TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/4 W281 2234712-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch

W281 2234712-3/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG iVm § 76 FPG iVm § 80 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 20.01.2016 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bereits am 04.03.2016 musste das Asylverfahren gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Asylgesetz 2005 – AsylG 2005 eingestellt werden, da der Aufenthaltsort des BF dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) weder bekannt noch sonst leicht feststellbar war.

Nachdem das Verfahren fortgesetzt wurde, wies das Bundesamt mit Bescheid vom 17.05.2016 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.07.2016 zurückgewiesen. Die Zustellung dieses Beschlusses an den BF war nicht möglich. Er war zwar entsprechend den Bestimmungen des Meldegesetztes an einer bestimmten Adresse als obdachlos gemeldet, behob die dort für ihn hinterlegten Postsendungen jedoch nicht. Sein konkreter Aufenthaltsort bzw. eine Abgabestelle konnten nicht ohne Schwierigkeiten ermittelt werden, weshalb der Beschluss vom 13.07.2016 durch Hinterlegung ohne weiteren Zustellversuch zugestellt wurde.

2. Der BF reiste am 19.12.2016 unrechtmäßig nach Deutschland aus und stellte dort am 05.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher am 03.05.2019 abgelehnt wurde. Bereits am 20.03.2019 entzog sich der BF auch diesem Verfahren und tauchte unter.

3. Am 15.01.2020 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Bundesgebiet aufgegriffen und festgenommen. Bei seiner daraufhin durchgeführten Einvernahme gab der BF im Wesentlichen an, dass er in Österreich bleiben wolle. Er habe derzeit Zahnschmerzen und nehme Antibiotika ein. Über ein Reisedokument verfüge er nicht und habe keinen Aufenthaltstitel in einem Schengenstaat. In Österreich habe er weder Verwandte noch Bekannte. Nach Marokko würde er freiwillig ausreisen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.01.2020 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Gegen diesen Bescheid erhob der BF kein Rechtsmittel.

5. Nachdem beim BF eine offene Tuberkulose festgestellt wurde, wurde er am 27.01.2020 aus der Schubhaft entlassen und in einem Krankenhaus stationär aufgenommen. Bereits am 28.01.2020 war der BF aus dem Krankenhaus abgängig.

6. Am 12.02.2020 suchte der BF eine Polizeiinspektion auf, um eine Verlustanzeige zu machen. Da er im Wissen um seine ansteckende Krankheit die Krankenanstalt verlassen hatte wurde der BF auf Anordnung einer Staatsanwaltschaft nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung festgenommen. Mit Beschluss eines Landesgerichtes vom 13.02.2020 wurde über den BF Untersuchungshaft verhängt.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.04.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung zulässig ist. Gleichzeitig wurde gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 29.04.2020 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Am Verfahren zur Erlassung dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme hat der BF nicht mitgewirkt, obwohl ihm dazu Parteiengehör gewährt worden ist.

8. Mit Bescheid vom 08.05.2020, ordnete das Bundesamt – aufschiebend bedingt mit dem Ende der Strafhaft – gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

Seit 12.05.2020 wird der BF in Schubhaft angehalten.

9. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnis vom 10.09.2020 fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

10. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnis vom 08.10.2020 fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

11. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 28.10.2020 die Akten gemäß §22a BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor und brachte zusammengefasst den unter Pkt 1.2. festgestellten Sachverhalt vor.

12. Mit Parteigehör vom 28.10.2020 gab das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens bekannt, dass eine Anhaltung in Schubhaft nur in den Fällen des § 80 Abs. 4 FPG länger als sechs Monate andauern darf und diese nationale Bestimmung im Sinne der Rückführungsrichtlinie auszulegen ist. Aus den bisherigen Ausführungen des BFA ergibt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer bereits von den marokkanischen Behörden identifiziert worden sei und eine Abschiebung nur aus dem Grund unterblieben ist, da derzeit aufgrund der COVID-19-Pandemie keine Flüge nach Marokko durchgeführt werden. Das Bundesamt wurde aufgefordert darzulegen, aus welchen Gründen die Schubhaftdauer gemäß § 80 Abs. 4 FPG im vorliegenden Fall 18 Monate betragen dürfe.

13. Das Bundesamt führte in der Stellungnahme vom 30.10.2020 aus, dass die höchstmögliche Schubhaftdauer im gegenständlichen Fall bis zu 18 Monate betragen könne, da die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Z 2 sowie des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG erfüllt seien. Eine Rückführung nach Marokko sei aktuell nicht als vollständig aussichtlos zu werten. Es liege lediglich ein zeitlich befristetes Hindernis, nämlich die Einstellung des regulären Linienflugverkehres aufgrund der COVID-19 Pandemie vor, das der Abschiebung entgegenstehe.

Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG seien erfüllt, da die Kooperationsbereitschaft des BF zu keiner Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet auch nur ansatzweise gegeben worden wäre. Es werde auf den Gesamtakt und die erfolgten Stellungnahmen des Bundesamtes hingewiesen. Die bisherige Verzögerung der Abschiebung aufgrund vorliegender Vertrauensunwürdigkeit und mangelnder Kooperation habe der BF schließlich auch selbst zu verantworten. Im umgekehrten Fall wäre eine freiwillige Ausreise auch von vornherein denkbar und möglich gewesen.

Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG seien erfüllt, da es eine Entscheidung der marokkanischen Behörden sei, dass der reguläre Linienflugverkehr aktuell noch bis mindestens 10.11.2020 eingestellt worden sei. Dies gehe aus den Informationen des Dachverbandes der Fluggesellschaften hervor. Dies induziere, dass eine zwangsweise Abschiebung auf einem Linienflug im gegenständlichen Fall derzeit seitens der marokkanischen Behörden nicht genehmigt werde. Die erforderliche Bewilligung von Marokko für die Einreise liege nicht vor. Diese Tatsache sei zu berücksichtigen und sei einer richtlinenkonformen Subsumtion zugänglich.

Weil der BF die österreichische Rechtsordnung zu gänzlich missachte und nach wie vor eine Kooperationsunwilligkeit aufweise, stoße die weitere Anhaltung in verhältnismäßiger Hinsicht und die höchstgerichtliche Judikatur beachtend auf keine Bedenken.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der BF wird seit 12.05.2020 in Schubhaft angehalten. Zu prüfen ist, wie lange die noch zur Verfügung stehende Schubhaftdauer im gegenständlichen Fall ist und ob eine Abschiebung des BF noch innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Dokumente zum Nachweis seiner Identität hat er bisher nicht vorgelegt. Er wurde als marokkanischer Staatsangehöriger identifiziert. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.1.2. Der BF wird seit 12.05.2020 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur (neuerlichen) Überprüfung der Schubhaft endet am 05.11.2020.

Am 12.11.2020 wird der BF sechs Monate in Schubhaft angehalten werden.

1.1.3. Der BF ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.2.1. Der BF stellte am 20.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, dem diesbezüglichen Verfahren hat er sich insofern entzogen, als das Bundesamt am 04.03.2016 die Einstellung des Verfahrens verfügte, da der Aufenthaltsort des BF unbekannt war. Auch dem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat sich der BF entzogen, eine Zustellung des Beschlusses vom 13.07.2016 an den BF war nicht möglich.

1.2.2. Der BF entzog sich seiner Abschiebung aus Österreich, da er am 19.12.2016 unrechtmäßig nach Deutschland ausreiste. In Deutschland stellte er mehrere Anträge auf internationalen Schutz, seinen Verfahren in Deutschland entzog er sich durch Untertauchen.

1.2.3. In der Schweiz wurde über den BF ein von 05.12.2019 bis 04.12.2022 gültiges Einreise- und Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum verhängt.

1.2.4. Der BF wurde von 16.01.2020 bis 27.01.2020 in Schubhaft angehalten. Auf Grund seiner Erkrankung an Tuberkulose wurde er aus der Schubhaft entlassen und in ein Krankenhaus überstellt. Das Krankenhaus verließ er spätestens am 28.01.2020 und tauchte neuerlich unter.

Am 12.02.2020 suchte der BF eine Polizeiinspektion auf, um eine Verlustanzeige zu machen. Da er im Wissen um seine ansteckende Krankheit die Krankenanstalt verlassen hatte wurde der BF festgenommen. Mit Beschluss eines Landesgerichtes vom 13.02.2020 wurde über den BF Untersuchungshaft verhängt und der BF insgesamt bis 12.05.2020 in Strafhaft angehalten.

1.2.5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.04.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung zulässig ist. Gleichzeitig wurde gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 29.04.2020 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Am Verfahren zur Erlassung dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme hat der BF nicht mitgewirkt, obwohl ihm dazu Parteiengehör gewährt worden ist.

Mit Bescheid vom 08.05.2020, ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

1.2.6. Der BF verfügt in Österreich weder über Familienangehörige noch relevante soziale Bindungen. Er ging in Österreich bisher keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, verfügt über kein Vermögen und keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

1.3.7. Der BF stellte zwar am 15.05.2020 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr, reiste jedoch bisher nicht aus Österreich aus. Relativiert wird dieser Antrag auch dadurch, dass der BF bereits am 15.01.2020 angegeben hat, freiwillig nach Marokko ausreisen zu wollen jedoch unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Schubhaft neuerlich untergetaucht ist.

