TE Bvwg Beschluss 2020/5/15 W199 2184257-1

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Veröffentlicht am 15.05.2020
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Entscheidungsdatum

15.05.2020

Norm

B-VG Art135 Abs4
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art89 Abs2
GebAG §18 Abs1 Z2 litb

Spruch

W199 2184257-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde der Revisorin des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Bescheid der Vorsteherin des Bezirksgerichtes Döbling vom 14.11.2017, Zl. 32 U 66/16 w, beschlossen, gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art. 135 Abs. 4 und Art. 89 Abs. 2 B-VG den folgenden

ANTRAG

an den Verfassungsgerichtshof

auf Aufhebung eines Wortes im Gebührenanspruchsgesetz BGBl. 136/1975 zu stellen.


Das Bundesverwaltungsgericht stellt den

Antrag,

der Verfassungsgerichtshof wolle das Wort „tatsächlich“ in § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b des Gebührenanspruchsgesetzes BGBl. 136/1975 idF BGBl. I 98/2001, als verfassungswidrig aufheben.


Text


Begründung:

1. Sachverhalt

Beim Bundesverwaltungsgericht ist eine Beschwerde gegen einen Bescheid der Vorsteherin des Bezirksgerichtes Döbling (in der Folge: Bezirksgericht) anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

1.1.1. Herr XXXX (in der Folge: Mitbeteiligter), ein selbständiger Dachdecker, wurde in einer Strafsache vor dem Bezirksgericht am 3.10.2017 von 10 Uhr bis 10 Uhr 20 als Zeuge einvernommen.

1.1.2. Für die Teilnahme an dieser Verhandlung machte er am selben Tag Reisekosten von 4,40 Euro sowie eine Entschädigung für Zeitversäumnis von 205,20 Euro geltend, insgesamt somit 209,60 Euro. Als Entschädigung für Zeitversäumnis setzte er einen Verdienst-/Einkommensentgang von drei Stunden zu je 68,40 Euro an. Er schloss eine von ihm unterschriebene Erklärung vom selben Tag an, wonach er selbständig erwerbstätig sei, in seinem Betrieb mitarbeite und daher anlässlich der Zeugenvernehmung einen Verdienstentgang gehabt habe.

1.1.3. Mit Schreiben vom 4.10.2017 stellte die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes dem Mitbeteiligten seinen Gebührenantrag zur Verbesserung binnen 14 Tagen zurück (zur Anbringung der Unterschrift auf dem Gebührenbestimmungsantrag sowie zur Beifügung des Firmenstempels und einer Unterschrift auf der Verdienstentgangsbestätigung). Diesem Verbesserungsauftrag kam der Mitbeteiligte fristgerecht mit Schreiben vom 11.10.2017 nach.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid bestimmte die Vorsteherin des Bezirksgerichtes – die belangte Behörde – die Gebühren des Mitbeteiligten für die „Vernehmung in der Strafsache [...] am 3.10.2017, von 10.00 Uhr bis 10.20 Uhr“ mit insgesamt 209,60 Euro. Im Spruch sind drei Posten tabellarisch aufgeschlüsselt, die Gebühr für den Posten „1. Reisekosten (§§ 6 – 12)“ wird mit 4,40 Euro bestimmt. (Dagegen erhebt die Beschwerde keine Bedenken; er ist daher für das Beschwerdeverfahren nicht von Bedeutung.) Für den Posten „2. Aufenthaltskosten“ wird (da nicht beantragt) keine Gebühr zugesprochen. Die Gebühr für den Posten „3. Entschädigung für Zeitversäumnis (§§ 17 – 18)“ wird – antragsgemäß – mit einem Verdienstentgang von drei Stunden zu je 68,40 Euro bestimmt, somit mit 205,20 Euro.

