu den dadurch bedingten Gesundheitsschädigungen beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in seinem Antrag, welche durch das gleichzeitig mit der Beschwerde vorgelegte psychiatrisch neurologische Gutachten von Univ. Doz. Dr. med. XXXX , eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 16.11.2017 (vgl. AS 391 ff) belegt sind.

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht damit unbestritten fest.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes idgF BGBl. I Nr. 105/2019, lauten auszugsweise wie folgt:

Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1.       durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2.       durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

3.       als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.

(2) Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn

1.       die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,

2.       die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder

3.       der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.

Hilfeleistungen

§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

2. Heilfürsorge

a)       ärztliche Hilfe,

b)       Heilmittel,

c)       Heilbehelfe,

d)       Anstaltspflege,

e)       Zahnbehandlung,

f)       Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955);

2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten;

Heilfürsorge

§ 4 (1) Hilfe nach § 2 Z 2 ist nur für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu leisten. Opfer, die infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 eine zumutbare Beschäftigung, die den krankenversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet, nicht mehr ausüben können, sowie Hinterbliebene (§ 1 Abs. 4) erhalten Heilfürsorge bei jeder Gesundheitsstörung.

(2) Die Hilfe nach § 2 Z 2 hat,

1.        wenn das Opfer oder der Hinterbliebene einer gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, freiwillig krankenversichert ist oder ein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung besteht, der zuständige Träger der Krankenversicherung,

2.       sonst die Österreichische Gesundheitskasse zu erbringen. Die im § 2 Z 2 angeführten Leistungen gebühren in dem Umfang, in dem sie einem bei der Österreichischen Gesundheitskasse Pflichtversicherten auf Grund des Gesetzes und der Satzung zustehen.

Für Schädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu entrichtende gesetz- und satzungsmäßige Kostenbeteiligungen einschließlich Rezeptgebühren sind nach diesem Bundesgesetz zu übernehmen.

Beginn und Ende der Hilfeleistungen, Rückersatz und Ruhen

§ 10 (1) Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen drei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist.

(1a) Zur Zeit der Tatbegehung minderjährige Opfer können die Leistung nach § 2 Z 10 auch innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Beendigung oder Einstellung des Strafverfahrens beantragen. Ein Leistungsanspruch besteht in diesem Fall bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen, wenn im Strafurteil oder einem im Gerichtsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten das Vorliegen einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) ausdrücklich bestätigt wird.

(2) Die Hilfeleistung endet, wenn sich die für die Hilfeleistung maßgebenden Umstände ändern, nachträglich ein Ausschließungsgrund (§ 8) eintritt oder nachträglich hervorkommt, daß die Voraussetzungen für eine Hilfeleistung nicht gegeben sind.

(3) Hinsichtlich der Anzeige- und Ersatzpflicht des Leistungsempfängers sind die §§ 57 und 58 des Heeresversorgungsgesetzes anzuwenden.

(4) Hilfe nach § 2 Z 7 ruht während einer mit voller Verpflegung verbundenen Heilbehandlung ab dem Tag, der auf den Beginn der Heilbehandlung folgt. § 12 Abs. 1 des Heeresversorgungsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden.

Inkrafttreten

§ 16 (1) Dieses Bundesgesetz tritt am 1. September 1972 in Kraft.

(2) Dieses Bundesgesetz ist auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die nach dem 25. Oktober 1955 gesetzt wurden.

(10) Die §§ 2 Z 9 und 10, 6a samt Überschrift und 10 Abs. 1 letzter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 40/2009 treten mit 1. Juni 2009 in Kraft. § 6a ist auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die nach dem 31. Mai 2009 begangen wurden.

(13) Die §§ 1 Abs. 1 Z 1 bis 3 und Abs. 7, 2 Z 2a, 3 Abs. 1 erster Satz, 3a zweiter Satz, 4 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 2 Z 1, Abs. 2a, Abs. 4 und Abs. 5 erster Satz, 4a samt Überschrift, 5 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 3 und Abs. 4, 5a Abs. 1, 6 erster und zweiter Satz, 6a, 7 erster und zweiter Satz, 7a Abs. 1 zweiter Satz, 8 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 2 und Abs. 5, 9 Abs. 4 zweiter Satz, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 und § 14b samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 treten mit 1. April 2013 in Kraft. Die §§ 4a, 6a und 7 erster und zweiter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 sind auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden. § 10 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist hinsichtlich § 2 Z 1, 7 und 9 auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden, und hinsichtlich § 2 Z 10 mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Anträge auf Grund der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt der Fristenlauf mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beginnt.

