TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/3 W227 2234510-1

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Veröffentlicht am 03.09.2020
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Entscheidungsdatum

03.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs2
SchPflG 1985 §11 Abs4
SchPflG 1985 §4
SchPflG 1985 §5 Abs1
SchUG §42 Abs1
SchUG §71 Abs2 litf
SchUG §71 Abs4
SchUG §71 Abs6

Spruch

W227 2234510-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde der am XXXX geborenen XXXX , gesetzlich vertreten durch den Erziehungsberechtigten XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 20. Juli 2020, Zl. 9131.003/1073-Präs3a/2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die schulpflichtige Beschwerdeführerin zeigte im Schuljahr 2019/2020 (2. Schulstufe) ihre Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht an.

2. Am 8. Juni 2020 trat die Beschwerdeführerin zur Externistenprüfung über die 2. Schulstufe an. Dabei wurde sie in den Pflichtgegenständen „Lesen, Schreiben und Sachunterricht“ und „Mathematik“ jeweils mit „Nicht genügend“ beurteilt. In Folge wurde auf dem Jahreszeugnis vom 9. Juni 2020 vermerkt, dass die Beschwerdeführerin die Externistenprüfung nicht bestanden hat.

3. Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin frist- und formgerecht Widerspruch, in der sie im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:

Sie habe sich „hart“ für die Prüfung vorbereitet und in „ihrer Schule“ im laufenden Schuljahr „sehr gute“ Ergebnisse geliefert. Die Prüfungsergebnisse in „Deutsch, Lesen, Schreiben“ und „Mathematik“ könnten nur ein „Ergebnis einer Blockade“ sein. Es werde um eine zweite Beurteilung bzw. um eine Wiederholung der Externistenprüfung ersucht.

4. Die Bildungsdirektion für Wien leitete daraufhin das Ermittlungsverfahren zur Überprüfung der negativen Beurteilungen der Beschwerdeführerin in den Prüfungsgebieten in „Deutsch, Lesen, Schreiben“ und „Mathematik“ ein.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bildungsdirektion für Wien den Widerspruch ab. Als Rechtsgrundlage zog sie § 42 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Z 2 Externistenprüfungsverordnung sowie die §§ 71 Abs. 2 lit. f, Abs. 4 und Abs. 6 SchUG heran.

Begründend führte die Bildungsdirektion für Wien – gestützt auf das von ihr eingeholte pädagogische Gutachten vom 22. Juni 2020 – zusammengefasst aus:

Die Beschwerdeführerin habe bei der Externistenprüfung am 8. Juni 2020 in den Prüfungsgebieten „Deutsch, Lesen, Schreiben“ und „Mathematik“ die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in den wesentlichen Bereichen nicht einmal überwiegend erfüllt. Die Leistungen der Beschwerdeführerin in den Prüfungsgebieten „Deutsch, Lesen, Schreiben“ und „Mathematik“ seien zu Recht mit „Nicht genügend“ beurteilt worden, weshalb sie die Externistenprüfung nicht bestanden habe.

6. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in der sie erneut um die Wiederholung der Externistenprüfung ersucht.

7. Am 27. August 2020 legte die Bildungsdirektion für Wien die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die schulpflichtige Beschwerdeführerin zeigte im Schuljahr 2019/2020 (2. Schulstufe) ihre Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht an.

Am 8. Juni 2020 trat die Beschwerdeführerin zur Externistenprüfung an.

Sie bestand die Externistenprüfung über die Beherrschung des Lehrstoffes der 2. Schulstufe nicht, weil die Prüfungsgebiete „Deutsch, Lesen, Schreiben“ und „Mathematik“ mit „Nicht genügend“ zu beurteilen sind.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen basieren auf dem Akteninhalt. Dass die Prüfungsgebiete „Deutsch, Lesen, Schreiben“ und „Mathematik“ mit „Nicht genügend“ zu beurteilen sind, ergeben sich aus dem schlüssigen Protokoll zur Externistenprüfung 8. Juni 2020 und dem nachvollziehbaren pädagogischen Gutachten vom 22. Juni 2020, die die Beschwerdeführerin nicht entkräften konnte.

Dass von der Beschwerdeführerin die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in den wesentlichen Bereichen nicht einmal überwiegend erfüllt wurden, ergibt sich insbesondere aus Folgendem:

Im Prüfungsgebiet „Deutsch, Lesen, Schreiben“ ist der Beschwerdeführerin geläufiges Lesen nicht möglich, sie kann den Sinn des Textes nicht erfassen und die Arbeitsaufträge gemäß der Angabe nicht umsetzen. Ansätze einer geläufigen Schrift sind nur sehr rudimentär zu erkennen; grundlegende Kenntnisse des Schreibens wie auch selbständiges Schreiben sind nicht möglich.

Im Prüfungsgebiet „Mathematik“ ist bei der Beschwerdeführerin die Orientierung im Zahlenraum 100 nicht gegeben. Im multiplikativen Bereich sind die Malreihen 3,5, und 10 automatisiert. Alle anderen Malreihen konnten nicht gelöst werden. Das Ein-mal-Eins ist der Beschwerdeführerin nicht bekannt und es besteht auch kein Verständnis für multiplikative Beziehungen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.

Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG) besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 4 SchPflG sind unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen öffentliche oder mit einem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemeinbildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Nach § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schule am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Gemäß § 42 Abs. 1 SchUG können die mit dem Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart (Form bzw. Fachrichtung einer Schulart) sowie die mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlußprüfung verbundenen Berechtigungen auch ohne vorhergegangenen Schulbesuch durch die erfolgreiche Ablegung einer entsprechenden Externistenprüfung erworben werden.

Gemäß § 1 Abs. 1 lit. 2 Externistenprüfungsverordnung gilt diese Verordnung für Externistenprüfungen über einzelne Schulstufen einer Schulart (Form, Fachrichtung) im Bereich der vom Regelungsbereich des Schulunterrichtsgesetzes erfassten Schulen.

Gemäß § 71 Abs. 2 lit. f SchUG ist gegen die Entscheidung, dass eine Externistenprüfung nicht bestanden worden ist (§§ 38, 41, 42), ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig.

Gemäß § 71 Abs. 4 SchUG hat die zuständige Schulbehörde in den Fällen des Abs. 2, insoweit sich der Widerspruch auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit „Nicht genügend“ stützt, diese zu überprüfen.

Gemäß § 71 Abs. 6 SchUG ist der dem Widerspruch stattgebenden oder diesen abweisenden Entscheidung die Beurteilung zugrunde zu legen, die die Behörde nach der Überprüfung bzw. die Prüfungskommission nach der Durchführung der Prüfung für richtig hält. Sofern diese Beurteilung nicht auf „Nicht genügend“ lautet, ist ein Zeugnis auszustellen, das diese Beurteilung enthält.

3.1.2. Sowohl für den Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG als auch für den häuslichen Unterricht gemäß § 11 Abs. 2 SchPflG schreibt § 11 Abs. 4 SchPflG gleichermaßen vor, dass der zureichende Erfolg eines solchen Unterrichts jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer in § 5 SchPflG genannten entsprechenden Schule nachzuweisen ist, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinn des § 5 SchPflG zu erfüllen hat (vgl. VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, m.w.N.).

Was unter der in § 11 Abs. 4 SchPflG angeordneten „Prüfung“ zu verstehen ist, ergibt sich aus den Regelungen des Schulunterrichtsgesetzes. Nach § 42 Abs. 14 SchUG gelten die Bestimmungen über die Ablegung von Externistenprüfungen auch für die auf Grund der §§ 11 Abs. 4, 13 Abs. 3 und 22 Abs. 4 SchPflG abzulegenden Prüfungen zum Nachweis des zureichenden Erfolges des Besuches von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichen Unterrichtes sowie des Besuches von im Ausland gelegenen Schulen.

Aus diesen Regelungen folgt, dass der „Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts“ im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen abgelegte Prüfung erbracht werden kann, deren Gesamtbeurteilung in dem über die Prüfung auszustellenden Zeugnis wenigstens mit „bestanden“ beurkundet wurde (vgl. etwa VwGH 29.05.1995, 94/10/0187; 25.04.2001, 2000/10/0187; 27.03.2014, 2012/10/0154).

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Die schulpflichtige Beschwerdeführerin zeigte im Schuljahr 2019/2020 (2. Schulstufe) ihre Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht an. Damit hatte sie den zureichenden Erfolg eines solchen Unterrichts vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer in § 5 SchPflG genannten entsprechenden Schule nachzuweisen (vgl. VwGH 27.06.2017, Ra 2017/10/0077; 29.05.2020, Ro 2020/10/0007).

Die Bildungsdirektion für Wien kam zutreffend zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin ihre Externistenprüfung am 8. Juni 2020 nicht bestand (siehe dazu auch Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, Anm. 8 ff zu § 71 SchUG mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die (negativen) Prüfungsergebnisse könnten nur ein „Ergebnis einer Blockade“ sein, ist zu entgegnen, dass nur die tatsächlich erbrachten Leistungen zu beurteilen sind und nicht, was geleistet hätten werden können.

Zum Vorbringen, die Beschwerdeführerin ersuche um die Wiederholung der Externistenprüfung, ist Folgendes auszuführen:

Mit Erkenntnis vom 29. Mai 2020, Ro 2020/10/0007, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Regelung des § 42 SchUG – und somit auch entsprechende Verordnungen gemäß § 42 Abs. 15 SchUG – generell (und nicht nur auf deren Ablegung beschränkt) auf die Prüfung im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG anzuwenden ist. Der Nachweis des zureichenden Erfolges, der gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 SchPflgG genannten entsprechenden Schule vorzuliegen hat, ist daher von der Durchführung der Externistenprüfung gemäß § 42 SchUG losgelöst zu betrachten (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 25.04.2001, 2000/10/0187). Insofern ist der Beschwerdeführerin, unabhängig davon, dass sie im Schuljahr 2020/2021 ihre Schulpflicht an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen i.S.d. § 5 SchPflG zu erfüllen hat, die (weitere) Ablegung einer Externistenprüfung über die 2. Schulstufe nach den Bestimmungen des § 42 SchUG nicht verwehrt.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass die Beschwerdeführerin ihre Externistenprüfung am 8. Juni 2020 nicht bestand und damit keinen Nachweis über den zureichenden Erfolg vor Schulschluss erbrachte, entspricht der oben angeführten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Externistenprüfung Leistungsbeurteilung Leistungsfeststellung Nachweismangel negative Beurteilung negative Leistungsfeststellung pädagogisches Gutachten Privatschule Schulpflicht Wiederholung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W227.2234510.1.00

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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