TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 G314 2226615-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

AVG §7 Abs1 Z4
B-VG Art131 Abs1
B-VG Art133 Abs4
GEG §6
GEG §6a
GEG §6a Abs1
GEG §9 Abs1
GEG §9 Abs4
GGG Art1 §2 Z1 lita
GGG Art1 §31 Abs1
GGG Art1 §31 Abs2
GGG Art1 §32
GGG Art1 §4 Abs4
GGG Art1 §7 Abs1 Z1
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §6

Spruch

G314 2226615-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. der XXXX und 2. des XXXX , gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXX vom XXXX .10.2019, XXXX , wegen Gerichtsgebühren A) beschlossen und B) zu Recht erkannt:

A)

1.       Der Ablehnungsantrag vom 23.03.2020 wird als unzulässig zurückgewiesen.  

2.       Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

3.       Die Beschwerde des XXXX wird mangels Beschwerdelegitimation zurückgewiesen.

4.       Der Antrag auf Herabsetzung, in eventu Stundung, der Gebühren wird wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.

B)       

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

C)       

Die Revision ist jeweils gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die durch den Rechtsanwalt XXXX vertretene Erstbeschwerdeführerin (BF1) brachte am 26.06.2019 beim Landesgericht XXXX zu XXXX im elektronischen Rechtsverkehr eine Amtshaftungsklage über EUR 42.863,58 samt Anhang (Zinsen und Kosten) gegen die Stadtgemeinde XXXX ein.

Nach einem erfolglosen Versuch, die Pauschalgebühr einzuziehen, wurden der BF1 mit dem als Mandatsbescheid erlassenen Zahlungsauftrag vom 28.08.2019 die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG von EUR 1.459, die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8 sowie der Mehrbetrag gemäß § 31 GGG von EUR 22 (insgesamt daher EUR 1.489) zur Zahlung vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass XXXX hinsichtlich des Mehrbetrags und der Einhebungsgebühr als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.

Dagegen erhoben XXXX und die von ihm vertretene BF1 eine gemeinsame Vorstellung an die Präsidentin des Landesgerichts XXXX . Daraufhin wurden der BF1 mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid folgende Gerichtsgebühren vorgeschrieben:

Pauschalgebühr TP 1 GGG (Bemessungsgrundlage: EUR 50.000) EUR      1.459

Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR      8

Mehrbetrag § 31 GGG EUR      22

Summe   EUR      1.489

Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass für den Mehrbetrag und die Einhebungsgebühr auch XXXX als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.

In der Begründung des Bescheids werden Grund und Höhe der zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert angeführt und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.

Der Bescheid wurde XXXX am 30.10.2019 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die von XXXX am 26.11.2019 beim Landesgericht XXXX per Fax eingebrachte Beschwerde, die nicht unterschrieben ist und von der nur 6 (von insgesamt 25) Seiten übermittelt wurden. Darin scheint nur die BF1 als Beschwerdeführerin auf.

Die Präsidentin des Landesgerichts XXXX legte die (unvollständige) Beschwerde und die Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Da XXXX am XXXX verstorben war, trug das BVwG der BF1 mit dem Mängelbehebungsauftrag vom 04.03.2020 direkt auf, die Beschwerde innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung des Auftrags vollständig und von ihrer Geschäftsführerin unterschrieben vorzulegen; außerdem wurde aufgetragen, deren Identität und die Authentizität des Anbringens (etwa durch Vorlage einer Reisepasskopie) nachzuweisen. Der Mängelbehebungsauftrag wurde der BF1 durch Hinterlegung am 12.03.2020 (Beginn der Abholfrist) zugestellt.

Mit den Faxeingaben vom 16.03.2020 und vom 17.03.2020 beantragten beide BF jeweils eine Erstreckung der Frist zur Mängelbehebung bis 01.07.2020, weil nach dem Ableben von XXXX zwar schon eine neue Rechtsvertretung gefunden worden, deren „Aktivierung“ jedoch aufgrund des Corona-Virus unmöglich sei. Die Leiterin der Gerichtsabteilung G314 lehnte als zuständige Richterin des BVwG in einem Telefonat mit der Geschäftsführerin der BF1 die Erstreckung der Frist ab. Dies wurde von (der am Verfahren sonst unbeteiligten) XXXX , einer früheren Mitarbeiterin von XXXX , die angab, für das Online-Magazin „ XXXX“ tätig zu sein, in mehreren Eingaben an das BVwG kritisiert.

