TE Vwgh Erkenntnis 2020/11/9 Ra 2019/10/0196

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/04 Apotheken Arzneimittel

Norm

ApG 1907 §29 Abs1 idF 2016/I/030
ApG 1907 §29 Abs1b idF 2016/I/030
ApG 1907 §29 idF 2016/I/030
AVG §56
AVG §59 Abs1
B-VG Art18 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision des A D in E, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 16. Oktober 2019, LVwG-050133/13/Gf/RoK, betreffend Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis; mitbeteiligte Partei: H O in R, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich der Vorschreibung von Nebenbestimmungen (Bedingung und Auflage), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 18. März 2019 erteilte die belangte Behörde dem Revisionswerber die Bewilligung gemäß §§ 29 Abs. 1 und 53 Apothekengesetz (im Folgenden: ApG) zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in E.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. Oktober 2019 gab das Landesverwaltungsverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde insoweit statt, als dem Revisionswerber die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in E unter der Bedingung erteilt wurde, dass die Anzahl der an diesem Berufssitz vorgenommenen Behandlungen gegenüber der Anzahl der in seiner Zweitordination in R vorgenommenen Behandlungen ein Verhältnis von 3:2 nicht unterschreite, wobei der Revisionswerber dieses Faktum durch die monatlich aufeinanderfolgende Übermittlung einer nach Ordinationsstandorten getrennten Übersicht über die dort jeweils bei Inanspruchnahme von Leistungen aus der Sozialversicherung vorgenommenen Auslesevorgänge (e-card-Abbuchungen) an die belangte Behörde zu belegen habe. Der mitbeteiligten Partei sei jeweils Akteneinsicht zu gewähren. Im Übrigen werde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht zur Vorschreibung der Nebenbestimmungen aus, es sei zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber das für die Annahme eines Berufssitzes iSd § 29 Abs. 1 Z 3 ApG erforderliche Kriterium eines Verhältnisses von 3:2 in Bezug auf das Schwergewicht seiner Tätigkeit in der Ordination in E nur äußerst knapp erreiche. Nicht nur aus der „präsentischen“ Formulierung des Gesetzestextes, sondern auch daraus, dass in § 29 ApG zahlreiche Gründe für die Entziehung bzw. das Erlöschen der Hausapothekenbewilligung statuiert seien, resultiere eine in rechtssystematischer Hinsicht insgesamt nur vergleichsweise schwache Bestandskraft solcher Berechtigungen. Nicht nur der Normtext, sondern auch dieses systematische Argument verhalte die Vollziehung zu gewährleisten, dass die in § 29 Abs. 1 ApG festgelegten Parameter nicht bloß im Zeitpunkt der Bewilligungserteilung, sondern vielmehr jederzeit, also gleichsam dauerhaft, erfüllt seien, wobei der zur Führung einer öffentlichen Apotheke berechtigten Person zugleich ein Rechtsanspruch darauf „korreliere“, dass die Behörde das permanente Bestehen dieser Voraussetzungen periodisch überprüfe.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich im Umfang der Vorschreibung der Nebenbestimmungen die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht weiche im Hinblick auf die mit der Bewilligung verbundenen Nebenbestimmungen (Bedingung und Auflage) von den gesetzlichen Bestimmungen ab und es gebe diesbezüglich keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. § 29 Abs. 1 ApG sehe bei Erfüllung der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung vor. Das Gesetz biete keine Grundlage, Bedingungen oder Auflagen vorzuschreiben.

7        Diesbezüglich erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch berechtigt:

8        § 29 ApG, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 30/2016, lautet inklusive Überschrift:

„Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke

§ 29. (1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem Arzt für Allgemeinmedizin auf Antrag zu erteilen, wenn

1.   dieser in einem dem § 342 Abs. 1 entsprechenden Vertragsverhältnis steht, oder als Arzt für Allgemeinmedizin an einer Gruppenpraxis, die in einem Vertragsverhältnis nach § 342 Abs. 1 ASVG steht, beteiligt ist,

2.   sich in der Gemeinde, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet, und

3.   der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.

In einem Zeitraum, während dessen ein Gesamtvertrag gemäß § 341 ASVG nicht besteht, findet Z 1 keine Anwendung.

(1a) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist auf Antrag dem Nachfolger eines Arztes für Allgemeinmedizin mit Hausapothekenbewilligung abweichend von Abs. 1 Z 2 oder 3 zu erteilen, wenn der Nachfolger in einem Vertragsverhältnis zu einem Träger der Krankenversicherung nach Abs. 1 Z 1 steht und die Entfernung zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als vier Straßenkilometer beträgt.

(1b) Entfällt die Entfernungsvoraussetzung gemäß § 28 Abs. 3 oder gemäß Abs. 1a auf Grund der Verlegung des Berufssitzes des hausapothekenführenden Arztes, so hat die Behörde die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke von Amts wegen oder auf Antrag des betroffenen Konzessionsinhabers zurückzunehmen.

(2) Verlegt ein Arzt für Allgemeinmedizin seinen Berufssitz in eine andere Gemeinde, so erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.

