TE Lvwg Beschluss 2020/1/20 VGW-151/079/7490/2019, VGW-151/V/079/7491/2019, VGW-151/V/079/7492/2019,

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.2020
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Entscheidungsdatum

20.01.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §7
ZustG §9 Abs1
VwGVG §7 Abs3

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seine Richterin MMag. Dr. Ollram im Beschwerdeverfahren des A. B., geb. 1987, Staatsang. Kosovo, C.-gasse, Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 15.4.2019, MA 35-…-06,-07,-08 und -011 betreffend

?     die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren zur Erledigung der Anträge „vom 27.6.2013 auf Erstausstellung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck ,Familienangehöriger‘“ und „vom 8.1.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck ,Rot-Weiß-Rot Karte plus‘“ (richtig: Antrag vom 27.6.2013 auf Verlängerung des Aufenthaltstitels für den Zweck „Student“ mit allfälliger Zweckänderung „Familienangehöriger“ und Antrag vom 8.1.2016 auf Zweckänderung „Rot-Weiß-Rot Karte plus“) sowie des Antrags vom 17.2.2017 auf Verlängerung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ (§ 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG);

?     die gleichzeitige Abweisung des Antrags vom 27.6.2013 wegen des Erteilungshindernisses der Aufenthaltsehe (§ 11 Abs. 1 Z 4 NAG) sowie der nachfolgenden Anträge vom 8.1.2016, 17.2.2017 und 1.3.2018

nach öffentlicher mündlicher Verhandlung gemäß § 31 VwGVG den

BESCHLUSS:

I. Die Beschwerde wird mangels Rechtswirksamkeit des angefochtenen Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG nicht zulässig.

B e g r ü n d u n g

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 15.4.2019 wurden die im Spruchkopf genannten Verfügungen nach dem NAG getroffen. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdeführer (BF) persönlich erhobene Beschwerde mit den Begehren eine Beschwerdeverhandlung zur Aufnahme diverser Beweise durchzuführen, die negative Erledigung der belangten Behörde im Sinn seines aktuellen Verlängerungsantrags betreffend den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ abzuändern bzw. die Sache in eventu zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Maßgeblicher Sachverhalt (zum Beschluss des VGW):

Bei der Einreichung des aktuellen Verlängerungsantrags am 1.3.2018 trat der BF unvertreten und im eigenen Namen auf. Am 15.11.2018 erfolgte in diesem Verfahren eine Vollmachtsbekanntgabe des berufsmäßigen Parteienvertreters RA Mag. D., LL.M. Unmittelbar nach Erhalt eines im Parteiengehör ergangenen Schreibens der belangten Behörde vom 4.3.2019 gab letzterer mit E-Mail vom 8.3.2019 die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit dem BF bekannt.

Mit Schreiben vom 19.3.2019 erstattete der BF im eigenen Namen eine auf jeder Seite persönlich gefertigte Stellungnahme, welche zunächst am 19.3.2019 (als Anhang eingescannt) über die E-Mail-Adresse des Dr. E. F. und ein zweites Mal auf dem Postweg an die belangte Behörde übermittelt wurde. Der Begleittext in der E-Mail bestand lediglich aus folgender Signatur:

Mit der Bitte um Kenntnisnahme und vorzüglicher Hochachtung

DR E. F.

RECHTSANWALT em

Wien, G.-GASSE

FAX […] MOBIL […] MAIL […]“

Auch das Postkuvert enthält beim Absender einen entsprechenden Übermittlungsvermerk: „A. B., C.-GASSE, DURCH: DR E. F., RECHTSANWALT em, WIEN, G.-GASSE, […]“.

Der ehemals als Rechtsanwalt tätige Dr. E. F. war zu diesem Zeitpunkt - nach eigenen Angaben seit 1.2.2019 - nicht mehr als solcher im Rechtsanwaltsverzeichnis registriert. Seine letzte aktenkundige Vertretungshandlung als Rechtsanwalt des BF erfolgte im Rahmen des Zweckänderungsverfahrens im März 2016. Seit der Beendigung seiner Eintragung als Rechtsanwalt wird Dr. F. fallweise und nach eigenen Angaben gänzlich unentgeltlich als Rechtsbeistand bzw. Privatvertreter ehemaliger Mandanten tätig, wobei er sich folglich nicht mehr iSd § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG auf die erteilte Vollmacht beruft und bei schriftlichen Anbringen seiner ehemaligen Berufsbezeichnung den Zusatz „em“ für „emeritiert“ hintanstellt.

