TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/21 W195 2162326-3

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Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

AsylG 2005 §34 Abs4
AVG §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W195 2162326-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael Sachs als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , gesetzlicher Vertreter XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

I.1. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Salzburg geboren und ist Staatsangehöriger der Republik XXXX . Seine Eltern XXXX geboren am XXXX und XXXX , geboren am XXXX stellten am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Der Beschwerdeführer stellte, gesetzlich vertreten durch seine Mutter am XXXX , eingelangt beim BFA Regionaldirektion XXXX am XXXX , ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag wurde hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Es wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch ausgesprochen und für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX ab. Eine in der Folge beim VwGH erhobene außerordentliche Revision wurde von diesem mit Beschluss vom XXXX zurückgewiesen.

Darüber hinaus verhängte das BFA gegen den Vater des Beschwerdeführers mit Bescheid vom XXXX eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 200,00 und begründete diese mit der Vorlage von gefälschten Beweismitteln in dem Verfahren auf internationalen Schutz.

I.2. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, einen Folgeantrag auf internationalen Schutz vor dem BFA, gestützt auf die Fluchtgründe seiner Eltern, insbesondere jenen des Vaters.

Den Folgeantrag begründete der Vater des Beschwerdeführers in seinen Einvernahmen vor dem BFA damit, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ein fingiertes, willkürliches Gerichtsverfahren sowie Haft drohe, da sich ein Mann namens XXXX an ihm rächen wolle und gegen den hinduistischen Glauben der Familie sei.

Der Vater des Beschwerdeführers legte bei seiner Erstbefragung vor dem BFA am XXXX zum Beweis der Anklage und des Haftbefehls gegen ihn in seinem Herkunftsstaat, sowohl in Bengali als auch in der englischen Übersetzung Schriftstücke des "Court of Metropolitan Magistrate, XXXX " vom XXXX , vor, die sich nach der Überprüfung der Staatendokumentation des BFA auf ihren Echtheit- bzw. Wahrheitsgehalt mittels eines Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft in XXXX , als gefälscht herausstellten.

I.3. Schließlich wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des BFA vom XXXX wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf 4 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid setzte sich auch mit den Länderfeststellungen zu XXXX und dem Rechercheergebnis der Staatendokumentation des BFA, inklusive der Stellungnahme des Vertrauensanwaltes auseinander.

Des Weiteren veranlasste das Ergebnis der Erhebungen die Behörde dazu über den Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch den Vater mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom XXXX , eine Mutwillensstrafe in Höhe von XXXX zu verhängen. In der Begründung wird dazu näher ausgeführt, dass der Beschwerdeführer das Verfahren um mehrere Monate verschleppt habe, da von den Eltern des Beschwerdeführers zum wiederholten Male gefälschte Beweismittel vorgelegt worden seien und den Eltern des Beschwerdeführers stets bewusst sein hätte müssen, dass sie dadurch das Verfahren verschleppen oder sich einen Aufenthaltsstatus erschleichen würden, der ihnen von Rechts wegen nicht zustehe. Darüber hinaus sei von den Eltern des Beschwerdeführers durch den Folgeantrag die Tätigkeit der Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen worden, da aufgrund des Erstverfahrens in Zusammenschau mit der Tatsache, dass die Eltern des Beschwerdeführers keine neuen Gründe haben vorbringen können, ihnen jedenfalls bewusst gewesen sei, dass die Zuerkennung eines Schutzstatus nicht in Betracht komme.

Die Höhe der Strafe von XXXX sah die Behörde in Anbetracht der Verzögerung des Verfahrens sowie des Unrechtsgehalts als angemessen an, um den Beschwerdeführer von weiteren derartigen Handlungen abzuhalten, wobei auch die offene Mutwillensstrafe des Vaters des Beschwerdeführers aus dem vorherigen Verfahren, berücksichtigt worden sei.

I.4. Der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde in Bezug auf die Zurückweisung wegen entschiedener Sache wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX , stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben, da das Vorgehen der belangten Behörde, die Anträge des gegenständlichen Beschwerdeführers sowie der Eltern gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, den Antrag des in der Familie neugeborenen zweiten Kindes jedoch inhaltlich zu entscheiden und abzuweisen, nicht im Einklang mit § 34 Abs. 4 AsylG 2005 stehe, da diese Bestimmung dahingehend zu verstehen sei, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen sei.

