TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/14 W196 1426481-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2020
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Entscheidungsdatum

14.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2
AsylG 2005 §10 Abs2 Z2
AsylG 2005 §10 Abs5
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W196 1426481-1/48E

W196 1428804-1/47E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 18.04.2012, Zl. 1115.344-BAT (ad 1.) und vom 10.08.2012 Zl. 1206.575-BAT (ad 2.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und festgestellt, dass die Ausweisung der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 iVm § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 auf Dauer unzulässig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine und Angehöriger der armenischen Volksgruppe, stellte am 20.12.2011 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der am 22.12.2011 erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung vor der PI Traiskirchen EAST gab er vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Befragung zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, im Jahr 2004 aufgefordert worden zu sein, die Dokumente eines ukrainischen Abgeordneten zu verbrennen. Nachdem er sich geweigert habe, seien ihm ein Arm und ein Bein gebrochen worden. 2011 sei er von einem Bekannten gewarnt worden, dass er observiert werde und man ihn nun für die Vorkommnisse aus dem Jahr 2004 bestrafen wolle.

Am 27.03.2012 wurde der Erstbeschwerdeführer von einem Organwalter des Bundesasylamtes nach erfolgter Zulassung seines Verfahrens einvernommen, wobei er zunächst ärztliche Unterlagen, Röntgenaufnahmen, welche seinen Beinbruch zeigen würden, und einen USB Stick mit Fotos vorlegte. Nachgefragt, wann der Bruch gewesen sei, brachte er vor, dass diese Verletzung im Jahr 2004 entstanden sei. Er habe auch an Atemnot und Erstickungszuständen gelitten. In Bezug auf die vorgelegten Fotos brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass es sich dabei um Fotos aus dem Internet handeln würde, auf denen er zu sehen sei. Es habe sich dabei um eine Demonstration gegen das Steuergesetz im Jahr 2010 in XXXX gegen die Politik von XXXX und XXXX gehandelt. Nachgefragt, ob dies für das Verfahren Relevanz habe, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass ihm die Internetadresse gegeben worden sei. Die Leute hätten ihm das Bein und den Arm gebrochen und ihm vorgehalten, dass er versprochen habe, sich nicht mehr mit der Politik zu befassen. Wie die Adresse laute, könne er nicht angeben, weil dies bereits am 16.11.2010 gewesen sei. Nachgefragt, weshalb er die Ukraine verlassen habe, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, einen Freund zu haben, der ihn gebeten habe, ihm zu helfen. Er habe nicht vorgehabt, ein Politiker zu werden, jedoch habe er seinem Freund geholfen, der die orange Revolution finanziell unterstützt habe. Damals habe es noch keine Partei der Regionen gegeben. Anhänger von XXXX hätten dem Freund vorgeschlagen, sich XXXX anzuschließen. Dieser habe das abgelehnt und würde es auch heute noch ablehnen. Sein Freund sei Abgeordneter gewesen, wobei ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei, sodass er nun auf der Flucht sei. Als sein Freund abgelehnt habe, die Seiten zu wechseln, hätten die Leute versucht, ihm sein Geschäft wegzunehmen. Weil sie gewusst hätten, dass der Erstbeschwerdeführer mit ihm befreundet sei und sein Vertrauen genieße, hätten sie ihm Geld und andere Vergünstigungen angeboten, falls er Unterlagen bezüglich seiner Geschäftstätigkeit verbrenne. Mit dieser Vorgehensweise hätten sie sein Geschäft problemlos wegnehmen können. Der Erstbeschwerdeführer habe dies sofort abgelehnt. Man habe ihm daraufhin angedroht, dass dies sehr schlechte Auswirkungen auf ihn haben werde. Weil er sich mit seinem