(22) Die §§ 1 Abs. 9, 8 Abs. 3, 10 Abs. 1 erster Satz und 10 Abs. 1a in der Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019 BGBl. I Nr. 105/2019 treten mit 1. Jänner 2020 in Kraft. Die §§ 1 Abs. 9 und 10 Abs. 1 erster Satz in der Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019 BGBl. I Nr. 105/2019 sind auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden.

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des Verbrechensopfergesetzes idF BGBl. I Nr. 59/2013, dh vor Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl. I Nr. 105/2019, lautet auszugsweise wie folgt:

Beginn und Ende der Hilfeleistungen, Rückersatz und Ruhen

§ 10 (1) Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist.

Wie aus den Feststellungen ersichtlich, liegen im Beschwerdefall grundsätzlich die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz vor.

Zu Spruchpunkt A. I:

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 13.02.2020 auf Genehmigung der Leistungen auf Heilfürsorge nach § 2 Z. 2 VOG durch die Übernahme von Selbstbehalten stattgegeben. Die Voraussetzungen für die Leistungen aus dem Bereich Heilfürsorge Selbstbehalte nach § 4 Abs. 2 letzter Satz VOG liegen vor, wie die belangte Behörde richtig feststellte.

Anzuwenden ist in diesem Beschwerdeverfahren, wie aus den zitierten Inkrafttretensbestimmungen des § 16 Abs. 22 VOG für das Gewaltschutzgesetz 2019, BGBl. I Nr. 105/2019 zu entnehmen ist, die vor dem Zeitpunkt der letztgenannten Novelle des VOG geltende Bestimmung des § 10 Abs. 1 VOG, idgF BGBl. I Nr. 59/2013. Diese regelt, dass Leistungen nach § 2 nur von dem Monat an erbracht werden dürfen, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird.

Die mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 neu im § 10 Abs. 1 VOG eingeführte Verlängerung dieser Antragsfrist von bisher zwei Jahren auf drei Jahre ist laut dem Wortlaut des § 16 Abs. 22 VOG nur für jene Handlungen anzuwenden, welche nach dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl. I Nr. 105/2019, dh ab dem 01.01.2020 begangen wurden. Nachdem das verfahrensgegenständliche Verbrechen am XXXX stattgefunden hatte, ist die Bestimmung des § 10 Abs. 1 VOG in der Fassung vor dem 31.12.2019, anzuwenden, wie dies die belangte Behörde richtig feststellte.

Der Vorfall, der kausal für die festgestellten Körperverletzungen bzw. Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers ist, ereignete sich am XXXX , die Antragstellung erfolgte am 13.02.2020, somit etwas mehr als fünf Jahre nach dem am XXXX stattgefundenen Verbrechen, welches am Beschwerdeführer begangen wurde. Damit steht eindeutig fest, dass der Beschwerdeführer den Antrag erst nach Ablauf dieser Zweijahresfrist eingebracht hat, weswegen die belangte Behörde richtigerweise im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides feststellte, dass die gesetz- und satzungsmäßige Kostenbeteiligung und Rezeptgebühren ab 01.03.2020, das ist das Antragsfolgemonat nach § 10 Abs. 1 VOG, bewilligt werden.

Damit wird im Spruchpunkt I. dem Antrag des Beschwerdeführers Folge gegeben, weswegen dieser durch Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht beschwert ist, weswegen dessen Beschwerde, insoweit sich diese gegen Spruchpunkt I. richtete, mangels Beschwer zurückzuweisen ist.

Zu Spruchpunkt A. II:

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird die Kostenübernahme der Heilfürsorgeselbstbehalte, die vor dem 01.03.2020 angefallen sind, abgewiesen.

Rechtsgrundlagen hierfür sind wiederum die bereits genannten Bestimmungen des § 4 Abs. 2 VOG und § 10 Abs. 1 VOG, letzterer jedoch in der Fassung BGBl. I Nr. 59/2013, welcher nach der Inkrafttretensbestimmung des § 16 Abs. 22 VOG für Handlungen, welche vor dem 01.01.2020 begangen wurden, nach wie vor gilt.

Dieser besagt, dass bei Anträgen, welche nach der zweijährigen Antragsfrist gestellt wurden, die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen sind. Im gegenständlichen Beschwerdefall erfolgte die Antragstellung am 13.02.2020, was bedeutet, dass Leistungen erst ab dem 01.03.2020 übernommen werden können.