Begründend führt die belangte Behörde aus, die im Bescheid festgesetzten Gebühren fänden in den angegebenen Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes BGBl. 136/1975 (in der Folge: GebAG) ihre Deckung.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Revisorin des Oberlandesgerichtes Wien am 17.11.2017 eine Beschwerde, die sich dagegen wendet, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis mit 205,20 Euro bestimmt wird. Im Falle des § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG habe der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des § 18 Abs. 1 Z 2 GebAG – nach § 18 Abs. 2 GebAG – auch dessen Höhe zu bescheinigen. Der Mitbeteiligte habe aber keinen Nachweis über den Grund seines Anspruches oder über die Höhe eines allfälligen Verdienstentganges erbracht. Der Stundensatz für Dachdeckermeister reiche als Nachweis für die Voraussetzungen der Zuerkennung eines Verdienstentganges nicht aus. – Die restlichen Gebühren (dh. die Gebühren für Reiskosten) blieben, so heißt es in der Beschwerde, unangefochten. Die beschwerdeführende Revisorin beantragt schließlich, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, weil die Gebühr für den Verdienstentgang nicht zustehe und durch Verfahrensergänzung noch zu ermitteln sei.

1.4.1. Am 29.1.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht einer weiteren im Verwaltungsverfahren mitbeteiligten Partei (einer Partei des Grundverfahrens) die Beschwerde zur Stellungnahme binnen zweier Wochen.

Mit Stellungnahme vom 13.2.2018 schloss sich dieser Mitbeteiligte den Ausführungen der Beschwerde vollinhaltlich an, da auf Grund des Gesetzes das tatsächlich entgangene Einkommen bei selbständig Erwerbstätigen nachgewiesen werden müsse. Unbestrittenermaßen sei der Mitbeteiligte als Dachdecker in Wien selbständig erwerbstätig. Er habe aber nach der Aktenlage keinen Nachweis über das tatsächlich entgangene Einkommen erbracht, sodass der Antrag auf Aufhebung des Bescheides gestellt werde.

1.4.2. Mit Schreiben vom 11.4.2019 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Mitbeteiligten dazu auf, innerhalb zweier Wochen eine detaillierte Aufgliederung jener Tätigkeiten zu übermitteln, die er infolge der Erfüllung seiner Zeugenpflicht am 3.10.2017 versäumt habe und die ihm ein Einkommen gebracht hätten, ebenso diesbezüglich geeignete Bescheinigungsmittel.

Daraufhin übermittelte der Mitbeteiligte mit e-mail am 29.4.2019 seinen Jahresabschluss für 2017, der ein Ergebnis nach Steuern, einen Jahresüberschuss und einen Bilanzgewinn von jeweils 104.411,74 Euro ausweist. In dem beigelegten Schreiben führte er aus, dass sich daraus ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 8700 Euro ergebe. Wenn man diese Summe auf eine wöchentliche Arbeitszeit von etwa 60 Stunden, also etwa 240 Monatsstunden, umlege, ergebe das einen durchschnittlichen Stundensatz von etwa 72,50 Euro. Da er aber nur den Stundensatz eines Facharbeiters (Firmenstundensatz) von 65 Euro rechne, ergebe das für drei Stunden einen Verdienstentgang von 195 Euro. Er ersuche daher um Überweisung dieses Betrages auf sein näher genanntes Konto.

Das Bundesverwaltungsgericht hat über diese Beschwerde zu entscheiden.

2. angefochtenes Wort und rechtliches Umfeld

Die maßgeblichen Bestimmungen des GebAG lauten wie folgt:

2.1. § 1 GebAG steht unter der Überschrift „Anspruch“ und lautet:

„(1) Natürliche Personen, die als Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Geschworene, Schöffinnen und Schöffen in gerichtlichen Verfahren und in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (§ 103 Abs. 2 StPO) tätig sind, haben Anspruch auf Gebühren nach diesem Bundesgesetz. Dies gilt nicht für dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft vom Bundesministerium für Justiz oder in dessen Auftrag von der Justizbetreuungsagentur gemäß § 75 Abs. 4 ASGG oder § 126 Abs. 2a StPO zur Verfügung gestellte Dolmetscherinnen und Dolmetscher.

