TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/12 W137 2235725-2

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Veröffentlicht am 12.11.2020
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Entscheidungsdatum

12.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch

W137 2235725-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1050523707 - 200472401 über die weitere Anhaltung des XXXX , StA. Pakistan, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Über den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen du Asyl vom 10.06.2020 die Schubhaft angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt verbüßte der Beschwerdeführer eine Strafhaft. Der Beschwerdeführer wurde nach Entlassung aus der Strafhaft festgenommen und seit 15.06.2020 in Schubhaft angehalten.

2. Im Rahmen einer ersten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 14.10.2020, W171 2235725-1/2E, festgestellt, dass die Voraussetzungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen und die weitere Anhaltung auch verhältnismäßig ist. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang auf laufende Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikats, das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers, seine fehlende soziale Verankerung im Bundesgebiet sowie die massive Straffälligkeit. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 15.10.2020 durch persönliche Übergabe zugestellt.

3. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 02.11.2020 die Akten gemäß §22a Abs. 4 BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor. Ausgeführt wurde, dass eine Abschiebung nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats (HRZ) erfolgen könne. Diesbezüglich werde laufend urgiert. Der Beschwerdeführer sei in diesem Zusammenhang allerdings nicht kooperativ.

Ergänzend teilte das Bundesamt am 09.11.2020 mit, dass der Beschwerdeführer am 04.11.2020 von der pakistanischen Botschaft identifiziert worden sei und eine HRZ-Ausstellung nach Übermittlung einer Flugbuchung erfolgen könne. Diese Flugbuchung erfordere eine Vorlaufzeit von rund 6 Woche, zumal für diesen Flug eine Durchreisebewilligung der Türkei erforderlich sei. Vor diesem Hintergrund liegen die Voraussetzungen für die verlängerte Anhaltedauer von bis zu 18 Monaten gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 und Z 2 FPG vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.3.)

Der unter Punkt I.1. – I.3. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2. Zur Person und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Pakistans. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF verfügt über kein Reisedokument, hinsichtlich eines Heimreisezertifikat wurde seitens des Bundesamtes laufend urgiert. Nunmehr wurde der Beschwerdeführer seitens der pakistanischen Botschaft identifiziert und die Ausstellung eines Heimreisezertifikats grundsätzlich zugesagt.

Der BF wird seit 15.06.2020 in Schubhaft angehalten. Der Beschwerdeführer trägt selbst die wesentliche Verantwortung für die Dauer der Anhaltung. Die Abschiebung kann nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgen. Für dieses ist eine Flugbuchung erforderlich; zusätzlich bedarf es einer Durchreisebewilligung seitens der Türkei. Die Abschiebung benötigt somit eine Vorlaufzeit von zumindest 6 Wochen. Damit ist eine Abschiebung im Jänner 2021 (mithin binnen rund zweieinhalb Monaten) jedenfalls realistisch.

Der Beschwerdeführer wurde seit 2015 viermal wegen Suchtmitteldelikten zu (teil)bedingten Freiheitsstrafen – zuletzt im Jänner 2020 – verurteilt. Dazu kam 2019 eine bedingte Freiheitsstrafe wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Er verfügt aktuell über Barvermögen von 100€. Er ist in Österreich in keiner Form integriert und ging im Bundesgebiet nie einer Beschäftigung nach. Seiner Ausreiseverpflichtung (vom Dezember 2019) ist er nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Er hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren und das Asylverfahren betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren sowie das Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend.

2.2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Die Feststellungen zur Person des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere des für ihn erteilten Heimreisezertifikates. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Die laufenden Urgenzen bei der pakistanischen Botschaft sind aus dem Verwaltungsakt ersichtlich. Die Feststellungen betreffend HRZ-Zusage und Ausstellung (inklusive Vorlaufzeit) beruhen auf der während der laufenden Prüfung übermittelten Stellungnahme des Bundesamtes. Es gibt keinen Grund, diese in Zweifel zu ziehen.

