TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/11 97/06/0091

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Veröffentlicht am 11.09.1997
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Index

L82306 Abwasser Kanalisation Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs1;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/06/0092

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerden 1. des K und der E, und 2. des A und der P, alle vertreten durch Dr. Paul Friedl, Rechtsanwalt in 8552 Eibiswald 20, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. November 1996, Zl. 03-12.10 M 65-96/4 (betreffend die Erstbeschwerdeführer zu Zl. 97/06/0091), und vom 14. November 1996, Zl. 03-12.10 M 64-96/3 (betreffend die Zweitbeschwerdeführer zu Zl. 97/06/0092), beide Bescheide betreffend Kanalanschlußverpflichtung gemäß

Stmk Kanalgesetz 1988 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. Martin i.S., vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerden und den diesen angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

1. Das Verfahren betreffend die Erstbeschwerdeführer:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 29. Mai 1996 wurden die Erstbeschwerdeführer als Eigentümer des bebauten Grundstückes Nr. 69, KG Bergla, zur Errichtung und zum Anschluß einer Hauskanalanlage an den öffentlichen Kanal der mitbeteiligten Partei verpflichet. Die dagegen von den Erstbeschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 2. September 1996 als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Erstbeschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. November 1996 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung ist nach Anführung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen im wesentlichen damit begründet, daß sich bereits aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 4 Abs. 5 Kanalgesetz 1988 ergebe, daß der Nachweis über die tatsächlich schon vorhandene schadlose Schmutzwasserentsorgung zum Zeitpunkt der Entscheidung der Gemeindebehörde über die beantragte Ausnahmebewilligung vorliegen müsse und dieser Nachweis vom Ausnahmewerber zu erbringen sei. Die Erstbeschwerdeführer, die vortrügen, daß sie bereit wären, eine Pflanzenkläranlage, die dem Stand der Technik entspreche, zu errichten, entsprächen diesem Erfordernis nicht, weshalb die Gemeindebehörde zu Recht kein weiteres Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Allein dadurch, daß die Anlage nicht vorhanden sei, sei eine Voraussetzung für eine Ausnahme gemäß § 4 Abs. 5

Stmk. Kanalgesetz 1988 nicht erfüllt und könne daher keinesfalls eine diesbezügliche Ausnahme gewährt werden. Die Ausbringung der Abwässer auf der landwirtschaftlichen Fläche der Erstbeschwerdeführer könne - anders als noch nach § 5 Stmk. Kanalgesetz 1955 - nicht als schadlose Schmutzwasserentsorgung im Sinne des § 4 Abs. 5

Stmk. Kanalgesetz 1988 angesehen werden. Einwendungen, daß die Erstbeschwerdeführer im wasserrechtlichen Verfahren betreffend die öffentliche Kanalanlage nicht geladen worden seien, könnten im Verfahren um eine Ausnahme gemäß § 4 Abs. 5

Stmk. Kanalgesetz 1988 nicht berücksichtigt werden. Es stehe fest, daß eine öffentliche Kanalanlage errichtet werde und allein diese Tatsache begründe die Anschlußverpflichtung gemäß § 4 Abs. 1 Stmk. Kanalgesetz 1988. Was den Umstand betrifft, daß der Bürgermeister bei der Beratung über die Berufungsentscheidung anwesend gewesen sei, weshalb der Bescheid nach Auffassung der Beschwerdeführer aus formalen Gründen ungültig sei, werde dem entgegengehalten, daß der Bürgermeister gemäß dem Sitzungsprotokoll den Vorsitz an den Vizebürgermeister übergeben habe und auch bei der Beschlußfassung nicht mitgewirkt habe. Aber selbst wenn der Bürgermeister an der Abstimmung teilgenommen hätte, hätte sich am Abstimmungsergebnis nichts geändert, zumal die Entscheidung mit großer Mehrheit beschlossen worden sei. Es könne die Beratung und eventuelle Auskunftserteilung seitens des Bürgermeisters an den Gemeinderat auch nicht als Befangenheit ausgelegt werden und die Ungültigkeit des Bescheides bewirken.