(2) Soweit in diesem Bundesgesetz auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung der Bezeichnung auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.“

Abs. 1 des § 3 GebAG, der unter der Überschrift „Umfang der Gebühr“ steht, lautet in seinem Zusammenhang:

„(1) Die Gebühr des Zeugen umfaßt

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.“

Abs. 1 erster Satz des § 4 GebAG, der unter der Überschrift „Anspruchsvoraussetzungen“ steht, lautet:

„Der Anspruch auf die Gebühr steht dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist.“

§ 18 GebAG steht unter der Überschrift „Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis“ und lautet (das angefochtene Wort ist hervorgehoben):

„(1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
1. 12,10 Euro für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
2. anstatt der Entschädigung nach Z 1

a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,

b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,

c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,

d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.“

Dem Betrag in § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG ist gemäß § 1 Abs. 1 der V BGBl. II 134/2007 ein Zuschlag von 17 vH hinzuzurechnen, sodass sich gemäß Z 4 der Anlage zu dieser Verordnung der Betrag von „14,20 €“ ergibt (dazu unten).

§ 19 GebAG, der unter der Überschrift „Geltendmachung der Gebühr“ steht, lautet:

„(1) Der Zeuge hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen, im Fall des § 16 binnen vier Wochen nach Abschluß seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen. Dies gilt für die Beiziehung zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen (§ 2 Abs. 1) mit der Maßgabe sinngemäß, dass der Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr bei dem Gericht geltend zu machen hat, das den Sachverständigen bestellt hat.

(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren (§ 3 Abs. 2), zu bescheinigen.

(3) Auf seine Ansprüche und die allfällige Notwendigkeit des Beweises oder der Bescheinigung ist der Zeuge durch das Gericht in der Ladung aufmerksam zu machen. Dies gilt für den Sachverständigen bei dessen Einladung eines Zeugen (§ 2 Abs. 1) sinngemäß.“

2.2. § 18 GebAG wurde durch Art. XXXI Z 3 der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 BGBl. 343 neu gefasst. Seither wurde er einmal novelliert, und zwar durch Art. 52 Z 4 des 1. Euro-Umstellungsgesetzes – Bund BGBl. I 98/2001 (Ersetzung des Betrages von „167 S“ durch den Betrag von „12,10 Euro“). In dieser Fassung gilt § 18 GebAG bis heute.

Durch eine Verordnung der Bundesministerin für Justiz (BGBl. II 134/2007) wurden Zuschläge ua. zu dem in § 18 Abs. 1 GebAG angeführten Betrag festgesetzt. Die sich daraus ergebende Gebühr beträgt nach Z 4 der Anlage zur V BGBl. II 134/2007: 14,20 Euro. (In Textausgaben des GebAG werden die Beträge, die sich aus der Summe des gesetzlich vorgesehenen Betrages und des Zuschlages ergeben, mitunter als Teil des Gesetzestextes wiedergegeben.)

3. Zulässigkeit

3.1. Präjudizialität

Der Mitbeteiligte wurde am 3.10.2017 als Zeuge in einer Strafsache einvernommen.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 GebAG umfasst die Gebühr des Zeugen ua. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG gebührt dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis ein gesetzlich festgesetzter Betrag (ein Fixbetrag) für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die ihm eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht; anstatt dieser Entschädigung gebührt aber einem unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst (§ 18 Abs. 1 Z 2 lit. a GebAG), einem selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen (§ 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG). Der Mitbeteiligte hat anstatt der genannten Entschädigung nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG das tatsächlich entgangene Einkommen geltend gemacht. § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG war daher von der belangten Behörde anzuwenden, ist auch angewandt worden und ist vom Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden. § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG ist somit präjudiziell.

3.2. Anfechtungsumfang

In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt.

