Entscheidungsdatum
02.12.2019Norm
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1Spruch
W102 2200702-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 04.06.2018, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.10.2018 zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stattgeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 01.08.2018, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.10.2018 zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß stattgeben. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.03.2020 erteilt
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 29.07.2015 stellte der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, einen Antrag auf internationalen Schutz den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 08.03.2017 (in der Folge Zuerkennungsbescheid) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abwies. Außerdem wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.03.2018 erteilt. Diesbezüglich führte die belangte Behörde begründend aus, die Herkunftsregion des Beschwerdeführers zähle zu den immer wieder von Kampfhandlungen betroffenen Regionen. Auch könne für den Beschwerdeführer als Hazara und Schiit eine potentielle Gefährdung durch die sunnitische Mehrheit nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers und seiner fehlenden Berufsausbildung wäre es für ihn in Afghanistan schwer, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Die Versorgungslage und die allgemeinen Lebensbedingungen seien schlecht.
Am 18.01.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.
2. Mit angefochtenem Bescheid vom 04.06.2018 (in der Folge Aberkennungsbescheid), zugestellt am 08.06.2018, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer - nach niederschriftlicher Einvernahme am 21.03.2018 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), entzog dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG die mit Bescheid vom 08.03.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen. Der Beschwerdeführer sei gesund, volljährig und im arbeitsfähigen Alter und spreche eine Sprache des Herkunftsstaates. In der Herkunftsprovinz habe es eine geringe Verbesserung betreffend Talibanangriffe gegeben und sei die Herkunftsprovinz von Kabul aus erreichbar. Der Beschwerdeführer habe auch Schulbildung und im Bundesgebiet Kurse besucht, er habe Arbeitserfahrung als Schneider und als Landwirt. Der Bruder lebe noch in der Herkunftsprovinz. Der Beschwerdeführer könne Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Der Beschwerdeführer sei mit den vor Orte herrschenden landeskundlichen Bedingungen vertraut und sei ihm zumutbar, im Herkunftsstaat fußzufassen.
3. Am 04.07.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass sich weder die persönliche Situation des Beschwerdeführers noch die Sicherheitslage im Herkunftsstaat im Vergleich zum Zeitpunkt der Gewährung des subsidiären Schutzes nicht maßgeblich gebessert habe. Die Voraussetzungen für die Aberkennung würden folglich nicht vorliegen.
4. Mit angefochtenem Bescheid vom 01.08.2018, zugestellt am 06.08.2018, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 18.01.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ab.
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.08.2018 langte am 18.08.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 15.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seiner Rückkehrsituation und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt. Er brachte auch eine schriftliche Stellungnahme vom 12.10.2018 in Vorlage.
Mit Schreiben vom 24.10.2019 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 07.11.2019 am Bundesverwaltungsgericht ein.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
* Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse, Workshops und andere Bildungsangebote
* Schulzeugnisse
* Diverse Empfehlungsschreiben
* Lebenslauf des Beschwerdeführers
* Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs
* ÖSD-Zertifikat A1 vom 08.11.2017
* ÖSD-Zertifikat A2 vom 07.03.2018
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX in einem Dorf im Distrikt Behsud, Provinz Maidan Wardak, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Deutsch auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Vater des Beschwerdeführers wurde im Krieg getötet, die Mutter des Beschwerdeführers ist verstorben. Der Beschwerdeführer hat einen älteren und einen jüngeren Bruder. Sie leben im Herkunftsdorf, zu ihnen bestand und besteht unregelmäßiger Kontakt.
Im Herkunftsdorf hat die Familie ein Haus und landwirtschaftliche Grundstücke, der ältere Bruder des Beschwerdeführers arbeitet in der Landwirtschaft.
Die Ausreise der Brüder des Beschwerdeführers in den Iran wird nicht festgestellt.
Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat sechs Jahre die Schule besucht und als Schneider und in der Landwirtschaft gearbeitet.
Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer im Schuljahr 2015/16 eine Berufsschule für Systemgastronomie und im Schuljahr 2016/17 die Übergangsstufe einer BMHS besucht. Außerdem hat er an Deutsch- und einigem anderen Kursen und Workshops (z.B. Erste-Hilfe-Kurs, Werte- und Orientierungskurs) teilgenommen und Deutschprüfungen für das Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen am 08.11.2017 und für das Niveau A2 am 07.03.2018 bestanden.
Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keinen Schulabschluss erworben und auch keine Berufsausbildung abgeschlossen.
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen. Die Provinz Maidan Wardak zählt zu den volatilen Provinzen des Herkunftsstaates. Im Jahr 2017 kam es zu einem Rückgang ziviler Opfer um 35 %, wobei Hauptursache für zivile Opfer Bodenoffensiven, gezielte Tötungen und Luftangriffe waren. Im Jahr 2018 kam es im Vergleich zu 2017 um einen Anstieg ziviler Opfer um 170 %, wobei die führenden Ursachen Bodenkämpfe, Selbstmordanschläge und unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen waren. Der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers steht unter Regierungskontrolle und ist kaum von Kampfhandlungen und nicht von Talibanaktivitäten betroffen, wobei dies keine neuere Entwicklung darstellt. Der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers ist nicht sicher erreichbar.
Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten deutlich erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.
In Balkh hat sich die Sicherheitslage - nachdem die Provinz lange zu den relativ ruhigen Provinzen gezählt wurde - ebenso verschlechtert. In Mazar-e-Sharif ist es zu einem Anstieg krimineller Aktivitäten wie Raub, Mord, Entführung etc. gekommen. Im Jahr 2018 ist die Anzahl ziviler Opfer in Balkh im Vergleich zu 2017 um 76 % angestiegen. Hauptursachen sind Bodenkämpfe, Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielte Tötungen. Insbesondere sind die Todesfälle infolge von Bodenoffensiven um 296 % angestiegen. UNOCHA stuft Mazar-e-Sharif hinsichtlich der Schwere des Konfliktes in der zweithöchsten Kategorie ein.
Die Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) hat sich nicht verbessert.
Es gab bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer Rückkehrhilfe nationaler und internationaler Organisationen für Rückkehrer nach Afghanistan.
Versorgungslage und Lebensbedingungen im Herkunftsstaat haben sich, seit dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, nicht verbessert.
2. Beweiswürdigung:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Deutsch auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.
Die Feststellungen zu Identität, Herkunftsort, Staatsangehörigkeit, Geburtsjahr, Lebenswandel und Lebensverhältnisse im Herkunftsstaat, Volksgruppen- und Religionsangehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden Angaben im Verfahren. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Beurteilung in den angefochtenen Bescheiden als Feststellungen zugrunde. Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen beruht auf dem vorgelegten ÖSD-Zertifikat des Beschwerdeführers.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Dass sein Vater verstorben ist sowie, dass er im Krieg getötet wurde, hat der Beschwerdeführer durchgehend angegeben und erscheint dies vor dem Hintergrund der im Herkunftsstaat (und der Herkunftsprovinz: siehe hierzu unten) häufig stattfindenden Kampfhandlungen auch plausibel. Auch, dass seine Mutter kürzlich verstorben ist, hat der Beschwerdeführer durchgehend angegeben.
Zum Verbleib seiner beiden Brüder hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, diese seien zwischenzeitig in den Iran gegangen und begründete dies damit, sie hätten Afghanistan wegen des Krieges verlassen (Verhandlungsprotokoll S. 4). Dass das Herkunftsdorf des Beschwerdeführers angesichts seines Lage in Behsud - dazu sogleich unten - von Kampfhandlungen betroffen sein könnte, die eine Flucht erforderlich machen würden, erscheint allerdings als unwahrscheinlich. Insbesondere lässt sich auch dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 entnehmen, dass es in Behsud im Jahr 2018 nicht zu Vertreibungen gekommen ist (Kapitel 2.34 Wardak, Unterkapitel 2.34.3.2 Displacement, S. 279). Damit erscheint aber nicht plausibel, dass die Brüder kriegsbedingt aus der Herkunftsregion hätten flüchten müssen. Zusätzlich hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch behauptet, die Lage in der Heimatregion sei sehr schlecht, in Behsud sei Krieg und die Lage verschlechtere sich (Verhandlungsprotokoll S. 4-5). Vor dem Hintergrund der Länderberichte (siehe dazu im Detail unten) erweist sich auch dies als unplausibel, sodass im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus dem Aussageverhalten des Beschwerdeführers der Eindruck entsteht, dass dieser seine Angaben möglichst auf einen für ihn günstigen Verfahrensgang hin tätigt, ohne sich dabei von den Tatsachen leiten zu lassen.
Folglich geht das Bundesverwaltungsgericht - mangels glaubhafter Angaben und Hinweise auf diesbezügliche Änderungen - davon aus, dass die beiden Brüder unverändert im Herkunftsdorf verblieben sind und die Landwirtschaft der Familie betreiben und hat entsprechende Feststellungen getroffen. Kontakt hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung behauptet, wobei unklar ist, ob er dies nur angegeben hat, um angeben zu können, seine Brüder seien in den Iran geflüchtet. Andererseits hat der Beschwerdeführer durchgehend angegeben, dass grundsätzlich - wenn auch selten und unregelmäßig - Kontakt besteht.
Dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat sechs Jahre die Schule besucht und als Schneider und in der Landwirtschaft gearbeitet hat, hat er durchgehend angegeben und insbesondere hegte auch die belangte Behörde daran keine Zweifel.
Die Feststellungen zu den Bildungsaktivitäten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich aus seinen dazu vorgelegten Bestätigungen. Diesen lässt sich nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer einen Schulabschluss erworben oder eine Berufsausbildung abgeschlossen hätte. Folglich wurde eine entsprechende Feststellung getroffen.
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance von Juni 2019 und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz basieren im Wesentlichen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.33. Wardak/Maidan Wardak sowie auf dem Afghanistan. Security Situation von Juni 2019, Kapitel 2.34 Wardak, S. 275 ff.
Der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers wird im EASO COI Report. Afghanistan. Security Situation von Juni 2019 als unter Regierungskontrolle stehend ohne offene Talibanpräsenz ausgewiesen (Kapitel 2.34 Wardak, insbesondere Tabelle auf S. 277), wobei nicht etwa von seiner erst kürzlich Stabilisierung berichtet wird. Viel mehr gehört der Herkunftsdistrikt im Westen der Provinz zum Kernland des Hazaradschat (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.2. Hazara), wobei die Taliban in Hazara-Siedlungsgebieten kaum Rückhalt erfahren. Folglich wurde festgestellt, dass es sich hierbei nicht um eine neuere Entwicklung handelt.
Zur Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könne seine Herkunftsprovinz sicher erreichen, ist auszuführen, dass zwar richtig ist, dass die Kabul-Kandahar-Autobahn durch die Herkunftsprovinz führt (Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen). Allerdings wird an gleicher Stelle betont, dass der Autobahnabschnitt von ständigen Angriffen durch Aufständische betroffen ist. Auch im Unterkapitel 3.33. Wardak/Maidan Wardak wird insbesondere von Talibanaktivitäten in den Distrikten entlang der Autobahn berichtet. Weiter liegt der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers nicht an der Kabul-Kandahar-Autobahn, sondern ist nach einem sehr kurzen Stück auf der Autobahn von Maidan Shahr aus über eine Provinzstraße zu erreichen, hinsichtlich derer von häufigen Taliban-Checkpoints berichtet wird (Afghanistan. Security Situation von Juni 2019, Kapitel 2.34 Wardak, S. 275). Demnach hat die Feststellung der Behörde, der Beschwerdeführer könne seinen Herkunftsdistrikt nunmehr sicher über die Kabul-Kandahar-Autobahn erreichen, keine Grundlage in den vorliegenden Länderberichten. Weiter entspricht der Schluss der belangten Behörde, der zufolge von einer einigermaßen sicheren Anfahrt auszugehen sei, weil auf der Kabul-Kandahar-Autobahn regelmäßig Busse verkehren würden, schlicht nicht den logischen Denkgesetzen.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlich auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul, den UNHCR-Richtlinien und dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.1 Kabul city, S. 67 ff. So berichten Länderinformationsblatt und UNHCR-Richtlinien von einer Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul sowie von einer Zunahme der zivilen Opfer. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien berichten von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer eines solchen Angriffs zu werden, sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Insbesondere ergibt sich aus dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation auch keine Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul, weswegen eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul festgestellt wurde.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh und Mazar-e Sharif basieren auf dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 3.5. Balkh, S. 108 ff.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat, wo berichtet wird, dass Herat zu den relativ ruhigen Provinzen gehört, obgleich sich die Situation in den abgelegenen Distrikten in den letzten Jahren verschlechtert habe. Es komme zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Ähnlich berichtet auch der EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019 in seinem Kapitel 3.13. Herat (S. 149 ff.), dass es weiterhin Talibanaktivitäten und Kämpfe gibt. Hinsichtlich Herat (Stadt) wird von einem Anstieg der Kriminalität berichtet. Allerdings lässt sich den Berichten ein klarer Trend hinsichtlich der Sicherheitslage weder in Richtung einer Verbesserung noch in Richtung einer Verschlechterung entnehmen.
Die Feststellung von Rückkehrhilfe bereits vor dem 23.03.2018 für Rückkehrer nach Afghanistan ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitte Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig und Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung.
Zur Versorgungslage ist auszuführen, dass in diesem Bereich von einer Verbesserung der Situation nicht berichtet wird. Es wird unverändert von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten, von fortbestehender Abhängigkeit von Hilfsleistungen wegen der unveränderten Konfliktbetroffenheit berichtet (Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft) und lässt sich den Informationen zur allgemeinen Rückkehrsituation ebenso (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr und Kapitel 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge) nicht entnehmen, dass es zu einer Entspannung der Situation gekommen wäre. Zur medizinischen Versorgungslage ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 22. Medizinische Versorgung) eine noch immer deutlich mangelhafte Gesundheitsversorgung, auch wenn grundsätzlich von Fortschritten in den letzten zehn Jahren berichtet wird. Eine Verbesserung der Versorgungslage im Herkunftsstaat ist jedoch nicht ersichtlich, weswegen eine dementsprechende Feststellung getroffen wurde. Weiter geht auch die belangte Behörde nicht von einer Verbesserung der Situation aus, sind dem Aberkennungsbescheid doch keine diesbezüglichen Ausführungen zu entnehmen.
Zur Plausibilität, Seriosität und Aktualität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, in der Fassung der Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019, zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und auch EASO in den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Normen durch explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervorgehoben wird. Folglich stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt I. des Aberkennungsbescheides vom 04.06.2018 (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten)
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.
§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, während § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall jene Konstellationen betrifft, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 m.w.N.).
Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 AsylG ohne explizit zu erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. Aus der Beweiswürdigung, wo die belangte Behörde ausführt, "[d]ie Voraussetzung für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ist in Ihrem Fall nicht mehr gegeben" (Aberkennungsbescheid S. 51, AS 231), in Zusammenschau mit der rechtlichen Beurteilung, wo die belangte Behörde den Norminhalt von § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG wiedergibt (Aberkennungsbescheid S. 53, AS 233), ergibt sich klar, dass die belangte Behörde sich auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftigen Entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sie die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).
In seiner Judikatur zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zeichnet der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen das Prüfschema vor, dass zunächst zu ermitteln ist, ob, seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist eine erneute Gesamtbeurteilung vorzunehmen, bei der alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, auch wenn sie sich vor der letzten Verlängerung ereignet haben (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
Zur unionsrechtskonformen Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zieht der Verwaltungsgerichtshof das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge Statusrichtlinie) heran (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorrübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Eine solche Änderung der Umstände kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen sein, wobei es regelmäßig nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Fallgegenständlich ist folglich zunächst zu prüfen, ob sich, seit dem Beschwerdeführer mit Zuerkennungsbescheid vom 08.03.2017 zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter nach § 8 Abs. 4 AsylG zuerkannt wurde, entweder die Umstände im Herkunftsstaat oder die persönliche Situation des Beschwerdeführers wesentlich und nicht nur vorrübergehend geändert haben.
Wie sich aus dem Zuerkennungsbescheid vom 08.03.2017 ergibt, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen der Betroffenheit der Herkunftsprovinz von Kampfhandlungen, wegen einer potentiellen Gefährdung des Beschwerdeführers als Hazara und Schiit durch die sunnitische Mehrheit zuerkannt, sowie aufgrund seines jugendlichen Alters und seiner fehlenden Berufsausbildung, was bedingt durch die schlechte Versorgungslage und die schlechten allgemeinen Lebensbedingungen zu Schwierigkeiten beim Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz führen würde.
Die maßgeblichen Änderungen der Umstände liegen den Ausführungen der belangten Behörde im Aberkennungsbescheid vom 04.06.2018 zufolge darin, dass der Beschwerdeführer nicht mehr hilfsbedürftig, sondern jung, gesund und arbeitsfähig sei, eine Sprache des Herkunftsstaates spreche, im Bundesgebiet Kurse besucht und Arbeitserfahrung als Schneider und Landwirt habe. Weiter lebe sein Bruder in der Herkunftsprovinz und könne der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen und sei mit den vor Ort herrschenden landeskundlichen Bedingungen vertraut. Folglich sei es ihm zumutbar, im Herkunftsstaat fußzufassen. Auch habe in der Herkunftsprovinz eine geringe Verbesserung betreffend Talibanangriffe stattgefunden und sei die Zufahrt von Kabul zur Herkunftsprovinz über die Hauptautobahn Kabul-Kandahar gewährleistet.
Ihren Ausführungen zufolge geht die belangte Behörde damit sowohl von einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat, als auch von einer Änderung der in der persönlichen Situation des Beschwerdeführers gelegenen Umstände aus.
Zur von der Behörde konstatierten Verbesserung betreffend Talibanangriffe ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht in dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellten Rückgang - den die Behörde im Übrigen selbst lediglich als "geringe Verbesserung" (Aberkennungsbescheid S. 7, AS 187) bezeichnet - zunächst für sich genommen keine nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz und sohin keine Änderung der Umstände iSd Art. 16 Statusrichtlinie erblickt. Zur Nachhaltigkeit der geringfügigen Verbesserung ist dem festgestellten Sachverhalt zudem für das Folgejahr ein Anstieg der Anzahl ziviler Opfer um 170 % zu entnehmen. Demnach war die geringfügige Verbesserung auch lediglich vorrübergehende. Ansonsten lässt sich zur Sicherheitslage im Herkunftsstaat dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass es in Herat (Stadt) nicht zu einer Verbesserung der Sicherheitslage gekommen ist und die Sicherheitslage in Kabul (Stadt) und Mazar-e Sharif sich verschlechtert hat. Auch die Versorgungslage im Herkunftsstaat hat sich nicht verbessert. Eine Änderung der Umstände im Herkunftsstaat ist damit nicht ersichtlich.
Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer bereits im Zuerkennungszeitpunkt jung, gesund und arbeitsfähig war, Dari sprach und über Arbeitserfahrung als Schneider und Landwirt verfügte. Auch darin, dass der Bruder des Beschwerdeführers in der Herkunftsprovinz lebt, liegt keine Änderung des Sachverhaltes. Hinsichtlich der von der Behörde konstatierten Kenntnis der "landeskundlichen Bedingungen" ist ebenso keine Sachverhaltsänderung ersichtlich, ist doch dem festgestellten Sachverhalt keine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan seit seiner Ausreise zu entnehmen. Zur Rückkehrhilfe wurde festgestellt, dass dieser bereits seit längerem angeboten wird. Außerdem verfügt der Beschwerdeführer weiterhin nicht über einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung ist unverändert Hazara und schiitischer Moslem und - auch der Behörde zufolge - mit 21 Jahren noch immer jung. Damit liegen auch die Sachverhaltselemente, die die belangte Behörde bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als entscheidungsmaßgeblich anführte, unverändert vor. Sohin hat die Behörde im Aberkennungsbescheid keine auch hinsichtlich der in der persönlichen Situation des Beschwerdeführers gelegenen Umstände keine wesentliche und nicht nur vorübergehende Änderung dargetan und haben sich Hinweise auf eine solche Änderung im Verfahren auch sonst nicht ergeben.
Mangels hinzutreten neuer Umstände steht sohin einer neuen Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtskraft des Zuerkennungsbescheides vom 08.03.2017 entgegen (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "die zu entscheidende Angelegenheit" im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht nicht lediglich auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG beschränkt, sondern hat viel mehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG aufzugreifen. Verfahrensgegenständlich sind allerdings solche Hinweise nicht hervorgekommen.
Sohin war Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben.
3.2. Zur ersatzlosen Behebung der übrigen Spruchpunkte des Aberkennungsbescheides vom 04.06.2018
Nach § 9 Abs. 4 AsylG ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides - mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde - ersatzlos behoben wurde, ist auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Aberkennungsbescheides, mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen wurde, ersatzlos zu beheben.
Nachdem dem Beschwerdeführer infolge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides mit gegenständlichem Erkenntnis weiterhin der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, war auch die mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Aberkennungsbescheides nach § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassene Rückkehrentscheidung sowie die weiteren damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte III., V. und VI.) ersatzlos zu beheben (Vgl. VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
3.3. Zur Stattgebung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.08.2018 (Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG)
Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis das weitere Vorliegen der Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bejaht wurden (siehe oben unter 3.2.1.), war die dem Beschwerdeführer mit Zuerkennungsbescheid vom 08.03.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG spruchgemäß um weitere zwei Jahre zu verlängern.
4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht orientiert seine Prüfung hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an der vorliegenden jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Themenkomplex der Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG, wobei die vorzunehmenden Prüfschritte in der Entscheidung, VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353 besonders klar herausgearbeitet werden, nämlich, dass eine neue Gesamtbeurteilung der Rückkehrsituation erst dann zu erfolgen hat, wenn seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Hinsichtlich der Frage, ob seither eine maßgebliche Änderung der Umstände eingetreten ist, folgt das Bundesverwaltungsgericht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zur unionsrechtskonformen Interpretation der Bestimmung das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Statusrichtlinie heranzieht (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153). Für die Feststellung des verfahrensrelevanten Tatsachensubstrates waren dagegen beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W102.2200702.1.00Im RIS seit
10.12.2020Zuletzt aktualisiert am
10.12.2020