TE OGH 2020/10/29 3Nc23/20t

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Veröffentlicht am 29.10.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Stefula als weitere Richter in der Ordinationssache der Antragstellerin Stadtgemeinde R*****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, gegen die Antragsgegnerin E***** KG, *****, Deutschland, wegen Exekutionsführung, infolge Antrags gemäß § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 28 JN für die beabsichtigte Exekution wird abgelehnt.

Text

Begründung:

[1]       Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 24. 9. 2020, gestützt auf § 28 JN, die Bestimmung des Bezirksgerichts Rattenberg als zuständiges Gericht für die Bewilligung und Vollziehung der von ihr beabsichtigten Exekution gegen die in Deutschland ansässige Antragsgegnerin. Sie brachte dazu vor, gegen diese beim Bezirksgericht Rattenberg zu AZ 1 C 658/19w einen im Jänner 2020 rechtskräftig gewordenen Titel (Versäumungsurteil vom 6. 12. 2019) erwirkt zu haben. Inhalt des vollstreckbaren Anspruchs sei die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ab sofort darauf einzuwirken, dass berechtigte Lenker von auf diese zugelassenen Kraftfahrzeugen es in Hinkunft unterlassen, das Kraftfahrzeug auf dem im Eigentum der Klägerin stehenden Gst 6***** (Parkplatz *****) ohne Entrichtung der Parkgebühr und ohne sichtbaren Nachweis der Gebührenentrichtung abzustellen. Dieser Verpflichtung habe die Antragsgegnerin offenkundig nicht entsprochen, da mit 24. 2. 2020 erneut ein auf sie zugelassenes Fahrzeug ohne ordnungsgemäße Entrichtung der Parkgebühren auf dem Parkplatz ***** abgestellt worden sei. Die Antragsgegnerin verfüge über keine Niederlassung in Österreich. Es bestehe auch sonst kein Anknüpfungspunkt für die Annahme der örtlichen Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts. Die Rechtsverfolgung in Deutschland sei nicht möglich bzw unzumutbar. Der Oberste Gerichtshof habe die Unzumutbarkeit in Bezug auf die Durchsetzung einer auf Österreich bezogenen Unterlassungsverpflichtung gegen einen in Deutschland ansässigen Verpflichteten mehrmals mit der Begründung bejaht, dass deutsche Gerichte die in Österreich nicht bekannte Auferlegung eines Ordnungsgeldes durch das Titelgericht verlangten. Entsprechendes gelte auch für die angestrebte Exekution nach § 354 EO. Die deutsche Rechtsordnung verlange diesbezüglich die Auferlegung eines in Österreich nicht bekannten Zwangsgeldes durch das Titelgericht.

Rechtliche Beurteilung

[2]       Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

[3]       1. Zu AZ 3 Nc 5/12h lag ein Titel vor, der den Antragsgegner verpflichtete, auf jene Personen, denen er eine bestimmte Wohnung überlässt, dahingehend einzuwirken, dass diese insbesondere in dieser Wohnung eine Lärmentwicklung während der Nachtstunden unterlassen, die das örtliche und zumutbare Maß übersteigt und dadurch die Nachtruhe der Antragsteller stört. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass dieser Exekutionstitel im weitesten Sinn als Unterlassungstitel qualifiziert werden könne, weil letztlich die Unterlassung der Erregung ungebührlichen Lärms durch Personen, die dem Antragsgegner zugerechnet werden, durchgesetzt werden soll. Der Oberste Gerichtshof behandelte die beabsichtigte Zwangsvollstreckung im Weiteren als Unterlassungsexekution. Der Anwendung des § 355 EO auf derartige Fälle wird von der Lehre nicht entgegengetreten (zu den Vorteilen des in der Rechtsprechung vorherrschenden weiten Verständnisses von § 355 EO Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 § 355 Rz 4 ff, insb Rz 4/3).