Der Beschwerdeführer argumentiert in seiner Beschwerde, dass er den Antrag nicht früher habe stellen können, weil erst nach der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung der Täter festgestanden sei, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz vorliegen würde.

Bei dieser Argumentation übersieht der Beschwerdeführer, dass in den Erläuterungen zum Bundesgesetz vom 9. Juli 1972 über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen (Verbrechensopfergesetz – VOG), BGBl Nr. 288/1972, RV 40 der Beilagen XIII. GP – Regierungsvorlage, Folgendes ausgeführt wird:

„…

Nach dem Entwurf ist es erforderlich, daß es sich bei der Tat um ein Verbrechen im engeren Sinn handelt. Hilfe kann daher nicht gewährt werden, wenn nur ein Vergehen oder eine Übertretung vorliegt, oder wenn der Täter nicht vorsätzlich oder nicht rechtswidrig gehandelt hat. Hingegen soll es nach dem Entwurf nicht darauf ankommen, ob der Täter verfolgt oder bestraft werden darf. Demnach soll die staatliche Unterstützung auch dem Opfer solcher Verbrechen zuteil werden, bei denen der Täter etwa wegen Zurechnungsunfähigkeit, oder weil er die Tat in einer entschuldigenden Notlage begangen hat, oder wegen Verjährung oder diplomatischer Immunität nicht bestraft oder verfolgt werden kann. Desgleichen ist es auf die Gewährung von Hilfeleistungen ohne Einfluß, daß der Täter nicht ermittelt werden kann oder es ihm gelungen ist, sich der österreichischen Strafjustiz zu entziehen.

...

Darüber, ob ein Verbrechen vorliegt oder nicht, wird in der Regel der Ausgang des Strafverfahrens gegen den Täter Aufschluß geben. Nach dem § 9 Abs. 3 des Entwurfes haben die Landesinvalidenämter deshalb festzustellen, ob wegen des dem Ansuchen zugrunde liegenden Sachverhaltes ein Strafverfahren eingeleitet worden ist und in welcher Lage es sich befindet. Die Staatsanwälte sind verpflichtet, auf solche Ansuchen hin gegebenenfalls auch die Gründe für die EinsteIlung eines Strafverfahrens mitzuteilen. Es wird aber nicht in jedem Fall möglich sein, sich auf die Ergebnisse eines gerichtlichen Strafverfahrens zu stützen; so etwa dann nicht, wenn der Täter nicht ermittelt werden kann oder es ihm gelingt, sich der österreichischen Strafjustiz zu entziehen. Davon abgesehen, wird es häufig notwendig sein, dem Opfer eines Verbrechens möglichst rasch Hilfe zu leisten. Müßte in solchen Fällen die rechtskräftige Beendigung des Strafverfahrens abgewartet werden, so käme die staatliche Hilfe oft zu spät. Der Entwurf ermöglicht daher Hilfeleistungen auch bereits vor Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens oder vor dessen rechtskräftiger Beendigung.

…“

Daraus folgt, dass es entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers gerade nicht erforderlich ist, mit einer Antragstellung nach dem Verbrechensopfergesetz so lange abzuwarten, bis der oder die Täter rechtskräftig von einem Strafgericht wegen des Verbrechens verurteilt wurden, geschweige denn, dass eine gegen diese aufgrund eines rechtskräftigen Titels eingeleitete Exekution erfolglos blieb. Vielmehr soll es ein Antrag nach dem Verbrechensopfergesetz ermöglichen, möglichst rasch Hilfe zu erhalten, wobei nach § 1 Abs. 1 Z. 1 VOG einzig die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung glaubhaft zu machen ist, woraus die erlittene Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung resultiert.

Hinzu kommt, dass das erste Strafurteil vom 21.01.2016, Zl. XXXX gegen den Täter und die Mittäterin bereits im Jahr 2016 vorlag, und damit bereits im Jahr 2016 von einem Strafgericht auch für die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht bindend festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführers Opfer eines Verbrechens gewesen ist. Bereits in diesem Verfahren erkannte der Täter einen Betrag von € 500,- als Schmerzengeld an. Somit geht auch diese Argumentation, wonach vorerst durch ein Strafgericht hätte geklärt werden müssen, dass tatsächlich die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Verbrechensopfergsetz vorlägen, welche erst im Jahr 2019 vorgelegen sei, weswegen die Antragstellung erst so spät erfolgt sei, ins Leere, bzw. widerspricht diese Argumentation den vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Dokumenten.