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 19.020/2010, mwN; vgl. VfGH 13.12.2019, G 67/2019 ua.; uva.). Daran hat sich das antragstellende Gericht bei der Festlegung des Anfechtungsumfangs zu orientieren.

Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für seine Entscheidung präjudiziell sind und die vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte er die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfGH 26.9.2019, G117/2019, mwN; uva.).

Wie weiter unten ausgeführt werden wird, hegt das Bundesverwaltungsgericht Bedenken dagegen, dass einem selbständig Erwerbstätigen, der als Zeuge aussagen muss, zugemutet wird, seine Erwerbstätigkeit, die er ausgeübt hätte, hätte er nicht an einer Verhandlung teilgenommen, auf andere Zeiten zu verlegen oder im Ergebnis sogar auf das Einkommen zu verzichten, das aus dieser Tätigkeit erfließen würde. Wie unten dargelegt werden wird, betrachtet das Bundesverwaltungsgericht das Wort „tatsächlich“ in § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG als Sitz dieser Bedenken. Da die Aufhebung dieses Wortes genügt, um den Bedenken Rechnung zu tragen, beschränkt sich die Anfechtung auf dieses eine Wort.

4. Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts

4.1.1. Der aus Art. 2 StGG und Art. 7 B-VG erfließende Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber. Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassung wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (VfSlg. 19.666/2012, mwN; vgl. VfSlg. 20.250/2018; VfGH 27.11.2018, G 75/2018 ua.; 1.10.2019, G 330/2018, uva.).

4.1.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bedenken, dass das angefochtene Wort in § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG in seinem Zusammenhang gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 2 StGG und Art. 7 B-VG) verstößt:

4.1.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht geht von jenem Verständnis des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG aus, das durch die gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geprägt ist. (Am Rande sei darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache, die von dieser Rechtsprechung abginge, im Falle einer Amtsrevision [Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG] oder einer Revision des Revisors [§ 22 Abs. 3 GebAG] wohl keinen Bestand haben könnte.) Soweit diese Rechtsprechung im Folgenden belegt wird, handelt es sich meist um Teile von Rechtsprechungsketten; die Entscheidungen stehen meist stellvertretend für eine Vielzahl anderer.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann „[v]on einem tatsächlichen Einkommensentgang […] beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging“ (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 17.2.1995, 92/17/0254; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 20.6.2012, 2008/17/0070, mwN). Dabei ist das tatsächlich entgangene, nicht ein (fiktiv) nach Durchschnittssätzen zu berechnendes Einkommen zu ersetzen (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 4.11.2009, 2009/17/0152; 14.12.2011, 2007/17/0124). Die Berufung auf einen mit Zeugeneinvernahmen in der Regel verbundenen Verdienstausfall kann ein konkretes Vorbringen betreffend einen bestimmten Einkommensverlust nicht ersetzen. Es kommt weder auf die Stundensätze nach den Allgemeinen Honorarrichtlinien noch auf die beim selbständig Erwerbstätigen auflaufenden Fixkosten an (VwGH 30.10.1991, 91/17/0105). Jedenfalls ist der selbständig Erwerbstätige für die Erfüllung seiner Zeugenpflicht nicht nach den für ihn sonst geltenden Honorarsätzen oder in Anlehnung an sein sonstiges Einkommen zu entlohnen, sondern lediglich für einen konkreten Einkommensentgang zu entschädigen (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231). Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und Einkommen gebracht hätten, können in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der einem Selbständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch die §§ 18, 19 Abs. 2 GebAG nicht verschlossen ist (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 8.9.2009, 2007/17/0161). Eine solche Schätzung wäre aber nicht der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen gleichzuhalten, muss doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 25.2.2002, 98/17/0097).