Freund habe beraten lassen wollen, habe der Erstbeschwerdeführer den Leuten zunächst gesagt, dass er es sich noch einmal überlegen müsse. Sein Freund habe gemeint, dass er zustimmen solle, um Zeit zu gewinnen. Dies habe der Erstbeschwerdeführer dann in der Folge auch getan, jedoch habe er die Dokumente nicht verbrannt. Dies hätten dann auch die Leute mitbekommen. Im Winter, als der Erstbeschwerdeführer an einer Bushaltestelle gewartet habe, sei ein Auto mit einem Fahrer, zwei Burschen und einem Mädchen stehengeblieben. Sie hätten ihn nach einer Straße in der Gegend gefragt und habe er ihnen die Richtung gezeigt. Die Leute hätten ihm dann angeboten, ihn mitzunehmen, wenn er ihnen den Weg zeige. Im Auto habe man ihm dann von hinten vermutlich ein Messer angesetzt und ihn aufgefordert, sich ruhig zu verhalten. Sie seien nicht lange gefahren, ehe sie zu einem Haus gekommen seien. Dort habe man den Erstbeschwerdeführer befragt, weshalb er das Versprechen nicht eingehalten habe. Der Erstbeschwerdeführer habe sich damit gerechtfertigt, dass er keinen Zugriff auf die Unterlagen habe. In der Folge sei er mit einem Rohrstück geschlagen worden. Dabei habe er einen dreifachen Beinbruch erlitten und sei auch sein Arm gebrochen worden. Er vermute, dass es diese Leute gewesen seien und könne sich nur noch erinnern, dass er danach im Krankenhaus gewesen sei. Der Arzt, der ihn behandelt habe, habe ebenfalls zu diesen Leuten gehört und habe ihm gesagt, dass er zum Ursprung seiner Verletzungen schweigen solle. Der Arzt habe ihn praktisch täglich besucht und behandelt. Der Erstbeschwerdeführer sei nach Hause gebracht worden, wo er für acht Monate im Bett gelegen und praktisch täglich vom Arzt besucht und behandelt worden sei. Damit habe man verhindern wollen, dass er im Krankenhaus von der Polizei befragt werde. Der Arzt habe ihm in der Folge gesagt, dass er erzählen solle, ein Auto geschoben zu haben und dabei einen Unfall gehabt zu haben. Der Arzt sei bei der Partei der Regionen gewesen. Man habe ihm den Posten des Chefarztes eines Krankenhauses versprochen. Der Erstbeschwerdeführer brachte weiters vor, bis zu dem Vorfall gut gelebt und eine neue Wohnung gekauft zu haben. Den Arzt, mit dem er sich mit der Zeit angefreundet habe, habe er dann im Frühling letzten Jahres nicht mehr gesehen. Der Erstbeschwerdeführer habe sich nach ihm erkundigt, ihn jedoch nicht finden können. Dieser Arzt habe den Posten, der ihm versprochen worden sei, nicht bekommen. Merkwürdig sei, dass dies wieder auf den Erstbeschwerdeführer zurückgefallen sei. Er habe dann angedroht, die ihm bekannten Vorfälle publik zu machen, weil er ja auch Beweise dafür gehabt habe. Diese Beweise hätten die Leute beim Erstbeschwerdeführer vermutet, weil dieser so eng mit ihm befreundet gewesen sei. Der Erstbeschwerdeführer habe den Arzt dann von Frühling 2011 bis zu seinem Tod im Herbst 2011 nicht mehr gesehen. Er habe drei Herzinfarkte erlitten, was angeblich auch die Todesursache gewesen sei. Die Vorgeschichte habe er nicht gekannt. Der Erstbeschwerdeführer sei auf seiner Beerdigung gewesen. Ende des Herbstes seien dann Bekannte aus diesen Kreisen zum Erstbeschwerdeführer gekommen und hätten gemeint, dass er unter Beobachtung stehe und aufpassen solle, dass man ihn nicht aus dem Weg räume. Zuerst habe er sich gedacht, dass dies mit den Fotos und der Teilnahme an Demonstrationen zu tun habe. Erst anschließend, als er Erkundigungen angestellt habe, habe er erfahren, dass dieser Arzt schon auf der Flucht gewesen sei. Zuletzt habe der Sicherheitsdienst der Ukraine ein Verfahren eingeleitet, weil vermutet werde, dass der Arzt Unterlagen an den Erstbeschwerdeführer übergeben habe, die gegen die Leute verwendet werden könnten. Der Erstbeschwerdeführer habe verneint, derartige Unterlagen zu haben, jedoch könne er dies nicht beweisen. Der Erstbeschwerdeführer habe ein