Mit der Eingabe vom 23.03.2020 lehnte die BF1 die Leiterin der Gerichtsabteilung G314 des BVwG wegen Zweifeln an deren Unbefangenheit ab. Dies wurde damit begründet, dass die Geschäftsführerin der BF1 schwanger und die Befolgung des Mängelbehebungsauftrags, für die sie das Haus verlassen müsse, für sie angesichts der sich ab 10.03.2020 bereits abzeichnenden COVID-19-Krise besonders gefährlich sei. Die Richterin habe sie durch die Ablehnung der Fristerstreckung unnötig einer schweren Gefahr ausgesetzt und sie bei dem Telefonat nicht nach ihrer Schutzbedürftigkeit gefragt, obwohl ihr die damals bereits geplanten gesetzlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sicher bekannt gewesen seien.

Am 11.05.2020 wurde eine vollständige Ausfertigung der Beschwerde beim BVwG überreicht, in der erstmals auch der BF2 als Beschwerdeführer aufscheint und die sowohl von ihm als auch von der Geschäftsführerin der BF1 unterschrieben wurde. Darin beantragen die BF, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu, die Gebühren herabzusetzen, in eventu, sie bis zum Abschluss des Grundverfahrens zu stunden, sowie gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Außerdem wird beantragt, der Beschwerde „bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit“ die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK und Art 7 B-VG. Art 18 B-VG werde durch die überhöhten Gerichtsgebühren, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe, umgangen. Es würden nicht alle, die keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung eines Rechtsstreits hätten, Verfahrenshilfe erhalten. Personen, denen die Verfahrenshilfe nicht bewilligt werde, könnten ihr Recht aus finanziellen Gründen weder aktiv noch passiv geltend machen. Gerechtigkeit könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob sich eine Partei die Gerichtsgebühren leisten könne. Die Gebühren seien unabhängig vom Prozessaufwand und von der Verfahrensdauer bei der Einbringung zu entrichten; dies widerspräche dem Recht auf ein faires Verfahren. Es sei absurd, wenn jemand in einem Verfahren obsiege und trotzdem die Gerichtsgebühren tragen müsse, weil das Exekutionsverfahren gegen den Gegner erfolglos bleibe. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren am Beginn eines Verfahrens zu zahlen seien, obwohl mitunter Monate bis zur ersten Tagsatzung vergingen. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine unzulässige Steuer seien. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren vom Streitwert abhängig seien, zumal der Aufwand für das Gericht nicht mit dem Streitwert ansteige. Richter würden die Nichtzahlung von Gerichtsgebühren (zu Unrecht) als Missachtung des Gerichts ansehen. Der EGMR und der EuGH hätten bereits ausgesprochen, dass der Rechtsvertreter nicht zur Haftung für Gerichtsgebühren gezwungen werden dürfe. Der Antrag, die Gebühren herabzusetzen, wird damit begründet, dass es sich in der Gesamtheit um „Unsummen“ handle, die in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand stünden. Die BF hätten das Recht auf Herabsetzung der Gebühren und Stundung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Grundverfahrens. Dazu wurden mehrere Artikel vorgelegt, die u.a. die Höhe und das System der Gerichtsgebühren in Österreich kritisieren.

Mit dem Schreiben vom 03.07.2020 teilte das BVwG dem BF2 mit, dass seine Beschwerde nach der Aktenlage verspätet sei und die Beschwerdelegitimation mangels einer Behauptung, dass er durch den angefochtenen Bescheid in einem eigenen subjektiven Recht verletzt worden sei, fehle. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, sich dazu binnen einer Woche zu äußern. Nach einer Fristerstreckung erstattete er eine Stellungnahme und bringt vor, dass seine Beschwerde rechtzeitig sei, weil offenkundig übersehen worden sei, ihn als Beschwerdeführer anzuführen. Die BF1 bzw. XXXX seien bevollmächtigt gewesen, auch für ihn eine Beschwerde einzubringen. Da im angefochtenen Bescheid ohne sachlichen Grund seine Haftung für den Mehrbetrag und die Einhebungsgebühr festgelegt worden sei, sei er zur Beschwerde legitimiert.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten.

In der Beschwerde der BF1, die den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt, wird im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der Vorschreibungsbehörde bekämpft.

Im Rubrum des beim Landesgericht XXXX eingebrachten und dem BVwG vorgelegten „Beschwerdefragments“ wird nur die BF1 als Beschwerdeführerin genannt. Der BF2 scheint in dieser Eingabe nicht als Beschwerdeführer auf. Erst in der am 11.05.2020 übermittelten vollständigen Beschwerde wurde sein Name sowohl im Rubrum als auch am Schluss des Schriftsatzes handschriftlich ergänzt; diese Beschwerdeausfertigung trägt auch seine Unterschrift. Der BF2 trat somit im Mai 2020 als weiterer Beschwerdeführer in Erscheinung, obwohl im angefochtenen Bescheid gar nicht angeordnet wird, dass er für die der BF1 vorgeschriebenen Gebühren haftet, zumal die Klage im Grundverfahren nicht von ihm, sondern von XXXX eingebracht wurde.

