TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/17 W203 2234453-1

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Veröffentlicht am 17.09.2020
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Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
Leistungsbeurteilungsverordnung §11 Abs1
Leistungsbeurteilungsverordnung §14 Abs5
Leistungsbeurteilungsverordnung §3 Abs1
Leistungsbeurteilungsverordnung §5 Abs2
SchUG §18 Abs1
SchUG §20 Abs1
SchUG §25 Abs1
SchUG §25 Abs2
SchUG §71 Abs2 litc
SchUG §71 Abs4
SchUG §71 Abs6

Spruch

W203 2234453-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde der mj. Schülerin XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch ihre Erziehungsberechtigten XXXX und XXXX , alle wohnhaft in XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Tirol vom 17.08.2020, GZ. 75.514/0001-allg/2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) absolvierte im Schuljahr 2019/20 die 5A-Klasse (die 9. Schulstufe) des XXXX (im Folgenden: gegenständliche Schule).

2. Am 06.07.2020 entschied die Klassenkonferenz der 5A-Klasse der gegenständlichen Schule, dass die BF1 auf Grund der Beurteilung mit der Note „Nicht genügend“ in den vier Pflichtgegenständen Französisch, Latein, Mathematik und Physik die Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen habe und die Voraussetzungen für die Berechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe daher nicht erfülle.

Diese Entscheidung wurde am 12.07.2020 von der erziehungsberechtigten Mutter der BF1 als Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) nachweislich übernommen.

3. Bereits am 11.07.2020 brachten die BF2 und der erziehungsberechtigte Vater der BF1 als Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3) einen „Einspruch gegen das Zeugnis“ der BF1 ein und führten dabei aus, dass „das gesamte Zeugnis, insbesondere die 4 negativen Noten“ beeinsprucht würden.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF1 aufgrund einer Erkrankung, die der Schulärztin und der Klassenvorständin seit langem bekannt gewesen sei, „nach eben erhaltenen Informationen“ bei Tests und Schularbeiten mehr Zeit zugestanden hätte werden müssen. Die Klassenvorständin sei auch von der BF2 gebeten worden, die Lehrer über den Gesundheitszustand der BF1 zu informieren. Die BF1 habe im Schulalltag auch immer wieder unter Panikattacken gelitten. Bedingt durch die „Corona-Zeit“ habe es auch immer wieder Probleme bei der Übermittlung der Aufgaben gegeben. Für die BF1 habe zunächst ein PC besorgt werden müssen, anschließend habe es Anwendungsprobleme gegeben, sodass z.B. vermeintlich gesendete Nachrichten tatsächlich nicht übermittelt worden wären. Manche Lehrer hätten auch zu spät übermittelte Aufgaben einfach nicht gewertet.

Dieses als „Einspruch“ bezeichnetes Schreiben der BF2 und des BF3 wurde von der zuständigen Schulbehörde als „Widerspruch gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz vom 06.07.2020“ gewertet.

4. In der Folge wurde die zuständige Schulqualitätsmanagerin von der Bildungsdirektion für Tirol (im Folgenden: belangte Behörde) mit der Erstellung eines pädagogischen Gutachtens beauftragt.

5. Am 29.07.2020 erstellte die zuständige Schulqualitätsmanagerin auf Basis der Stellungnahmen des Schulleiters und der die mit „Nicht genügend“ beurteilten Pflichtgegenstände unterrichtenden Lehrkräfte ein Pädagogisches Gutachten zu dem Widerspruch vom 11.07.2020. Schlussfolgernd gelangt das Gutachten zum Ergebnis, dass aufgrund der Beschreibung der Leistungen und der transparenten und nachvollziehbaren Beurteilung die Jahresbeurteilung der BF1 in den Pflichtgegenständen Latein, Mathematik, Physik und Französisch mit „Nicht genügend“ festgesetzt werden möge und dass aufgrund des von der BF1 gezeigten Leistungsbildes nicht die Prognose erstellt werden könne, dass diese über ausreichend Leistungsreserven verfüge, um die nächsthöhere Schulstufe positiv abschließen zu können.