Die Dauer der Anhaltung in Schubhaft ergibt sich ebenfalls aus der Aktenlage. Aufgrund der fehlenden Personal- und Reisedokumente sowie des Verhaltens im Verlauf des Asylverfahrens ergibt sich klar, dass der Beschwerdeführer (auch unter Berücksichtigung der laufenden Pandemie-Situation) die Hauptverantwortung für die gegenwärtige und noch erforderliche Anhaltedauer trägt. Dass Abschiebungen nach Pakistan nach HRZ-Ausstellung grundsätzlich problemlos durchgeführt werden können, ergibt sich aus den (unbestrittenen) Erfahrungswerten der Behörde. Es besteht auch eine grundsätzliche HRZ-Zusage, wobei zuvor eine Flugbuchung erfolgen muss.

Aus dem Strafregister ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Österreich.

Für eine substanzielle Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet oder eine nennenswerte soziale Verankerung finden sich keine Hinweise. Der Beschwerdeführer ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nach; es gibt in der Aktenlage auch keinen Hinweis auf Familienangehörige im Bundesgebiet. Aus diesen Umständen – in Verbindung mit den Vorstrafen – ergibt sich die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers.

Es haben sich weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Anhaltedatei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass beim Beschwerdeführer eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder gar Haftunfähigkeit vorliegen würde, weshalb die diesbezügliche Feststellung zu treffen war. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft gegeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Spruchteil A)

3.1. Rechtliche Grundlagen

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 15.06.2020 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f)         wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der geltenden Fassung)

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 80 FPG:

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.3. Zulässige Anhaltedauer

Der Beschwerdeführer wird gegenwärtig seit knapp fünf Monaten in Schubhaft angehalten. Aufgrund der erforderlichen Durchreisebewilligung (der Türkei) liegt die Voraussetzung des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG jedenfalls vor; indirekt hängt davon auch die tatsächliche individuelle Ausstellung eines HRZ durch Pakistan ab (was erneut § 80 Abs. 4 Z 2 FPG entsprechen würde, wenn unter „Bewilligung“ die effektive/tatsächliche und nicht bloß grundsätzliche HRZ-Ausstellung zu verstehen ist).

Unabhängig davon bestehen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anwendung des § 80 Abs. 4 FPG in der Aktenlage zumindest substanzielle Hinweise. Die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft bis (maximal) 18 Monate sind somit gegeben.

3.4. Fortsetzungsausspruch

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 3, 6a und 9 des § 76 Abs. 3 FPG) sowie das Bundesverwaltungsgericht diese fortsetzte, haben sich seither nicht geändert und sind – hinsichtlich der Ziffern 3 sowie 6a auch zweifelsfrei belegt. Für Änderungen im Zusammenhang mit der Ziffer 9 gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere wurden solche auch im gegenständlichen Prüfungsverfahren nicht behauptet.

Damit liegt weiterhin eine für die Aufrechterhaltung der Schubhaft hinreichend ausgeprägte Fluchtgefahr vor. Kooperationsbereitschaft wurde vom Beschwerdeführer bisher nicht gezeigt. Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu das bisherige Verhalten im Rahmen des Asylverfahrens und insbesondere die regelmäßige Suchtmitteldelinquenz – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Vielmehr hat sich das Bundesamt rasch um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates gekümmert und nunmehr auch eine grundsätzliche Zusage erhalten.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen. Festzuhalten ist dabei auch, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig knapp fünf Monate in Schubhaft angehalten wird, womit noch nicht einmal ein Drittel der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer ausgeschöpft worden ist. Unter Einrechnung der vom Bundesamt als erforderlich angesehenen (und aufgrund der Umstände – Einzelabschiebung, erforderliche Durchreisebewilligung, allfällige Begleitung - jedenfalls nachvollziehbaren) Vorlaufzeit von 6 Wochen kann die Abschiebung frühestens zum Jahreswechsel erfolgen. Damit ist eine Abschiebung im Verlauf des Jänner 2021 zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls als realistisch anzusehen.

Die voraussichtliche Abschiebung zu diesem Zeitpunkt würde eine Anhaltedauer von insgesamt rund 7 Monaten bedingen, was immer noch deutlich unter der Hälfte der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer liegt. Eine Anhaltung in diesem zeitlichen Ausmaß ist zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt unter Berücksichtigung der übrigen Umstände des Falles auch jedenfalls verhältnismäßig. Dies insbesondere, weil der Beschwerdeführer für einen Gutteil der bisherigen Anhaltedauer die alleinige Verantwortung trägt.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist.

Spruchteil B) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Außerlandesbringung Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Vereitelung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2235725.2.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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