(3) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist nach Maßgabe des Abs. 4 bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn

1.   die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Arztes und der Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet, und

2.   sich die ärztliche Hausapotheke weder in einer Gemeinde gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 noch in einer Gemeinde gemäß § 10 Abs. 3 befindet.

(4) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke ist verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. Wird die öffentliche Apotheke nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebes zum selben Zeitpunkt erfolgen.

(5) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke ist bei Einstellung des Hausapothekenbetriebes gemäß Abs. 4 verpflichtet, die nach den jeweils geltenden arzneimittelrechtlichen Vorschriften verwendungsfähigen Vorräte der Hausapotheke auf Begehren des Arztes gemäß § 57 abzulösen.

(6) Die Verpflichtung zur Ablösung erstreckt sich nur auf solche Mittel, welche der Apotheker zufolge behördlicher Verfügung (§ 7) vorrätig halten muss, und nur auf solche Mengen, welche dem voraussichtlichen Betriebsumfang der neu errichteten Apotheke entsprechen.

(7) Wird zwischen den Beteiligten über den Übernahmspreis keine Einigung erzielt, so ist dieser Preis im Wege einer Schätzung unter behördlicher Leitung zu ermitteln. Wenn über den Umfang der Ablösung oder deren Bedingungen Streit besteht, so ist der Anspruch im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.

(8) Durch die Eröffnung einer Filialapotheke werden Hausapothekenbewilligungen nicht berührt.“

9        Die Beisetzung von Nebenbestimmungen, wie Bedingungen, Auflagen oder Befristungen eines Verwaltungsaktes, ist nur zulässig, wenn dies das Gesetz bestimmt (vgl. VwGH 27.2.2020, Ra 2019/10/0032, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass schon im Hinblick auf das Legalitätsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG eine Nebenbestimmung nur dann zulässig ist, wenn sie im Gesetz vorgesehen ist; auch wenn sie nicht ausdrücklich vorgesehen ist, wurde eine Nebenbestimmung in manchen Fällen für zulässig erachtet, wenn sie mit dem Sinn der zu treffenden Hauptentscheidung in untrennbarer Weise verbunden ist oder dem Antrag der Partei entspricht (vgl. etwa VwGH 18.10.2012, 2010/06/0060, und erneut VwGH 27.2.2020, Ra 2019/10/0032).

10       § 29 ApG stellt keine Grundlage für die fallbezogen angeordnete auflösende Bedingung bei Unterschreiten eines bestimmten Verhältnisses zwischen der Anzahl der Behandlungen in den beiden Ordinationen des Revisionswerbers und für die Auflage des monatlichen Nachweises dieser Voraussetzung dar.

11       Es kann dahinstehen, ob die Hausapothekenbewilligung zu entziehen ist, wenn der Arzt an dem Berufssitz, für den die Bewilligung erteilt wurde, nicht mehr das Schwergewicht seiner beruflichen Tätigkeit hat. Eine Bewilligung unter der auflösenden Bedingung, dass diese Voraussetzung weiter besteht und unter Vorschreibung der Auflage, das Bestehen monatlich nachzuweisen, kennt das Gesetz jedenfalls nicht. Auch die im Gesetz ausdrücklich normierten Entziehungsgründe, wie etwa der Wegfall der „Entfernungsvoraussetzung“ (§ 29 Abs. 1b ApG), berechtigen die Behörde nicht, eine Bewilligung unter der auflösenden Bedingung zu erteilen, dass diese Voraussetzung gegeben ist und dem Arzt diesbezüglich als Auflage eine regelmäßige Nachweispflicht aufzutragen. Vielmehr ist die Bewilligung bei Wegfall dieser Voraussetzung mit einem gesonderten Bescheidzurückzunehmen.

12       Da der Hauptinhalt des Spruchs ohne die gesetzwidrig angeordneten Nebenbestimmungen selbständig weiterbestehen kann (vgl. VwGH 3.7.1986, 81/08/0153; 23.12.1993, 92/17/0056; sowie die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 22 zitierte Judikatur) ist eine getrennte Anfechtbarkeit und Aufhebung dieser Nebenbestimmungen möglich.

13       Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 ApG im Genehmigungszeitpunkt erfüllt waren. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 ApG ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke besteht (vgl. ebenfalls zu einem Fall des Vorliegens zweier Berufssitze VwGH 28.1.2008, 2006/10/0152). Das Verwaltungsgericht hätte daher dem Revisionswerber die Bewilligung uneingeschränkt erteilen müssen.

14       Da das Verwaltungsgericht die Rechtslage insofern verkannt hat, als es die Vorschreibung der verfahrensgegenständlichen Nebenbestimmungen für zulässig erachtet hat, hat es das angefochtene Erkenntnis im Umfang der vorgeschriebenen Nebenbestimmungen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

16       Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. VwGH 1.9.2017, Ra 2017/03/0007, 0035, mwN).

Wien, am 9. November 2020

Schlagworte

Allgemein Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019100196.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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