Geschäft am Markt gehabt; die XXXX -Leute seien damals zu ihm auf seine Arbeitsstelle gekommen. XXXX XXXX sei ein Geschäftsmann und habe ein gut gehendes Geschäft gehabt. Er habe damals alle unterstützt und diese bei den Kundgebungen während der Orangen Revolution mit Essen versorgt. Der Erstbeschwerdeführer habe immer versucht, in Bezug auf die Unterstützung der Revolution so wenige Fragen wie möglich zu stellen. Der Erstbeschwerdeführer habe ihm bei der Agitation geholfen und sei auch teilweise irgendwo hingefahren; mehr habe sein Freund von ihm nicht gewollt. Der Erstbeschwerdeführer habe bei Wahlen als Beobachter eines Abgeordneten darauf achten sollen, dass die Wahlen gesetzeskonform ablaufen. Dies sei auch der Grund gewesen, weshalb er von XXXX XXXX engagiert worden sei. Nachgefragt, wann die Wahlen gewesen seien, führte der Erstbeschwerdeführer aus, das Jahr nicht mehr angeben zu können. Seinen diesbezüglichen Ausweis habe er vor kurzem weggeworfen, weil die Wahlen schon mehr als zehn Jahre her seien. Der Abgeordnete sei sein Nachbar gewesen; nach dem Namen müsse er sich erkundigen. Damit konfrontiert, dass anzunehmen sei, dass man Beobachter nur dann sein könne, wenn man ein Naheverhältnis und Vertrauensverhältnis zur betreffenden Person habe, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass der Abgeordnete XXXX geheißen habe. Er habe einen westukrainischen Namen gehabt, den er nicht mehr angeben könne. Das habe mit seiner Geschichte auch nichts zu tun. Er könne sich nach dem Namen erkundigen. Die Nachbarn seien schon lange aus ihrem Haus weggezogen. Wie seine Frau heiße, könne er ebenfalls nicht angeben, weil er zu armenischen Frauen keinen Kontakt gehabt habe. Das klinge wild, sei aber so üblich. Nachgefragt, weshalb er einen abgelaufenen Reisepass mitgebracht habe, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, ihn einfach mitgenommen und abgegeben zu haben. Seinen echten ukrainischen Pass habe er dem Schlepper gegeben. Auf die Frage, wo sich XXXX derzeit befinde, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er davon ausgehe, dass er sich in der Ukraine auf der Flucht befinde. Er habe ihn schon lange nicht mehr gesehen. Einmal habe er Kontakt mit ihm per Internet gehabt, wobei ihm dieser mitgeteilt habe, dass es ihm sehr schlecht gehe. Er halte sich versteckt; es würden sehr viele Kredite auf ihn laufen. Er habe ein Lebensmittelgeschäft, ein Kaffeehaus und eine Autowerkstatt betrieben. Vor etwa fünf Monate habe er zuletzt mit ihm telefoniert; gesehen habe er ihn zuletzt vor sechs oder sieben Monaten auf der Geburtstagsfeier eines Freundes. Nachgefragt, weshalb der Erstbeschwerdeführer schätze, wann sein Freund Geburtstag gehabt habe, brachte er vor, kein gutes Gedächtnis zu haben. Er könne nicht einmal die Geburtstage seiner Kinder auswendig nennen und habe auch schon ihre Namen vergessen. Auf die Frage, wie die Frau des Arztes geheißen habe, mit dem er befreundet gewesen sei, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass dieser insgesamt sechs Frauen gehabt habe, weil es niemand mit ihm lange ausgehalten habe. Er habe auch eine erwachsene Tochter gehabt. Nachgefragt, wohin er 2004 mit dem Auto gebracht worden sei, gab er an, in die Vorstadt gebracht worden zu sein. Die genaue Adresse könne er nicht angeben. Damit konfrontiert, dass man, wenn man in einer Stadt lebe, zumindest eine Richtung oder einen Stadtbezirk nennen könne, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass man die Gegend, in der er wohne als XXXX bezeichne. Dies sei ein Stadtbezirk, danach würden schon die kleinen Dörfer beginnen. Es sei im November oder Dezember gewesen. Am 15.12.2004 seien die Röntgenaufnahmen angefertigt worden. Weil diese mehrmals gemacht worden seien, könne der Erstbeschwerdeführer das genaue Datum nicht mehr angeben. Abgesehen von den Röntgenaufnahmen habe er keine