6. Mit an die BF2 adressiertem Schriftsatz vom 29.07.2020 wurde dieser die Möglichkeit eingeräumt, sich binnen fünf Tagen nach Erhalt des Gutachtens zu diesem zu äußern.

7. Mit Schreiben der BF2 und des BF3 vom 06.08.2020 – einlangend bei der belangten Behörde am 07.08.2020 – gaben diese eine Stellungnahme zu dem pädagogischen Gutachten vom 29.7.2020 ab.

Darin wurde ausgeführt, dass die BF1 in den ersten beiden Jahren an der gegenständlichen Schule jeweils ein Zeugnis mit „ausgezeichnetem Erfolg“ erhalten habe und dass sich deren Erkrankung erst in der dritten Klasse bemerkbar gemacht habe. In dem Gutachten würden auch meist fehlende oder zu spät erbrachte Leistungen erwähnt. Es sei aber nicht nachvollziehbar, dass so viele Nachrichten überhaupt nicht verschickt hätten werden sollen. Es könne sich demnach nur um Übermittlungsfehler handeln. Aufgrund der familiären Situation der Beschwerdeführer habe es auch länger gedauert, bis diese mit dem Onlineunterricht der BF1 zurechtgekommen wäre. Dies habe auch dazu geführt, dass die BF1, die gerne in der Nacht die ihr gestellten Aufgaben bearbeitet habe, um „ungestört“ zu sein, Aufgaben erst nach Mitternacht und somit erst am nächsten Tag abgegeben habe.

Der den Pflichtgegenstand Mathematik unterrichtende Lehrer habe es verstanden, mit der Krankheit der BF1 gut umzugehen. Hätte er davon nicht erst nach Notenschluss erfahren, hätte er vermutlich eine Möglichkeit gefunden, das Wissen der BF1 anders als durch Tests abzufragen.

Der den Pflichtgegenstand Physik unterrichtende Lehrer habe angekündigt, dass die BF1 für den Fall, dass sie in den beiden letzten Unterrichteinheiten eine gute Mitarbeit zeige, noch positiv benotet werden könne. Leider sei die BF1 in einer der beiden Unterrichtseinheiten krank gewesen, in der anderen habe sie gebeten, ihr Wissen nochmals zeigen zu dürfen, was ihr aber verwehrt worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass zwei positive Noten in den beiden letzten Unterrichtseinheiten gereicht haben könnten, um eine positive Benotung im Jahreszeugnis zu bekommen, und gleichzeitig aber nur Aufzeichnungen über negative Leistungen vorhanden sein sollten.

Auch im Pflichtgegenstand Französisch habe die BF1 mehrmals aufgrund der familiären Rahmenbedingungen Arbeiten erst kurz nach Mitternacht abgeben können, die dabei gezeigten Leistungen wären aber keinesfalls durch „Abschreiben“ zustande gekommen.

Was die im Gutachten getätigte „abschließende Leistungsprognose“ anbelange sei festzuhalten, dass hinsichtlich des von der BF1 gezeigten Leistungsbildes lediglich ein Jahr herangezogen worden wäre und die Leistungen derselben in den beiden ersten Klassen darin nicht eingeflossen seien. Der abrupte Noteneinbruch der BF1 habe aber erst mit dem Ausbruch der Krankheit in der dritten Klasse begonnen. Die BF1 habe sich auch bereits während der vierten Klasse selbständig um eine Lehrstelle umgeschaut, zwischen der vierten und fünften Klasse ein unentgeltliches Praktikum absolviert und an insgesamt drei Betrieben „geschnuppert“. Anlässlich einer Therapie sei bei der BF1 ein IQ von 121 gemessen und ihr dabei ein sehr gutes Sprachverständnis attestiert worden. Dies würde nicht darauf hindeuten, dass die BF1 eine Schülerin sei, die überfordert wäre und dem Unterricht nicht folgen könne. Auch die Nachhilfelehrerin sei der Ansicht, dass die BF1 den Schulstoff gut beherrsche, diesen aber wegen „Prüfungsangst“ nicht umsetzen könne.

