TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/10 VGW-031/024/3974/2020

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Entscheidungsdatum

10.09.2020

Index

90/02 Kraftfahrgesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

KFG §4 Abs2
KFG §33 Abs1
KFG §103 Abs1 Z1
VStG §22 Abs2
VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Fekete-Wimmer über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 06.02.2020, Zl. VStV/..., betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes (KFG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 8. Juli 2020 durch Verkündung

zu Recht e r k a n n t :

I.     Gemäß § 50 VwGVG wird hinsichtlich der Spruchpunkte 1.), 3.) und 5.) der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis gemäß § 50 VwGVG aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Hinsichtlich der Spruchpunkte 2.), 4.), 6.) und 7.) wird das Beschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 und § 50 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II.    Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 VStG von insgesamt € 70,-- auf insgesamt € 40,-- herabgesetzt [das ist der gesetzliche Mindestkostenbeitrag].

III.   Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

IV.    Gegen dieses Erkenntnis ist hinsichtlich der Spruchpunkte 2.), 4.), 6.) und 7.) des angefochtenen Straferkenntnisses gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig. Hinsichtlich der Spruchpunkte 1.), 3.) und 5.) ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Mit Straferkenntnis vom 6. Februar 2020 wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„1.     Datum/Zeit:   21.10.2018, 09:10 Uhr

Ort:                      Wien, D.-gasse

Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)

Sie haben als Zulassungsbesitzer nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des PKW den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht.

Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von Ihnen gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass die Felgen, welche am Fahrzeug montiert waren, getauscht wurden und somit nicht mehr der Serie entsprachen.

2.       Datum/Zeit:   21.10.2018, 09:10 Uhr

Ort:                      Wien, D.-gasse

Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)

Sie haben als Zulassungsbesitzer nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des PKW den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht.

Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von Ihnen gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass Sie es als Zulassungsbesitzer unterlassen haben, nachstehende Änderungen an dem einzelnen zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug einer genehmigte Type, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges beeinflussen können, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Folgende Änderungen wurden vorgenommen: Alufelgen wurden getauscht und entsprach somit nicht mehr der Serie.

3.       Datum/Zeit:   21.10.2018, 09:10 Uhr

Ort:                      Wien, D.-gasse

Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)

Sie haben als Zulassungsbesitzer nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des PKW den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht.

Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von Ihnen gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen.

Es wurde festgestellt, dass die Reifen, welche am Fahrzeug montiert waren, getauscht wurden und somit nicht mehr der Serie entsprachen.

4.       Datum/Zeit:   21.10.2018, 09:10 Uhr

Ort:                      Wien, D.-gasse

Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)

Sie haben als Zulassungsbesitzer nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des PKW den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht.

Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von Ihnen gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass Sie es als Zulassungsbesitzer unterlassen haben, nachstehende Änderungen an dem einzelnen zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug einer genehmigte Type, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges beeinflussen können, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Folgende Änderungen wurden vorgenommen: Reifen 225/35/ZR19 waren montiert und waren somit nicht mehr serienmäßig.

5.       Datum/Zeit:   21.10.2018, 09:10 Uhr

Ort:                      Wien, D.-gasse

Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)

Sie haben als Zulassungsbesitzer nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des PKW den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht.

Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von Ihnen gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen.

Es wurde festgestellt, dass das serienmäßige Fahrwerk durch ein Gewindefahrwerk getauscht wurde.

6.       Datum/Zeit:   21.10.2018, 09:10 Uhr

Ort:                      Wien, D.-gasse

Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)

Sie haben als Zulassungsbesitzer nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des PKW den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht.

Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von Ihnen gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass Sie es als Zulassungsbesitzer unterlassen haben, nachstehende Änderungen an dem einzelnen zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug einer genehmigte Type, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges beeinflussen können, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen.

Folgende Änderungen wurden vorgenommen: verbautes Gewindefahrwerk der Marke „E., somit nicht mehr serienmäßig.