1.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer

1.3.1. Der BF weist in Österreich folgende Verurteilung auf:

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 07.05.2020 wurde der BF wegen des Vergehens der fahrlässigen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 erster, zweiter und achter Fall Suchtmittelgesetz – SMG und § 27 Abs. 2a erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, wovon ein Teil von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Der BF hat vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabis, erworben und besessen, und zwar am bzw wenige Tage vor dem 27.2.2016 46,4 Gramm Cannabisharz durch Erwerb bei Unbekannten und Besitz bis zur polizeilichen Sicherstellung; am bzw wenige Tage vor dem 15.6.2016 9,7 Gramm Cannabisharz durch Erwerb bei Unbekannten und Besitz bis zum Weiterverkauf von 1 Gramm bzw bis zur polizeilichen Sicherstellung von 8,7 Gramm; am 19.4.2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter durch den Erwerb einer Menge von insgesamt 11 Gramm Cannabisharz in mehreren Teilstücken von Unbekannten zum Zwecke des gewinnbringenden Verkaufs und deren Besitz bis zur Sicherstellung.

Der BF hat vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabis, anderen überlassen, indem er am 15.06.2016 einem Unbekannten 1 Gramm Cannabisharz gewinnbringend verkaufte.

Der BF hat am 15.06.2016 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabis, auf einer öffentlichen Verkehrsfläche unter Umständen unter denen sein Verhalten geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen, anderen angeboten.

Der BF hat am 19.04.2016 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabis, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter anderen überlassen.

Der BF hat vom 28.01.2020 bis zu seiner Festnahme am 12.02.2020 fahrlässig eine Handlung begangen, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, wobei die Krankheit ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört, indem er trotz Wissens um die Erkrankung an einer offenen Tuberkulose ohne ärztliche Entlassung ein Krankenhaus verließ und sich in einen anderen Ort begab.

1.3.2. Mit Schreiben vom 12.12.2016 wurde der BF von den marokkanischen Behörden identifiziert. Die marokkanische Vertretungsbehörde hat der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF mit Verbalnote am 27.06.2019 bereits zugestimmt. Die marrokanische Botschaft in Wien ist derzeit geöffnet. Die Ausstellung eines Heimreisezertifkat durch die algerische Botschaft dauert ca. 3 Wochen. Für die Ausstellung eines Heimreisezertifkats ist jedoch die Buchung eines Fluges erforderlich. Sobald ein Abschiebeflug für den Beschwerdeführer gebucht wird, werden die Flugdaten der marokkanischen Botschaft bekannt gegeben, die dann innerhalb von drei Wochen das Heimreisezertifikat ausstellt.

Die Abschiebung des BF war seit 12.05.2020 wegen der derzeit seit 22.03.2020 bestehenden Ausnahmezustandes sowie bestehenden (Flug-)Reisebeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht möglich. Derzeit hat Marokko die internationalen Flug- und Fährverbindungen bis 10.11.2020 unterbrochen. Es gibt keine Informationen darüber, ab wann reguläre Flüge von Wien nach Marokko aus wieder aufgenommen wird. Die Wiederaufnahme der Flüge nach Marokko wurde in den letzten Wochen verschoben.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 jedenfalls bis 12.11.2020 soweit gelockert sind, dass die Abschiebungen des BF bis 12.11.2020 durchführbar ist.

Es konnte für den Beschwerdeführer bisher kein Flug nach Marokko gebucht werden. Es ist derzeit auch kein möglicher Abschiebetermin für den Beschwerdeführer bekannt.

1.3.3. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer erneut untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das Schubhaftverfahren des BF betreffend. Er ergibt sich ebenfalls aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.10.2020, sowie den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.10.2020, W250 2234712-2/17E sowie vom 10.09.2020, W117 2234712-1/6E, und wurde bis dato nicht bestritten.

2.1. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1.1. Aus dem Verwaltungsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich, dass der BF illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. Von der marokkanischen Vertretungsbehörde wurde er entsprechend der vom Bundesamt vorgelegten Verbalnote vom 27.06.2019 als marokkanischer Staatsangehöriger identifiziert. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Da sein Asylantrag in Österreich abgewiesen wurde, ist der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.1.2. Dass der BF seit 12.05.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Da die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft zuletzt am 08.10.2020 gerichtlich überprüft wurde, endet die Frist zur neuerlichen Überprüfung am 05.11.2020.

2.1.3. Aus dem Akt ergeben sich keine Indizien für eine Haftunfähigkeit des BF. Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf der amtsärztlichen Stellungnahme vom 07.10.2020 (W250 2234712-2, OZ 16), woraus sich insbesondere ergibt, dass der BF derzeit keine Medikamente auf Grund der Tuberkuloseerkrankung erhält. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.2.1. Die Feststellungen zum Untertauchen des BF während des Verfahrens auf Grund seines Antrags auf internationalen Schutz vom 20.01.2016 ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend, insbesondere aus dem dort einliegenden Aktenvermerk des Bundesamtes vom 04.03.2016, dem Bericht einer Landespolizeidirektion vom 12.06.2016 über die erfolglose Ermittlung des Aufenthaltes des BF sowie aus der Beurkundung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Zustellung des Beschlusses vom 13.07.2016 durch Hinterlegung ohne Zustellversuch.