Im gesamten Gutachten sei nicht auf die spezielle Situation der BF1 eingegangen worden. Die Erkrankung der BF1 und die spezielle Covid-19-Situation seien nicht oder nur zu wenig beachtet worden.

Der Stellungnahme wurde ein Schreiben der Nachhilfelehrerin der BF1 beigefügt, aus dem zusammengefasst hervorgeht, dass sie seit dem Jahr 2018 versuche, die Schulprobleme der BF1 in den Griff zu bekommen, was im Pflichtgegenstand Englisch auch sogleich funktioniert habe. Die BF1 habe das Schuljahr 2019/20 sehr motiviert und zuversichtlich begonnen, unmittelbar vor der ersten Schularbeit aber „große Angst vor erneutem Versagen“ bekommen. Die BF1 habe im Rahmen des Nachhilfeunterrichts stets die gestellten Aufgaben lösen können, in der Schule habe sie dann aber immer „kläglich versagt“. Die BF1 sei derzeit auch in psychiatrischer Behandlung. Die Nachhilfelehrerin wundere sich, warum keinem der an der gegenständlichen Schule tätigen Lehrer die Panikattacken der BF1 aufgefallen sind.

8. In einem „ergänzenden Gutachten“ zum Widerspruch führte die zuständige Schulqualitätsmanagerin aus, dass die von der BF2 und dem BF3 geltend gemachte Ausnahmesituation, in der sich die BF1 „aufgrund der Corona-Situation“ ab März 2020 befunden habe, nicht ursächlich für die negativen Beurteilungen im Jahreszeugnis gewesen wären, da die BF1 auch schon in der Schulnachricht für das Wintersemester in allen vier Gegenständen mit „Nicht genügend“ beurteilt worden sei. Außerdem seien „Maßstab und Gegenstand der Leistungsbeurteilung ausschließlich die Leistungen eines Schülers oder einer Schülerin“.

Dass sich die Nachhilfelehrerin so sehr um die BF1 bemühe, sei sehr lobenswert, die im Nachhilfeunterricht gezeigten Leistungen seien aber nicht Teil der Leistungsbeurteilung im Unterricht.

Der Umstand, dass die BF1 in der ersten und zweiten Klasse eine sehr gute Schülerin gewesen sei, könne nicht für die Leistungsprognose nicht herangezogen werden, da für die Beurteilung, ob ausreichend Leistungsreserven zum Aufsteigen in die sechste Klasse vorliegen, ausschließlich die in der fünften Klasse erzielten Leistungen heranzuziehen seien. Diese würden eine günstige Leistungsprognose aber nicht zulassen.

Auch der Umstand, dass die BF1 die Zusammenarbeit mit ihrer künftigen Arbeitgeberin positiv sieht, sei ebenso wenig ein Kriterium für die Leistungsbeurteilung im Unterricht und die Leistungsprognose wie die Leistungen im Nachhilfeunterricht oder die 121 beim IQ-Test erreichten Punkte.

9. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.08.2020, GZ. 75.514/0001-allg/2020 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde die Beurteilung der BF1 in den Pflichtgegenständen Französisch, Latein, Mathematik sowie Physik mit „Nicht genügend“ festgesetzt (Spruchpunkt 1.) und ausgesprochen, dass die BF1 zum Aufstiegen in die nächsthöhere Schulstufe jeweils mit den Noten „Nicht genügend“ in den Pflichtgegenständen Französisch, Latein, Mathematik sowie Physik nicht berechtigt ist (Spruchpunkt 2.).

