TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/3 W227 2220157-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.2020
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Entscheidungsdatum

03.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
StudFG §1 Abs4
StudFG §11
StudFG §39
StudFG §40 Abs4
StudFG §41 Abs3
StudFG §6
StudFG §7
StudFG §8 Abs3

Spruch

W227 2219975-1/4E

W227 2220157-1/2E

W227 2220158-1/2E

IM NAMEN der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerden von XXXX gegen die Bescheide des Senates der Studienbeihilfen-behörde an der Stipendienstelle Wien jeweils vom 5. März 2019, Zlen. 433231701, 433232101 und 433232001, zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin absolvierte vom 28. Juni 2013 bis zum 5. Oktober 2017 das Bachelorstudium „Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien). Vom 1. März 2018 bis zum 30. Jänner 2020 war sie zum Masterstudium „Internationale Betriebswirtschaft“ an der Universität Wien zugelassen und seit dem 4. Juli 2018 betreibt sie das Masterstudium „Management“ an der WU Wien.

2. Für das Bachelorstudium „Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ an der WU Wien stellte die Beschwerdeführerin erstmals am 11. Oktober 2013 einen Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2013/2014 und das Sommersemester 2014. Die Studienbeihilfenbehörde „bewilligte“ diesen Antrag und erkannte ihr Studienbeihilfe ab September 2013 bis zum Ablauf des Augusts 2014 in der Höhe von monatlich € 263,00 zu.

3. In Folge wertete die Studienbeihilfenbehörde den am 11. Oktober 2013 eingebrachten Antrag als automatisch generierten Folgeantrag (sogenannter Systemantrag; vgl. § 41 Abs. 5 Studienförderungsgesetz [StudFG]) auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2014/2015 und das Sommersemester 2015.

Diesen Systemantrag „bewilligte“ die Studienbeihilfenbehörde und erkannte der Beschwerdeführerin Studienbeihilfe ab September 2014 bis zum Ablauf des Augusts 2015 in der Höhe von monatlich € 238,00 zu.

4. Weiters wertete die Studienbeihilfenbehörde den am 11. Oktober 2013 eingebrachten Antrag als Systemantrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2015/2016 und das Sommersemester 2016.

Diesen Systemantrag wies die Studienbeihilfenbehörde jedoch in Folge ab. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde.

5. Mit Erkenntnis vom 8. August 2018, Zl. W128 2126315-1/10E, erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin in Erledigung des Systemantrags für das Wintersemester 2015/2016 und das Sommersemester 2016 (siehe oben Punkt 4.) Studienbeihilfe ab September 2015 in der Höhe von monatlich € 194,00 zu.

Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies folgendermaßen:

Der Vater der Beschwerdeführerin sei im Jahr 2014 in Rumänien bei einem kleineren Finanzdienstleistungsunternehmen tätig gewesen. Belege über das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin für das Jahr 2014 hätten nicht beigeschafft werden können. Laut Abfrage der EUROSTAT-Datenbank nach Jahreseinkommen, Geschlecht, Branche und Bildungsabschluss habe das Durchschnittseinkommen im Jahr 2014 in Rumänien im Finanzen- und Versicherungssektor für einen Mann mit einem Bildungsabschluss, der jenem des Vaters der Beschwerdeführerin – dieser verfüge über einen Abschluss auf Masterniveau – entspreche, brutto € 21.663,00 betragen. Da keine sonstigen Anhaltspunkte für das tatsächlich wirtschaftlich verfügbare Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin im Jahr 2014 gegeben seien, sei dieser Betrag abzüglich 30 % (das seien € 15.164,10) als Einkommen im Sinne des StudFG anzusetzen. Das Einkommen der Mutter der Beschwerdeführerin sei unstrittig und habe im Jahr 2014 € 12.678,54 betragen. Dementsprechend sei eine Studienbeihilfe in der errechneten Höhe zu gewähren.