7.       Datum/Zeit:   21.10.2018, 09:10 Uhr

Ort:                      Wien, D.-gasse

Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)

Sie haben als Zulassungsbesitzer nicht dafür Sorge getragen, dass für Fahrten das im § 102 Abs. 10 KFG vorgeschriebenen Verbandszeug bereitgestellt wurde. Das genannte Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von Ihnen gelenkt, obwohl kein Verbandszeug mitgeführt wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 103 Abs. 1 Z 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG

2.   § 33 Abs. 1 KFG

3.   § 103 Abs. 1 Z 1 KFG i.V.m. § 7 Abs. 1 i.V.m. KFG i.V.m § 4 Abs. 4b KDV

4.   § 33 Abs. 1 KFG

5.   § 103 Abs. 1 Z 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG

6.   § 33 Abs. 1 KFG

7.   § 103 Abs. 1 Zif. 2 lit a KFG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von      falls diese uneinbringlich ist,  Freiheitsstrafe von  Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von

1.  € 100,00                 1 Tage(n) 0 Stunde(n)            § 134 Abs. 1 KFG

     0 Minute(n)

2.  € 70,00                  0 Tage(n) 14 Stunde(n)           § 134 Abs. 1 KFG

     0 Minute(n)

3.  € 100,00                 1 Tage(n) 0 Stunde(n)            § 134 Abs. 1 KFG

     0 Minute(n)

4.  € 70,00                  0 Tage(n) 14 Stunde(n)           § 134 Abs. 1 KFG

     0 Minute(n)

5.  € 100,00                 1 Tage(n) 0 Stunde(n)            § 134 Abs. 1 KFG

     0 Minute(n)

6.  € 70,00                  0 Tage(n) 14 Stunde(n)           § 134 Abs. 1 KFG

     0 Minute(n)

7.  € 40,00                  0 Tage(n) 10 Stunde(n)           § 134 Abs. 1 KFG

     0 Minute(n)

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 70,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 620,00

In der Begründung führt die belangte Behörde aus, das Straferkenntnis stütze sich auf die Anzeige auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung, sowie auf das Ergebnis des durchgeführten und dem Beschuldigten zur Kenntnis gebrachten Beweisverfahrens. Der Beschuldigte habe die Tatbegehung bestritten, doch sah die belangte Behörde keine Veranlassung, die Angaben des Meldungslegers in Zweifel zu ziehen, zumal dieser mit bei Verletzung seines Diensteides mit schweren straf- und dienstrechtlichen Nachteilen zu rechnen habe.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebracht Beschwerde, in welcher unter anderem dargelegt wird, der Beschwerdeführer habe die erforderliche Anzeige bereits beim Magistrat der Stadt Wien eingebracht; des Weiteren sei eine kumulative Bestrafung für Reifen und Felgen unzulässig, da diese gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoße. Es wurde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben.

3. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde mitsamt dem zugehörigen Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien, eingelangt am 27. März 2020, zur Entscheidung vor.

4. Am 8. Juli 2020 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche, mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer seine Beschwerde zu den Spruchpunkten 2.), 4.), 6.) und 7.) zurückzog. Im Anschluss an die Verhandlung wurde das Erkenntnis verkündet.

5. Mit Schreiben vom 15. Juli 2020 beantragte die belangte Behörde die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

II.      Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 103 Abs. 1 Z 1 KFG hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder –bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.

Gemäß § 4 Abs. 2 KFG müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Sie müssen so gebaut und ausgerüstet sein, daß der Lenker, beförderte Personen und andere Straßenbenützer bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind. Sie dürfen innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzlichen Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen. Unvermeidbare vorspringende Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen, müssen durch geeignete Schutzvorrichtungen entsprechend abgedeckt oder, wenn dies nicht ohne schwere Beeinträchtigung der Verwendbarkeit des Fahrzeuges im Rahmen seiner Zweckbestimmung durchführbar ist, entsprechend gekennzeichnet sein.

Gemäß § 33 Abs. 1 KFG hat der Zulassungsbesitzer Änderungen an einem einzelnen zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug einer genehmigten Type, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit oder die Umweltverträglichkeit des Fahrzeuges beeinflussen können, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen, in dessen örtlichen Wirkungsbereich das Fahrzeug seinen dauernden Standort hat; durch Verordnung kann jedoch unter den Voraussetzungen der lit. 1. – 3 leg. cit. festgesetzt werden, dass Änderungen durch das Anbringen von bestimmten Arten von Teilen, Ausrüstungsgegenständen, zusätzlichen Aufbauten oder Vorrichtungen an Fahrzeugen nicht angezeigt werden müssen.

Gemäß § 22 Abs. 2 VStG sind Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.