Begründend wurde nach Wiedergabe des Sachverhalts und Anführung der einschlägigen Rechtsgrundlagen zur Klärung der Frage, ob die Beurteilungen mit „Nicht genügend“ zu Recht bestehen oder nicht, im Wesentlichen auf das sonderpädagogische Gutachten der Schulqualitätsmanagerin vom 29.07.2020 sowie deren „ergänzendes Amtssachverständigengutachten“ vom 17.08.2020 verwiesen und auf die Stellungnahme der BF2 und des BF3 vom 06.08.2020 Bezug genommen. Das Amtssachverständigengutachten sei schlüssig und gut nachvollziehbar und sei nach Abwägung der vorgebrachten Argumente sowie nach eingehender Prüfung der im Akt befindlichen Unterlagen zu dem eindeutigen Ergebnis gelangt, dass die Beurteilungen mit „Nicht genügend“ in allen vier Pflichtgegenständen zu Recht bestünden. Zudem führe des Amtssachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar aus, dass das Leistungsbild der BF1 die Prognose, dass diese über ausreichend Leistungsreserven verfüge, um die nächsthöhere Schulstufe erfolgreich abschließen zu können, eindeutig nicht zuließe. Ergänzend sei festzuhalten, dass Gegenstand der Leistungsbeurteilung ausschließlich die „Leistungen des Schülers“ bzw. der Schülerin seien. Wie das Bundesverwaltungsgericht in einem früheren Erkenntnis aus dem Jahr 2016 mit Verweis auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 1992 bereits explizit ausgesprochen habe, gehe das Vorbringen, die negativen Beurteilungen seien auf Prüfungsangst zurückzuführen, schon dadurch ins Leere, dass das Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass im Rahmen der Leistungsbeurteilung zunächst zu prüfen wäre, ob die Schule bzw. die Lehrpersonen den besonderen Anforderungen, die sich für eine Schülerin bzw. einen Schüler aufgrund einer Behinderung ergeben, entsprochen habe.

Der nunmehr angefochtene Bescheid wurde am 20.08.2020 zugestellt.

10. Einlangend bei der belangten Behörde am 21.08.2020 brachten die BF2 und der BF3 eine als „Erneuter Einspruch“ bezeichnete Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ein. Begründet wurde diese im Wesentlichen damit, dass auf das Anliegen der BF zur Notenbildung im zweiten Semester „nicht wirklich eingegangen“ worden wäre. Manche Aufzeichnungen der Lehrer zur Mitarbeit und zu angeblich nicht erbrachten Unterlagen seien nicht korrekt. Es würden Aufzeichnungsfehler der Lehrer vorliegen, welche Einfluss auf die Notenbildung hätten. Erst wenn Noten klar nachvollziehbar seien, könnten diese als Basis für weitere Schlussfolgerungen herangezogen werden. In der Beschwerde wurde auch auf die bereits früher geltende gemachte Erkrankung der BF1 verwiesen.

11. Einlangend am 27.08.2020 wurde die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt von der belangten Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Landesschulrates (Stadtschulrates für Wien) wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 MRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

2. Zu Spruchpunkt A):

2.1. Gemäß § 25 Abs. 1 SchUG ist ein Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit „Befriedigend“ beurteilt wurde.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist ein Schüler ferner zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis zwar in einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält, aber

a)       der Schüler nicht auch schon im Jahreszeugnis des vorhergegangenen Schuljahres in demselben Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ erhalten hat,

b)       der betreffende Pflichtgegenstand – ausgenommen an Berufsschulen – in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist und

c)       die Klassenkonferenz feststellt, daß der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe im Hinblick auf die Aufgabe der betreffenden Schulart aufweist.

Gemäß § 18 Abs. 1 SchUG hat die Beurteilung der Leistungen der Schüler in den einzelnen Unterrichtsgegenständen ab der 4. Schulstufe der Lehrer durch Feststellung der Mitarbeit der Schüler im Unterricht sowie durch besondere in die Unterrichtsarbeit eingeordnete mündliche, schriftliche und praktische oder nach anderen Arbeitsformen ausgerichtete Leistungsfeststellungen zu gewinnen. Maßstab für die Leistungsbeurteilung sind die Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand des Unterrichtes.

Gemäß § 20 Abs. 1 SchUG hat der Beurteilung der Leistungen eines Schülers in einem Unterrichtsgegenstand auf einer ganzen Schulstufe der Lehrer alle in dem betreffenden Unterrichtsjahr erbrachten Leistungen (§ 18) zugrunde zu legen, wobei dem zuletzt erreichten Leistungsstand das größere Gewicht zuzumessen ist. […] Dabei sind die fachliche Eigenart des Unterrichtsgegenstandes und der Aufbau des Lehrstoffes zu berücksichtigen.

