TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/21 W195 2162329-3

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Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

AsylG 2005 §34 Abs4
AVG §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W195 2162329-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael Sachs als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

I.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der XXXX und stellte am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Der Antrag wurde hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Es wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung nach XXXX ausgesprochen und für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX ab. Eine in der Folge beim VwGH erhobene außerordentliche Revision wurde von diesem mit Beschluss vom XXXX zurückgewiesen.

Darüber hinaus verhängte das BFA gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom XXXX eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 200,00 und begründete diese mit der Vorlage von gefälschten Beweismitteln in seinem Verfahren auf internationalen Schutz.

I.2. Am XXXX stellte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf internationalen Schutz vor dem BFA.

Begründend führte die Beschwerdeführerin dazu bei ihrer Erstbefragung am XXXX sowie in den Einvernahmen vor dem BFA am XXXX bezugnehmend auf einen neuen Fluchtgrund aus, dass ihr Ehemann XXXX neuerliche Probleme im Herkunftsstaat XXXX habe und die Probleme ihres Ehemannes auch als ihre Probleme zu betrachten seien. Dem Ehemann der Beschwerdeführerin drohe im Herkunftsstaat ein fingiertes, willkürliches Gerichtsverfahren sowie Haft, da sich ein Mann namens XXXX an ihm rächen wolle und gegen den hinduistischen Glauben der Familie sei.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin legte bei seiner Erstbefragung vor dem BFA vom XXXX zum Beweis der Anklage und des Haftbefehls gegen ihn in seinem Herkunftsstaat, sowohl in XXXX als auch in der englischen Übersetzung Schriftstücke des "Court of Metropolitan Magistrate, XXXX " vom XXXX , vor, die sich nach der Überprüfung der Staatendokumentation des BFA auf ihren Wahrheitsgehalt mittels eines Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft in XXXX als gefälscht herausstellten.

I.3. Schließlich wurde der Folgeantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid des BFA vom XXXX wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf 4 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid setzte sich auch mit den Länderfeststellungen zu XXXX und dem Rechercheergebnis der Staatendokumentation des BFA, inklusive der Stellungnahme des Vertrauensanwaltes auseinander.

Des Weiteren veranlasste das Ergebnis der Erhebungen die Behörde dazu über die Beschwerdeführerin mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom XXXX , eine Mutwillensstrafe in Höhe von XXXX zu verhängen. In der Begründung wird dazu näher ausgeführt, dass bei Nichtvorlage der Fälschungen das Verfahren vor dem BFA bereits im XXXX entscheidungsreif gewesen wäre und es der Beschwerdeführerin stets bewusst sein hätte müssen, dass sie dadurch das Verfahren verschleppen oder sich einen Aufenthaltsstatus erschleichen würde, der ihr von Rechts wegen nicht zustehe. Darüber hinaus habe sie durch den Folgeantrag die Tätigkeit der Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen, da aufgrund des Erstverfahrens in Zusammenschau mit der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin keine neuen Gründe habe vorbringen können, ihr jedenfalls bewusst gewesen sei, dass die Zuerkennung eines Schutzstatus nicht in Betracht komme. Sohin habe die Beschwerdeführerin in der Absicht der Verfahrensverschleppung falsche Angaben gemacht, das Verfahren dadurch willkürlich um rund elf Monate verschleppt sowie die Tätigkeit der Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen.

Die Höhe der Strafe von XXXX sah die Behörde in Anbetracht der Verzögerung des Verfahrens sowie des Unrechtsgehalts als angemessen an, um die Beschwerdeführerin von weiteren derartigen Handlungen abzuhalten, wobei auch die offene Mutwillensstrafe des Ehemannes der Beschwerdeführerin aus dem vorherigen Verfahren, berücksichtigt worden sei.

I.4. Der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde in Bezug auf die Zurückweisung wegen entschiedener Sache wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX , stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben, da das Vorgehen der belangten Behörde, die Anträge der gegenständlichen Beschwerdeführerin sowie deren Ehemann und erstgeborenen Sohn gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, den Antrag des in der Familie neugeborenen zweiten Kindes jedoch inhaltlich zu entscheiden und abzuweisen, nicht im Einklang mit § 34 Abs. 4 AsylG 2005 stehe, da diese Bestimmung dahingehend zu verstehen sei, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen sei.

I.5. Gegen die Verhängung der Mutwillensstrafe richtet sich die von der Beschwerdeführerin gegenständlich erhobene Beschwerde vom XXXX . Darin wird ausgeführt, dass selbst wenn in Verschleppungsabsicht gefälschte Unterlagen vorgelegt worden wären, so seien diese vom Ehemann der Beschwerdeführerin und nicht von ihr selbst vorgelegt worden und sei das Verhalten des Ehemannes anderen Personen nicht anzulasten. Außerdem werde der behördlichen Feststellung, wonach das vorgelegte Dokument eine Totalfälschung sei, entschieden entgegengetreten. Darüber hinaus sei kein Parteiengehör gewährt und auch keine der Tatbestandalternativen des § 35 AVG verwirklicht worden.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren und bengalische Staatsangehörige.