I.5. Gegen die Verhängung der Mutwillensstrafe richtet sich die vom Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch seinen XXXX gegenständlich erhobene Beschwerde vom XXXX . Darin wird ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer selbst an der Strafmündigkeit fehle. Sowohl im VStG als auch im Kriminalstrafrecht werde von einer Strafmündigkeit ab dem Alter von 14 Jahren ausgegangen. Es sei systemwidrig, wenn im Verwaltungsstrafrecht und im Kriminalstrafrecht eine Strafunmündigkeit bis zum Alter von 14 Jahren bestehe, bei Mutwillensstrafen aber keine Strafmündigkeitsgrenze angenommen werde. Außerdem werde der behördlichen Feststellung, wonach das vorgelegte Dokument eine Totalfälschung sei, entschieden entgegengetreten. Die Behörde habe in den Raum gestellt, dass die Eltern des Beschwerdeführers das Verfahren willkürlich um Monate verschleppt hätten, es mangle daher auch an der persönlichen Vorwerfbarkeit der Verfahrensverschleppung des Beschwerdeführers. Darüber hinaus sei kein Parteiengehör gewährt und auch keine der Tatbestandalternativen des § 35 AVG verwirklicht worden.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist der am XXXX in Österreich geborene Sohn von XXXX , geboren am XXXX und XXXX geboren am XXXX . Der Beschwerdeführer ist XXXX Staatsangehöriger.

1.2. Die gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers sind seine XXXX und XXXX .

1.3. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch die Mutter, einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und leitete seine Fluchtgründe von den Eltern, insbesondere von jenen des Vaters ab. In der Einvernahme vor dem BFA am XXXX teilte der Vater des Beschwerdeführers mit, dass er hier als gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers spreche, der Beschwerdeführer in Österreich geboren und seit der Geburt in der Obhut des Vaters sei, der Beschwerdeführer daher keine eigenen Flucht- oder Asylgründe habe und für den Beschwerdeführer dieselben Fluchtgründe gelten wie für den Vater selbst (vgl. XXXX ).

1.4. Der Vater des Beschwerdeführers begründete wiederholt in den Einvernahmen vor dem BFA vom XXXX - trotz Hinweis auf die rechtlichen Konsequenzen von falschen Aussagen - seinen Folgeantrag damit, dass ein Mann namens XXXX die Familie bedrohe, da er gegen den Glauben der Hindus sei und aus Rache gegen ihn eine Anklage vor dem "Court of Chief Metropolitan Magistrat" erhoben habe und ihm daher in seinem Herkunftsland ein Gerichtsverfahren sowie Haft drohe. Zum Beweis seiner Fluchtgründe legte der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung vom XXXX sowohl in XXXX als auch in Englisch übersetzter Sprache Schriftstücke vor, die das drohende Gerichtsverfahren sowie den Haftbefehl wegen gefährlicher Drohung beim "Court of Chief Metropolitan Magistrat" belegen sollten. Die vorgelegten Schriftstücke stellen sich jedoch nach dem Bericht des Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft XXXX auf Anfrage der Staatendokumentation des BFA als gefälscht bzw. inhaltlich unrichtig heraus.

1.5. Daraufhin verhängte das BFA über den Vater sowie auch über die Mutter des Beschwerdeführers mit Bescheid vom XXXX aufgrund von Verfahrensverschleppung und offenbar mutwilliger Inanspruchnahme der Behörde eine Mutwillensstrafe in Höhe von je XXXX .

1.6. Adressat des gegenständlichen Bescheides über die Mutwillensstrafe ist der Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch dessen Vater. Das BFA begründete die Verhängung der Mutwillensstrafe damit, dass die Eltern des Beschwerdeführers gefälschte Beweismittel bei der Stellung des Asylantrages vorlegten, wodurch der Beschwerdeführer das Verfahren um mehrere Monate verschleppte sowie die Tätigkeit der Behörde von den Eltern des Beschwerdeführers dadurch offenbar mutwillig in Anspruch genommen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend die Niederschriften der Einvernahme vom XXXX der Mutter des Beschwerdeführers, die Einvernahmen des Vaters des Beschwerdeführers vom XXXX , den Bescheid vom XXXX sowie die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom XXXX . Der Sachverhalt ist unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen abgesehen werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde:

§ 35 AVG lautet:

"Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, als auch die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (vgl. VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (vgl. VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann - außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde - auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist auch die bewusst unrichtige Begründung des Antrages (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) "Person", welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) (vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707, ferner Hengstschläger/Leeb, AVG § 34 Rz 16) oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Als "Person" iSd § 34 Abs. 3 AVG und damit als "Täter" ist nach der Rsp des VwGH anzusehen, wer dadurch mit der Behörde in Verkehr tritt, dass er eine schriftliche Eingabe mit beleidigendem Inhalt an diese richtet (bei der Behörde einbringt) sei es im eigenen Namen oder im Vollmachtsnamen eines anderen (vgl. VwGH 12.09.1969, 1885/68; diesem folgend VwGH 03.10.1986, 86/18/0219). In Betracht kommen somit der prozessfähige Beteiligte im iSd § 8 AVG, also derjenige der das Anbringen in seinem Namen einbringt oder der in seinem Namen auftretende gesetzliche Vertreter oder der vom prozessfähigen oder vom gesetzlichen Vertreter bestellte Bevollmächtigte [...] (vgl. Hengstschläger/Leeb, ABG § 34 Rz 16).