Gemäß § 3 Abs. 1 Leistungsbeurteilungsverordnung (LBVO), BGBl. Nr. 371/1974 i.d.g.F., dienen der Leistungsfeststellung zum Zweck der Leistungsbeurteilung:

a)       die Feststellung der Mitarbeit der Schüler im Unterricht,

b)       besondere mündliche Leistungsfeststellungen

aa)      mündliche Prüfungen,

bb)      mündliche Übungen,

c)       besondere schriftliche Leistungsfeststellungen

aa)      Schularbeiten,

bb)      schriftliche Überprüfungen (Tests, Diktate),

d)       besondere praktische Leistungsfeststellungen,

e)       besondere graphische Leistungsfeststellungen.

Gemäß § 4 Abs. 1 LBVO umfaßt die Feststellung der Mitarbeit des Schülers im Unterricht den Gesamtbereich der Unterrichtsarbeit in den einzelnen Unterrichtsgegenständen und erfaßt:

a)       in die Unterrichtsarbeit eingebundene mündliche, schriftliche, praktische und graphische Leistungen,

b)       Leistungen im Zusammenhang mit der Sicherung des Unterrichtsertrages einschließlich der Bearbeitung von Hausübungen,

c)       Leistungen bei der Erarbeitung neuer Lehrstoffe,

d)       Leistungen im Zusammenhang mit dem Erfassen und Verstehen von unterrichtlichen Sachverhalten,

e)       Leistungen im Zusammenhang mit der Fähigkeit, Erarbeitetes richtig einzuordnen und anzuwenden.

Gemäß § 5 Abs. 2 LBVO ist auf Wunsch des Schülers in jedem Pflichtgegenstand (ausgenommen in den im Abs. 11 genannten Pflichtgegenständen) einmal im Semester, in saisonmäßigen und lehrgangsmäßigen Berufsschulen einmal im Unterrichtsjahr, eine mündliche Prüfung durchzuführen. Die Anmeldung zur Prüfung hat so zeitgerecht zu erfolgen, daß die Durchführung der Prüfung möglich ist.

Gemäß § 11 Abs. 1 LBVO hat die Beurteilung der Leistungen der Schüler in den einzelnen Unterrichtsgegenständen der Lehrer durch die im § 3 Abs. 1 angeführten Formen der Leistungsfeststellung zu gewinnen. Maßstab für die Leistungsbeurteilung sind die Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand des Unterrichtes.

Gemäß § 14 Abs. 5 LBVO sind mit „Genügend“ Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in den wesentlichen Bereichen überwiegend erfüllt.

Gemäß Abs. 6 leg. cit. sind mit „Nicht genügend“ Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler nicht einmal alle Erfordernisse für die Beurteilung mit „Genügend“ (Abs. 5) erfüllt.

Gemäß § 71 Abs. 2 lit. c) SchUG ist gegen die Entscheidung, dass der Schüler zum Aufsteigen nicht berechtigt ist oder die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen hat (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6, 8 und 10, Entscheidung nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen, jeweils in Verbindung mit § 25) oder zum Übertritt in eine mindestens dreijährige mittlere oder in eine höhere Schule nicht berechtigt ist (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6a), ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die zuständige Schulbehörde in den Fällen des Abs. 2, insoweit sich der Widerspruch auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit „Nicht genügend“ stützt, diese zu überprüfen. Wenn die Unterlagen nicht zur Feststellung, daß eine auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, ausreichen, ist das Verfahren zu unterbrechen und der Widerspruchswerber zu einer kommissionellen Prüfung (Abs. 5) zuzulassen. Die Überprüfung der Beurteilungen bzw. die Zulassung zur kommissionellen Prüfung hat auch dann zu erfolgen, wenn deren Ergebnis keine Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung gibt.