1.2. Verheiratet ist die Beschwerdeführerin seit dem Jahr XXXX mit XXXX (Ehemann).

1.3. Am XXXX stellte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und begründete diesen in den Einvernahmen vor dem BFA vom XXXX damit, dass sie nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren könne, da ihr Ehemann dort umgebracht werde bzw. 12-14 Jahre ins Gefängnis gehen müsse und dadurch auch die gesamte Familie in Gefahr sei. In XXXX könne man mit wenig Geld einen Menschen umbringen lassen. Die Probleme ihres Ehemannes seien auch ihre Probleme, zumal sie auch Hindu und somit in Gefahr sei.

1.4. Der Ehemann der Beschwerdeführerin begründete wiederholt in den Einvernahmen vor dem BFA vom XXXX - trotz Hinweis auf die rechtlichen Konsequenzen von falschen Aussagen - seinen Folgeantrag damit, dass ein Mann namens XXXX die Familie bedrohe, da er gegen den Glauben der Hindus sei und aus Rache gegen ihn eine Anklage vor dem "Court of Chief Metropolitan Magistrat" erhoben habe und ihm daher in seinem Herkunftsland ein Gerichtsverfahren sowie Haft drohe. Zum Beweis seines neuen Fluchtgrundes legte der Ehemann der Beschwerdeführerin in seiner Erstbefragung vom XXXX sowohl in XXXX als auch in Englisch übersetzter Sprache Schriftstücke vor, die das drohende Gerichtsverfahren sowie den Haftbefehl wegen gefährlicher Drohung beim "Court of Chief Metropolitan Magistrat" belegen sollten. Die vorgelegten Schriftstücke stellen sich jedoch nach dem Bericht des Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft XXXX auf Anfrage der Staatendokumentation des BFA als gefälscht bzw. inhaltlich unrichtig heraus.

1.5. Daraufhin verhängte das BFA über die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom XXXX aufgrund von Verfahrensverschleppung und offenbar mutwilliger Inanspruchnahme der Behörde eine Mutwillensstrafe in Höhe von XXXX

1.6. In dem Verfahren vor dem BFA der Beschwerdeführerin wurden folgende Dokumente vorgelegt: "Anm.: Eine Überweisung zum Gynäkologen, eine Schwangerschaftsbestätigung und eine Bestätigung über einen Deutschkurs wurden vom Gatten vorgelegt und werden in Kopie zum Akt genommen" (AS 72).

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend insbesondere die Niederschriften der Einvernahmen der Beschwerdeführerin vor dem BFA vom XXXX sowie XXXX , den Bescheid des BFA vom XXXX sowie die verfahrensgegenständliche Beschwerde an das BVwG vom XXXX . Der Sachverhalt ist unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen (insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung) abgesehen werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde:

Aus § 34 Abs. 1 AsylG 2005 ergibt sich, dass jeder Antrag eines Familienangehörigen ex lege als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gilt". Die Behörde hat bei einem Antrag eines Familienangehörigen somit in jedem Fall die Bestimmungen des Familienverfahrens anzuwenden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass jeder Antrag eines Familienangehörigen gesondert zu prüfen und über jeden mit gesonderten Bescheid abzusprechen ist (vgl. VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063). Es sind daher für jeden Antragsteller allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln. Nur wenn solche - nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren - nicht hervorkommen, ist dem Antragsteller jener Schutz zu gewähren, der bereits einem anderen Familienangehörigen gewährt wurde (vgl. VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063).

Das Verfahren der Beschwerdeführerin wurde gemeinsam mit den Verfahren ihres Ehemannes und der Kinder gemäß § 34 AsylG 2005 als Familienverfahren geführt. Das BFA ermittelte und überprüfte im Rahmen der Einvernahmen für jeden der Antragsteller eigene Fluchtgründe. Die Beschwerdeführerin gab vor dem BFA an, aus zwei Gründen geflohen zu sein, der eine sei, dass sie Hindu sei und der andere Grund seien die Fluchtgründe bzw. Probleme ihres Ehemannes (AS 77). Als für das Verfahren relevante Beweismittel und Dokumente legte die Beschwerdeführerin eine Überweisung zum Gynäkologen, eine Schwangerschaftsbestätigung und eine Bestätigung über einen Deutschkurs vor.

§ 35 AVG lautet:

"Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, als auch die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (vgl. VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann - außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde - auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist auch die bewusst unrichtige Begründung des Antrages. Eine Verhängung der Mutwillensstrafe ist dann gerechtfertigt, wenn aus den wechselnden, einander widersprechenden Angaben der Partei und der Begründung von Rechtsmitteln ersichtlich ist, dass diese im Bewusstsein ihrer Grundlosigkeit eingebracht wurden und damit offenbar nur die Verschleppung der endgültigen Erledigung bezweckt wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) "Person", welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Strafbarer Mutwille bei Antragstellung hat das Bewusstsein von der Grundlosigkeit dieses Antrags zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Antrag daher dann gestellt, wenn sich der Antragsteller wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für einen Antrag gibt (vgl. VwGH 08.11.2000, 97/21/0023).