Die Behandlung der von den Erstbeschwerdeführern zunächst beim Verfassungsgerichtshof dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Februar 1997,

B 18/97-3, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der auf Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

2. Zum Verfahren der Zweitbeschwerdeführer:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 1. August 1996 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführer auf Bewilligung der Ausnahme von der Verpflichtung des Anschlusses ihrer Liegenschaft Nr. 15, KG Bergla, an die öffentliche Kanalanlage der Gemeinde St. Martin i.S. bzw. des Abwasserverbandes "Oberes Sulmtal" als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Zweitbeschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 10. Oktober 1996 als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Zweitbeschwerdeführer wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 1996 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wird nach Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im wesentlichen damit begründet, daß sich bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Stmk. Kanalgesetz 1988 ergebe, daß der Nachweis über die tatsächlich schon vorhandene schadlose Schmutzwasserentsorgung zum Zeitpunkt der Entscheidung der Gemeindebehörde über die beantragte Ausnahmebewilligung vorliegen müsse und dieser Nachweis vom Ausnahmewerber zu erbringen sei. Es liege somit keine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, da die Behörden geprüft hätten, ob bereits eine schadlose Schmutzwasserentsorgung gegeben sei. Dies sei zu verneinen gewesen. Daran hätte auch ein erweitertes oder ergänzendes Ermittlungsverfahren nichts geändert. Die Zweitbeschwerdeführer brächten in ihrer Vorstellung deutlich zum Ausdruck, daß auch bis zum heutigen Tage keine entsprechende Schmutzwasserentsorgung gegeben sei, in dem sie in der Vorstellung ausführten, "daß eine solche schadlose Schmutzwasserentsorgung für unsere Liegenschaft entsprechend unseren Vorschlägen bzw. den örtlichen Gegebenheiten möglich wäre und diese auch wasserrechtlich unbedenklich zu genehmigen sein wird". Allein aus diesem Grund könne eine Ausnahme von der Anschlußverpflichtung nicht gewährt werden. Die Verwertung der häuslichen Abwässer im eigenen Betrieb - auch bei einer Trennung von Fäkal- und Grauwässern könnten gewisse Inhaltsstoffe der Fäkalwässer (WC-Reiniger etc.) als Folge der zivilisatorischen Entwicklung nicht ausgeschlossen werden - stelle grundsätzlich keine adäquate Abwasserentsorgung dar, sie könnte allenfalls dort ausnahmsweise in Betracht gezogen werden, wo die Entsorgung über eine öffentliche Kanalisation auf Dauer nicht zu erwarten sei. Eine Entsorgung im landwirtschaftlichen Betrieb könne keinesfalls als schadlose Schmutzwasserentsorgung im Sinne des § 4 Abs. 5

Stmk. Kanalgesetz 1988 angesehen werden. Einem neuerlichen Antrag um Ausnahmegenehmigung im Falle einer wesentlichen Sachverhaltsänderung, wenn tatsächlich eine schadlose Schmutzwasserentsorgung vorliege, stehe die in Rechtskraft erwachsene Abweisung eines früheren Antrags nicht entgegen. Eine derartige Änderung habe jedoch nicht stattgefunden, da nach wie vor nur von einer projektierten, nicht jedoch ausgeführten Anlage gesprochen werde.

Die Behandlung der zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde der Zweitbeschwerdeführer wurde von diesem mit Beschluß vom 24. Februar 1997, B 17/97-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der auf Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Stmk. Kanalgesetz, LGBl. Nr. 79/1988, sind die Eigentümer von bebauten Grundstücken in Gemeinden, in denen öffentliche Kanalanlagen betrieben oder errichtet werden, verpflichtet, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m beträgt. Gemäß § 4 Abs. 5 Stmk. Kanalgesetz sind Ausnahmen von der Verpflichtung nach Abs. 1 von der Baubehörde für Bauten vorübergehenden Bestandes, für untergeordnete Nebengebäude und Bauteile sowie für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer nach § 1 Abs. 1 gewährleistet ist und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entsteht. Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 obliegt dem Ausnahmewerber. Die Ausnahmen sind mit Beschränkung auf eine bestimmte Zeitdauer oder gegen Widerruf zu erteilen.