6. Daraufhin wertete die Studienbeihilfenbehörde den am 11. Oktober 2013 eingebrachten Antrag (erneut) als automatisch generierten Systemantrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2016/2017 und das Sommersemester 2017 für das Bachelorstudium „Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ an der WU Wien.

7. Am 13. März 2018 stellte die Beschwerdeführerin einen weiteren Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Sommersemester 2018 und das Wintersemester 2018/2019 für ihr Masterstudium „Internationale Betriebswirtschaft“ an der Universität Wien.

8. Am 27. Oktober 2018 stellte sie einen weiteren Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2018/2019 und das Sommersemester 2019 für ihr Masterstudium „Management“ an der WU Wien.

9. In Folge erließ die Studienbeihilfenbehörde am 22. November 2018 folgende Bescheide:

Den Systemantrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2016/2017 und das Sommersemester 2017 für das Bachelorstudium „Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ an der WU Wien wies die Studienbeihilfenbehörde ab und führte im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin nicht sozial bedürftig sei.

Den Antrag der Beschwerdeführerin vom 13. März 2018 auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Masterstudium „Internationale Betriebswirtschaft“ an der Universität Wien „bewilligte“ die Studienbeihilfenbehörde und erkannte ihr beginnend ab März 2018 bis zum Ablauf des Februars 2018 Studienbeihilfe in der Höhe von € 71,00 zu. Da die Beschwerdeführerin jedoch im Wintersemester 2018 das Studium bzw. die Bildungseinrichtung wechselte, sprach die Studienbeihilfenbehörde gleichzeitig (jedoch mit einem gesonderten Bescheid) das Erlöschen dieses Anspruchs mit Ende August 2018 aus.

Weiters „bewilligte“ die Studienbeihilfenbehörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 27. Oktober 2018 auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Masterstudium „Management“ an der WU Wien und erkannte ihr beginnend ab September 2018 bis zum Ablauf des Augusts 2019 Studienbeihilfe in der Höhe von € 71,00 zu.

Begründend führte die Studienbeihilfenbehörde dazu im Wesentlichen aus, dass das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin für die Kalenderjahre 2015 bis 2017 gemäß § 8 StudFG geschätzt worden sei. Als Quelle sei die Datenbank der Germany Trade and Invest - Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH (GTAI) herangezogen worden. Dabei handle es sich um die Datenbank der Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik Deutschland.

10. Gegen diese Bescheide – mit Ausnahme des Erlöschensbescheides – erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht jeweils Vorstellung, in der sie auf das im h.g. Erkenntnis vom 8. August 2018, Zl. W128 2126315-1/10E, (siehe oben Punkt 5.) festgestellte Einkommen ihres Vaters verweist und moniert, warum dieses „Urteil nicht als Vorgabe“ für dessen Einkommensverhältnisse hergezogen werde. Weiters verwies sie auf den auf der Website von GTAI ausgewiesenen rumänischen Durchschnittslohn.

11. Mit den hier angefochtenen Bescheiden gab der Senat der Studienbeihilfenbehörde den Vorstellungen keine Folge und bestätigte die Bescheide vom 22. November 2018.

Begründend führte der Senat zusammengefasst aus, dass der Vater der Beschwerdeführerin seit 2011 bei der Firma „ XXXX “ in Rumänien tätig sei. Als Gründer und Geschäftsführer betreue er den kaufmännischen und finanziellen Teil sowie die Marketingaktivitäten des Unternehmens. Da die EUROSTAT-Datenbank im Jahr 2018 keine aktuellen Einkommensdaten für die Jahre 2015 bis 2017 zur Verfügung gestellt habe, sei bei der Ermittlung des Einkommens auf die Datenbank GTAI zurückgegriffen worden. Laut Abfrage der Datenbank GTAI werde der durchschnittliche Bruttomonatslohn eines in Rumänien tätigen Geschäftsführers eines kleinen bis mittleren Unternehmens für das Kalenderjahr 2015 auf € 3.950,00 und für die Kalenderjahre 2016 und 2017 auf € 3.903,00 geschätzt. Hochgerechnet auf das Jahr abzüglich 30 % für Abgaben ergebe sich somit für das Kalenderjahr 2015 ein relevantes Einkommen in der Höhe von € 33.180,00. Mit derselben Berechnungsmethode ergebe sich für die Kalenderjahre 2016 und 2017 ein relevantes Einkommen in der Höhe von jeweils € 32.785,20.

12. Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin die vorliegenden Beschwerden und führte im Wesentlichen aus, dass sie zwischenzeitlich „endlich“ Kontakt zu ihrem Vater herstellen und diesen um Auskunft über seine finanziellen Einkünfte habe ersuchen können.

In Folge legte sie eine Bestätigung des Unternehmens „ XXXX “, wonach der Vater der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 2015 bis 2018 eine Vergütung in der Höhe von durchschnittlich € 12.000,00 pro Jahr bezogen habe sowie Auszüge aus der Bilanz dieses Unternehmens vor.

13. Mit Schreiben vom 30. April 2019 forderte die Studienbeihilfenbehörde den Vater der Beschwerdeführerin auf, sämtliche Nachweise zum Jahresbruttoeinkommen der Kalenderjahre 2015, 2016 und 2017 aus dem Ausland vorzulegen.

Der Vater der Beschwerdeführerin kam dieser Aufforderung bis dato nicht nach.

1. Feststellungen

Die Beschwerdeführerin absolvierte vom 28. Juni 2013 bis zum 5. Oktober 2017 das Bachelorstudium „Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ an der WU Wien. Vom 1. März 2018 bis zum 30. Jänner 2020 war sie zum Masterstudium „Internationale Betriebswirtschaft“ an der Universität Wien zugelassen und seit dem 4. Juli 2018 betreibt sie das Masterstudium „Management“ an der WU Wien.

Der am 11. Oktober 2013 eingebrachte Antrag der Beschwerdeführerin wurde als Systemantrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2016/2017 und das Sommersemester 2017 für ihr Bachelorstudium „Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ gewertet. Weiters stellte die Beschwerdeführer am 13. März 2018 einen Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Sommersemester 2018 und das Wintersemester 2018/2019 für ihr Masterstudium „Internationale Betriebswirtschaft“ an der Universität Wien und am 27. Oktober 2018 einen Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2018/2019 und das Sommersemester 2019 für ihr Masterstudium „Management“ an der WU Wien.

Von 2015 bis 2017 war der Vater der Beschwerdeführerin in Rumänien bei einem kleineren Finanzdienstleistungsunternehmen tätig. Der Vater der Beschwerdeführerin war bis zum 8. Jänner 2019 nicht in Österreich gemeldet.

Belege über das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin für die maßgeblichen Jahre 2015 bis 2017 wurden jeweils (im Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung von Studienbeihilfe) nicht vorgelegt.

Laut der Datenbank GTAI betrug das Durchschnittseinkommen eines Geschäftsführers eines kleinen bis mittleren Unternehmens in Rumänien im Jahr 2015 brutto (abzüglich 30 %) € 33.180,00, im Jahr 2016 brutto (abzüglich 30 %) € 32.785,20 und im Jahr 2017 brutto (abzüglich 30 %) € 32.785,20.

Das Einkommen der Mutter der Beschwerdeführerin i.S.d. StudFG betrug im Jahr 2015 € 14.089,00, im Jahr 2016 € 16.759,34 und im Jahr 2017 € 16.760,34.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den Studien der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Studienblatt der WU Wien vom 22. Juni 2020 und dem Studienblatt der Universität Wien vom 30. Juni 2020.