In Übrigen steht der relevante Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) 1.:

Gemäß § 6 VwGVG haben sich u.a. Mitglieder des Verwaltungsgerichts unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit von Amts wegen zu enthalten, wenn ein Befangenheitsgrund nach § 7 Abs 1 AVG vorliegt. Diesbezüglich fehlt ein Ablehnungsrecht der Parteien (siehe etwa VwGH 28.03.2018, Ra 2017/07/0312). Der Ablehnungsantrag der BF1 ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die für dieses Verfahren zuständige Richterin des BVwG ist nicht befangen iSd § 7 Abs 1 AVG. Insbesondere liegen keine Gründe iSd § 7 Abs 1 Z 3 AVG vor, die geeignet wären, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, die die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (siehe VwGH 21.06.2017, Ra 2017/03/0016).

Solche Hinweise liegen hier nicht vor. So hat die Richterin der BF1 Gelegenheit zur Verbesserung der Beschwerde gegeben und das Einlangen der verbesserten Beschwerde vor der Entscheidung abgewartet. Weder hat sie verlangt, dass die Geschäftsführerin der BF1 für die Mängelbehebung selbst das Haus verlässt, noch gehören Schwangere zu einer besonderen COVID-19-Risikogruppe (siehe https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html; Zugriff am 13.08.2020). Die BF1 hatte zwischen dem Ableben ihres früheren Rechtsvertreters im Dezember 2019 und der Erteilung des Mängelbehebungsauftrags im März 2020 ausreichend Zeit, sich um eine neue Vertretung zu kümmern, war dazu aber auch nicht verpflichtet, zumal im Verfahren vor dem BVwG kein Anwaltszwang besteht.

Letztlich würde sogar eine unrichtige Ablehnung der Fristerstreckung nicht zu einer Besorgnis der Befangenheit (also der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive) führen, zumal die Richtigkeit einer Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen ist. Der Umstand, dass eine Partei eine Entscheidung für unzutreffend erachtet, ist keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Befangenheit (vgl. VwGH 16.12.2015, 2015/03/0005).

Zu Spruchteil A) 2.:

Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Da diese hier nicht ausgeschlossen wurde, kann sie der Beschwerde auch nicht vom BVwG zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag in der Beschwerde ist daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchteil A) 3.:

Art 132 Abs 1 B-VG regelt die Beschwerdelegitimation, die vorliegen muss, damit das BVwG über den geltend gemachten Anspruch meritorisch entscheiden kann. Voraussetzung der Beschwerdelegitimation für eine Parteibeschwerde ist die Behauptung, durch den angefochtenen Bescheid in einem eigenen subjektiven Recht verletzt zu sein, und dass eine solche Verletzung gegenüber dem Beschwerdeführer wenigstens möglich ist. Beim Fehlen der Beschwerdelegitimation, ist die Beschwerde zurückzuweisen (siehe Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 700 ff).

Der der BF2 vom angefochtenen Bescheid nicht in einem subjektiven Recht betroffen ist und darin insbesondere nicht angeordnet wurde, dass er für die der BF1 vorgeschriebenen Gerichtsgebühren (ganz oder teilweise) zahlungspflichtig ist, ist eine Verletzung des BF2 in einem subjektiven Recht durch den Bescheid nicht möglich. Da er demnach nicht berechtigt ist, eine Beschwerde dagegen zu erheben, ist seine Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde der BF1 ist dagegen meritorisch zu behandeln, weil sie rechtzeitig verbessert wurde, indem am 11.05.2020 eine vollständige und von der Geschäftsführerin der BF1 unterfertigte Beschwerde überreicht wurde. Ausgehend von der Zustellung des Mängelbehebungauftrags an die BF1 am 12.03.2020 hätte die zehntägige Verbesserungsfrist an sich am 23.03.2020 geendet. Gemäß § 1 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 des am 22.03.2020 in Kraft getretenen Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Art. 16 des 2. COVID-19-Gesetzes BGBl I Nr. 16/2020) werden in anhängigen Verfahren der Verwaltungsgerichte Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Gesetzes fällt oder die bis zu dessen Inkrafttreten noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen und beginnen mit 01.05.2020 neu zu laufen, wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist. Letzteres ist hier der Fall, weil für die Einbringung von Gerichtsgebühren gemäß § 32 GGG die Bestimmungen des GEG gelten und § 6b Abs 1 GEG die subsidiäre Anwendung des AVG anordnet.