Gemäß Abs. 6 leg. cit. ist der dem Widerspruch stattgebenden oder diesen abweisenden Entscheidung die Beurteilung zugrunde zu legen, die die Behörde nach der Überprüfung bzw. die Prüfungskommission nach der Durchführung der Prüfung für richtig hält. Sofern diese Beurteilung nicht auf „Nicht genügend“ lautet, ist ein Zeugnis auszustellen, das diese Beurteilung enthält.

2.2. Mit ihrem Beschwerdevorbringen ist es den BF nicht gelungen, Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

2.2.1. Verfahrensgegenstand ist ausschließlich die Frage, ob die Klassenkonferenz zu Recht entschieden hat, dass die BF1 nicht berechtigt ist, in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen (vgl. § 71 Abs. 2 lit. c) SchUG).

2.2.2. Voraussetzung für die Berechtigung zum Aufsteigen ist gemäß § 25 Abs. 1 SchUG, dass das Jahreszeugnis in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält. Im vorliegenden Fall wäre demnach Voraussetzung für eine Berechtigung zum Aufsteigen, dass die Beurteilungen in allen vier jeweils mit „Nicht genügend“ beurteilten Pflichtgegenständen nicht zu Recht erfolgten. Dafür ergeben sich aber aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen keinerlei Anhaltspunkte. Insbesondere erweisen sich die Stellungnahmen der unterrichtenden Lehrkräfte, und des Schulleiters sowie das pädagogische Gutachten der zuständigen Schulqualitätsmanagerin als plausibel, widerspruchsfrei und nachvollziehbar, sodass deren jeweiliger Inhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wird. Diesen Ausführungen in den Gutachten und ergänzenden Gutachten konnten die BF auch weder im Widerspruch noch in der Beschwerde substantiiert entgegentreten.

2.2.3. Zum konkreten Beschwerdevorbringen:

2.2.3.1. Zum Beschwerdevorbringen, dass manche Aufzeichnungen der Lehrer betreffend die Mitarbeit und angeblich nicht erbrachte Unterlagen nicht korrekt seien und dass diese vorgebrachten Aufzeichnungsfehler Einfluss auf die Notenbildung gehabt hätten ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen Im Widerspruch zu den im Akt aufliegenden Unterlagen – insbesondere den umfangreichen, vollständigen und detaillierten Stellungnahmen der die jeweiligen Pflichtgegenstände unterrichtenden Lehrer und dem E-Mail-Verkehr zwischen diesen und der BF1 bzw. der BF2 während der Zeit des „Homeschoolings“ – stehen. Aus diesen Aufzeichnungen gehen die von der BF1 im Rahmen der Mitarbeit erbrachten Leistungen und daraus resultierenden Leistungsbeurteilungen klar und nachvollziehbar hervor. Betreffend die nicht (rechtzeitig) eingebrachten Unterlagen ist festzuhalten, dass zum einen aus den Stellungnahmen der Lehrer, an deren inhaltlicher Richtigkeit zu zweifeln das erkennende Gericht keinen Anlass sieht, hervorgeht, dass alle eingereichten Unterlagen berücksichtigt worden sind und dass zum anderen für die Leistungsbeurteilung nur die tatsächlich erbachten – also die dem beurteilenden Lehrer auch tatsächlich zugegangenen Leistungsnachweise - berücksichtigt werden können. Beim Vorbringen, dass die angeblich fehlenden bzw. mangelhaften Aufzeichnungen der Lehrer über die Mitarbeit der BF1 bzw. über die von dieser vorgelegten Unterlagen im Zuge des „Homeschoolings“ einen Einfluss auf die Notenbildung gehabt hätten, bleibt es bei bloßen Behauptungen, ohne konkret darauf einzugehen, inwieweit diese tatsächlich dazu geeignet gewesen wären, an der Beurteilung mit „Nicht genügend“ etwas zu ändern oder eine solche Änderung zumindest als möglich erscheinen zu lassen. Anhand der von der BF1 während des gesamten Unterrichtsjahres erbrachten und in den Stellungnahmen gut und ausführlich dokumentierten Leistungen lässt ist nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch etwaige vereinzelte nicht dokumentierte Mitarbeitsleistungen oder aus welchen Gründen immer nicht (rechtzeitig) beim beurteilenden Lehrer eingelangte, auf elektronischem Weg übermittelte Unterlagen, nichts an der Benotung mit „Nicht genügend“ im Jahreszeugnis geändert hätten oder ändern hätten können.