Dass im jeweiligen Antragszeitpunkt auf Gewährung von Studienbeihilfe keine Belege über das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin vorgelegt werden konnten und dieser in den Jahren 2015 bis 2017 in Rumänien bei einem kleineren Finanzdienstleistungsunternehmen tätig war, ist unstrittig. Die Feststellung, dass der Vater der Beschwerdeführerin bis zum 8. Jänner 2019 nicht in Österreich gemeldet war, ergibt sich aus der Auskunft aus dem Zentralen Melderegister vom 8. Juni 2020.

Das hier herangezogene durchschnittliche Bruttojahreseinkommen (abzüglich eines Pauschalbetrages in der Höhe von 30 % des Bruttoeinkommens [umfasst die der tatsächlichen Höhe nach nicht bekannten Sozialversicherungsbeiträge, Sonderausgaben, Werbungskosten und Freibeträge]) eines Geschäftsführers eines kleinen bis mittleren Unternehmens für die Jahre 2015 bis 2017 in Rumänien, basiert auf den im Akt befindlichen Abfragen der Datenbank der GTAI (Stand 2015 bzw. 2017). Die GTAI ist dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zugeordnet und befindet sich im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Angesichts der Seriosität der von GTAI herangezogenen Quellen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Auch die Parteien beziehen sich auf die Datenbank der GTAI.

Das Einkommen der Mutter ist unstrittig und ergibt sich aus den jeweils vorgelegten Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2015 bis 2017.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerden [Spruchpunkt A.)]

3.1.1. Gemäß § 1 Abs. 4 StudFG ist zur Beurteilung von Ansprüchen der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich, soweit nichts anderes festgelegt ist.

Gemäß § 6 StudFG ist die Gewährung einer Studienbeihilfe unter anderem von der Voraussetzung abhängig, dass der Studierende sozial bedürftig ist.

Gemäß § 7 Abs. 1 StudFG sind das Einkommen, der Familienstand sowie die Familiengröße des Studierenden, seiner Eltern und seines Ehegatten maßgebend für die soziale Bedürftigkeit im Sinne des StudFG.

Gemäß § 7 Abs. 2 StudFG ist für die Beurteilung von Einkommen, Familienstand und Familiengröße der Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend.

Gemäß § 8 Abs. 3 StudFG ist das Einkommen unter Anwendung des § 184 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, zu schätzen, wenn Personen, deren Einkommen für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit maßgeblich ist, im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder sie in Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages oder auf Grund des Bundesgesetzes über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977, Befreiung von der Einkommensteuer, genießen.

Gemäß § 11 Abs. 1 StudFG ist das Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes wie folgt nachzuweisen:

1.       grundsätzlich durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte, spätestens jedoch über jenes Kalenderjahr, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist; der Einkommensteuerbescheid einer Arbeitnehmerveranlagung ist nicht heranzuziehen, wenn das zuletzt veranlagte Jahr mehr als drei Jahre zurückliegt und im gemäß Z 2 maßgeblichen Kalenderjahr ausschließlich lohnsteuerpflichtige Einkommen bezogen wurden,

2.       bei lohnsteuerpflichtigen Einkünften außerdem durch die Vorlage sämtlicher Lohnzettel über jenes Kalenderjahr, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist,

3.       bei Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft, die nach Durchschnittssätzen (§ 17 EStG 1988) ermittelt werden, durch die Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides,

4.       bei steuerfreien Bezügen gemäß § 9 Z 1 und Z 3 durch eine Bestätigung der bezugs-liquidierenden Stelle über die Bezüge jenes Kalenderjahres, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist.

Gemäß § 11 Abs. 2 StudFG ist über Sonderausgaben, allfällige steuerfreie Bezüge, Beträge gemäß § 9 Z 2 sowie ausländische Einkünfte eine Erklärung abzugeben. Es können, insbesondere bei ausländischen Einkünften, auch andere Nachweise über das Einkommen oder Teile desselben gefordert werden.

Gemäß § 39 Abs. 1 StudFG werden Studienbeihilfen auf Antrag zuerkannt. Der Antrag gilt für die wiederholte Zuerkennung von Studienbeihilfe während des gesamten weiteren Studiums, sofern seit dem Antrag ununterbrochen Anspruch auf Studienbeihilfe besteht.

