TE Vwgh Beschluss 2020/12/15 Ra 2020/02/0243

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Veröffentlicht am 15.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs6 Z1
B-VG Art133 Abs9
StVO 1960 §4 Abs5
StVO 1960 §99 Abs3 litb
VwGG §25a Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
ZustG §16 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Mag. E in O, vertreten durch Dr. Christof Joham und Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in 5301 Eugendorf, Gewerbestraße 13, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. September 2020, 405-4/3501/1/5-2020, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet iA Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. Juli 2020, mit dem der Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 23. Juni 2020 als verspätet zurückgewiesen worden war, als verspätet zurückgewiesen. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Spruchpunktes 1. der Strafverfügung - betreffend eine Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO iVm § 99 Abs. 2 lit. a StVO - nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig und eine Revision wegen Verletzung in Rechten hinsichtlich des Spruchpunktes 2. der Strafverfügung - betreffend eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO iVm § 99 Abs. 3 lit b StVO - für gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als unzulässig.

2        Das Verwaltungsgericht stellte in seinem angefochtenen Beschluss fest, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. Juli 2020 von der an der gleichen Wohnadresse wie die Revisionswerberin wohnhaften und am 23. Oktober 2005 geborenen und somit 14-jährigen Stiefenkeltochter der Revisionswerberin eigenhändig am 22. Juli 2020 übernommen worden war. Auf den Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichts nahm die Revisionswerberin im Wege ihres sie vertretenden Sohnes Stellung und führte aus, dass ihre Stiefenkeltochter als 14-jähriges Schulkind „selbstverständlich keine geeignete Ersatzempfängerin“ sein könne und dass diese ihr erst mehr als eine Woche später das Schriftstück überreicht habe, weshalb die Beschwerde nicht verspätet sei. Die Zurückweisung als verspätet begründete das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf näher zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 16 Abs. 2 ZustG zusammengefasst rechtlich damit, dass es für eine ordnungsgemäße Zustellung nach § 16 ZustG ausreiche, wenn der Ersatzempfänger das 14. Lebensjahr vollendet habe und damit eine mündige Person sei; Volljährigkeit sei nicht erforderlich. Die Stiefenkeltochter sei somit eine taugliche Ersatzempfängerin iSd § 16 Abs. 2 ZustG gewesen. Davon ausgehend habe die Beschwerdefrist mit Ablauf des 19. August 2020 geendet; die erst am 20. August 2020 eingebrachte Beschwerde sei daher verspätet.

3        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zur Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, dass das Verwaltungsgericht von - nicht näher zitierter - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Die Revisionswerberin sei ortsabwesend gewesen, sie habe sich konkret bis 26. Juli 2020 in St. Gilgen und nicht an der Abgabestelle aufgehalten. Das Schriftstück sei ihr von der Stiefenkeltochter erst einige Tage nach Rückkehr an die Abgabestelle ausgehändigt worden, weil diese die Bedeutung des Schriftstücks verkannt habe. Das Verwaltungsgericht hätte die Revisionswerberin anleiten müssen, ihre Angaben in der Stellungnahme im Hinblick auf die Ortsabwesenheit und die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung zu konkretisieren und eine Verhandlung zur Einvernahme der Stiefenkeltochter als Zeugin und ihr selbst als Partei zu beantragen. Zudem fehle gefestigte Rechtsprechung zur Frage, ob ohne weiteres und ohne Nachweis, dass die Stiefenkeltochter nach dem Eindruck des Zustellers in der Lage gewesen sei, den Ernst und die Tragweite, eine gerichtliche Zustellung zu erkennen, an die minderjährige Stiefenkeltochter wirksam zugestellt habe werden können. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, wonach gleichsam jeder mündige Minderjährige ohne Ansehung der konkreten Person und des konkreten Alters als Ersatzempfänger in Frage komme, entspreche nicht der - nicht näher zitierten - höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

4        Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu EUR 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu EUR 400,-- verhängt wurde.