Die Beschwerdeführerin stützte ihren Fluchtgrund des Folgeantrages in dem Verfahren vor dem BFA weder auf gefälschte Beweismittel und verschleppte damit auch nicht durch bewusst unrichtige Angaben mutwillig das Verfahren, noch nahm die Beschwerdeführerin die Tätigkeit der Behörde offenbar mutwillig in Anspruch, da der Beschwerdeführerin nicht unterstellt werden kann, dass sich ihr Antrag wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder es ihr zweifellos bewusst war, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für den Antrag gibt. Die gefälschten Beweismittel wurden vom Ehemann der Beschwerdeführerin zur Begründung seines eigenen Fluchtgrundes in seinem Asylverfahren vorgelegt und können der Beschwerdeführerin nicht angelastet werden. Darüber hinaus brachte die Beschwerdeführerin einen eigenen Fluchtgrund, nämlich jenen der Zugehörigkeit zur hinduistischen Religionsgemeinschaft vor. Aufgrund der Möglichkeit der Verschlechterung der Situation bezugnehmend auf die Verfolgung der hinduistischen Religionsgemeinschaft im Herkunftsstaat, kann nicht von vornherein von einer Aussichtslosigkeit - bzw. Grundlosigkeit des gestellten Antrages ausgegangen werden, zumal auch die Niederschriften keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür geben, dass sich die Beschwerdeführerin der Grund- und Aussichtslosigkeit bzw. der Nutz- und Zwecklosigkeit ihres zweiten Antrags bewusst war.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beschwerdeführerin, befragt vom BFA hinsichtlich einer Stellungnahme zu den vorgelegten Beweismitteln ihres Ehemanns folgendes angab: "Ich möchte ergänzen, dass Sie die Dokumente genau anschauen und untersuchen und dann eine Entscheidung fällen. Ich ersuche, dass Sie das ganze unbefangen angehen und dass Österreicher über diese Sache entscheiden. Wenn die Beweismittel falsch sein sollten, bin ich jederzeit bereit eine Strafe zu zahlen. [...]" (AS 193). Vielmehr handelt es sich bei dem Fluchtgrund im Zusammenhang mit den gefälschten Beweismitteln um jenen des Ehemannes und ist die Prüfung dieses Fluchtgrundes nicht dem Verfahren der Beschwerdeführerin zugrunde gelegt.

Vor diesem Hintergrund kann die mutwillige Inanspruchnahme der Behörde sowie die mutwillige Verschleppung des Verfahrens, durch eine bewusst unrichtige Vorlage von gefälschten Beweismitteln seitens des Ehemannes, der Beschwerdeführerin in ihrem eigenen Verfahren nicht angelastet werden, da gemäß der Vorschriften des Familienverfahrens im Sinne des § 34 AsylG 2005 die Anträge und individuellen Fluchtgründe für jedes Familienmitglied gesondert zu prüfen sind und nur im Falle des Nichtvorliegens eigener Fluchtgründe, dem bzw. der Antragsteller/in jener Schutz zu gewähren ist, der einem anderen Familienangehörigen gewährt wird. Darüber hinaus wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin weder im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit noch der Zweck- und Nutzlosigkeit gestellt, da sich die Beschwerdeführerin nicht wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützte und es nicht zweifellos und auch ihr bewusst war, dass der vorliegende Tatbestand der Hindu-Religionszugehörigkeit keinen Grund für einen zweiten Antrag gibt.

Da die Mutwillensstrafe im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zu verhängen war, ist auch nicht näher auf die general- und spezialpräventive Wirkung einzugehen; des Weiteren erübrigen sich auch hinsichtlich der mangelnden Feststellungen zur Höhe des Einkommens der Beschwerdeführerin weitere Ausführungen.

3.2. Zur Verletzung des Parteiengehörs vor der belangten Behörde:

Hinsichtlich der Rüge in der Beschwerde, dass das Parteiengehör verletzt wurde, da der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gegeben worden sei, zu dem Ermittlungsergebnis der Staatendokumentation des BFA, insbesondere zu dem Überprüfungsergebnis des Vertrauensanwaltes Stellung zu nehmen, ist festzuhalten, dass dieser Mangel als geheilt anzusehen ist, da die Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Kenntnis vom Beweisergebnis konnte die Beschwerdeführerin sowohl aus der Begründung des gegenständlich angefochtenen Bescheides als auch aus dem Bescheid über die Entscheidung über den Asylantrag vom XXXX , erlangen. Im Beschwerdeschriftsatz wurde sohin mit Kenntnis über den gesamten relevanten Sachverhalt Stellung genommen (vgl. VwGH 09.05.2017, 2014/08/0065).

3.3. Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Hinblick auf die Stattgebung der Beschwerde, aber auch in Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid bzw. der Beschwerdevorentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der von der Beschwerdeführerin nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Mutwillensstrafe Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W195.2162329.3.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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