2.2.2. Dass der BF am 19.12.2016 unrechtmäßig nach Deutschland ausgereist ist, dort mehrere Anträge auf internationalen Schutz gestellt hat und er sich auch in Deutschland seinen Verfahren entzogen hat, ergibt sich insbesondere aus den im Verwaltungsakt einliegenden Mitteilungen der deutschen Fremdenbehörden.

2.2.3. Dass von der Schweiz über den BF ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt wurde ergibt sich aus der Eintragung im Schengener Informationssystem.

2.2.4. Dass der BF von 16.01.2020 bis 27.01.2020 in Schubhaft angehalten wurde ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Schubhaftbescheid vom 16.01.2020 sowie dem Entlassungsschein vom 27.01.2020. Dass er spätestens am 28.01.2020 das Krankenhaus, in das er nach Beendigung der Schubhaft überstellt wurde, verlassen hat, ergibt sich aus der diesbezüglichen Mitteilung der Krankenanstalt. Da er nach seinem Verlassen des Krankenhauses entsprechend dem Zentralen Melderegister über keine Meldeadresse verfügt hat und dem Bundesamt auch sonst keine Adresse bekannt gegeben hat, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF untergetaucht ist.

2.2.5. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.04.2020 erlassenen Rückkehrentscheidung sowie dem damit verbundenen Einreiseverbot beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Da der BF das an ihn übermittelte Parteiengehör unbeantwortet lies, konnte die Feststellung getroffen werden, dass er am Verfahren zur Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitgewirkt hat.

2.2.6. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich ergeben sich ebenso aus den bisher durchgeführten Verfahren, wie die Feststellung, dass der BF über kein Vermögen verfügt. Anhaltspunkte dafür, dass der BF über einen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, liegen nicht vor, insbesondere verfügte er zuletzt am 10.03.2016 über eine Meldeadresse, war bis 16.07.2016 obdachlos gemeldet und verfügt seither über keine Meldeadresse außerhalb einer Justizanstalt bzw. eines Polizeianhaltezentrums.

2.2.7. Die Feststellungen zu dem am 15.05.2020 gestellten Antrag auf freiwillige Rückkehr beruhen auf dem Verwaltungsakt. Dass der BF bereits am 15.01.2020 angegeben hat, bereit zu sein freiwillig nach Marokko auszureisen, ergibt sich aus der Einvernahme durch eine Landepolizeidirektion am 15.01.2020. Da der BF trotz dieser von ihm angegebenen Bereitschaft bei der ersten sich bietenden Gelegenheit untergetaucht ist – noch dazu in einem Zeitpunkt, zu dem er sich zur Behandlung einer offenen Tuberkulose in einem Krankenhaus befunden hat – zeigt, dass er tatsächlich nicht beabsichtigt freiwillig in seinen Herkunftsstaat auszureisen.

2.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer

2.3.1. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie in die vom Bundesamt übermittelte Urteilsausfertigung.

2.3.2. Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF beruhen auf dem amtswissen und dem Akteninhalt, insbesondere auf der Zustimmung der marokkanischen Vertretungsbehörde zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF. Die Feststellungen zu den durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufenen Einschränkungen ergeben sich aus dem Behördenakt und den Begleitinformationen der behördlichen Aktenvorlagen und Stellungnahmen.

Dass es aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt aktuell vorherrschenden COVID-19 Pandemie zu Verzögerungen hinsichtlich der Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat wegen der vorherrschenden Mobilitätsbeschränkungen kommt, ist zudem evident. Abschiebungen nach Marokko auf dem Luftweg sind bereits vor Ausbruch der COVID-19 Pandemie regelmäßig durchgeführt worden. Insbesondere ist der auf der Homepage der österreichischen Botschaft Rabat veröffentlichten Information zu entnehmen, dass am 10.09.2020 die bestehenden Reisebeschränkungen bis 10.10.2020 und nun nochmal bis 10.11.2020 verlängert wurden. Die Unterbrechung der herkömmlichen kommerziellen internationalen Flug- und Fährverbindungen für Passagiere wurde bis auf Weiteres bis zum 10.11.2020 verlängert (Stand 12.10.2020). Zum aktuellen Zeitpunkt existiert ein eingeschränkter Sonderflugplan der Fluggesellschaften Royal Air Maroc, Air Arabia und Air France.

Die Anhaltung des BF in Schubhaft für sechs Monate würde am 12.11.2020 enden, wobei die herkömmlichen kommerziellen internationalen Flug- und Fährverbindungen jedenfalls bis 10.11.2020 eingestellt sind. Die Wiederaufnahme der Flüge wurde in den letzten Wochen regelmäßig verschoben.

Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgrund der damit verbundenen massiven Belastungen für Privatpersonen und Wirtschaft realistischer Weise in absehbarer Zeit wieder substantiell gelockert werden und auch die Aufnahme der internationalen Flug- und Fährverbindungen erfolgen wird. Das erkennende Gericht geht aber im Entscheidungszeitpunkt nicht davon aus, dass eine Abschiebung bis 12.11.2020 wahrscheinlich ist.