Gemäß § 39 Abs. 4 StudFG sind für die Anträge Formblätter zu verwenden, die von der Studienbeihilfenbehörde auch elektronisch zur Verfügung zu stellen sind. Die Formblätter haben Hinweise auf die gemäß § 40 vorzunehmende Datenübermittlung zu enthalten.

Gemäß § 39 Abs. 5 StudFG haben Studierende für die Erledigung ihres Antrages die maßgeblichen Familien- und Einkommensverhältnisse und die sonst für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Informationen wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben, sofern diese nicht von der Studienbeihilfenbehörde automationsunterstützt ermittelt werden.

Gemäß § 39 Abs. 6 StudFG sind die für die Beurteilung des Anspruches erforderlichen Nachweise anzuschließen.

Gemäß § 40 Abs. 4 StudFG müssen Offenlegungen, Meldungen und Nachweise nach diesem Bundesgesetz vollständig und wahrheitsgetreu erfolgen.

Gemäß § 41 Abs. 3 StudFG ist auf Grund des vorgelegten Formularantrages ohne weiteres Ermittlungsverfahren unter zweckmäßiger Verwendung moderner technischer Hilfsmittel, insbesondere der automationsunterstützten Datenverarbeitung, mit Bescheid zu entscheiden.

3.1.2. Der Einkommensbegriff des § 8 StudFG orientiert sich am Einkommensbegriff des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), bereinigt diesen aber um subventions- und leistungspolitische Effekte, indem eine Reihe von steuerfrei gestellten Einkünften und steuerlich begünstigten Beträgen dem steuerpflichtigen Einkommen hinzugerechnet werden. Damit wird ein Einkommen umschrieben, das der „wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ der zu Unterhaltsleistungen verpflichteten oder Eigenleistungen erbringenden Personen entspricht. Die „soziale Bedürftigkeit“ orientiert sich damit an den tatsächlichen Einkommenszuflüssen und nicht an deren steuerrechtlicher Behandlung (vgl. VwGH 19.12.2005, 2002/10/0114). Maßstab für die Beurteilung der „sozialen Bedürftigkeit“ im Sinne des Studienförderungsgesetzes ist somit die tatsächliche „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ der unterhaltspflichtigen Person (vgl. Marinovic/Egger, Studienförderungsgesetz, 7. Auflage, Erläuterungen und Hinweise zu § 8 Abs. 1).

Aus den Bestimmungen des StudFG folgt, dass die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung des Vorliegens „sozialer Bedürftigkeit“ bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung und zwar nach Lage der mit dem Antrag erbrachten Nachweise zu erfolgen hat (vgl. RV 473 BlgNR 18. GP, 28). Aufgrund der mit dem Antrag erbrachten Nachweise ist ohne weiteres Ermittlungsverfahren zu entscheiden (vgl. dazu etwa VwGH 27.03.2006, 2005/10/0172; 27.09.2018, Ro 2018/10/0021).

3.1.3. Für die vorliegenden Fälle bedeutet das:

Wie festgestellt konnte die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der (jeweiligen) Antragstellung auf Gewährung von Studienbeihilfe keine Nachweise zu dem in Rumänien erwirtschafteten Jahresbruttoeinkommen ihres Vaters für die Kalenderjahre 2015 bis 2017 vorlegen.

Wenn die Beschwerdeführerin nunmehr in ihren Beschwerden eine Bestätigung des Unternehmens „ XXXX “ über die Vergütung ihres Vaters für die Kalenderjahre 2015 bis 2018 sowie Auszüge aus den Bilanzdaten dieses Unternehmens vorlegt, ist dem entgegenzuhalten, dass die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des Vorliegens „sozialer Bedürftigkeit“ nach Lage der mit dem Antrag erbrachten Nachweise zu erfolgen hat (vgl. nochmals VwGH 27.03.2006, 2005/10/0172; 27.09.2018, Ro 2018/10/0021).