Der Akt der belangten Behörde enthält jedenfalls bis zur Zustellung des Bescheides keinerlei Dokumentation (Urkunden, Aktenvermerk, Niederschrift) oder sonstige Hinweise auf eine vom BF erklärte allgemeine Vertretungsvollmacht oder Zustellungsbevollmächtigung des Dr. F. für das gegenständliche Verfahren und ist letzterer gegenüber der Behörde auch nicht als Vertreter aufgetreten. Vielmehr ging die Behörde aufgrund der nicht genau gelesenen Signatur in der ersten Eingabe (E-Mail vom 19.3.2019) irrtümlich von einer Vollmachtsbekanntgabe des Dr. F. als „Rechtsanwalt“ aus und wurde dieser am 21.3.2019 intern als Parteienvertreter im Aktensystem vermerkt. Am 16.4.2019 wurde vom BF im Rahmen einer persönlichen Vorsprache in Begleitung des Dr. F. bei der belangten Behörde um Akteneinsicht ersucht, welche zu diesem Zeitpunkt behördenseitig aus organisatorischen Gründen abgelehnt wurde. Zu einer Amtshandlung kam es an diesem Tag von vornherein nicht; vielmehr erfolgte in Anwesenheit und allenfalls mit Zustimmung des BF ein Wortwechsel dahingehend, dass die Behörde im Weg des Dr. F. einen möglichen Termin für eine Akteneinsicht koordinieren werde.

Am 17.4.2019 wurde nach der Aktenlage der mit 15.4.2019 datierte Bescheid abgefertigt, dessen Zustellverfügung (Adressierung) lautet:

„Ergeht an:

Herrn A. B. z.H. Rechtsanwalt Dr. E. F., G.-gasse, Wien“

Die handschriftlich gefertigte, jedoch nicht mit einer Amtssignatur versehene Bescheidausfertigung wurde entsprechend der behördlichen Verfügung auf dem Postweg zugestellt und am 24.4.2019 von der Ehegattin des Dr. F. als Mitbewohnerin übernommen. Am 8.5.2019 nahm Dr. F. bei der belangten Behörde Akteneinsicht.

Mit einem erneut auf jeder Seite eigenhändig gefertigten Schreiben vom 15.5.2019 erhob der BF gegen den Bescheid im eigenen Namen Beschwerde. Das Beschwerdeschreiben wurde wiederum vorab am 16.5.2019 über die E-Mail-Adresse des Dr. F. sowie zusätzlich auf dem Postweg an die belangte Behörde übermittelt. Die E-Mail-Signatur des Dr. F. war inhaltlich gleichlautend mit jener bei Übermittlung der Stellungnahme vom 19.3.2019. Das Postkuvert enthielt diesmal den Absendervermerk „A. B., VERTRETEN DURCH DR E. F. WIEN, G.-GASSE“.

Am Tag der Beschwerdeerhebung, 16.5.2019, übermittelte Dr. F. dem BF eine Kopie der erhaltenen Bescheidausfertigung. Vorher hatte er ihm allenfalls auch mündlich von der Erledigung berichtet und via Mobiltelefon („Whatsapp“) Fotografien vom Bescheid übermittelt. Das Original der Bescheidausfertigung verblieb durchgehend bei Dr. F..

Beweisverfahren und Beweiswürdigung:

In der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2019 wurden (was den gegenständlichen Beschluss betrifft) folgende Beweise aufgenommen bzw. erörtert: Inhalt des vorgelegten Behördenakts einschließlich Vorakten sowie des bisherigen Gerichtsakts; weitere Parteivorbringen; Parteivernehmung des BF; Befragung des vom BF niederschriftlich als Vertreter für die Verhandlung bevollmächtigten Dr. E. F.. Die belangte Behörde verzichtete mit E-Mail vom 14.11.2019 auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Zum Thema befragt führte Dr. F. in der Verhandlung aus, es „könne sein“, dass beim ersten Versuch einer Akteneinsicht (gemeint am 16.4.2019) eine Vollmacht vorgelegt worden sei, wobei die Akteneinsicht an diesem Tag verweigert und faktisch erst am 8.5.2019 erfolgt sei. Mit E-Mail des VGW vom 22.12.2019 wurde die belangte Behörde unter Beischluss der Verhandlungsschrift und Vorhalt ihrer einschlägigen Aktenteile aufgefordert, zur Zustellverfügung des Bescheides, insbesondere auch zur möglichen Vorlage einer entsprechenden Vollmacht Stellung zu nehmen. In der Stellungnahme vom 27.12.2019 führte die Behörde sinngemäß aus, die Gründe für die Gewährung von Akteneinsicht und die Zustellung des Bescheides könnten nicht nachvollzogen werden. Es könne eventuell möglich sein, dass sich Dr. F. telefonisch auf seine Vollmacht berufen, die damalige Sachbearbeiterin ihm daraufhin am 8.5.2019 Akteneinsicht gewährt habe und auch der Bescheid entsprechend versendet worden sei. Laut internen Notizen habe Dr. F. am 21.3.2019 „die Vollmacht bekannt gegeben“, jedoch würde im Akt der Aktenvermerk fehlen, „dass sich der Rechtsanwalt (em) mündlich auf die Vollmacht berufen hat“. Die ehemals zuständige Sachbearbeiterin sei nicht mehr in der Dienststelle tätig und dürfe daher keine weiteren Informationen erhalten.