Gemäß § 17 VwGVG iVm § 9 AVG ist insoweit die persönliche Rechts- und

Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, diese von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Auch gemäß § 10 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz ist für den Eintritt der Handlungsfähigkeit in Verfahren vor dem Bundesamt, vor den Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG und in einem Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 BFA-Verfahrensgesetz vor dem Bundesverwaltungsgericht ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich. Gemäß Abs. 2 ist vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht jeder Elternteil für sich zur Vertretung des Kindes befugt.

Unmündige Minderjährige, das sind gemäß § 21 Abs. 2 ABGB Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze und können daher ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten, sind also grundsätzlich geschäfts- und damit prozessunfähig (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 9, Rz 14).

Wird eine Verfahrenshandlung von oder gegen einen Prozessunfähigen selbst gesetzt, ist sie unwirksam und entfaltet keine Rechtswirkung. Prozesshandlungen nicht prozessfähiger natürlicher Personen setzen ihre gesetzlichen Vertreter (vgl. Mayrhofer/Metzler in Handbuch Verwaltungsgerichtsbarkeit, Hrsg. Fischer/Pabel/Raschauer, Kapitel 13, Rz 23 und 26).

Bei dem Beschwerdeführer, geboren am XXXX , handelt es sich um einen unmündigen Minderjährigen. Er wurde sowohl von seinem Vater als auch von seiner Mutter in dem Verfahren über den Folgeantrag auf internationalen Schutz vom XXXX vor dem BFA gesetzlich vertreten. Hinsichtlich des Bescheides betreffend die Mutwillensstrafe vom XXXX , ist der Vater als gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers angeführt, der in seiner Einvernahme vor dem BFA am XXXX auch mitteilte als gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers zu sprechen sowie, dass sein Sohn keine eigenen Flucht- oder Asylgründe habe und daher für den Sohn dieselben Fluchtgründe wie für den Vater selbst gelten würden (vgl. W195 2161642-3, AS 116). Der Vater untermauerte seinen eigenen neuen Fluchtgrund mit Beweismitteln, welche sich gemäß den Erhebungen der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl als gefälscht herausstellten.

Mit Bescheid vom XXXX , betreffend die Verhängung der Mutwillensstrafe wird in der Begründung unzweifelhaft auf den unmündigen Beschwerdeführer als Adressaten selbst abgestellt und ist dieser in Bezug auf den Vorwurf der Urkundenfälschung auch an den unmündigen Minderjährigen selbst und nicht an seinen gesetzlichen Vertreter gerichtet: "Am XXXX stellten ihre Eltern neuerlich einen Asylantrag [...]. Mit XXXX langte ho. eine Anfragebeantwortung ein, aus der herausging, dass es sich neuerlich um Fälschungen handelt, wodurch Sie das Verfahren wiederum um mehrere Monate verschleppten." [...] "Die Höhe der Strafe ist der Verzögerung des Verfahrens sowie dem Unrechtsgehalt angemessen, um Sie von weiteren derartigen Handlungen abzuhalten."

Es handelt sich bei dem Adressaten des gegenständlich in Beschwerde gezogenen Bescheides der Mutwillensstrafe um einen unmündigen minderjährigen Beschwerdeführer. Strafbar im Sinne des § 35 AVG ist jede prozessfähige "Person", die das Anbringen eingebracht hat. Im Hinblick auf die Erläuterungen zu § 34 Abs. 3 AVG kann es sich auch bei dem Adressaten der Mutwillensstrafe nur um einen prozessfähigen Beteiligten, der das Anbringen im eigenen Namen einbringt oder einen in seinem Namen auftretende gesetzliche Vertreter oder einen vom prozessfähigen Beteiligten oder vom gesetzlichen Vertreter bestellten Bevollmächtigten handeln. Die gefälschten Beweismittel wurden nicht vom Beschwerdeführer selbst, sondern vom Vater als gesetzlicher Vertreter eingebracht und wurden im Verfahren auf internationalen Schutz auch nicht vom Beschwerdeführer selbst, sondern von seinem Vater unrichtige Angaben gemacht. Als strafbare prozessfähige "Person" im Sinne des § 35 AVG kommt daher gegenständlich ausschließlich der gesetzliche Vertreter, sohin der Vater des Beschwerdeführers in Betracht und nicht der prozessunfähige unmündige minderjährige Beschwerdeführer. Der Vater des Beschwerdeführers erhielt bereits im Rahmen eines eigenen Verfahrens für die Vorlage der gegenständlich in Rede stehenden gefälschten Beweismittel eine Mutwillensstrafe in Höhe von XXXX .

Gemäß der höchstgerichtlichen Judikatur entbehrt die Ansicht der Behörde, die (minderjährigen) Fremden hätten sich das Fehlverhalten ihres gesetzlichen Vertreters zurechnen zu lassen, jedoch einer gesetzlichen Grundlage (vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/22/0212).

Das BFA geht im gegenständlich in Beschwerde gezogenen Bescheid davon aus, dass der Tatbestand der Mutwillensstrafe gemäß § 17 VwGVG iVm § 35 AVG dadurch verwirklicht worden sei, dass der Vater bzw. die Eltern des Beschwerdeführers in der Absicht der Verfahrensverschleppung durch die Vorlage gefälschter Beweismittel falsche Angaben gemacht sowie die Tätigkeit der Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen haben.

Aus der Bescheidbegründung ist erkennbar, dass das BFA bei der Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen der Mutwillensstrafe - Verfahrensverschleppung sowie die offenbar mutwillig in Anspruch genommene Tätigkeit der Behörde - auf das Verhalten der Eltern, insbesondere jenes des Vaters des Beschwerdeführers abstellt. Das Fehlverhalten des Vaters (Vorlage von gefälschten Beweismitteln vor dem BFA) sowie auch ein vermeintliches Fehlverhalten der Mutter bei Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz, kann dem Beschwerdeführer gemäß der oben angeführten Judikatur des VwGH nicht angelastet werden. Die Fluchtgründe des minderjährigen Beschwerdeführers werden von jenen seiner Eltern, insbesondere jenen seines Vaters abgeleitet (vgl.VwGH 19.12.2012, 2012/22/0212) und zur Untermauerung der Fluchtgründe wurden dem BFA nicht von ihm selbst, sondern von seinem Vater gefälschte Beweismittel dem BFA vorgelegt.

Der höchstgerichtlichen Judikatur folgend wird eindeutig und zweifelsfrei klargestellt, dass gegen einen unmündigen Minderjährigen mangels Prozessfähigkeit eine Mutwillensstrafe nicht erlassen werden kann, sondern nur dessen gesetzlicher Vertreter selbst Adressat der Verfahrenshandlung sein kann, darüber hinaus auch ein Fehlverhalten des gesetzlichen Vertreters (Vorlage von gefälschten Beweismitteln) dem unmündigen Beschwerdeführer bei Antragstellung nicht angelastet werden kann. Vollständigkeitshalber ist abschließend festzuhalten, dass der Vater des Beschwerdeführers bereits im Rahmen eines eigenen Verfahrens eine Mutwillensstrafe in Höhe von XXXX erhalten hat.

Da die Mutwillensstrafe im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zu verhängen war, ist auch nicht näher auf die general- und spezialpräventive Wirkung einzugehen; des Weiteren erübrigen sich auch hinsichtlich der mangelnden Feststellungen zur Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers weitere Ausführungen.

3.2. Zur Verletzung des Parteiengehörs vor der belangten Behörde:

Hinsichtlich der Rüge in der Beschwerde, dass das Parteiengehör verletzt wurde, da den Eltern des Beschwerdeführers keine Gelegenheit gegeben worden sei, zu dem Ermittlungsergebnis der Staatendokumentation des BFA, insbesondere zu dem Überprüfungsergebnis des Vertrauensanwaltes Stellung zu nehmen, ist festzuhalten, dass dieser Mangel als geheilt anzusehen ist, da die Eltern des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Kenntnis vom Beweisergebnis konnten die gesetzlichen Vertreter als auch die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers sowohl aus der Begründung des gegenständlich angefochtenen Bescheides als auch aus dem Bescheid über die Entscheidung über den Asylantrag vom XXXX , erlangen. Im Beschwerdeschriftsatz wurde sohin mit Kenntnis über den gesamten relevanten Sachverhalt Stellung genommen (vgl. VwGH 09.05.2017, 2014/08/0065).

3.3. Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Hinblick auf die Stattgebung der Beschwerde, aber auch in Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid bzw. der Beschwerdevorentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. den gesetzlichen Vertretern in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der vom Beschwerdeführer bzw. den gesetzlichen Vertretern nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Minderjährigkeit Mutwillensstrafe Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W195.2162326.3.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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