2.3.3. Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zu Spruchteil A.

3.1. Maßgebliche Rechtslage

3.1.1. § 80 des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet auszugsweise:

„Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

…“

3.1.2. Art 2 und Art 15 Rückführungsrichtlinie lauten auszugsweise:

„Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“

„Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

…“

3.1.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Diesen Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (VwGH vom 11.06.2013, 2013/21/0024).

3.1.3. Dauer der Schubhaft

Zu prüfen ist, wie lange der Beschwerdeführer noch vor dem Hintergrund der zulässigen Dauer einer Anhaltung in Schubhaft in Schubhaft angehalten werden darf und ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers noch innerhalb der noch zur Verfügung stehenden, zulässigen Dauer der Schubhaft bewerkstelligt werden kann.

Die Anhaltung der Dauer in Schubhaft ist in § 80 FPG geregelt. § 80 FPG sieht in Abs. 2 eine grundsätzliche Anhaltung in Schubhaft von bis zu drei oder sechs Monaten vor. Gemäß Abs. 5 kann die Dauer der Schubhaft auf 10 Monate, und gemäß Abs. 4 auf 18 Monate – bei Vorliegen aller Voraussetzungen – verlängert werden.

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft verlängert werden, wenn zumindest eine der in den Z 1 bis 4 genannten zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt ist.

3.1.4. Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 80 FPG (RV 1523 BlgNR XXV. GP 2, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) ergibt sich:

„Schließlich wird durch die Änderung des § 80 FPG einerseits die Regelung der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft den Vorgaben des Unionsrechts auf Grund der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98 (im Folgenden: „Rückführungs-RL“) angepasst.“

Mit § 80 FPG wird die Bestimmung des Art. 15 Rückführungs-RL umgesetzt. Ist eine Anhaltung des Fremden in Schubhaft über die übliche Dauer gemäß § 80 Abs. 2 FPG vorgesehen und fällt daher die Überprüfung einer Anhaltung in Schubhaft in den Anwendungsbereich der Rückführungs-RL, ist die innerstaatliche Bestimmung des § 80 FPG richtlinienkonform auszulegen.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 1 Rückführungs-RL um einen Drittstaatsangehörigen handelt, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält. Die Rückführungs-RL ist im gegenständlichen Fall daher anwendbar und die Bestimmung des § 80 FPG daher im Sinne der Rückführungs-RL auszulegen.

3.1.5. Die Anhaltung in Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG grundsätzlich die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Dies steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 der Rückführungs-RL.

Im gegenständlichen Fall wird der Beschwerdeführer seit 12.05.2020 in Schubhaft angehalten, sodass eine Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb von sechs Monaten, sohin bis zum 12.11.2020 zu erfolgen hätte.

Bei der letzten amtswegigen Überprüfung der Schubhaft war die Flugverbindung nach Marokko bis 10.10.2020 ausgesetzt. Es war allgemein mit einer Aufnahme des Flugverkehres zu rechnen. Mit 12.10.2020 wurde die Flugverbindung abermals bis 10.11.2020 ausgesetzt. Derzeit ist daher die Flugverbindung nach Marokko jedenfalls bis 10.11.2020 ausgesetzt.

Eine Abschiebung des Beschwerdeführers bis zum 12.11.2020 ist äußerst unwahrscheinlich, da es jedenfalls bis 10.11.2020 keine Flugverbindungen nach Marokko geben wird. Es ist auch vom Bundesamt nicht vorgesehen den Beschwerdeführer bis zum 12.11.2020 mit einem Flug – allenfalls mit einem Zwischenstopp – oder auf einem anderen Weg nach Marokko abzuschieben. Es steht auch sonst kein Abschiebetermin des Beschwerdeführers fest.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde bereits mit 27.06.2019 zugesagt. Für die Ausstellung des Heimreisezertifikates ist aber zB eine Flugbuchung erforderlich.

3.1.6. Zu prüfen ist daher, ob in der vorliegenden Konstellation aufgrund der Bestimmungen des § 80 Abs. 4 FPG iVm Art. 15 Rückführungs-RL von einer Schubhaftdauer von bis zu 18 Monaten auszugehen ist.

3.1.7. Gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. b der Rückführungs-RL umgesetzt. Gemäß Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-RL kann die höchstmögliche Dauer der Anhaltung in Schubhaft um weitere 12 Monate in Fällen verlängert werden, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch einen Drittstaat, wahrscheinlich länger dauern werden.

Während § 80 Abs. 4 Z 2 FPG darauf abstellt, dass für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligungen eines anderen Staates nicht vorliegen, stellt Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-Rl darauf ab, dass es trotz angemessener Bemühungen zu einer Verzögerung der Übermittlung dieser Unterlagen durch den Drittstaat kommt. Der Anwendungsbereich der Rückführungs-RL ist daher enger gefasst, als in der Umsetzung des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG. Es ist daher die nationale Bestimmung im Sinne der Rückführungs-RL enger auszulegen.