anderen medizinischen Originalunterlagen, weil er ja eigentlich illegal behandelt worden sei. Auf die Frage, weshalb eine der Röntgenaufnahmen mit einem Aufkleber versehen sei, dieses also personalisiert sei, obwohl er ein verheimlichter Patient gewesen sei, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, nicht aufgenommen und auch nicht erfasst worden zu sein. Er sei ja nur zu Röntgenaufnahmen gekommen und dort nach Familiennamen und Alter gefragt worden. Die Körperverletzung sollte erst bei der stationären Aufnahme registriert werden. Auf die Ereignisse Ende Herbst angesprochen, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass man nach der Beerdigung des Arztes vermutlich Dokumente gesucht habe. Offensichtlich habe er behauptet, dass es Dokumente gebe, die für diese Leute gefährlich werden könnten, wenn ihm etwas passiere. Man habe gedacht, dass sich diese Dokumente bei ihm befinden könnten, weil er in engen Kontakt mit ihm gestanden sei. Als der Erstbeschwerdeführer einmal am Weg nach Hause gewesen sei, habe man ihn gefragt, ob er bemerkt habe, dass er observiert werde und er aufpassen solle. Dazu befragt, wer David sei, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dort im Geschäft seit 1987 gearbeitet und viele Menschen gekannt zu haben. Er arbeite irgendwo und verdiene Geld, jedoch sei es nicht so wie hier. Nachgefragt, wie der Erstbeschwerdeführer herausgefunden habe, dass der Arzt auf der Flucht gewesen sei, brachte er vor, bei einem gemeinsamen Bekannten nachgefragt zu haben, der ihm mitgeteilt habe, dass dieser Probleme habe. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, dass er nicht da gewesen sei. In einem Gespräch sei dem Erstbeschwerdeführer dann auch mitgeteilt worden, dass der Arzt angeblich jemandem aus der nächsten Umgebung irgendwelche Dokumente gegeben haben solle, jedoch keiner wisse, wem. Diese Dokumente seien gesucht worden. Auf die Frage, mit wem er überhaupt gesprochen habe, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass sie viele gemeinsame Freunde gehabt hätten. Die Freunde hätten XXXX und XXXX geheißen. XXXX habe Autos repariert und XXXX am Markt gearbeitet. Sie seien überrascht gewesen, dass er längere Zeit nicht präsent gewesen sei und mit niemandem Kontakt gehabt habe. Nachgefragt, wie der Erstbeschwerdeführer auf den ukrainischen Sicherheitsdienst gekommen sei, brachte er vor, dass es geheißen habe, dass sich irgendwelche Geheimdienste mit ihm befasst hätten. Er würde diese Information nicht als besonderes vertrauenswürdig einstufen. Die Leute hätten das weitergegeben, was sie selbst gehört hätten. Darauf angesprochen, dass der Erstbeschwerdeführer angegeben habe, von den Leuten aus „diesen Kreisen“ Informationen erhalten zu haben, gab er an, dass Leute miteinander sprechen und Kontakte pflegen würden. Man erfahre von anderen Leuten Informationen, weil man Bekannte habe und gebe diese dann weiter. Das Gespräch mit XXXX und XXXX habe bei der Beerdigung stattgefunden. Man habe ihm Fragen gestellt, wo er eigentlich gewesen sei, weil man ihn nicht gesehen habe und so sei es dann dazu gekommen. Dazu befragt, was der Erstbeschwerdeführer gemacht habe, als man ihm gesagt habe, dass er in Gefahr gewesen sei, gab er an, nichts gesagt, sondern nur darüber nachgedacht zu haben. Zunächst habe er einen Schockzustand gehabt, dann habe er darüber nachgedacht, weshalb man ihm so etwas sage. Als der Erstbeschwerdeführer ihn gefragt habe, von wem er diese Information habe, habe er nur gemeint, dass es Gespräche gegeben habe. Das mit dem Verdacht habe er später erfahren, als er recherchiert habe. Nachgefragt, wie er recherchiert habe, brachte er vor, bei diesem David nachgefragt zu haben, was die Hintergründe dafür seien. Er habe ihm erzählt, dass diese Person gesagt habe, dass irgendwelche Unterlagen existieren würden und die Person diese Unterlagen an