Mit der Multiplikation eines durchschnittlichen Stundensatzes mit der Anzahl der Stunden der Zeitversäumnis wird nicht das tatsächlich entgangene, sondern ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen bescheinigt (VwGH 22.11.1999, 98/17/0357; 25.2.2002, 98/17/0097). Die „allgemeine Wiedergabe von Erfahrenstatsachen“ reicht nicht aus (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231). Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (VwGH 17.2.1995, 92/17/0254; 22.11.1999, 98/17/0357; 28.4.2003, 2000/17/0065; 25.5.2005, 2004/17/0004; 8.9.2009, 2007/17/0161).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verlorenging. Es ist Sache des Zeugen, nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an dem Tag der Zeugeneinvernahme darzulegen, sondern – sollte dies zutreffen – jedenfalls zu behaupten und zumindest glaubhaft zu machen, dass die Einnahmen verloren gingen, weil (fallbezogen:) die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich war (VwGH 25.2.1994, 93/17/0001; dem folgend VwGH 15.4.1994, 93/17/0329).

4.1.2.2. Der Mitbeteiligte ist als Dachdecker selbständig erwerbstätig und konnte, weil er am 3.10.2017 als Zeuge in einer Verhandlung einvernommen wurde, seiner Erwerbstätigkeit für drei Stunden nicht nachgehen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass er geplant hatte, am 3.10.2017 Arbeiten für seinen Dachdeckerbetrieb zu erbringen, die ersatzlos entfallen wären, weil er seine Zeugenpflicht befolgte, und dass ihm dadurch tatsächlich ein Einkommen entgangen wäre. Sein Vorbringen läuft vielmehr darauf hinaus, dass er jenes Einkommen geltend macht, das er hätte erwirtschaften können, hätte er nicht als Zeuge aussagen müssen, dass aber keine konkreten Dienstleistungen gegenüber konkreten Kunden vorgesehen waren. Den Verdienstentgang berechnet er anhand des Jahresabschlusses jenes Jahres, aus dem er einen Stundensatz ableitet, sich dann aber mit einem niedrigeren Stundensatz (jenem eines Facharbeiters [Firmenstundensatz]) begnügt. Damit macht er den Entgang eines fiktiv nach Durchschnittssätzen errechneten Einkommens geltend.

Anhand dieser Unterlagen lässt sich allerdings weder nachvollziehen, ob der Mitbeteiligte am 3.10.2017 tatsächlich Arbeiten in seinem Dachdeckerbetrieb erbracht hätte, noch, ob sie gegebenenfalls tatsächlich ersatzlos entfallen oder aber zu einer anderen Zeit erbracht worden sind. (Für das vorliegende Verfahren dürfte es unerheblich sein, dass sich bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 8700 Euro und einer monatlichen Arbeitszeit von 240 Stunden – wie sie der Mitbeteiligte zugrundelegt – ein Stundensatz von 36,25 Euro ergibt; der Mitbeteiligte setzt in seinem Schreiben vom 29.4.2019 den doppelten Betrag [72,50 Euro] an. Auch der Satz von 36,25 Euro liegt über dem gesetzlichen Satz von 14,20 Euro, der sich aus der Zuschlagsverordnung [BGBl. II 134/2007] ergibt.)

Damit hat der Mitbeteiligte zwar den Grund, nicht jedoch die Höhe seines Anspruches bescheinigt. Daher steht ihm gemäß § 18 Abs. 2 GebAG nur eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Ausmaß des in § 1 Abs. 1 der V BGBl. II 134/2007 zu § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG genannten Pauschalbetrages von 14,20 Euro pro Stunde zu.