Nach Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme unter Mitteilung der wesentlichen Punkte der gerichtlichen Anfrage sowie der vollständigen Antwort der belangten Behörde führte der BF in einer E-Mail vom 8.1.2020 erneut aus, er habe am 16.4.2019 mit seinem (nunmehr:) „Vertreter“ Dr. F. bei der Behörde vorgesprochen und um Akteneinsicht ersucht, welche ihnen jedoch mit dem Hinweis auf eine momentane Überlastung verweigert und erst am 8.5.2019 gewährt worden sei. Zudem habe er bei der Vorsprache am 16.4.2019 darauf hingewiesen, dass Dr. F. ihn in diesem Verfahren unentgeltlich vertrete. Ob er auch gleich seine Vollmacht für Dr. F. vorgezeigt und sich die Behörde davon eine Kopie gemacht oder sie sich „dies nur gemerkt oder im Akt notiert“ habe, sei ihm nicht mehr erinnerlich bzw. entziehe sich seiner Kenntnis. Jedenfalls sei vereinbart worden, dass die Behörde Dr. F. telefonisch verständigen werde, wann dieser für den BF Akteneinsicht nehmen könne; entsprechend sei ein Termin für 8.5.2019 vereinbart worden. Insbesondere habe sich Dr. F. am 16.4.2019 nicht auf eine erteilte Vollmacht berufen, sondern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht mehr Rechtsanwalt sei, weil er sich in Pension befinde und dem BF als ehemaligem Mandanten „nur über Ersuchen und Bitten unentgeltlich hilft“. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde habe Dr. F. auch am 21.3.2019 keine Vollmacht bekannt gegeben, sondern lediglich am 19.3.2019 für den BF dessen Stellungnahme „mit der Bitte um Kenntnisnahme“ per E-Mail übermittelt. Im Übrigen sei er mit der Zustellung des Bescheides an Dr. F. einverstanden und einverstanden gewesen und habe ihm dieser glaublich kurz nach Erhalt des Bescheides, jedenfalls aber am „16.6.2019“ (wohl gemeint: 16.5.2019) eine bzw. eine weitere Kopie des Bescheides übergeben, womit allfällige Zustellmängel jedenfalls geheilt seien. Er ersuche daher um ehestmögliche Entscheidung in der Sache.

Der Verfahrensablauf nach der Aktenlage der belangten Behörde und die Gestaltung der relevanten Schriftstücke ergeben sich unmittelbar aus den jeweils zitierten und verwiesenen Urkunden. Die Feststellungen zur Beendigung der Funktion des Dr. E. F. als Rechtsanwalt ergeben sich aus dem Stand des offiziellen Rechtsanwaltsverzeichnisses in Verbindung mit den eigenen Ausführungen im Beschwerdeverfahren.