[4]       Auch der hier gegenständliche Titel ist im weitesten Sinn als Unterlassungstitel zu qualifizieren, weil er die Antragsgegnerin zu einem Einwirken auf ihr zuzurechnende Fahrzeuglenker dahingehend verpflichtet, dass diese ein Abstellen auf einem bestimmten Parkplatz ohne sichtbaren Nachweis der (Park-)Gebührenentrichtung unterlassen. Es liegt damit ein richtigerweise der Vorschrift des § 355 EO unterliegender Exekutionstitel vor.

[5]       2. Der Senat hat sich jüngst in AZ 3 Nc 20/20a eingehend mit den Voraussetzungen einer Ordination nach § 28 JN zur Bestimmung eines Gerichts für die exekutive Durchsetzung einer Unterlassungsverpflichtung einer in Deutschland ansässigen Person befasst. In der Entscheidung wurde wie folgt ausgeführt:

„1. Als Rechtsgrundlage für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts kommt im vorliegenden Fall nur § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht. Demnach ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn die betreibende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen (3 Nc 29/19y mwN).

2. Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind nach § 28 Abs 4 zweiter Satz JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen, was auch für Exekutionssachen gilt (RIS-Justiz RS0124087).

3. Gemäß § 890 dZPO setzt die Durchsetzung einer Unterlassungspflicht durch Verhängung eines Ordnungsgeldes eine entsprechende Androhung im Titel voraus, die bei deren Fehlen nach Abs 2 leg cit auf Antrag vom Prozessgericht des ersten Rechtszugs zu erlassen ist.

4.1. Zu 3 Nc 4/04z wurde einem Ordinationsantrag zur zwangsweisen Durchsetzung eines österreichischen Unterlassungstitels gegen eine Verpflichtete mit Sitz in Deutschland wegen Unmöglichkeit der Exekutionsführung in Deutschland stattgegeben. Dem lag zugrunde, dass die Vollstreckbarkeit des inländischen Unterlassungstitels in Deutschland noch nach den Bestimmungen des EuGVÜ zu beurteilen war und der dortige Antragsteller die Unmöglichkeit der Exekutionsführung in Deutschland durch Vorlage einer Entscheidung des zuständigen deutschen Gerichts bescheinigt hatte, womit der – auf ein Zuwiderhandeln gegen das Unterlassungsgebot gegründete – Antrag auf Auferlegung eines Ordnungsgeldes gegen die Titelschuldnerin mit der Begründung zurückgewiesen worden war, dass über diesen Antrag das (österreichische) Titelgericht entscheiden müsste und erst nach einer solchen Entscheidung eine Vollstreckung in Deutschland in Betracht komme.

4.2. Zu 3 Nc 27/05h wurde – über Antrag derselben Antragstellerin wie jener zu 3 Nc 4/04z – einem (weiteren) Ordinationsantrag für eine Exekutionsführung nach § 355 EO gegen die deutsche Titelschuldnerin unter Verweis auf die zu 3 Nc 4/04z erfolgte Bescheinigung der Unmöglichkeit der Vollstreckung eines österreichischen Unterlassungstitels in Deutschland stattgegeben.

4.3. Der Entscheidung 4 Nc 7/06a, mit der in Stattgebung eines Ordinationsantrags ein österreichisches Gericht für die Bewilligung und Vollziehung der beabsichtigten Unterlassungsexekution aufgrund einer inländischen einstweiligen Verfügung gegen die in Deutschland ansässige Titelschuldnerin bestimmt wurde, lag ebenfalls der Sachverhalt zugrunde, dass das zuständige deutsche Gericht den Antrag auf Bewilligung der Vollstreckung und Verhängung einer Geldstrafe bereits mit der Begründung zurückgewiesen hatte, die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien sei kein zulässiger Vollstreckungstitel nach deutschem Recht.

4.4. Hingegen wurde zu 3 Nc 9/10v ein Ordinationsantrag zwecks Führung einer Unterlassungsexekution gegen eine deutsche Verpflichtete mit der Begründung abgewiesen, dass der Inhalt der zur Bescheinigung der Unzumutbarkeit einer Exekutionsführung in Deutschland vorgelegten E-Mail-Auskunft einer deutschen Rechtsanwältin nicht ausreichend sei, zumal die Betreibende gar nicht behauptet habe, dass sie die Durchsetzung ihres titulierten Anspruchs in Deutschland erfolglos versucht hätte oder dies nach bisheriger Rechtsprechung deutscher Gerichte zu erwarten wäre.