einen Vertrauensmann übergeben habe, offensichtlich um sich abzusichern. Da der Erstbeschwerdeführer mit dieser Person engeren Kontakt gehabt habe, sei er verdächtigt worden, dieser Vertrauensmann gewesen zu sein. Das alles habe er aber nicht auf offiziellem Wege, sondern im Zuge solcher Gespräche erfahren. Auf die Frage, woher der Erstbeschwerdeführer wisse, dass es ein Strafverfahren gegen den Arzt gegeben habe, brachte er vor, dass es solche Gespräche gegeben habe, da er einige Monate nicht präsent gewesen sei. Nachgefragt, ob es, abgesehen von den Röntgenbildern, etwas gebe, das keine Vermutung sei, gab er an: „Nur das letzte, was ich gehört habe“. Damit konfrontiert, dass die Röntgenbilder zwar unzweifelhaft belegen würden, dass der Erstbeschwerdeführer mehrere Knochenbrüche erlitten habe, sich daraus jedoch nicht ergebe, weshalb er diese erlitten habe und die Darstellung der Gründe für die Verletzung nicht nachvollziehbar sei, rechtfertigte er sich, dass es vor acht Jahren passiert sei. Das letzte, was er erfahren habe und der ausschlaggebende Grund für die Ausreise gewesen sei… Er sei nicht vom schlechten ins gute Leben geflohen, er habe ein gutes Leben gehabt. Er habe jedoch nicht warten und getötet werden wollen.

Mit Schreiben vom 23.02.2012 legte der Erstbeschwerdeführer ein dreiseitiges Schreiben in englischer Sprache vor, in welchem im Wesentlichen ein Medienbericht über Vandalenakte gegen die ukrainische Opposition und ein Amnesty-Bericht vom Dezember 2011 über Polizeiübergriffe wiedergegeben wurden. Diese würden das Verletzungsmuster des Erstbeschwerdeführers bestätigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.04.2012 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 20.12.2011 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), diesem gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der Erstbeschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 30.04.2012 führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass sich die Ereignisse so zugetragen hätten und er sie daher auch so wiedergegeben habe. Sein Leben sei in Gefahr und denke er, dass seine Fluchtgeschichte angesichts der Geschehnisse in der Ukraine durchaus verständlich und keinesfalls lebensfremd sei. Auch gehe er davon aus, dass die Ungereimtheiten, die die Behörde zu erkennen glaube, nicht geeignet seien, seinem gesamten Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Die Zweitbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Ukraine und Angehörige der ukrainischen Volksgruppe, reiste am 29.05.2012 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der niederschriftlichen Erstbefragung am 29.05.2012 vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST-OST gab die Zweitbeschwerdeführerin an, am 20.05.2012 zu Fuß von der Kirche nach Hause gegangen zu sein, als plötzlich ein Fahrzeug neben ihr angehalten habe. Einer von drei Männern sei aus dem Fahrzeug ausgestiegen und habe sie auf die Rückbank des Fahrzeuges gezerrt und anschießend mit der Faust mehrmals in ihr Unterleib geschlagen. Aufgrund der vorhergegangen Operation habe die Zweitbeschwerdeführerin starke Schmerzen gehabt. Die Männer hätten ihr gesagt, dass ihr Mann unverzüglich in die Ukraine kommen müsse, weil er Papiere bei sich habe, die sie unbedingt bräuchten. Sie hätten ihr auch gedroht, sie zu entführen und zu vergewaltigen, wenn ihr Lebensgefährte nicht nach Hause komme. Ihr Lebensgefährte, mit dem sie über Skype Kontakt aufgenommen habe, habe ihr geraten, sofort das Land zu verlassen und zu ihm zu reisen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe vor ungefähr sieben Jahren Unterleibskrebs gehabt und müsse operiert werden. Sie sei eine schwer kranke Frau und habe Angst, dass sie die Männer, wie angekündigt, entführen und vergewaltigen würden. Sie habe auch ärztliche Unterlagen, die sie bei Bedarf vorlegen wolle.