Da somit später als bei Antragstellung beigebrachte Nachweise unbeachtlich sind und kein Hinweis vorliegt, dass dieser Grundsatz in Bezug auf Personen i.S.d. § 8 Abs. 3 StudFG nicht anzuwenden wäre, war das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin für die Beurteilung ihrer „sozialen Bedürftigkeit“ i.S.d. § 7 Abs. 1 und 2 StudFG zu schätzen.

Abgesehen davon ist zu den vorgelegten Unterlagen der Beschwerdeführerin Folgendes festzuhalten:

§ 11 Abs. 1 StudFG stellt grundsätzlich auf die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides ab, allerdings können gemäß § 11 Abs. 2 StudFG bei ausländischen Einkünften auch andere Nachweise über das Einkommen oder Teile desselben gefordert werden (siehe dazu auch jüngst VwGH 07.05.2020, Ra 2020/10/0034).

Aus der Systematik des StudFG ist somit der Grundsatz abzuleiten, dass die mit der Vollziehung dieses Gesetzes betrauten Behörden bei der für die Ermittlung des für die Beurteilung der „sozialen Bedürftigkeit“ u.a. maßgebenden Einkommens primär von den rechtsverbindlichen Festsetzungen der Abgabenbehörden bzw. von den Arbeitgebern im Vorfeld der Abfuhr der Lohnsteuer zu erstellenden Lohnzetteln auszugehen haben (vgl. etwa VwGH 13.09.2001, 97/12/0344).

Zwar sind insbesondere bei ausländischen Einkünften alternative Einkommensnachweise gemäß § 11 Abs. 2 StudFG zulässig, allerdings handelt es sich bei den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumenten um keine überzeugenden „sonstigen Nachweisquellen“ i.S.d. § 11 Abs. 2 StudFG.

So ist die Bestätigung des Unternehmens „ XXXX “ weder eine rechtsverbindliche Festsetzung einer rumänischen Abgabenbehörde noch stellt sie eine Gehaltsabrechnung dar, die dem rumänischen Standard entspricht. Vielmehr handelt es sich dabei um eine private Bestätigung, die einen überschlägigen und unbelegten Betrag als Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin ausweist. Damit ist die vorgelegte Bestätigung als Einkommensnachweis für die maßgeblichen Kalenderjahre gänzlich untauglich. Auch die vorgelegten Auszüge aus der Bilanz des Unternehmens „ XXXX “ sind wenig erhellend und somit nicht geeignet, um das (nicht selbstständig erwirtschaftete) Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum belegen zu können.

Für die vorliegenden Schätzungsverfahren nach § 8 Abs. 3 StudFG bedeutet das Folgendes:

Bei der Schätzung ausländischer Einkünfte, für die keine Nachweise vorliegen, ist vom durchschnittlichen Einkommen des betreffenden Berufszweiges im Ausland auszugehen (vgl. Marinovic/Egger Studienförderungsgesetz, 7. Auflage, Erläuterungen und Hinweise zu § 8 Abs. 3).

Wenn die Beschwerdeführerin in ihren Vorstellungen moniert, dass die Studienbeihilfenbehörde nicht auf das im h.g. Erkenntnis vom 8. August 2018, Zl. W128 2126315-1/10E, für das Kalenderjahr 2014 festgestellte Einkommen ihres Vaters zurückgegriffen bzw. sich nicht der Einkommensdaten der EUROSTAT-Datenbank bedient hat, ist festzuhalten, dass die EUROSTAT-Datenbank keine rumänischen Einkommensdaten für die Jahre 2015 bis 2017 zur Verfügung stellt.