5. Seit Fassung des Ordinationsbeschlusses zu 3 Nc 4/04z hat sich die maßgebliche Rechtslage insofern entscheidend geändert, als nunmehr im Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland nicht mehr das EuGVÜ, sondern die EuGVVO (neu) maßgeblich ist.

5.1. Enthält eine Entscheidung eine Maßnahme oder Anordnung, die im Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht bekannt ist, so ist diese Maßnahme oder Anordnung gemäß Art 54 Abs 1 EuGVVO (neu) soweit möglich an eine im Recht dieses Mitgliedstaats bekannte Maßnahme oder Anordnung anzupassen, mit der vergleichbare Wirkungen verbunden sind und die ähnliche Ziele und Interessen verfolgt.

5.2. Dazu wird vertreten, dass aufgrund dieser Bestimmung ein Unterlassungstitel, der – wie hier im Einklang mit der österreichischen Rechtslage – keine Anordnung eines Ordnungsgeldes iSd § 890 dZPO enthält, in analoger Anwendung des Art 54 EuGVVO vom deutschen Gericht entsprechend angepasst (konkretisiert) werden müsste (Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR I4 Art 54 EuGVVO Rz 5; ähnlich Geimer in Zöller, ZPO33 Art 54 EuGVVO Rz 1).

6. Im Übrigen wird im deutschen Schrifttum auch vertreten, dass in einem Fall wie dem hier vorliegenden in analoger Anwendung der §§ 1114 f dZPO das Vollstreckungsgericht am Vollstreckungsort für die in § 890 Abs 2 dZPO vorgesehene Ergänzung des Unterlassungstitels um die Androhung eines Ordnungsgeldes zuständig sei (vgl Geimer in Zöller, ZPO33 Art 41 EuGVVO Rz 15; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht8 Rz 3196h; E. Peiffer/M. Peiffer in Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art 41 EuGVVO Rz 8; Hess in Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht4 Art 55 EuGVVO Rz 12).

7. Vor diesem Hintergrund kann aber die Rechtsprechungslinie des erkennenden Senats, wonach – wie sich insbesondere aus den Entscheidungen 3 Nc 4/04z und 3 Nc 27/05h ergebe – die Unzumutbarkeit (Unmöglichkeit) einer Unterlassungsexekution in Deutschland aufgrund eines österreichischen Titels generell bescheinigt sei (so insbesondere 3 Nc 8/11y, 3 Nc 7/12b, 3 Nc 11/12s, 3 Nc 11/15w, 3 Nc 10/16z, 3 Nc 21/17v, 3 Nc 25/17g), nicht aufrecht erhalten werden.

8. Eine Stattgebung des Ordinationsantrags setzt also in einem Fall wie dem hier vorliegenden voraus, dass die Antragsteller – etwa durch Vorlage einer entsprechenden abweislichen Entscheidung des zuständigen deutschen Gerichts – bescheinigen, dass ihnen im konkreten Fall eine Exekutionsführung in Deutschland tatsächlich unmöglich ist (vgl 3 Nc 22/17s).“

[6]       Für den hier vorliegenden Ordinationsantrag kann nichts anderes gelten. Auch nach deutschem Verständnis ist nämlich ein Titel wie der hier vorliegende als Unterlassungstitel anzusehen und daher § 890 dZPO zu unterstellen (vgl – zu einem 3 Nc 5/12h [siehe oben Punkt 1.] vergleichbaren Titel – OLG Saarbrücken 5 W 62/04 = BeckRS 2005, 00418 [Rz 1 iVm Rz 6]; Seibel in Zöller, ZPO33 § 890 Rz 3).

[7]       Da die Antragstellerin es unterlassen hat zu bescheinigen, dass ihr im konkreten Fall eine Exekutionsführung in Deutschland tatsächlich unmöglich bzw unzumutbar ist, ist der Ordinationsantrag abzuweisen.

Textnummer

E129894

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030NC00023.20T.1029.000

Im RIS seit

22.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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