Im gegenständlichen Fall wurde vom Bundesamt noch kein Flug gebucht oder anvisiert. Da aufgrund der Einschränkungen im internationalen Flugverkehr noch keine möglichen Flugdaten für einen Flug nach Marokko bekannt sind, wurde mangels Übermittlung dieser Flugdaten an die marokkanische Botschaft auch noch kein Heimreisezertifikat ausgestellt.

Die Verzögerung der Abschiebung beruht daher, dass der internationale Flugverkehr in Marokko eingestellt wurde. Die Einstellung des internationalen Flugverkehres ist aber keine Verzögerung bei der Übermittlung von erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten und kann als solche auch nicht interpretiert werden. Es kommt nämlich im vorliegenden Fall nicht auf die Übermittlung von Unterlagen – auch nicht im weitesten Sinn – sondern auf eine allgemeine Wiederaufnahme des internationalen Flugverkehrs an.

Es liegt hier daher kein Fall vor, in dem Abschiebemaßnahme aufgrund einer Verzögerung bei der Übermittlung von Unterlagen eines Drittstaates nicht durchgeführt werden können.

Die Anhaltung in Schubhaft über sechs Monate kann daher im gegenständlichen Fall nicht auf eine 18-monatige Schubhaftdauer gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG gestützt werden.

3.1.8. Zu § 80 Ab. 4 Z 4 FPG ist zunächst seine Entstehungsgeschickte zu betrachten: § 80 Abs. 4 Z 4 FPG wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 84/2017, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017, maßgeblich novelliert, wobei die Novellen BGBl. I Nr. 145/2017 und BGBl. I Nr. 56/2018 für die vorliegende Auslegung nicht maßgeblich relevant sind.

In der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 84/2017 - folglich in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 70/2015 (FrÄG 2015) - lautete § 80 Abs. 4 wie folgt auszugsweise (Hervorhebung durch das Gericht):

„(4) Kann oder darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden,

1.weil … oder

2.weil … oder

3.weil …

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monate nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. ...“

Diese Formulierung des § 80 Abs. 4 (idF der Novelle BGBl. I Nr. 70/2015), wonach Fälle in denen sich der Beschwerdeführer bereits einmal im Verfahren entzogen hat gleich zu behandeln sind, wie jene Fälle, die in den Ziffern 1 bis 3 genannt sind, geht ursprünglich auf die Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 (FrÄG 2011) zurück. Dort wird erstmals, wie auch den diesbezüglichen Materialien dieser Novelle (RV 1078 BlgNR XXIV. GP 38: „Abs. 4 wird vor dem Hintergrund der RückführungsRL in mehrfacher Hinsicht adaptiert. Nunmehr soll klargestellt werden, dass das einmalige „Entziehen aus dem Verfahren“ nicht mehr nur ein Grund für die Verhängung der Schubhaft (§ 76 Abs. 1), sondern auch für die Dauer der Schubhaft relevant ist.“) zu entnehmen ist, eine Verlängerung der Schubhaftdauer – beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - ermöglicht, wenn der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Diese Formulierung blieb – wie bereits oben erwähnt - bis zur Novelle BGBl. I Nr. 84/2017 bestehen.

§ 80 Abs. 4 FPG wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 84/2017 dahingehend adaptiert, dass nun nicht mehr die Formulierung „gleiches gilt“ (wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat) vorgesehen wurde, sondern dieser Fall in die Ziffern des § 80 Abs. 4 FPG integriert wurde. Das hatte zur Folge, dass die mit dieser Novelle eingeführte Textierung, die auch in der im Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden Fassung einschlägig ist, auf den ersten Blick einen Widerspruch in sich birgt: Demnach kann die Schubhaftdauer verlängert werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die Abschiebung - dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat - gefährdet erscheint. Wenn ein Fremder aber deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die Abschiebung gefährdet erscheint, stellt dies – auf den ersten Blick - einen Widerspruch dar.

Das Bundesverwaltungsgericht geht aber, davon aus, dass es sich dabei um eine offenkundig nicht beabsichtigte Textierung des Gesetzgebers handelt, der mit einem „Redaktionsversehen“ vergleichbar ist, der wahre Wille des Gesetzgebers mit Sicherheit nachweisbar ist und daher einer Auslegung zugänglich ist:

Der Richter muss bei der Anwendung des Gesetzes zunächst einmal in kritischer Weise den echten und richtigen Gesetzestext ermitteln. Ergibt sich dabei, dass der Gesetz gewordene Wortlaut insoferne fehlerhaft ist, als er nicht dem Willen des Gesetzesgebers entspricht, dann liegt ein Redaktionsversehen vor, dessen Verbesserung (durch Anwendung des wahren Willens des Gesetzesgebers) im Wege abändernder Auslegung jedoch nur dann zulässig ist, wenn der wahre Wille des Gesetzgebers mit Sicherheit nachweisbar ist. Ist ein Redaktionsversehen offenkundig, wird es, so es vom Gesetzgeber nicht beseitigt wird, durch Gesetzesauslegung beseitigt werden können. In einem derartigen Fall ist es zulässig, eine Vorschrift gegen ihren eindeutigen Wortsinn zu verstehen (vgl. dazu OGH 22.12.2010, 9 Ob 79/10y).