Dass sich Dr. F. gegenüber der belangten Behörde am „21.3.2019“ ohne gesetzliche Grundlage mündlich auf eine erteilte Vollmacht als Rechtsanwalt oder überhaupt auf eine Vollmacht berufen oder sonst eine Vollmacht bekannt gegeben hätte, wurde in der letzten Stellungnahme vom 8.1.2020 ausdrücklich bestritten und geht auch aus dem Akt nicht hervor. Da Dr. F. gerade um die von der Behörde genannte Zeit, nämlich am 19.3.2019, als Übermittler der Stellungnahme des BF eingeschritten ist, ist davon auszugehen, dass die von der Behörde erwähnte interne Notiz aufgrund der (nicht genau gelesenen) E-Mail-Signatur vom 19.3.2019 erstellt wurde. Was die Vorsprache bei der Behörde am 16.4.2019 betrifft, ist in Übereinstimmung mit der Aktenlage davon auszugehen, dass es an diesem Tag von vornherein zu keiner Amtshandlung und daher auch zu keiner ausdrücklichen – geschweige denn von der Behörde beurkundeten – mündlichen Erteilung einer umfassenden Vertretungs- und/oder Zustellungsvollmacht durch den BF gekommen ist und der Behörde auch keine verfahrensbezogene schriftliche Vollmacht vorgelegt wurde. Zum einen hatte die belangte Behörde, zumal sie die Amtshandlung von vornherein ablehnte und zudem irrtümlich von einer vorab erfolgten mündlichen Berufung auf eine Vollmacht als Rechtsanwalt ausging, zu diesem Zeitpunkt keinen Grund, eine schriftliche Vollmacht oder eine diesbezügliche ausdrückliche Erklärung des (ohnedies selbst vor Ort anwesenden) BF zu verlangen. Zum anderen fehlt dem BF nach dem in der Verhandlung vermittelten Eindruck jeglicher Einblick in verfahrensrechtliche Grundlagen und ist auch im Zusammenhalt mit seiner reservierten Persönlichkeit nicht anzunehmen, dass er bei dieser Vorsprache mit Dr. F. als Begleiter eigenständige verfahrensrechtliche Erklärungen abgegeben hat. Letztlich erfolgte auch die nachfolgende Beschwerde wie sämtliche vorangegangenen Eingaben bei der Behörde (vom vorübergehenden Einschreiten des RA Mag. D. abgesehen) offiziell durch den BF im eigenen Namen.

Die Feststellungen zur Benachrichtigung des BF mittels Bescheidkopien, allenfalls auch Fotos über „Whatsapp“ und mündliche Bekanntgabe des Bescheidinhalts beruhen auf den eigenen wiederholt bekräftigten Ausführungen des BF bzw. des Dr. F.. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Dr. F. in der Verhandlung ist auf der Bescheidausfertigung auch dessen interner Vermerk für „Durchschrift Mandant“ mit Datum „16.5.19“ angebracht. Von einer (zusätzlichen) Übermittlung der Originalausfertigung an den BF ist umso weniger auszugehen, als das Beschwerdeschreiben gemäß den eigenen Angaben direkt von Dr. F. auf seinem Computer verfasst und dem BF zur Unterschrift vorgelegt wurde.

Rechtliche Beurteilung:

Zu I:

Gemäß § 7 Abs. 3 VwGVG kann Bescheidbeschwerde ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer vom Bescheid Kenntnis erlangt hat, sofern dieser Bescheid bereits einer anderen Partei (rechtswirksam) zugestellt oder verkündet worden ist. Eine Beschwerdeerhebung ohne wirksame Bescheidzustellung an den betreffenden Beschwerdeführer kommt daher grundsätzlich nur im Mehrparteienverfahren in Betracht. Im Einparteienverfahren – um ein solches handelt es sich auch beim gegenständlichen Verlängerungsverfahren nach dem NAG bzw. den damit verbundenen amtswegigen Wiederaufnahmen – setzt die Erhebung eines Rechtsmittels hingegen zwingend die rechtswirksame Bescheiderlassung an den (einzigen) rechtlich in Betracht kommenden Adressaten voraus, zumal der Bescheid vor diesem Zeitpunkt noch nicht dem Rechtsbestand angehört. Fehlt hier eine rechtswirksame Zustellung, ist das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 18.11.2015, Ra 2015/17/0026 mwV; 3.10.2013, 2013/09/0103).

§ 10 AVG lautet:

Vertreter

(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36 a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.

Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG können die Parteien und Beteiligten, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Eine allgemeine Vollmacht zur Vertretung beinhaltet grundsätzlich auch eine Zustellungsvollmacht (VwGH 20.1.2011, 2009/22/0068).