Auch der Beginn des Fristenlaufes wird vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angezweifelt. Dazu ist auszuführen, dass der Ausgangspunkt für die Berechnung der im § 10 Abs. 1 VOG genannten Fristen ist immer der Zeitpunkt des Verbrechens, dessen Opfer der Antragsteller geworden ist, bei dem er eine Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten hat, ist. Dieser Zeitpunkt ist im Fall des Beschwerdeführers genau mit dem XXXX festzumachen, denn das ist der Tag, an welchem er XXXX überfallen wurde.

Der Argumentation des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde, wonach die Frist noch nicht abgelaufen sei, weil auch seine Erkrankungen noch andauern würden, ist entgegenzuhalten, dass damit der Beginn des Fristenlaufes unbestimmt wäre, was dem rechtsstaatlichen Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von Gesetzesbegriffen widersprechen würde. Gerade für rechtliche Bestimmungen, welche den Beginn von Antragsfristen determinieren, ist es erforderlich, dass klar und unmissverständlich feststeht, dass die Frist mit dem Eintritt eines objektivierbaren Ereignisses beginnt. Im Falle des VOG ist dies bei § 10 Abs. 1 VOG der Zeitpunkt der Tatbegehung, der die Frist auslöst.

Für diese Auslegung spricht auch, dass in der mit dem Gewaltschutzgesetz, BGBl. I Nr. 105/2019 neu eingeführten Bestimmung des § 10 Abs. 1a VOG ausdrücklich festlegt, dass – entgegen der allgemeinen Regelung des § 10 Abs. 1 VOG – das zur Zeit der Tatbegehung minderjährige Opfer die Leistung nach § 2 Z 10 auch innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Beendigung oder Einstellung des Strafverfahrens beantragen können.

Somit ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Leistungen aus der Heilfürsorge in Form der Übernahme der Selbstbehalte nach dem Verbrechensopfergesetz nach der zweijährigen Antragsfrist eingebracht wurde, weswegen entsprechend der Bestimmung des § 10 Abs. 1 VOG eine Kostenübernahme der Heilfürsorgeselbstbehalte vor dem 01.03.2020, das ist der Antragsfolgemonat, nicht möglich ist.

Daher ging die belangte Behörde zu Recht nicht auf die Argumentation des Beschwerdeführers, wonach die aus der USA importierten XXXX Produkte keine Nahrungsmittelergänzungsprodukte, sondern Medikamente seien, ein, da ein Kostenersatz hierfür ohnehin mangels Anspruchsvoraussetzung vor dem 01.03.2020 nicht gegeben ist.

Sollte der Beschwerdeführer Rechnungen hierüber nach dem 01.03.2020 vorlegen, wird die belangte Behörde die Notwendigkeit der Einnahme dieser Produkte, und ob es sich dabei um Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente handelt, durch einen medizinischen Sachverständigen überprüfen, wie dies im Verbrechensopfergesetz vorgesehen ist.

Auch die speziellen Regelungen, welche beim als XXXX tätige Beschwerdeführer bei seiner XXXX versicherung bei einer Versicherungsanstalt anzuwenden sind, werden von der belangten Behörde erst nach Vorlage der ersten Rechnungen nach dem 01.03.2020 durch den Beschwerdeführer zu prüfen sein.

Sohin gehen die Argumente, welche der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorbrachte, ins Leere.

Die Beschwerde war daher im Spruchpunkt II. spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall wurde eine Verhandlung vom Bundesverwaltungsgericht für nicht erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt durch Aktenstudium des vorgelegten Fremdaktes, insbesondere auch der Beschwerde, zu klären war. Alle aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes notwendigen Unterlagen befanden sich im verwaltungsbehördlichen Fremdakt. Ansonsten waren im gegenständlichen Fall ausschließlich rechtliche Fragen zu klären. Eine Erörterung dieser Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung des § 10 Abs. 1 VOG hätte zu keinem anderen Ergebnis für den Beschwerdeführer führen können. Damit liegt ein besonderer Grund vor, welcher auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR eine Einschränkung des Grundrechts auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zulässt. Im Fall Faugel (EGMR 20.11.2003, 58647/00 und 58649/00) wurde ein solch besonderer Grund, der von der Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung entbindet, etwa dann angenommen, wenn in einem Verfahren ausschließlich rechtliche oder höchst technische Fragen zur Diskussion stehen. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt auch kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Antragsfristen Kostentragung mangelnde Beschwer Rechtslage Verspätung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2231801.1.00

Im RIS seit

18.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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