Sieht man sich § 80 Abs. 4 FPG in der im Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden Fassung an, enthält er Anwendungsfälle, in denen die Schubhaftdauer über sechs Monate hinaus verlängert werden kann. Aufgrund der Textierung sind die Ziffern 1 bis 3 auch unstrittig. Der in § 80 Abs. 4 erster Satz iVm Ziffer 4 FPG Gesetz gewordene Wortlaut ist insofern widersprüchlich, da nicht mehr auf einen „Vergleich“ mit den Ziffern 1 bis 3 abgestellt wird und auch sonst eine sprachliche Anpassung nicht vorgenommen wurde um den Wortlaut der Ziffer 4 widerspruchsfrei in § 80 Abs. 4 FPG zu integrieren.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es der wahre Wille des Gesetzgebers auch weiterhin ist, dass in jenen Fällen, in denen sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat, die Schubhaftdauer verlängert werden kann. Der wahre Wille des Gesetzgebers ergibt sich daher bereits aufgrund der Offenkundigkeit der, zugegeben auf den ersten Blick missverständlichen, Regelung. Selbst wenn man sich die Materialien zur Novelle BGBl. I Nr. 84/2017, ansieht, bleibt kein Zweifel am wahren Willen des Gesetzgebers: „Die vorgeschlagene Neuregelung des § 80 vereinfacht einerseits die Regelung der Schubhaftdauer, indem sie die Maßgeblichkeit der Durchrechnungszeiträume entfallen lässt, und schöpft andererseits die von der Rückführungs-RL gebotenen Möglichkeiten deutlicher aus, indem sie die zulässige Höchstdauer der Schubhaft auf sechs bzw. – in den in § 80 Abs. 4 definierten Ausnahmefällen – auf 18 Monate anhebt.“ (RV 1523 BlgNR XXV. GP 4).

Auch im öffentlichen Recht ist bei einer Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. § 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlautes in seinem Zusammenhang. Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligten im Vordergrund stehen (vgl. dazu Bydlinski in Rummel, ABGB I Rz 1 zu § 6). In diesem Sinne vertreten auch Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, S. 101f, 1996, die Auffassung, dass die Bindung der Verwaltung an das Gesetz nach Art. 18 B-VG einen Vorrang des Gesetzeswortlautes aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der Norm bewirke und den dem Gesetz unterworfenen Organen die Disposition über das Verständnis möglichst zu entziehen sei. Dies bedeutet bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen einen Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter "korrigierender Auslegungsmethoden" (vgl. VwGH 03.10.2018, Ro 2018/12/0014; VwGH 23.02.2001, 98/06/0240).

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass Gesetze und dabei insbesondere auch Regelungen über die Dauer der Schubhaft am Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu messen sind, ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist und korrigierende Auslegungsmethoden zu vermeiden sind. Im vorliegenden Fall ist aber, wie oben aufgezeigt und vor dem Hintergrund der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 und der diesbezüglichen bereits zitierten Materialien, der Novelle BGBl. I Nr. 70/2015 und der Novelle BGBl. I Nr. 84/2017 sowie der diesbezüglichen Materialien und der im Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden Fassung, jedenfalls von einem offenkundigen – für jedermann offensichtlich erkennbaren - Versehen des Gesetzgebers auszugehen, der gerade durch die Eingliederung der relevanten Passage in die Ziffer 4 des § 80 Abs. 4 FPG, entstanden ist: es war jedenfalls nicht beabsichtigt, durch die Neuregelung die Verhängung der Schubhaft aufgrund des Umstandes, dass sich der Fremde bereits dem Verfahren entzogen hat, gerade nicht mehr zu ermöglichen. Für ein derartiges Ergebnis gibt es keine Anhaltspunkte. Die Bestimmung des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG ist daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes dahingehend zu lesen, dass – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – Schubhaft nach sechs Monatiger Dauer auch dann verhängt werden kann, wenn sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder ein Abschiebungshindernis auf sonstig Weise zu vertreten hat.

3.1.9. Gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG kann somit ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. a der Rückführungs-RL umgesetzt, wonach sich in den Fällen, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen wahrscheinlich länger dauern werden, die höchstmögliche Schubhaftdauer um weitere 12 Monate verlängert.

