TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/3 97/01/0701

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Veröffentlicht am 03.09.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §46;
AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
SPG 1991 §47;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Kiumars Goodarzi in Wien, vertreten durch Mag. Werner Tomanek, Rechtsanwalt in Wien IV, Argentinierstraße 20A/2A, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. März 1997, Zl. UVS-02/12/00106/94, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr beigelegten Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgendes:

Der Beschwerdeführer brachte in seiner auf § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten, an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vor, durch rechtswidrige Festnahme, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und in eventu durch unverhältnismäßig lange Inhaftierung in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

Der Beschwerdeführer habe am 18. Oktober 1994 mit dem Portier im Gebäude des Innenministeriums eine Auseinandersetzung darüber gehabt, ob er das Gebäude nach

11.30 Uhr kurzfristig zur Nahrungsaufnahme verlassen und anschließend wieder betreten dürfe. Der Portier habe dies abgelehnt. Der Beschwerdeführer habe laut gesprochen, jedoch nicht geschimpft. Nach diesem Gespräch seien plötzlich zwei Polizisten gekommen, welche den Beschwerdeführer festgenommen und in das Wachzimmer Bräunerstraße gebracht hätten. Von diesen Beamten sei er mit "Du" angesprochen sowie gestoßen und beschimpft worden. Er habe sich völlig entkleiden müssen und sei von einem Beamten mit dem Knie in den Magen getreten worden. In der Folge sei er auf unsanfte Weise zum Bezirkspolizeikommissariat Deutschmeisterplatz gebracht worden und nach einer neuerlichen genauen Untersuchung, zu der er sich wieder völlig entkleiden habe müssen, in eine Zelle gesperrt worden. Darin habe sich bereits eine Rumänin aufgehalten, später sei noch ein Drogenabhängiger dazugekommen. In der Zelle habe es nach Erbrochenem und Urin gestunken. Der Boden sei schmutzig gewesen. Betten seien nicht vorhanden gewesen, auf einer breiten Stufe seien lediglich zwei schmutzige Militärdecken gelegen. Die von einem Bekannten zum Kommissariat gebrachten Medikamente seien dem Beschwerdeführer nicht ausgefolgt worden. Erst gegen 19.00 Uhr sei der Beschwerdeführer entlassen worden.

Mit Bescheid vom 3. März 1997 hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer im Gebäude des Bundesministeriums für Inneres durch Schreien von Schimpfworten gegenüber dem Portier nicht nur ungebührlicherweise störenden Lärm erregt und den öffentlichen Anstand verletzt, sondern auch die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört habe. Der Beschwerdeführer habe sowohl in Worten als auch in seiner Gestik ein renitentes Verhalten gezeigt, sodaß es an den Beamten gelegen sei, für die Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Der Ausspruch und die Durchführung der Festnahme des Beschwerdeführers seien daher erforderlich gewesen, um den gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen.

Daß dem Beschwerdeführer tatsächlich Stöße und ein Tritt gegen den Magen versetzt worden seien, könne nicht festgestellt werden, ebensowenig könne festgestellt werden, daß sich der Haftraum tatsächlich in einem vorschriftswidrigen Zustand befunden habe und dort auch ein weiblicher Häftling angehalten worden sei. Diesbezüglich schenkte die belangte Behörde den Aussagen der vernommenen Beamten Glauben. Eine Visitierung anläßlich der Festnahme und der Abgabe in den Arrest entspreche den Vorschriften. Es müsse den Organen anheim gestellt werden, die Visitierung über die Überprüfung der Oberbekleidung hinaus durchzuführen. Die Dauer der Inhaftierung sei nicht zu lange gewesen, weil der Behörde Zeit zugestanden werden müsse, um alle notwendigen Erhebungen, die zur Feststellung und Klärung des Sachverhaltes erforderlich seien, durchzuführen.

Im Zuge des Verfahrens vor der belangten Behörde hatte der Beschwerdeführer den Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheines zur Feststellung des Zustandes der Zelle, in der er inhaftiert gewesen sei, und neuerliche ergänzende Einvernahme des bereits als Zeugen vernommenen Portiers im Bundesministerium für Inneres "zwecks Bekanntgabe von Personen, die im Bundesministerium für Inneres die Vorfälle mit dem Beschwerdeführer wahrgenommen haben, und danach Ladung und Einvernahme dieser Personen", beantragt.

Diese Anträge hat die belangte Behörde abgewiesen und dazu ausgeführt, daß es sich zum Teil um Erkundungsbeweise, die zur Sachverhaltsklärung nicht beitragen, und zum Teil um unerhebliche Beweisanträge handle, weil der Sachverhalt hinreichend geklärt sei. Eine ergänzende Einvernahme des Portiers, zwecks Bekanntgabe weiterer Augenzeugen, sei deshalb nicht zielführend, weil dieser Zeuge bereits in der Verhandlung mitgeteilt habe, sich an einzelne, bei dem Vorfall anwesende Personen nicht mehr erinnern zu können.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt ausschließlich vor, daß die belangte Behörde die erwähnten Beweisanträge "nicht beachtet" habe und deshalb ein Verfahrensmangel vorliege.

Dem ist zunächst zu entgegnen, daß die belangte Behörde - wie dargestellt - die Beweisanträge keineswegs "nicht beachtet", sondern mit der oben wiedergegebenen Begründung abgewiesen hat.

Hinsichtlich des Zustandes des Haftraumes hat der Beschwerdeführer in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vorgebracht, es habe sich darin eine Rumänin und später auch ein Drogenabhängiger befunden; es habe nach Erbrochenem und Urin gestunken; der Boden sei schmutzig gewesen; Betten habe es keine gegeben, lediglich auf einer breiten Stufe seien zwei schmutzige Militärdecken gelegen.

Es handelt sich somit um Beanstandungen, die nicht die bauliche Beschaffenheit, sondern die Reinhaltung und Ausstattung des Haftraumes sowie die Anwesenheit weiterer angehaltener Personen betreffen. Der diesbezügliche Zustand und die Belegung des Haftraumes im Zeitpunkt der Inhaftierung des Beschwerdeführers kann jedoch durch einen mehrere Monate danach durchgeführten Lokalaugenschein nicht geklärt werden.

Die neuerliche zeugenschaftliche Vernehmung des Portiers hat der Beschwerdeführer mit der Begründung beantragt, daß dieser Zeuge die Namen weiterer, bei dem Vorfall anwesender Personen bekanntgeben solle. Es handelt sich somit um einen bloßen Erkundungsbeweis, der unzulässig ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S 339, E 6a zu § 46 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Überdies läßt die Beschwerde unbestritten, daß dieser bereits vernommene Zeuge schon ausgesagt hat, sich an einzelne Personen nicht mehr erinnern zu können. Es könnte daher auch durch eine neuerliche Vernehmung dieses Zeugen nicht erforscht werden, welche weiteren Personen bei dem Vorfall anwesend gewesen sind.

Die Abweisung der Beweisanträge durch die belangte Behörde begegnet daher keinen Bedenken.

Nach dem Gesagten läßt bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997010701.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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