TE Lvwg Beschluss 2020/11/17 LVwG-AV-445/001-2020

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Veröffentlicht am 17.11.2020
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Entscheidungsdatum

17.11.2020

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z3
B-VG Art132 Abs3
AVG 1991 §73
BauO NÖ 2014 §2

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch seinen Einzelrichter Hofrat Dr. Schwarzmann über die Beschwerde von Frau A, ***, ***, vertreten durch die Rechtsanwälte B, C, D, E, ***, ***, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einem Verfahren nach der NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde: Marktgemeinde ***, ***, ***), folgenden

B E S C H L U S S :

1.   Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

Art. 118, Art. 130 Abs. 1 Z. 3, Art. 132 Abs. 3 Bundesverfassungsgesetz – B-VG

§ 17, § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 2 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 – NÖ BO 2014

§ 73 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

B e g r ü n d u n g :

Am 7.8.2019 langte ein an die Marktgemeinde *** adressiertes, mit 29.7.2019 datiertes Schreiben der Rechtsanwälte der Beschwerdeführerin mit folgendem Inhalt ebendort ein:

„In oben genannter Angelegenheit gebe ich hö?ich bekannt, dass ich A (…) rechtsfreundlich vertrete. Derzeit ist ein Rechtsstreit zwischen meiner Mandantin und Herrn F (…) vor dem Bezirksgericht *** anhängig. (…) Im vorliegenden Fall behauptet F, dass ein eindeutig auf Grundstück Nr..*** meiner Mandantin stehendes Nebengebäude in seinem Eigentum (als Eigentümer des Grundstückes Nr. .***) stehen würde. Nach dem Kenntnisstand meiner Mandantin liegt für dieses Nebengebäude keine Benützungsbewilligung vor und hat eine Kollaudierung nie stattgefunden. (…) Dieses Gebäude wurde auch gegenüber der ursprünglichen Genehmigung sowohl flächenmäßig zu groß als auch zu hoch errichtet. Dieser Zubau befindet sich auch auf dem Grundstück meiner Mandantin, sodass die Grundstücksgrenzen von den Rechtsvorgängern des F überschritten wurden, ohne dass hierzu eine Vereinbarung vorlag. Ich beantrage daher namens meiner Mandantin die (bescheidmäßige) Zuerkennung der Gewährung der Akteneinsicht und dies insbesondere in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Projekt auf Grundstück Nr. .***, insbesondere hinsichtlich des Bestehens eines konsensgemäßen Zustandes und des Vorliegens einer Benützungsbewilligung. Im Falle des Nicht-Vorliegens einer Benützungsbewilligung ersuche ich weiteres um Erlassung eines Abbruchbescheides. Weiters beantrage ich um bescheidmäßige Erledigung dieses Antrages.“

Der Bürgermeister der Marktgemeinde *** hat mit Schreiben vom 20.8.2019 wie folgt geantwortet:

„Zu Ihrem Schreiben vom 29.7.2019, eingelangt am 7.8.2019, in Bezug auf angeblich bauliche Missstände im Bereich des Anrainergrundstücks von Herrn F möchte ich grundsätzlich auf die Schreiben der Marktgemeinde *** vom 27.6.2019 und 11.4.2019 verweisen, womit Ihnen bereits eindeutig der Rechtsstand der Baubehörde dargelegt wurde. Ich möchte nochmals festhalten und in Erinnerung rufen, dass kraft gesetzlicher Bestimmungen der NÖ BO 2014 in besonderem der § 35 leg.cit. ein Abbruch eines Bauwerks durch die Baubehörde nur angeordnet werden kann, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung oder keine Anzeige vorliegt. Das Fehlen einer Benützungsbewilligung bildet hiefür keinen Tatbestand.

Da nach wie vor die Parteienstellung für eine Akteneinsicht fehlt, kann auch diese nach dem derzeitigen Stand nicht gewährt werden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens über Gericht Akteneinsicht oder Aktenübermittlung zu beantragen. Der gegenständliche Rechtsstreit, auf dem Sie in Ihrem Schreiben hinweisen, stellt im Übrigen auch eine wesentliche Vorfrage gemäß § 38 AVG 1991 dar, da die Grundgrenze offensichtlich strittig ist und daher die Baubehörde erst nach Entscheidung des Gerichtes eine baubehördliche Überprüfung Ihrer Anzeige gemäß § 34 NÖ BO 2014 im Bereich der Liegenschaft ***, Parz. Nr. .*** KG *** durchführen wird, da die rechtlich gesicherte Grundgrenze eine wesentliche Voraussetzung für die Entscheidung der Baubehörde darstellt.“

Die Rechtsanwälte der Beschwerdeführerin replizierten am 9.9.2019 wie folgt:

„Ich beziehe mich auf Ihr letztes Schreiben und darf nochmals, wie bereits mehrfach schriftlich beantragt, um bescheidmäßige Erledigung meines Ansuchens bitten und diese beantragen. In diesem Zusammenhang erlaubt sich die Einschreiterin auch die Anmerkung, dass bei der ursprünglichen Vereinbarung, welche zwischen dem Voreigentümer auf Seiten von F, Herrn G, und meiner Mandantin getroffen wurde, Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, bei den Vorgesprächen anwesend waren. (…) Meine Mandantin hat sich damals bei Ihnen erkundigt, ob Sie als Vertreter von Herrn G bei diesem Termin anwesend wären und haben Sie dies verneint und mitgeteilt, dass Sie als „sein Freund“ beim Termin anwesend wären. Aus diesem freundschaftlichen Verhältnis, welches Sie selbst offen gelegt haben und auch aufgrund des Umstandes, dass es sich beim Amtsleiter der Marktgemeinde *** um den Sohn des Voreigentümers von F handelt, besteht zumindest der objektive Zweifel die Unbefangenheit von Ihnen als Entscheidungsorgan in Zweifel zu ziehen ist. (…) Ich ersuche auch diese Umstände entsprechend zu berücksichtigen. Ich ersuche daher namens und auftrags meiner Mandantin nochmals um bescheidgemäße Erledigung Ihres Ansuchens.“

Die Antwort des Bürgermeisters vom 12.9.2019 lautete:

„Zu Ihrer Anfrage vorn 09.09.2019 um bescheidmäßige Erledigung des Ansuchens ihrer Mandantin Frau A möchte ich auf das Schreiben vom 20.08.2019, Zahl ***, verweisen. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. (…)“

Am 21.2.2020 langte bei der Marktgemeinde *** die nun verfahrensgegenständliche, mit 13.2.2020 datierte Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin ein, in der sie die Marktgemeinde *** als belangte Behörde bezeichnete und wörtlich Folgendes ausführte:

„Mit Schreiben vom 30.08.2018 und 28.03.2019 wurde von der Einschreiterin bei der belangten Behörde die Einleitung eines baubehördlichen Verwaltungsverfahrens zur Überprüfung der konsensgemäßen Zustandes der auf Grundstück Nr. .*** KG *** errichteten Baulichkeiten beantragt. Dies wurde mit Schreiben der Marktgemeinde *** vom 11.04.2019 abschlägig beantwortet und behauptet, dass die Einschreiterin als Nachbarin keine Parteistellung hat, sodass dagegen fristgerecht Berufung durch die Berufungswerberin erhoben wurde. Mit Mitteilung vom 27.06.2019 von der belangten Behörde wurde behauptet, dass es sich beim Schreiben vom 11.04.2019 zu ZL *** der belangten Behörde um keinen Bescheid im Sinne der Bestimmung des AVG 1991 handeln würde sondern nur eine Beantwortung einer Anfrage in schriftlicher Form. In Folge dieses Umstandes wurde von der Einschreiterin sodann mit Schreiben vom 29.07.2019 die bescheidmäßige Zuerkennung der Gewährung der Akteneinsicht, dies insbesondere in Bezug auf das Verfahrensgegenständliche Projekt auf Grundstück Nr. .*** KG ***, insbesondere hinsichtlich des Bestehens eines konsensgemäßen Zustandes und das Vorliegens der Benützungsbewilligungen beantragt. Es wurde explizit auch die bescheidgemäße Erledigung dieses Antrags gefordert. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 20.08.2019 wurde nach wie vor die unrichtige Behauptung vertreten, dass die Parteistellung für die Akteneinsicht fehlen würde. Eine bescheidgemäße Erledigung des Antrags der Einschreiterin ist bis dato nicht erfolgt. Gemäß § 16 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes ist im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Artikel 130 Abs. 1 Zif 3 B-VG die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Landesverwaltungsgericht NÖ vorzulegen, sofern die belangte Behörde nicht binnen drei Monaten einen Bescheid erlässt. Durch die Vorlage des Verwaltungsaktes und Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht geht auch die Entscheidungsbefugnis auf das LVwG über und hat dieses in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Voraussetzungen insbesondere gemäß Artikel 130 Abs 1 Zif 2 BVG liegen gegenständlich vor. Es wird sohin nochmals beantragt, der Einschreiterin als Eigentümerin der Grundstücksnummer .*** KG *** und sohin als unmittelbarer angrenzender Nachbarin an das Grundstück des F Grundstücksnummer .*** KG ***, die Parteistellung und folglich Akteneinsicht zu gewähren. In weiterer Folge wird von Seiten belangten Behörde ein baubehördliches Verfahren hinsichtlich der fehlenden Benützungsbewilligungen zu führen sein und insbesondere auch dahingehend, dass das Gebäude zu hoch und zu groß dimensioniert gebaut wurde.“

Am 20.4.2020 wurde diese Säumnisbeschwerde von der belangten Behörde mitsamt dem Akt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt, das darüber wie folgt erwogen hat:

Gemäß Art. 118 Abs. 1 B-VG ist der Wirkungsbereich der Gemeinde ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener.