5        Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Revisionsfall zu, soweit mit dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde, mit dem der Einspruch gegen Spruchpunkt 2. der Strafverfügung der belangten Behörde vom 23. Juni 2020 zurückgewiesen worden war, zurückgewiesen wurde. Über die Revisionswerberin wurde mit Spruchpunkt 2. der Strafverfügung der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom 23. Juni 2020 wegen einer Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO - diese Bestimmung sieht einen Strafrahmen von bis zu EUR 726,-- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen vor - eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Stunden) verhängt. Die gegen den Bescheid, mit dem der dagegen erhobene Einspruch als verspätet zurückgewiesen worden war, erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Beschluss als verspätet zurückgewiesen. Die Revision war daher in diesem Umfang als gemäß § 25a Abs. 4 VwGG absolut unzulässig zurückzuweisen, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Begriff “Verwaltungsstrafsache“ auch rein verfahrensrechtliche Entscheidungen - wie die gegenständliche Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet -, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergehen, einschließt (vgl. etwa VwGH 20.6.2018, Ra 2018/02/0193, mwH).

6        Im Übrigen (somit betreffend die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde im Umfang des Spruchpunktes 1. der Strafverfügung, gegen die Einspruch erhoben worden war) zeigt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Mit der bloßen Behauptung, eine bestimmte Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wird die Begründung für die Zulässigkeit der Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, schon weil nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof - angegeben wird, von welcher Rechtsprechung das Verwaltungsgericht nach Ansicht der Revisionswerberin abgewichen sein soll (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/01/0172; VwGH 24.9.2015, Ra 2015/07/0115, und VwGH 6.10.2015, Ra 2015/02/0187).

11       Im Übrigen unterliegt die erstmals in der Revision vorgebrachte Behauptung, die Revisionswerberin sei ortsabwesend gewesen und die Ersatzzustellung daher nicht wirksam gewesen, dem Neuerungsverbot.

12       Im Gegensatz zur Ansicht der Revisionswerberin in ihrem Zulässigkeitsvorbringen ist zudem nicht ersichtlich, inwiefern für das Verwaltungsgericht ausgehend von dem in der Stellungnahme getätigten Vorbringen, das es seiner Entscheidung zugrunde legte, „Zweifel am Inhalt des Vorbringens“ hätten bestehen sollen. Der pauschale Hinweis in der Stellungnahme der Revisionswerberin an das Verwaltungsgericht, dass die Stiefenkeltochter „selbstverständlich“ als „14jähriges Schulkind“ als Ersatzempfängerin nicht in Frage komme, zeigt nicht konkret auf, dass die Stiefenkeltochter dafür nicht geeignet gewesen sei. Auch in der Revision wird kein näheres oder konkretes Vorbringen dazu erstattet, warum das Verwaltungsgericht an der Tauglichkeit der Ersatzempfängerin (etwa aufgrund einer Reifungsverzögerung) hätte zweifeln müssen. Insbesondere zeigt die Revision nicht auf, inwiefern das Verwaltungsgericht durch seine Annahme, die 14jährige, im gleichen Haushalt wie die Revisionswerberin als Empfängerin der Briefsendung wohnende Stiefenkeltochter sei aufgrund ihrer Mündigkeit als taugliche Ersatzempfängerin im Sinne der hg. Rechtsprechung anzusehen (Hinweis auf VwGH 30.1.2001, 99/05/0197; VwGH 19.6.1990, 89/04/0276; VwGH 22.12.1988, 88/17/0232; VwGH 3.2.1987, 87/07/0005), von hg. Rechtsprechung abgewichen wäre.

13       Soweit sich die Revision hinsichtlich der von ihr vermeinten Unwirksamkeit der Ersatzzustellung auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. Oktober 1998, 2 Ob 279/98p, beruft, verkennt sie, dass nach dieser Entscheidung es Sache des Empfängers ist, darzutun, dass der anwesende Ersatzempfänger die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung nicht erfüllt und dass dies dem Zusteller bekannt sein musste. Ein derartiges Vorbringen wurde aber nicht konkret erstattet.

14       Die Revision war daher insgesamt zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020243.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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