2.2.3.2. Zum Beschwerdevorbringen, dass die schlechten schulischen Leistungen der BF1 in einem erheblichen Ausmaß auf deren gesundheitliche Probleme zurückzuführen seien, ist festzuhalten, dass diesbezügliche ärztliche Bestätigungen im Akt nicht aufliegen. Die BF1 hat auch – vor allem im Wintersemester 2019/20 – an den Schularbeiten und Tests teilgenommen und wurden deren mündliche Mitarbeitsleistungen überprüft, ohne dass den prüfenden Lehrern eine aus gesundheitlichen Gründen erfolgte Beeinträchtigung der Leistungen der BF1 aufgefallen wäre. Von einer derartig gravierenden Beeinträchtigung bei der Leistungserbringung der BF1, dass diese als praktisch „prüfungsunfähig“ anzusehen gewesen wäre, kann daher nicht ausgegangen werden. Eine etwaige krankheitsbedingte Beeinträchtigung eines Schülers wäre aber nur dann zu berücksichtigen, wenn diese den Schüler „prüfungsunfähig“ machte. Gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine solche „Prüfungsunfähigkeit“ immer dann vor, wenn der Prüfungskandidat überhaupt nicht mehr in der Lage ist, passiv und aktiv am Prüfungsgeschehen teilzunehmen, wenn also ein vollständiger Verlust der Kommunikationsfähigkeit vorliegt. Diese Untauglichkeit muss während der Prüfung in einer Weise nach außen in Erscheinung treten, dass sie auch bei einer objektiven Betrachtung erkennbar ist oder zumindest sein müsste (VwGH 21.01.2001, 99/12/0336; 12.11.2001, 2001/10/0159; 23.10.2012, 2009/10/0105; 30.01.2014, 2013/10/0266). Die zitierten Erkenntnisse betreffen zwar die Prüfungsfähigkeit von Studierenden, die darin enthaltenen Erwägungen zum Thema "Prüfungsunfähigkeit" lassen sich wegen der Vergleichbarkeit der Situationen, in denen sich Prüfungskandidaten befinden, im Wesentlichen aber auch auf die Prüfungsfähigkeit von Schülern – insbesondere solchen der Oberstufe an einer Höheren Schule - übertragen. Verfahrensgegenständlich liegen keine Hinweise auf eine krankheitsbedingte „Prüfungsunfähigkeit“ der BF1 vor, da eine solche weder von dieser geltend gemacht noch von den unterrichtenden Lehrern wahrgenommen worden war. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass mehrere der die negativ beurteilten Prüfungsgegenstände unterrichtenden Lehrer in ihren Stellungnahmen zum Widerspruch übereinstimmend angaben, dass sie erst am 03.07.2020 vom Gesundheitszustand der BF1 erfahren haben.

2.2.3.3. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beurteilungen der BF1 im Jahreszeugnis für das Schuljahr 2019/20 in den Pflichtgegenständen Französisch, Latein, Mathematik und Physik jeweils mit der Note „Nicht genügend“ richtig war und die Klassenkonferenz daher zu Recht entschieden hat, dass die BF1 zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt ist.

2.3. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Frage, ob die belangte Behörde zu Recht die Entscheidung der Klassenkonferenz, dass die BF1 zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt ist, bestätigt hat, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, da der Sachverhalt nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt und dieser Sachverhaltsfeststellung in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten wurde. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig, noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen.

Das Schulrecht ist auch nicht von Art. 6 EMRK oder von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014)

2.4. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3. Zu Spruchpunkt B):

3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

Aufstieg in nächsthöhere Schulstufe Gesundheitszustand Jahreszeugnis Leistungsbeurteilung Leistungsdefizit Leistungsfeststellung negative Beurteilung negative Leistungsfeststellung pädagogisches Gutachten Pandemie Pflichtgegenstand Prüfungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W203.2234453.1.00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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