Nach Zulassung ihres Verfahrens wurde die Zweitbeschwerdeführerin am 01.08.2012 von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesasylamtes einvernommen, wobei sie zunächst angab, dass es bei der Übersetzung Probleme gegeben habe. Der Dolmetscher sei aus Pakistan gewesen und habe sie das Gefühl gehabt, dass er nicht gut russisch spreche. Sie habe bei der Einvernahme einige Ungenauigkeiten entdeckt. Sie sei von 1975 bis 1979 nicht an der Universität, sondern an einer Hochschule gewesen. Auch seien ihre Englischkenntnisse sicher mit mittel und nicht mit schlecht einzustufen. Nachgefragt, ob sie Dokumente oder Befunde vorlegen wolle, brachte sie vor, eine Bestätigung der Diakonie vorlegen zu wollen. Sie habe bereits medizinische Unterlagen in Bezug auf ihre Krebserkrankung vorgelegt und sei am 26.07.2012 auch in XXXX bei einem Psychiater gewesen, der eine fortgeschrittene Depression diagnostiziert habe. Auch seien ihr einige Medikamente verschrieben worden. Derzeit nehme sie Medikamente aufgrund ihrer psychischen Probleme ein. Ansonsten müsse sie einmal in sechs Monaten aufgrund möglicher Krebszellen Untersuchungen durchführen lassen. Nachgefragt, weshalb sie diese Untersuchung in der Ukraine nur einmal jährlich vorgenommen habe, brachte sie vor, dass man dort alles zahlen müsse; eine Computertomografie sei sehr teuer. Sie habe etwa 1.500 Griwna verdient; eine Computertomografie habe 3.000 Griwna gekostet. Für die Untersuchungen habe sie zwei Monatsgehälter zur Seite legen müssen. Ultraschalluntersuchungen habe sie zweimal pro Jahr vornehmen lassen; diese seien kostenlos gewesen. Auch die Blutuntersuchungen habe sie nicht bezahlen müssen. Dazu aufgefordert, ihr derzeitiges Leben in Österreich zu beschreiben, brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, gemeinsam mit ihrem Mann in einer Pension zu leben. Diese Pension sei im Prinzip in Ordnung, jedoch wohne dort auch ein TBC-Erkrankter. Die Zweitbeschwerdeführerin habe keine Verwandten in Österreich. Sie habe Kontakt zu einer jungen Armenierin in XXXX , die mit einem Österreicher verheiratet sei. Die Zweitbeschwerdeführerin führte fort, kirchlich, nicht jedoch standesamtlich verheiratet zu sein. Konkret seien sie am 07.04.2008 in der Stadt XXXX in einer armenischen-apostolischen Kirche getraut worden. Nachgefragt, seit wann sie mit ihrem Lebensgefährten zusammengewohnt habe, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, ihren Gatten seit 1984 zu kennen. Er habe damals in Armenien gelebt und sie in der Ukraine. 1987 sei er zu ihr in die Ukraine gezogen. Sie hätten dann in einer Lebensgemeinschaft gelebt und erst 2008 kirchlich geheiratet, weil ihr Gatte nur in einer armenischen Kirche habe heiraten wollen und esvorher keine armenische Kirche in XXXX gegeben habe. Weshalb sie nicht standesamtlich geheiratet hätten, wisse sie nicht; sie hätten nicht daran gedacht. Sie hätten auch keine gemeinsamen Kinder. Nachgefragt, weshalb sie sich den Meldeauszug im Jahr 2010 habe ausstellen lasse, brachte sie vor, dass dieser nicht 2010, sondern 2012 ausgestellt worden sei, damit es einen Beweis gebe, dass sie und ihr Mann zusammenleben würden. Ihr Mann habe sie schon lange ersucht, eine