§ 80 Abs. 4 Z 4 FPG stellt auf eine Gefährdung der Abschiebung ab, die sich daraus ergeben kann, dass sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder er ein Abschiebehindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat. Art. 15 Abs. 6 lit a der Rückführungs-RL stellt darauf ab, dass sich eine Abschiebung aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers verzögert. Nach der Rückführungs-RL muss die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Drittstaatsangehörigen daher kausal für die Verzögerung von Abschiebungsmaßnahmen sein, sodass auch § 80 Abs. 4 Z 4 FPG diesbezüglich im Sinn von Art 15 Rückführungs-RL auszulegen ist.

Dem Bundesamt ist hier entgegen zu halten, dass das Verhalten des BF seit 12.05.2020 nicht kausal für das Abschiebehindernis ist. Derzeit kann keine Abschiebung stattfinden, da aufgrund der COVID-Maßnahmen der kommerzielle Flugverkehr nach Marokko eingestellt wurde. Die COVID-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen im internationalen Flugverkehr sind daher kausal für die Verzögerung der Abschiebung.

Dem Bundesamt ist zwar beizupflichten, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers bereits 2016 hätte stattfinden können, wenn der Beschwerdeführer nicht untergetaucht wäre, nicht nach Deutschland gereist wäre und er für die Behörden greifbar gewesen wäre. Sie hätte allenfalls bereits auch stattfinden können, wenn beim BF keine offene Tuberkulose festgestellt worden wäre und er am 27.01.2020 nicht aus der Schubhaft entlassen worden wäre und er in der Folge nicht bis 12.02.2020 abgängig gewesen wäre, mit 13.02.2020 über den BF nicht die Untersuchungshaft verhängt worden wäre und er bis 12.05.2020 nicht in Strafhaft angehalten worden wäre.

Diesfalls wäre der BF am 12.05.2020 nicht mehr in Österreich in Schubhaft genommen worden, sodass (im Sinne einer Conditio-sine-qua-non und Äquivalenz) von einer Kausalität im weitesten Sinn auszugehen ist. Es reicht jedoch nicht aus alleine auf die Äquivalenz abzustellen, da in diesem Fall jegliche – auch atypische – Kausalverläufe umfasst werden. Es ist daher auch immer auch auf die Adäquanz des Kausalverlaufs abzustellen. Dem Bundesamt ist in diesem Sinn entgegen zu halten, dass das Untertauchen des Beschwerdeführers im Jahr 2016 sowie sein Untertauchen von 28.01.2020 bis 12.02.2020 mit anschließender Anhaltung in Strafhaft in keinem adäquaten Kausalzusammenhang mehr mit der jetzigen Schubhaft steht.

Für das derzeitige Abschiebehindernis sind die Einschränkungen im internationalen Flugverkehr ursächlich. Nach Ansicht des Gerichts steht ein Untertauchen im Jahr 2016 und ein Untertauchen von 28.01.2020 bis 12.02.2020 mit anschließender Anhaltung in Strafhaft, in keinem ausreichend engen Kausalzusammenhang mehr zu den durch die COVID-19-Pandemie bedingten Einschränkungen im internationalen Flugverkehr im Jahr 2020.

Wenn das Bundesamt ausführt, dass die bisherige Verzögerung der Abschiebung seit 12.05.2020 aufgrund vorliegender Vertrauensunwürdigkeit und mangelnder Kooperationsbereitschaft des BF, dieser selbst zu verantworten habe, kann das Gericht aus dem gesamten vorgelegten Akt nicht erkennen, welches Verhalten der BF seit 12.05.2020 gesetzt hätte, um eine Abschiebung zu verhindern oder verzögern und dieses mit einem ausreichend engen Kausalzusammenhang ursächlich für die seit 12.05.2020 nicht erfolgte Abschiebung des BF wäre.

Das Gericht geht davon aus, dass der BF bereits nach Marokko abgeschoben worden wäre, wenn ein regelmäßiger Flugverkehr nach Marokko bestehen würde. Er ist bereits als marokkanischer Staatsangehöriger identifiziert worden und hat die marokkanische Vertretungsbehörde bereits schriftlich die Ausstellung eines Heimreisezertifikats bereits im Jahr 2019 zugesagt. Im vorliegenden Fall steht daher ausschließlich die Einschränkung des internationalen Flugverkehrs in einem kausalen und diesbezüglich adäquaten Kausalzusammenhang mit der Verzögerung der Abschiebung.

Eine Einschränkung des Flugverkehrs aufgrund der COVID-19-Pandemie ist jedoch nicht unter einer mangelnden Kooperationsbereitschaft von Drittstaatsangehörigen im Sinne des Art. 15 Abs. 5 lit. a der Rückführungs-RL zu subsumieren.

3.1.10. Es liegen daher die Voraussetzungen für eine Verlängerung der 6-monatigen Schubhaftdauer auf 18 Monate nicht vor. Im gegenständlichen Fall darf die Schubhaftdauer von sechs Monaten nicht überschritten werden.

3.1.11. Da erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (VwGH 11.06.2013, 2013/21/0024), liegen die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht mehr vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.12. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

Zu B) Zu Spruchteil B.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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