4.2. Selbständig Erwerbstätige führen in vielen Fällen einen Betrieb (eine Kanzlei, eine Ordination, ...). Ein selbständig Erwerbstätiger kann zB sein Geschäft in der Form führen, dass er, ohne Mitarbeiter zu beschäftigen, in seinem Ladengeschäft arbeitet und auf Laufkundschaft angewiesen ist. Muss er das Geschäft für einige Stunden schließen, so spricht vieles dafür, dass ihm der Umsatz, den er ansonsten gehabt hätte, zumindest zu einem Teil verloren geht. Es ist nicht wahrscheinlich, dass Laufkundschaft nach einigen Stunden oder am nächsten Tag nochmals kommt, anstatt auf den Kauf zu verzichten oder ein anderes Geschäft aufzusuchen. Da er aber in der Regel nicht weiß, wer ihn aufgesucht hat oder hätte und welche Geschäfte in welcher Höhe ihm entgangen sind, wird er nicht in der Lage sein, seinen Einkommensentgang in der Form zu bescheinigen, wie § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG dies von ihm fordert.

Ein selbständig Erwerbstätiger kann aber seinen Betrieb auch in der Form führen, dass er – zB in einem Handwerksbetrieb oder in einer Kanzlei in einem freien Beruf – nur wenige Mitarbeiter beschäftigt und dass – auf Grund der Organisation in diesem Betrieb – nur in seiner Anwesenheit und mit seiner Mitarbeit überhaupt gearbeitet werden kann. Es ist auch denkbar, dass bestimmte Auskünfte auf Fragen von Kunden oder von potentiellen Kunden nur der – selbständig erwerbstätige – Betriebsführer, zB ein Handwerksmeister, geben kann, auch wenn sie keinen Aufschub erleiden dürfen, soll der Kunde nicht auf den Abschluss des Geschäftes verzichten und dem selbständig Erwerbstätigen Einkommen entgehen. Ebenso ist es möglich, dass dem selbständig Erwerbstätigen – wie zB einem Rechtsanwalt – die Erteilung der Auskunft selbst Einkommen bringt (vgl. den – zumindest behaupteten – Sachverhalt in VwGH 15.4.1994, 92/17/0231, in dem der dortige Beschwerdeführer auch geltend machte, dass sich der Verdienstentgang nicht nur auf die Kosten dieses Telefongesprächs, sondern auf das Honorar der gesamten Causa beziehe). Ist der selbständig Erwerbstätige nicht an seiner Betriebsstätte anwesend, so wird er auch nicht in der Lage sein nachzuweisen, dass solche telefonischen Auskunftsersuchen oder Beratungsaufträge gestellt worden wären. Gelingt ihm dies dennoch, weil zB ein Mitarbeiter dies notiert hat, so hat er darzutun, „welcher – unaufschiebbaren – Art diese Beratungsaufträge waren. Dies insbesondere im Hinblick auf die Kürze des in Frage stehenden Zeitraumes, bei dem noch nicht davon gesprochen werden kann, daß der bloße Umstand der Abwesenheit einen Verdienstentgang – in dem Sinne, daß die Beratungsaufträge ‚verloren‘ gegangen seien – indizieren würde.“ (VwGH 17.2.1995, 92/17/0254) Wesentlich ist bei der Beurteilung des tatsächlichen Einkommensentganges eines selbständig Erwerbstätigen auch, ob es ihm möglich und zumutbar war, die betreffenden Tätigkeiten nach Rückkehr vom Gericht durchzuführen, dabei kann auch die Dringlichkeit bzw. Terminisierung der versäumten Arbeiten eine Rolle spielen (VwGH 18.9.2001, 2001/17/0054).