Bestätigung einzuholen. Auf die Frage, weshalb ihr Lebensgefährte als nicht registriert angeführt sei, sondern nur bestätigt worden sei, dass er an der Adresse aufhältig gewesen sei, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie eine Wohnung, ein Haus und auch einen Grund gehabt hätten. In der Wohnung sei sie gemeldet gewesen. Ihr Mann sei in seinem Haus gemeldet gewesen. Bei ihnen sei es oft der Fall, dass Angehörige einer Familie aufgrund von Immobilien an verschiedenen Adressen offiziell registriert seien. Nachgefragt, ob sie ihren Reisepass oder Inlandspass vorlegen könne, gab sie an, dass sich ihr Inlandspass bei ihrer Schwester in Kiew befinde. Sie habe ihrer Schwester eine Generalvollmacht erteilt und auch ihren Pass bei ihr gelassen, damit diese alle ihre Angelegenheiten erledigen könne. Ihr Reisepass sei ihr vom Schlepper abgenommen worden. Sie werde sich den Inlandsreisepass von ihrer Schwester nachschicken lassen. Auf die Frage, ob sie Verwandte im Heimatland habe, brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, eine Schwester zu haben, die in Kiew lebe. Ihre Eltern seien bereits verstorben; ansonsten habe sie niemanden. Nachgefragt, wie ihre Wohnungsmiete in ihrer Abwesenheit bezahlt werden könne, brachte sie vor, dass dies ihre Schwester erledigen werde. Vor ihrer Ausreise habe sie in einem Unternehmensverband für Oberbekleidung als stellvertretende Chefingenieurin gearbeitet. Begonnen habe sie als Ingenieurin der Modellgruppe. Sie habe davon gut leben können; 1999 seien sie jedoch alle entlassen worden. Anschließend habe sie nicht mehr offiziell gearbeitet, sondern Kleider geschneidert, wobei sie viele Kunden gehabt habe. Nachgefragt, weshalb sie zuvor angegeben habe, ein Durchschnittseinkommen von 1.500 Griwna gehabt zu haben, führte sie aus, dass dies schon ihr Einkommen aber nicht ihr Gehalt gewesen sei. Sie habe dies als Invaliditätsrente nach ihrer Erkrankung bekommen. Nachgefragt, welche Fixkosten sie im Monat habe bestreiten müssen, brachte sie vor, aufgrund ihrer Invaliditätsrente nur 20 % von den tatsächlichen Kosten habe bezahlen müssen; dies seien zwischen 300 und 400 Griwna pro Monat gewesen. Ihr Leben hätte sie jedoch nicht bezahlen können, wenn ihr Mann sie nicht unterstützt hätte. Die Lebenserhaltungskosten, das Essen, die Kleidung und Medikamente seien sehr teuer. Für die Zweitbeschwerdeführerin sei es eine große Hilfe gewesen, dass sie Kleidung habe nähen können. Nachgefragt, welche Medikamente sie regelmäßig habe bezahlen müssen, führte sie aus, chronische Pankreatitis zu haben und daher Enzyme kaufen zu müssen. Aufgrund der Bestrahlungen nach ihrer Krebserkrankung sei sie auch gezwungen gewesen, verschiedene Medikamente einzunehmen, weil ihre inneren Organe geschädigt gewesen seien. Sie habe monatlich über 2.000 Griwna alleine für Medikamente ausgeben müssen. Nachgefragt, weshalb sie nun hier in Österreich keine Medikamente einnehmen müsse, brachte sie vor, jetzt Medikamente für ihre Leber und ihre Bauchspeicheldrüse zu benötigen. Auch habe sie Probleme mit ihrer Schilddrüse. Die Frage, ob ihr vom Arzt Medikamente verschrieben worden seien, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin. Obwohl