2. Zu den Spruchpunkten 1.), 3.) und 5.):

Nach dem in § 22 Abs. 2 VStG verankerten Kumulationsprinzip sind mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt. Es ist zu prüfen, ob die von der belangten Behörde herangezogenen Strafdrohungen einander ausschließen oder eine Scheinkonkurrenz gegeben ist. Der Begriff „Scheinkonkurrenz“ bringt zum Ausdruck, dass in Wahrheit keine Konkurrenz von den Strafbestimmungen vorliegt, sondern eben nur eine Bestimmung, nach der bestraft werden kann. Zu den Fällen der Scheinkonkurrenz zählen die Subsidiarität, die Spezialität und die Konsumtion (vgl. VwGH 3.3.2020, Ro 2019/04/0012, mwN).

Spezialität liegt vor, wenn der eine Deliktstypus zunächst alle Merkmale des anderen enthält, darüber hinaus aber auch noch andere, durch die der Sachverhalt in einer spezifischen Weise erfasst wird, wodurch die beiden Deliktstypen zueinander im Verhältnis von Gattung und Art stehen. Dabei verdrängt das spezielle Delikt das allgemeine Delikt („lex specialis derogat legi generali“). Erfüllt die Tathandlung daher den Tatbestand beider Vorschriften, ist die speziellere Norm anzuwenden (vgl. Raschauer in Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz2 (2016) zu § 22 VStG, Rz 26)

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien liegt im Verhältnis der Spruchpunkte 1.) zu 2.), der Spruchpunkte 3.) zu 4.) und der Spruchpunkte 5.) zu 6.) keine Verwirklichung mehrerer Delikte durch eine Tathandlung vor, sondern stehen diese insofern zueinander im Verhältnis der Spezialität, als die Anzeigeverpflichtung des § 33 KFG die speziellere Norm in Vergleich zur Übertretungsnorm des § 103 iVm § 4 Abs. 2 KFG ist:

In den behobenen Spruchpunkten legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last, dass durch die vorgenommenen Änderungen an seinem Kraftfahrzeug (Reifen, Felgen und Gewindefahrwerk) das Kraftfahrzeug nicht mehr den Vorschriften des KFG entsprochen habe (§ 103 Abs. 1 KFG), weil es nicht so gebaut und ausgerüstet gewesen sei, dass durch seinen sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzung in andere Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen (§ 4 Abs. 2 erster Satz KFG; (Anm.: Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien wäre die zutreffende Übertretungsnorm zu Spruchpunkt 3.) ebenfalls § 103 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 gewesen). Im Vergleich zu § 4 Abs. 2 KFG stellt § 33 Abs. 1 KFG nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien insofern die speziellere Norm dar, als die Anzeigepflicht von Änderungen am Kraftfahrzeug als Tatbestandselement hinzutritt und somit die Tathandlung in spezifischerer Weise erfasst, da es über die allgemeine Bestimmung der Betriebssicherheit des § 4 Abs. 2 KFG hinausgeht. Beide Tatbestände richten sich an den Zulassungsbesitzer und schützen dasselbe Rechtsgut – die Verwendung nur verkehrs- und betriebssicherer Fahrzeuge im Straßenverkehr – und weisen daher den gleichen Unrechts- und Schuldgehalt auf. Da somit beide Tatbestände durch die Tathandlung erfüllt sind, § 33 Abs. 1 KFG jedoch ein zusätzliches Tatbestandselement enthält, wird die allgemeine Bestimmung des § 103 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 KFG verdrängt.

Die zu den Spruchpunkten 1.), 3.) und 5.) verhängten Strafen waren daher aufzuheben.

3. Zu den Spruchpunkten 2.), 4.), 6.) und 7.):

Der Beschwerdeführervertreter hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2020 seine Beschwerde hinsichtlich dieser Spruchpunkte zurückgezogen. Das Beschwerdeverfahren war daher spruchgemäß einzustellen.

4. Die ordentliche Revision ist hinsichtlich der Spruchpunkte 1.), 3.) und 5.) zulässig, da im Beschwerdefall eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Frage, ob die vorgenommene und nicht rechtzeitig angezeigte Änderung an einem KFZ gleichzeitig wegen Verstoß gegen § 33 KFG sowie gegen § 103 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 KFG bestraft werden darf, liegt keine ersichtliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

Hinsichtlich der Spruchpunkte 2.), 4.), 6.) und 7.) ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fahrzeug; Änderungen; Zulassungsbesitzer; Anzeigepflicht; Zusammentreffen von strafbaren Handlungen; Spezialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.024.3974.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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