Soweit sich die Beschwerdeführer dadurch in ihren Rechten verletzt erachten, daß das Verfahren betreffend die Anschlußverpflichtung für die Dauer des Verfahrens auf Erteilung einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 5

Stmk. Kanalgesetz 1988 und für die Dauer des wasserrechtlichen Verfahrens zur Genehmigung ihrer Pflanzenkläranlage nicht unterbrochen worden sei, genügt es darauf hinzuweisen, daß den Parteien eines Verfahrens kein Recht auf Aussetzung gemäß § 38 AVG zusteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1997, Zl. 97/06/0080, und die dort zitierte Vorjudikatur).

In dem von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Recht, Abwässer im Freiland auf landwirtschaftliche Flächen aufbringen zu können, können die Beschwerdeführer schon deshalb nicht verletzt sein, weil sich ein derartiges Recht aus dem Stmk. Kanalgesetz 1988 nicht ableiten läßt. Ein Recht auf Ausnahme von der im § 4 Abs. 1 Stmk. Kanalgesetz 1988 statuierten Anschlußverpflichtung besteht nur unter den im § 4 Abs. 5 Stmk. Kanalgesetz 1988 normierten Voraussetzungen.

Sofern sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt erachten, daß vor wasserrechtlicher Bewilligung des öffentlichen Kanals der Ausspruch einer Kanalanschlußverpflichtung nicht zulässig sei, ist ihnen entgegenzuhalten, daß - worauf die belangte Behörde zutreffend verwiesen hat - § 4 Abs. 1 Stmk. Kanalgesetz 1988 u.a. darauf abstellt, daß in einer Gemeinde eine öffentliche Kanalanlage errichtet wird. Nachdem der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht davon spricht, daß eine öffentliche Kläranlage errichtet wurde, ist dieses Kriterium dahin zu verstehen, daß die konkrete Absicht der Gemeinde, eine öffentliche Kanalanlage zu errichten, die sich darin zeigt, daß für ein bei der Wasserrechtsbehörde eingereichtes Projekt einer öffentlichen Kanalanlage die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung beantragt wird, genügt, um die Kanalanschlußverpflichtung an die zu schaffende öffentliche Kanalanlage aussprechen zu dürfen. Im Lichte des Zweckes von Kanalgesetzen, eine effektive öffentliche Abwasserentsorgung zu gewährleisten, kann der Begriff des "Errichtetwerdens" nicht darauf reduziert werden, daß immer erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Errichtens einer öffentlichen Kanalanlage die Kanalanschlußverpflichtung gemäß § 4 Abs. 1 Stmk KanalG 1988 angeordnet werden kann. Es ist daher der Ausspruch einer Kanalanschlußverpflichtung auch schon vor Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung des öffentlichen Kanales zulässig. Die Verpflichtung, die Schmutz- und Regenwässer der bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, wird aber immer erst bei Vorliegen einer wasserrechtlich bewilligten öffentlichen Kanalanlage wirksam (vgl. zur analogen Situation des Anschlußpflichtigen das hg. Erkenntnis vom 22. Feber 1994, Zl. 93/07/0131).

Soweit sich die Erstbeschwerdeführer dagegen wenden, daß der Bürgermeister an der Gemeinderatssitzung, in der über den Berufungsbescheid entschieden worden sei, teilgenommen habe, stellt dies schon deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil sie den diesbezüglichen Ausführungen im erstangefochtenen Bescheid, der Bürgermeister habe den Vorsitz an den Vizebürgermeister übergeben und an der Beschlußfassung nicht mitgewirkt, der Beschwerde selbst nicht entgegentreten sondern selbst nur die Teilnahme des Bürgermeisters an der Sitzung rügen. Auch die Zweitbeschwerdeführer, die dieses Vorbringen erstmals in der Beschwerde erstattet haben, rügen nur die Teilnahme des Bürgermeisters an der Gemeinderatssitzung und behaupten selbst nicht, daß der Bürgermeister an der Entscheidung der Berufungsbehörde mitgewirkt hätte. Abgesehen davon war dieses Vorbringen in bezug auf die Zweitbeschwerdeführer im Hinblick auf das vom Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot jedenfalls nicht mehr zu berücksichtigen.

Es erübrigte sich daher eine Entscheidung über die Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997060091.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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