Überdies stellt § 11 Abs. 1 StudFG grundsätzlich auf die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr bzw. über das Kalenderjahr, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist, ab. Auch bei einer Schätzung nach § 8 Abs. 3 StudFG ist somit auf das Einkommen des zuletzt veranlagten Kalenderjahres bzw. auf das Einkommen des Kalenderjahres, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorausgegangen ist, abzustellen. Das für das Kalenderjahr 2014 feststellte Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin (siehe nochmals BVwG 08.08.2018, W128 2126315-1/10E) kann im vorliegenden Fall daher nicht als Einkommensnachweis für die hier maßgeblichen Kalenderjahre 2015 bis 2017 herangezogen werden.

Abgesehen davon ergibt sich aus Bescheiden der Studienbeihilfenbehörde, mit denen Studienbeihilfe für vorangegangene Studienjahre gewährt wurde, keine Bindungswirkung für einen später geltend gemachten Anspruch (VwGH 07.10.1998, 97/12/0199). Dies ist sinngemäß auch auf entsprechende Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes anzuwenden.

Es ist daher kein Verfahrensmangel darin zu erblicken, dass die Studienbeihilfenbehörde den für die verfahrensgegenständlichen Jahre in der anerkannten Datenbank GTAI ausgewiesenen und jeweils auf ein Jahr hochgerechneten Bruttomonatslohn eines Geschäftsführers eines kleinen bis mittleren Unternehmens in Rumänien für die Ermittlung des Einkommens des Vaters der Beschwerdeführerin heranzog.

Weiters war die von der Studienbeihilfenbehörde geübte Praxis, bei ausländischen Einkünften das Bruttoeinkommen abzüglich 30 % als Einkommen im Sinne des StudFG anzusetzen, im vorliegenden Fall eine geeignete Vorgehensweise, zumal das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 3 StudFG zu schätzen war und davon auszugehen war, dass dieses im Wesentlichen nur um die Sozialversicherungsbeiträge, die Sonderausgaben- und Werbungskosten und die Freibeträge für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu bereinigen war (vgl. dazu auch § 184 Abs. 1 u. 2 BAO sowie Marinovic/Egger, Studienförderungs-gesetz, 7. Auflage, E 9 zu § 8 Abs. 3 StudFG unter Hinweis auf BVwG 20.02.2014, W203 2000847-1).

Die Beschwerden erweisen sich daher als unbegründet.

Eine Verhandlung (sie wurde nicht beantragt) konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12).

3.2. Zur Zulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B.)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere:

?        Wie wirken sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung erbrachte Nachweise über ausländische Einkünfte von Personen, deren Einkommen für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit maßgeblich ist, auf Schätzungsverfahren nach § 8 Abs. 3 StudFG aus?

?        Welche Nachweise über ausländische Einkünfte eignen sich für die Beurteilung des Einkommens i.S.d. § 8 StudFG?

?        Ist die Vorgehensweise der Studienbeihilfenbehörde bei der Ermittlung der „sozialen Bedürftigkeit“ in Fallkonstellationen, in denen ausschließlich die Höhe des ausländischen Bruttoeinkommens einer der in § 7 Abs. 1 StudFG genannten Personen bekannt ist, das Bruttoeinkommen abzüglich eines Pauschalbetrages in der Höhe von 30 % des Bruttoeinkommens (davon umfasst sind die der tatsächlichen Höhe nach nicht bekannten Sozialversicherungsbeiträge, Sonderausgaben, Werbungskosten und Freibeträge) als Einkommen i.S.d. StudFG anzusetzen, rechtskonform?

Eine entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor; es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine eindeutige Gesetzeslage vorliegt bzw. dass die aus Anlass der hier zu beurteilenden Fälle vorgenommenen Ableitungen zwingend sind.

Schlagworte

ausländische Einkünfte Auslandsbezug Bindungswirkung durchschnittliches Einkommen Einkommen Einkommensnachweis Einkommensschätzung Nachweismangel Revision zulässig Schätzverfahren soziale Bedürftigkeit Studienbeihilfe Studienbeihilfenbehörde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W227.2220157.1.00

Im RIS seit

18.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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