Auch in Betrieben, in denen die Kundenkontakte nur nach Voranmeldung stattfinden – wie zB dem eines selbständigen Masseurs oder in der Ordination eines Arztes –, wird es häufig so sein, dass die grundsätzlich vorgesehenen Stunden „ausgebucht“ sind, sodass Termine nur auf andere, meist spätere Tage oder Wochen verschoben werden können. Dies bedeutet aber, dass zu diesen anderen Zeiten keine anderen Kundenkontakte vereinbart werden können, sondern dass weitere Terminanfragen auf wieder spätere Tage oder Wochen verschoben oder auf die Durchführung der Tätigkeit ganz verzichtet werden muss. Bei einem „ausgebuchten“ Betrieb führt dies letztlich zu einem realen Einkommensverlust, auch wenn nicht von Vornherein angegeben werden kann, welche Arbeit in der Zeit angefallen wäre, in welcher der selbständig Erwerbstätige infolge der Befolgung seiner Zeugenpflicht nicht arbeiten kann. Gerade wenn der Gerichtstermin lange im Voraus bekannt ist, wird der Zeuge für diesen Zeitraum von Vornherein keine Termine vergeben. Zwar ist es grundsätzlich möglich, jene Kundentermine, die auf Grund dessen nicht in diesem Zeitraum stattfinden können, anzugeben; da aber in vielen Fällen ein Ersatztermin zB in der nächsten Woche vergeben werden kann, liegen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG nicht vor, denn es ist Sache des Zeugen, nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an dem Tag der Zeugeneinvernahme darzulegen, sondern glaubhaft zu machen, dass die Einnahmen verloren gingen, weil (fallbezogen:) die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich war (VwGH 25.2.1994, 93/17/0001; dem folgend VwGH 15.4.1994, 93/17/0329). Als Beispiel führte der Verwaltungsgerichtshof – für den Fall eines Zahnarztes – an: „Gerade eine Zahnkontrolle, das Einsetzen einer Brücke und das Ausbohren von Zähnen sind Behandlungen, die nicht zwingend termingebunden sind, sodaß sie bei Verhinderung des behandelnden Arztes an einem verschobenen Behandlungstermin ausgeführt werden können.“ (VwGH 25.2.1994, 93/17/0001) Das bringt deutlich den Mechanismus zum Ausdruck, der oben dargestellt worden ist: Viele Tätigkeiten selbständig Erwerbstätiger sind „nicht zwingend termingebunden“, können daher – dies mutet das Gesetz dem selbständig Erwerbstätigen zu – auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden und führen daher typischerweise dazu, dass an den jeweiligen „Ersatzterminen“ andere Arbeiten nicht durchgeführt werden können, die ansonsten hätten erbracht werden können. Dazu kommt: In bestimmten Gewerben, vor allem solchen der Dienstleistung, zB bei Friseuren, Kosmetikern, Masseuren oder Fußpflegern, nimmt ein Teil der Kunden die Leistung in regelmäßigen Abständen in Anspruch, sodass, wird ein Termin um eine Woche verschoben, dies dazu führt, dass alle Folgetermine dieses Kunden gleichfalls (im Beispiel: um eine Woche) verschoben werden; damit wird aber der Einkommensentfall endgültig. Dasselbe gilt zB für die Tätigkeit von Personen, die zur freiberuflichen Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes, des logopädisch-phoniatrisch-audiologischen Dienstes oder des ergotherapeutischen Dienstes berechtigt sind (s. zB § 135 Abs. 1 Z 1 ASVG).

Möglicherweise hat § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG – in dem durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geprägten Verständnis – nicht einen Betrieb vor Augen, in dem der selbständig Erwerbstätige ständig, etwa im Rahmen fester Betriebszeiten, arbeitet oder mitarbeitet, sondern einen solchen, in dem er nur mäßigen Kundenkontakt hat und die Kundentermine innerhalb eines größeren Zeitrahmens verschieben kann, ohne dabei Kollisionen mit anderen Kundenterminen befürchten zu müssen, oder in dem er andere Arbeiten – ohne Kundenkontakt – ohne Weiteres auf andere Zeiten, allenfalls außerhalb der üblichen Betriebszeiten, verlegen kann. (Dabei ist zB an Planungstätigkeiten wie die eines Architekten zu denken, die gleichsam außerhalb der „Bürozeiten“ durchgeführt werden können.) In vielen Fällen arbeiten selbständig Erwerbstätige jedoch ganztags, typischerweise gerade – wie auch unselbständig Erwerbstätige – zu den Zeiten, zu denen auch Gerichtsverhandlungen stattfinden, an denen sie als Zeugen teilnehmen müssen.

