TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/4 W195 2225388-1

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Veröffentlicht am 04.12.2019
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Entscheidungsdatum

04.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W195 2225388-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael Sachs als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer, ein XXXX Staatsangehöriger stellte am XXXX , nachdem er zuvor illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste, einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Begründend gab er bei seiner Erstbefragung am XXXX sowie in seiner Einvernahme am XXXX - kurz zusammengefasst an - er sei auf Grund des Krieges und der Religionsdiskriminierung geflohen und werde von schiitischen Milizen verfolgt, die bereits seine Brüder getötet hätten.

Der Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat XXXX abgewiesen. Es wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in den XXXX ausgesprochen und für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX als unbegründet ab.

I.2. Der Beschwerdeführer gab am XXXX eine freiwillige Rückkehrerklärung ab, die in Folge von der Caritas wegen unbekannten Aufenthaltsortes des Beschwerdeführers mit E-Mail vom XXXX widerrufen wurde.

I.3. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz vor dem BFA.

Den zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung am XXXX damit, dass er immer noch von den bewaffneten Milizen und den XXXX Behörden im Herkunftsstaat verfolgt werde, die auch seine Brüder getötet hätten und er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ebenfalls getötet werde. Befragt nach dem Bekanntwerden der Änderung der Situation bzw. der Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer an, dass sich die Situation seit seinem ersten Antrag nicht geändert habe.

I.4. Daraufhin lud das BFA am XXXX den Beschwerdeführer für den XXXX zur Rechtsberatung, zur Einvernahme sowie zum Rückkehrberatungsgespräch. Darüber hinaus teilte das BFA dem Beschwerdeführer mit, dass beabsichtigt sei den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege und übermittelte dem Beschwerdeführer das Beiblatt zu den Länderfeststellungen.

I.5. Des Weiteren veranlasste die Erstbefragung vom XXXX die Behörde dazu über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom XXXX eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 500,00 zu verhängen. In der Begründung wird dazu näher ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer am XXXX nach dem abweisenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX bei der Caritas zu einer freiwilligen unterstützten Rückkehr in den XXXX angemeldet, jedoch die Caritas am XXXX den Prozess abgebrochen habe, da der Beschwerdeführer den dazu notwendigen Kontakt aus Eigenem beendet habe. Der Beschwerdeführer sei der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und habe am XXXX den zweiten gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, jedoch ohne neue Fluchtgründe vorzubringen. Dass dieser Antrag nicht zur Zuerkennung eines Schutzstatus führen könne, habe dem Beschwerdeführer in Ermangelung einer Änderung der Faktenlage zu jedem Zeitpunkt bewusst sein müssen. Es sei sohin offenkundig, dass der Beschwerdeführer den Folgeantrag ausschließlich mit dem Ziel gestellt habe, die rechtmäßige Abschiebung in den XXXX zu verhindern. Vor diesem Hintergrund sei auch der Antrag des Beschwerdeführers mit darauffolgender Nicht[mit]wirkung betreffend einer unterstützten freiwilligen Rückkehr in das Heimatland des Beschwerdeführers zu würdigen. Der Beschwerdeführer habe daher die Tätigkeit des BFA mutwillig in Anspruch genommen und hierdurch den Tatbestand des § 35 erster Fall AVG verwirklicht. Die Höhe der Strafe sei dem Unrechtsgehalt angemessen, um den Beschwerdeführer von derartigen Handlungen abzuhalten.

I.6. Schließlich wurde am XXXX der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Rechtsberaters vor dem BFA einvernommen. Neuerlich befragt nach seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer ergänzend an, dass sein Vater sowie seine Frau oft von der Polizei und dem Militär nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt worden seien und seine Schwester ihm abgeraten habe zurückzukehren, da er gesucht werde und ihm im Herkunftsstaat die Todesstrafe drohe. Seine Frau sowie die Kinder würden sich daher an einem unbekannten Ort zwischen Kurdistan und dem XXXX aufhalten. Befragt warum er die neuen Umstände nicht bereits früher der Behörde zur Kenntnis gebracht habe, führte der Beschwerdeführer aus, er sei bei der Erstbefragung sehr müde gewesen, habe Medikamente nicht genommen sowie nicht genug geschlafen - er sei psychisch nicht stabil gewesen.

In weiterer Folge wurde gegenüber dem Beschwerdeführer am XXXX mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG iVm § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG sowie § 22 BFA-VG für rechtmäßig erklärt und festgestellt, dass der nunmehrige Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein werde.

I.7. Gegen die Verhängung der Mutwillensstrafe richtet sich die vom Beschwerdeführer, gegenständlich erhobene Beschwerde vom XXXX . Darin wird ausgeführt, dass eine Einvernahme des Beschwerdeführers erst am XXXX und somit nach dem Erlass des angefochtenen Bescheides stattgefunden habe und daher im vorliegenden Fall in unzulässiger Weise noch vor Prüfung des Sachverhaltes eine Mutwillensstrafe verhängt worden sei. Darüber hinaus sei kein Parteiengehör gewährt und auch keine der Tatbestandalternativen des § 35 AVG verwirklicht worden. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer einen neuerlichen Asylantrag aufgrund von begründeter Furcht vor Verfolgung gestellt habe, könne nicht die Absicht erkannt werden, die Tätigkeit der Behörde mutwillig in Anspruch zu nehmen und seien Anhaltspunkte für eine "Grund- und Aussichtslosigkeit oder einer Nutz- und Zwecklosigkeit" dieser Eingabe jedenfalls nicht zu erkennen. Außerdem sei mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtschutzeinrichtungen mit äußerster Vorsicht umzugehen und ein derartiger Vorwurf sei nur dann am Platz, wenn für das Verhalten der Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bliebe, weshalb die Verhängung einer Mutwillensstrafe daher nach Judikatur des VwGH nur im Ausnahmefall in Betracht komme. Außerdem sei der Beschwerdeführer gemäß § 70 AsylG 2005 von der Entrichtung der Gebühr für die gegenständliche Beschwerde befreit.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Zur Begründung des Antrages führte der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung am XXXX sowie in seiner Einvernahme am XXXX aus, er sei auf Grund von Krieg und Religionsdiskriminierung geflohen und werde von schiitischen Milizen verfolgt, die bereits seine Brüder getötet hätten.

1.2. Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX als unbegründet ab.

1.3. Die freiwillige Rückkehrerklärung des Beschwerdeführers wurde mit XXXX wegen unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers widerrufen.

1.4. Mit XXXX stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz vor dem BFA und stützte sich auf die Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren.

1.5. Daraufhin verhängte das BFA über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom XXXX wegen offenbar mutwilliger Inanspruchnahme der Tätigkeit der Behörde eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 500,00.

1.6. Das BFA lud den Beschwerdeführer für den XXXX zur Rechtsberatung, zum Rückkehrgespräch sowie zur Einvernahme, in welcher mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG iVm § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wurde.

1.7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG sowie § 22 BFA-VG für rechtmäßig erklärt und festgestellt, dass der nunmehrige Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend die Niederschriften der Einvernahmen vom XXXX sowie XXXX und XXXX des Beschwerdeführers, den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX sowie die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom XXXX . Der Sachverhalt ist unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen abgesehen werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde:

§ 35 AVG lautet:

"Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, als auch die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (vgl. VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (vgl. VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) "Person", welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) (vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707) oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Strafbarer Mutwille bei Antragstellung hat das Bewusstsein von der Grundlosigkeit dieses Antrags zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Antrag daher dann gestellt, wenn sich der Antragsteller wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch im bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für einen Antrag gibt (vgl. VwGH 08.11.2011, 97/21/0023).

Der Beschwerdeführer brachte bei der Erstbefragung des Folgenantrages vor einem Organ der Sicherheitsbehörden am XXXX die Fluchtgründe des ersten Verfahrens auf internationalen Schutz vor: "Die Situation hat sich nicht geändert seit meinem ersten Asylantrag." (Akt zu Zl. I421 2151303-2, AS 11). Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, dass dem Antragsteller bewusst war, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für einen weiteren Antrag gibt, zumal ein Rechtsberatungsgespräch erst nach der Stellung des Folgeantrages erfolgte, in dem offensichtlich dem Beschwerdeführer erst nach Antragstellung die Voraussetzungen für eine positive Asyl-Entscheidung im Zusammenhang mit einem Folgeantrag nähergebracht wurden und er daher in der Einvernahme nach der Rechtsberatung vor dem BFA am XXXX angab: "Nachgefragt gebe ich an, dass [ich] zusätzlich zu den damals angegebenen Gründen nunmehr zu Protokoll gebe, dass mein Vater oft von der Polizei und dem Militär gefragt [werde] wo ich sei. [....]. Ich habe mit meiner Schwester Kontakt gehabt, dass ich im Jänner 2019 daran gedacht habe, in den XXXX zurückzukehren. Sie hat gesagt ich soll das vergessen [...]. Zum Haus meiner Frau kommen Milizen mit Fahrzeugen ohne Kennzeichen, die schießen auch ab und zu auf dieses Haus." (Akt zu Zl. I421 2151303-2, AS 143). Dem Beschwerdeführer konnte sohin erst (wenn überhaupt) nach Stellung des Folgeantrages bewusst sein, dass die Fluchtgründe des Erstverfahrens keinen Grund für einen weiteren Antrag darstellen und kann ihm auch in diesem Zusammenhang kein auf einem wissentlich unrichtigen Tatbestand gestützter Antrag vorgeworfen werden.

Außerdem ist mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).

Ein solcher "Ausnahmefall" ist im gegenständlichen Verfahren nicht zu erkennen, und ist insbesondere auf den Umstand Bedacht zu nehmen, dass es sich um den ersten Folgeantrag des Beschwerdeführers handelt und das Verhalten des Beschwerdeführers im konkreten Fall nicht ausschließlich mit der Absicht einer mutwilligen Inanspruchnahme der Behördentätigkeit bzw. deren Behelligung zu erklären ist.

Vor diesem Hintergrund ist in der vorliegenden Konstellation unter Berücksichtigung des bisher Angeführten in Summe letztlich ein die Verhängung einer Mutwillensstrafe rechtfertigender "Ausnahmefall" in concreto noch nicht erkennbar und kann von keinem strafbaren Mutwillen bei Antragstellung im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur ausgegangen werden.

Da die Mutwillensstrafe im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zu verhängen war, ist auch nicht näher auf die general- und spezialpräventive Wirkung einzugehen; des Weiteren erübrigen sich auch hinsichtlich der mangelnden Feststellungen zur Höhe des Einkommens der Beschwerdeführerin weitere Ausführungen.

Zur Gebührenbefreiung ist auszuführen, dass gemäß § 70 AsylG 2005 die in Verfahren nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Eingaben, Vollmachtsurkunden, Niederschriften, Zeugnisse und ausländische Personenstandsurkunden sowie die Verlängerung von Aufenthaltsberechtigungen von den Gebühren befreit sind. Weiters sind für Amtshandlungen auf Grund oder unmittelbar für Zwecke dieses Bundesgesetzes Verwaltungsabgaben des Bundes sowie Barauslagen nicht zu entrichten. Die Befreiung von Gebühren, Verwaltungsabgaben und Barauslagen gilt auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

In der im Beschwerdeschriftsatz angeführten Entscheidung des VwGH vom XXXX im Zusammenhang mit der Dublin III-VO waren die Amtshandlungen unmittelbar zum Zwecke des Asylverfahrens anzusehen und daher gebührenbefreit. Hingegen ist die Verhängung einer Mutwillensstrafe als keine Amtshandlung auf Grund oder unmittelbar für Zwecke des Asylgesetzes anzusehen, sondern handelt es sich hierbei um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel und ist die gegenständliche Beschwerde daher nicht von der Gebührenbefreiung im Sinne des § 70 AsylG 2005 umfasst.

3.2. Zur Verletzung des Parteiengehörs vor der belangten Behörde:

Hinsichtlich der Rüge in der Beschwerde, dass das Parteiengehör verletzt wurde, ist festzuhalten, dass dieser Mangel als geheilt anzusehen ist, da der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Kenntnis konnte der Beschwerdeführer aus der Begründung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom XXXX erlangen, sohin wurde im Beschwerdeschriftsatz mit Kenntnis über den gesamten relevanten Sachverhalt Stellung genommen (vgl. VwGH 09.05.2017, 2014/08/0065).

3.3. Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Hinblick auf die Stattgebung der Beschwerde, aber auch in Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid bzw. der Beschwerdevorentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der vom Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Mutwillensstrafe Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W195.2225388.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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