Gemäß Art. 118 Abs. 3 Z. 9 B-VG sind der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben in den Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei gewährleistet.

Gemäß Art. 118 Abs. 4 B-VG besteht in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ein zweistufiger Instanzenzug; dieser kann gesetzlich ausgeschlossen werden.

Gemäß § 2 Abs. 1 NÖ BO 2014 ist Baubehörde erster Instanz der Bürgermeister bzw. (in Städten mit eigenem Statut) der Magistrat und Baubehörde zweiter Instanz

der Gemeindevorstand (Stadtrat) und (in Städten mit eigenem Statut) der Stadtsenat („örtliche Baupolizei“).

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Gemäß § 73 Abs. 2 AVG geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde über (Devolutionsantrag), wenn ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden kann, nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird. Der Devolutionsantrag ist bei der Berufungsbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß § 17 VwGVG hat das Verwaltungsgericht u.a. jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Gemäß Art. 132 Abs. 3 B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin mit dem am 7.8.2019 eingelangten Schreiben beantragt, die Baubehörde möge ihr Akteneinsicht in einen Bauakt gewähren und einen baupolizeilichen Auftrag gegen ihren Grundstücksnachbarn erlassen, und bescheidmäßige Erledigung dieses Antrages begehrt. Wie die zuständige Baubehörde, nämlich der Bürgermeister, über diesen Antrag hätte absprechen müssen, kann aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:

Parallel zum innergemeindlichen Instanzenzug (vgl. § 2 Abs. 1 NÖ BO 2014) ist der Rechtsbehelf gegen eine Säumnis des Bürgermeisters, also der Baubehörde erster Instanz, der Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG: Wenn ein Bescheid, auf dessen Erlassung ein Rechtsanspruch besteht, nicht innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist erlassen wird, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag durch einen Devolutionsantrag auf die Berufungsbehörde über, das ist gemäß § 2 Abs. 1 NÖ BO 2014 der Gemeindevorstand. Anders gewendet ist die Erschöpfung des Devolutionszugs Voraussetzung für die Anrufung des Landesverwaltungsgerichts mittels Säumnisbeschwerde; eine Säumnisbeschwerde kann also erst dann erhoben werden, wenn die Berufungsbehörde nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen eines Devolutionsantrags entscheidet (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 Rz 914; Leeb in Hengstschläger-Leeb, AVG2, Rz 3 zu § 8 VwGVG, rdb.at, und VwGH 21.11.2016, Ra 2017/11/0279).

In der gegenständlichen Säumnisbeschwerde wird nicht vorgebracht, dass eine Säumnis des Gemeindevorstandes (dieser ist auch nicht als „belangte Behörde“ bezeichnet) hinsichtlich der Entscheidung über eine Berufung vorliege; die Beschwerdeführerin räumt vielmehr ein, dass sie die in ihrer Beschwerde angesprochene Berufung vom 15.5.2019 gegen einen Nichtbescheid erhoben und „in Folge dieses Umstandes“ den nun verfahrensgegenständlichen Antrag vom 29.7.2019 gestellt hat. – Die Beschwerde bringt auch nicht vor (und auch aus der Aktenlage geht nicht hervor), dass ein Devolutionsantrag bereits gestellt worden und der dadurch zuständig gewordene Gemeindevorstand säumig sei. Eine Umdeutung des Schriftsatzes vom 13.2.2020 von einer Säumnisbeschwerde in einen Devolutionsantrag und die Weiterleitung (gemäß § 6 Abs. 1 AVG) an den Gemeindevorstand verbietet sich für das Landesverwaltungsgericht aufgrund der expliziten Bezeichnung des Schriftsatzes als „Säumnisbeschwerde“ und der diesbezüglichen Ausführungen darin, insb. hinsichtlich der Anrufung des Landesverwaltungsgerichts.

Die Säumnisbeschwerde war somit spruchgemäß wegen Unzulässigkeit mangels Erschöpfung des innergemeindlichen Devolutionszuges zurückzuweisen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfiel eine öffentliche mündliche Verhandlung.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der klaren und eindeutigen Rechtslage (vgl. VwGH 15.5.2019, Ro 2019/01/0006) bzw. der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Verfahrensrecht; Devolutionsantrag; Säumnisbeschwerde; Unzulässigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.445.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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