Viele dieser Fälle sind so gelagert, dass es nicht möglich ist, den Einkommensentfall iSd § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG zu bescheinigen, oder so, dass er – im Sinne dieses Gesetzes – gar nicht entsteht. Wie oben gezeigt, steht dem jedoch ein realer Verlust an Einkommen gegenüber, der aber nicht „tatsächlich“ iSd Gesetzes ist.

Dieses Ergebnis verstößt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung. Der Gesetzgeber hat mit § 3 Abs. 1 Z 2 und § 18 GebAG ein System geschaffen, von dem er nicht abweichen darf, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre. Es ist sachlich nicht zu rechtfertigen, zwar grundsätzlich einen Einkommensentgang zu entschädigen, der nachgewiesenermaßen eingetreten ist, dies jedoch dann nicht zu tun, wenn er zwar wahrscheinlich ist, jedoch nicht im Einzelnen nachgewiesen werden kann, weil er zB auf Prognosen über das Verhalten von Laufkundschaft beruht oder indem eine sichere Einkommenschance durch zeitliche Verlegung erhalten werden soll, obwohl damit eine weitere sichere Einkommenschance verloren geht. Dazu kommt noch eine Ungleichbehandlung zwischen unselbständig und selbständig Erwerbstätigen: Nach § 18 Abs. 1 Z 2 lit. a GebAG gebührt dem unselbständig erwerbstätigen Zeugen der tatsächlich entgangene Verdienst. Dieser Verdienst ist vergleichsweise einfach dadurch nachzuweisen, dass der Dienstgeber des Zeugen bestätigt, in welcher Höhe er dem Zeugen einen Verdienst ausgezahlt hätte, hätte dieser in der Zeit gearbeitet, die er auf Grund der Befolgung der Zeugenpflicht nicht arbeiten konnte. Dort reicht im Übrigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass der Anspruchswerber „im Fall seiner Anwesenheit am Arbeitsplatz zur Leistung der in Rede stehenden Überstunden herangezogen worden wäre“ (VwGH 22.2.1999, 98/17/0225) und der Dienstgeber diese Überstunden in Geld abgegolten hätte (VwGH 26.2.2001, 2000/17/0209). Von einer Verlegung von Arbeitsstunden in andere Zeiten ist dabei nicht die Rede. Im Ergebnis führt dies auch zu einer Schlechterstellung der selbständig Erwerbstätigen gegenüber den unselbständig Erwerbstätigen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass mit dem Wegfall des Wortes „tatsächlich“ in § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG seinen Bedenken Rechnung getragen wird, weil es bei dann bereinigter Rechtslage („beim selbständig Erwerbstätigen das entgangene Einkommen“) möglich sein dürfte, Zeugen auch für Einkommen zu entschädigen, das ihnen nicht entgangen wäre, hätten sie während der Zeit arbeiten können, in der ihnen dies nicht möglich war, weil sie die Zeugenpflicht befolgt haben.

4.3. Aus den genannten Gründen verstößt das angegriffene Wort in § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG) und ist daher verfassungswidrig.

Dem Bundesverwaltungsgericht ist bewusst, dass die Auslegung des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG, die dieser Anfechtung zugrundeliegt, möglicherweise nicht zwingend ist und dass eine andere Auslegung die Verfassungswidrigkeiten, die nach Ansicht des anfechtenden Gerichts vorliegen, vermeiden könnte. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sieht es sich jedoch nicht zu einer anderen Auslegung verhalten.

Schlagworte

Gesetzesprüfung Gesetzprüfungsantrag Gleichheitsgrundsatz Präjudizialität Rechtsanschauung des VwGH selbstständig Erwerbstätiger Verdienstentgang verfassungsrechtliche Bedenken verfassungswidrig Zeitversäumnis Zeugenbeweis Zeugengebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W199.2184257.1.00

Im RIS seit

29.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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