Zu Spruchteil A) 4.:

§ 9 Abs 1 GEG erlaubt eine Verlängerung der Zahlungsfrist oder eine Ratenzahlung, wenn die sofortige Einbringung der Gerichtsgebühren mit besondere Härte verbunden wäre. § 9 Abs 2 GEG ermöglicht einen rückwirkenden Gebührennachlass für den Fall, dass deren Zahlung für den Zahlungspflichtigen eine besondere Härte bedeutet. Voraussetzung ist in beiden Fällen ein konkret begründeter Antrag der betroffenen Partei, über den gemäß § 9 Abs 4 GEG der Präsident des Oberlandesgerichts XXXX (der mit der Ausfertigung einen Bediensteten der Einbringungsstelle ermächtigen kann) im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid entscheidet.

Hier wurde erstmals in der Beschwerde ein Antrag auf Herabsetzung und auf Stundung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren gestellt, den nicht damit begründet wird, dass deren Zahlung oder Einbringung eine besondere Härte darstelle, sondern mit der unverhältnismäßigen Höhe der Gebühren. Für die Entscheidung über diesen Antrag ist nicht das BVwG, sondern gemäß § 9 Abs 4 GEG der Präsident des Oberlandesgerichts XXXX zuständig. Dessen Zuständigkeit besteht erst nach der Entscheidung über den auf Behebung des angefochtenen Bescheids gerichteten primären Beschwerdeantrag, weil die BF1 (arg „in eventu“) in der Beschwerde eine Reihung ihrer Anträge vorgenommen und die Herabsetzung bzw. Stundung der Gebühren hilfsweise nur für den Fall beantragt hat, dass dem Primärantrag auf Behebung des angefochtenen Bescheids nicht Folge gegeben wird (siehe BVwG 01.03.2016, W208 2118846-1/5E). Der Nachlass- und Stundungsantrag ist daher zurückzuweisen.

Die in der Beschwerde zitierte Entscheidung des EGMR vom 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Entscheidung kann aus Art 6 Abs 1 EMRK kein Recht auf ein kostenloses Gerichtsverfahren in zivilrechtlichen Angelegenheiten abgeleitet werden. Die Notwendigkeit, Zivilgerichten Gerichtsgebühren zu erstatten, ist für sich genommen keine mit der EMRK unvereinbare Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht, zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt. Die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, fällt nach der Ansicht des EGMR in den staatlichen Ermessensspielraum, zumal das Gerichtsgebührensystem in Österreich durch die Möglichkeiten der vollen oder teilweisen Befreiung von Gebühren oder deren Reduktion nach § 63 Abs 1 ZPO sowie § 9 Abs 1 und 2 GEG ausreichend flexibel ist. Aus dieser Entscheidung des EGMR ergibt sich gerade nicht, dass die BF ohne weiteres ein Recht auf eine Reduktion der Gerichtsgebühren oder deren Stundung bis zur Erledigung des Grundverfahrens haben.

Zu Spruchteil B):

Der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG unterliegen nach Anmerkung 1 zu TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, also auch die von der BF1 als klagenden Partei erhobene Amtshaftungsklage. Die (gemäß § 6 Abs 2 GGG gerundete) Bemessungsgrundlage beträgt nach § 14 GGG iVm § 54 JN EUR 42.864, sodass sich aus TP 1 Z I GGG für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz eine Pauschalgebühr von EUR 1.459 ergibt.

Gemäß § 2 Z 1 lit a iVm TP 1 GGG entsteht der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Kläger. Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.

Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.

Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen. Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der Präsidentin des Landesgerichts XXXX als Vorschreibungsbehörde verwiesen werden.

Das BVwG teilt die in der Beschwerde geäußerten grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe – ausgehend von den bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 bei § 1 GGG und bei TP 1 GGG E 1 ff angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen – nicht, sodass sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen unterbleiben. Gerichtsgebühren sind nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-) Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe VfGH 18.06.2018, E 421/2018).

Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet. Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (z.B. Verfahrenshilfe, Stundungs- oder Nachlassantrag) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich). Eine exzessive Höhe der Gebühr liegt hier ebenfalls nicht vor.

Die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).

Im Ergebnis ist die Beschwerde somit (soweit sie nicht zurückzuweisen ist) als unbegründet abzuweisen.

Eine mündliche Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

Ablehnungsantrag Amtshaftungsverfahren aufschiebende Wirkung Beschwerdelegimitation Eventualantrag Eventualbegehren Fristerstreckungsantrag Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Herabsetzung Mandatsbescheid Mängelbehebung Mehrbetrag Nachlass von Gerichtsgebühren Pauschalgebühren Pauschalgebührenauferlegung Primärantrag Rechtsschutzinteresse Stundungsantrag Unionsrecht verfassungsrechtliche Bedenken Vorstellung Zahlungsauftrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226615.1.00

Im RIS seit

28.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten