TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/10 96/21/1090

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Veröffentlicht am 10.09.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des (am 4. Februar 1970 geborenen) MB, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien X, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. Oktober 1996, Zl. UVS-03/P/12/01076/96 Mamadou Barry, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem genannten Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. April 1995, Zl. S 78.574/Fr/95, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 88 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 FrG, als verspätet zurück. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das angefochtene Straferkenntnis sei am 28. April 1995 mündlich im Beisein des Beschwerdeführers verkündet worden. Bei der Verkündigung sei auch die Rechtsmittelbelehrung wiedergegeben worden. Der Beschwerdeführer habe keine Erklärung abgegeben und auch binnen drei Tagen nach Verkündung des Straferkenntnisses eine schriftliche Ausfertigung nicht verlangt. Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer in Kenntnis seiner Rechte gewesen sei, weil ein Dolmetscher dieser Amtshandlung beigezogen worden sei.

Bei mündlicher Verkündung des Bescheides beginne die Frist zur Einbringung des Rechtsmittels mit dem Zeitpunkt der mündlichen Verkündung. Die Berufungsfrist habe daher mit dem 28. April 1995 begonnen und am 12. Mai 1995 geendet. Die erst am 21. Februar 1996 eingebrachte Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß ihm das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien am 7. Februar 1996 zugestellt worden sei. Die belangte Behörde habe ihn mit der Annahme, daß der Bescheid verkündet worden sei, zu keinem Zeitpunkt konfrontiert. Gegen eine derartige Annahme stehe der Umstand, daß das Straferkenntnis ihm ohne einen diesbezüglichen Antrag zustellt worden sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Frage, ob eine Berufung rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, ist eine Rechtsfrage, die die Behörde aufgrund der von ihr festgestellten Tatsachen zu entscheiden hat. Die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet setzt voraus, daß der Beginn und das Ende der Rechtsmittelfrist feststeht. Die Behörde hat, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels ausspricht, dies nach § 37 AVG und § 39 Abs. 2 dieses Gesetzes von Amts wegen zu prüfen, zumal der Rechtsmittelwerber nicht verpflichtet ist, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seines Rechtsmittels ableitet. Die Behörde hat gemäß § 45 Abs. 3 AVG dem Berufungswerber Gelegenheit zu geben, vom gewonnenen Ermittlungsergebnis Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift führt bereits dann zu einem rechtserheblichen Verfahrensmangel, wenn nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 66 Abs. 4 AVG, E Nr. 51d).

Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde aufgrund der Akenlage von einer mündlichen Verkündung des Straferkenntnisses am 28. April 1995 aus und kam so zur Zurückweisung der am 21. Februar 1996 eingebrachten Berufung, ohne dem Beschwerdeführer diese Umstände zur Kenntnis zu bringen und die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen. Dies wäre im Beschwerdefall auch deswegen angezeigt gewesen, weil die belangte Behörde nur einen Teil des Akteninhaltes ihrem Bescheid zugrundelegte. Zwar ist aus der im Akt befindlichen Kopie des Straferkenntnisses vom 28. April 1995 zu ersehen, daß dieses gegenüber dem Beschwerdeführer verkündet wurde; es ist jedoch nicht zweifelsfrei, daß dies in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache erfolgte. Auch wurde außer Acht gelassen, daß der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 17. Jänner 1996 der Behörde erster Rechtsstufe mitteilte, daß ihm das Straferkenntnis vom 28. April 1995 niemals zugestellt worden sei. Weiters ergibt sich aus einem im Akt erliegenden Rückschein im Zusammenhang mit einem Amtsvermerk vom 1. Februar 1996, daß dem Beschwerdeführer am 7. Februar 1996 ein Straferkenntnis zugestellt wurde. Schließlich hat die Behörde erster Rechtsstufe mit Schreiben vom 22. Februar 1996 der belangten Behörde die nach Ansicht der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung zur Entscheidung vorgelegt. Aufgrund dieses Akteninhaltes hätte die belangte Behörde das oben dargestellte Verfahren unter Beteiligung des Beschwerdeführers durchführen müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Parteiengehör Allgemein Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996211090.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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