Gemäß § 7 ZustG gilt bei im Verfahren unterlaufenen Zustellmängeln die Zustellung dennoch als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen ist Dr. F. im gegenständlichen Verfahren bis zur Zustellung des angefochtenen Bescheides vor der belangten Behörde weder erklärungsgemäß noch konkludent als für das Verfahren bevollmächtigter Parteienvertreter oder nominierter Zustellungsbevollmächtigter des BF, sondern lediglich als Überbringer/Bote von dessen Eingaben aufgetreten, was die belangte Behörde jedoch irrtümlich übersehen hat. Rechtlich gesehen bestand - schon mangels Vertretungshandlung - kein Anlass für einen Mängelbehebungsauftrag und kommt auch keine Heilung durch nachträgliche Beurkundung bzw. Bestätigung von Vertretungshandlungen in Betracht. Ob der BF, wie in der letzten E-Mail vom 8.1.2020 behauptet, im Innenverhältnis mit der Zustellung des Bescheides an Dr. F. „einverstanden“ war, ist hier mangels (gegenüber der Behörde) im Verfahren kommunizierter Zustellungsbevollmächtigung ohne Bedeutung. Was die Vorsprache vom 16.4.2019 betrifft, ist rechtlich im besten Fall vom Kommunizieren einer Bevollmächtigung des Dr. F. für die Koordinierung bzw. allenfalls auch eigenständige Vornahme einer Akteneinsicht auszugehen, keinesfalls aber von einer ausdrücklichen Erteilung umfassender Vertretungsvollmacht oder einer ausdrücklichen Namhaftmachung als Zustellungsbevollmächtigter für Behördensendungen. Die rechtliche Bedeutung einer - im vorliegenden Fall jedenfalls unterbliebenen - Beurkundung gemäß § 10 Abs. 1 dritter Satz AVG kann insofern dahinstehen. Im Ergebnis ist die ohne vorherige wirksame Zustellungsbevollmächtigung verfügte und am 24.4.2019 (mittels Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustG) durchgeführte Zustellung des Bescheides zu Handen des „Rechtsanwalt“ Dr. F. rechtlich unwirksam.

Da der Zustellverfügung jedoch nachvollziehbar zu entnehmen ist, dass der Bescheid formell auch für den BF und nicht nur für Dr. F. „bestimmt“ war, ist dieser Zustellmangel nach der einschlägigen Rechtsprechung des VwGH gemäß § 7 ZustG einer Heilung zugänglich (vgl. VwGH 3.10.2013, 2013/09/0103, mit einschlägiger Verweisung auf VwGH 25.3.1996, 95/10/0052). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH kann Heilung aber nur dann eintreten, wenn das Schriftstück dem richtigen Adressaten, im vorliegenden Fall dem BF, tatsächlich im Original zukommt. Keinesfalls ausreichend ist es, wenn letzterer lediglich - etwa im Rahmen einer Akteneinsicht oder auf andere Weise - Kenntnis vom Inhalt erlangt bzw. wenn ihm lediglich Kopien, Ablichtungen o.ä. übermittelt werden (vgl. etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2018/08/0004 mwV; 3.10.2013, 2013/09/0103). Die Einbringung des Rechtsmittels durch den richtigen Bescheidadressaten bedeutet per se noch nicht, dass diesem das Original des Schriftstücks tatsächlich zugekommen ist (vgl. VwGH 19.5.1993, 93/09/0041). Im vorliegenden Fall war dem BF vor der Beschwerdeerhebung am 16.5.2019 feststellungsgemäß (ausgehend von den wiederholten eigenen Ausführungen) nicht die Originalausfertigung des Bescheides zugekommen, sondern wurden ihm lediglich eine oder mehrere Kopien und allenfalls auch Fotos übermittelt bzw. wurde er allenfalls zusätzlich mündlich vom Inhalt verständigt. Da es folglich zu keiner Heilung des Zustellmangels gemäß § 7 ZustG gekommen ist, richtete sich die vorliegende Beschwerde zum Zeitpunkt ihrer Erhebung gegen einen nicht rechtswirksam erlassenen „Nicht-Bescheid“ und war sie daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu II (§ 25 a Abs. 1 VwGG):

Die Unzulässigkeit der Revision war auszusprechen, da sich im Beschwerdeverfahren keine entscheidungsrelevanten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG stellten. Die Entscheidung folgt klaren verfahrensgesetzlichen Vorgaben in Verbindung mit der jeweils zitierten gefestigten Rechtsprechung des VwGH zum einschlägigen Vertretungs- und Zustellrecht. Die thematisch im Raum stehende grundsätzliche Rechtsfrage, ob allenfalls die mangelhafte Zustellung eines amtssignierten Schriftstücks durch Zukommen einer Abschrift heilen kann (vgl. sg. etwa VwGH 27.3.2014, 2013/10/0244; 11.11.2013, 2012/22/0126 zur Zustellung via Telefax) ist hier nicht entscheidend, da sich die belangte Behörde bei der Bescheidausfertigung nachweislich keiner elektronischen Signatur bedient hat. Im Übrigen erfolgte eine rechtliche Einzelfallbeurteilung, welche ebenso wie die zu Grunde liegende Beweiswürdigung im Regelfall nicht der Nachprüfung im Revisionsweg unterliegt (vgl. VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0097; 24.2.2016, Ra 2016/04/0013, mwV).

Schlagworte

Beschwerdeerhebung; Zustellungsvollmacht; Zustellungsbevollmächtigung; Zustellmangel; Heilung von Zustellmängeln; Bote

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.151.079.7490.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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