ihre Werte schlecht seien, seien ihr keine Medikamente verschrieben worden. Derzeit nehme sie Antidepressiva und jene Medikamente ein, die sie aus der Ukraine mitgenommen habe. Damit konfrontiert, dass es nicht glaubhaft sei, dass sie in der Ukraine 2000 Griwna für Medikamente ausgegeben habe, hier in Österreich jedoch keine Medikamente verschrieben bekommen habe, brachte sie vor, nicht zu verstehen, weshalb ihr in Österreich nichts verschrieben worden sei. Im Mai 2012 habe sie eine Ultraschalluntersuchung in der Ukraine gehabt, wobei alle ihre Diagnosen bestätigt worden seien. Hier habe man ihr gesagt, dass alles in Ordnung sei. Der Befund aus der Ukraine würde sich noch im Heimatland befinden. Die Frage, ob sie im Heimatland Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung gewesen sei, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin. Sie habe sich mit der Politik nicht befasst und sei eigentlich aufgrund der Probleme ihres Mannes nach Österreich gekommen. Dazu aufgefordert, die ausschlaggebenden Gründe für ihre Ausreise zu schildern, brachte sie vor, am 20.05.2012 am Abend am Weg von der Kirche nach Hause von Unbekannten überfallen worden zu sein. In der Nähe ihres Wohnhauses sei ein Auto stehen geblieben. In der Folge sei sie von einem jungen Mann am Hals gepackt und aus dem Auto gezerrt worden. In dem Auto seien ein Fahrer und noch ein Mann gesessen. Der Mann, der sie ins Auto gezerrt habe, habe ihr zwei starke Schläge in die rechte Körperhälfte verpasst. Die Zweitbeschwerdeführerin sei unter Schock gestanden und habe nicht sprechen können. Auch hätten sie sie beschimpft und ihr gesagt, dass sie ihrem Mann ausrichten solle, dass dieser innerhalb einer Woche zurückkommen und irgendwelche Dokumente zurückgeben solle. Widrigenfalls würden sie die Zweitbeschwerdeführerin in einen Keller bringen und vergewaltigen. Anschließend habe man sie einfach aus dem Auto geworfen. Danach habe es einige Zeit gedauert bis sie zu sich gekommen sei und habe sie auch starke Schmerzen in der rechten Körperhälfte gehabt. Darüber hinaus hätten sie noch gesagt, dass es sinnlos sei, sich an die Polizei zu wenden; dies würde ihre Lage noch erschweren. Als sie nach Hause gekommen sie, habe sie ihrem Mann sofort via Skype von dem Vorfall erzählt. Dieser habe gemeint, dass sie schnell zu ihrer Schwester nach Kiew fahren solle. Am 21.5. habe sie XXXX verlassen und sei bereits am 22.5. in der Früh in Kiew gewesen. Anschließend habe sie gemeinsam mit ihrer Schwester beschlossen, die Ukraine zu verlassen. Fünf später sei sie ausgereist. Nachgefragt, weshalb sie ihren Mann nicht von Anfang an begleitet habe, brachte sie vor, eigentlich nicht vorgehabt zu haben hierher zu kommen. Sie habe nicht gedacht, dass es dort zu solchen Problemen kommen könne. Ihr Mann habe damals so schnell das Land verlassen und habe er ihr eigentlich nicht alles erzählt, weil er ihr keine Sorgen habe machen wollen. Auf die Frage ob es davor irgendwelche Vorfälle gegeben habe, brachte sie vor, dass nach der Ausreise ihres Mannes unbekannte Anrufer, teilweise Männer- und manchmal Frauenstimmen, immer wieder nach dem Aufenthaltsort ihres Gatten gefragt hätten. Einmal hätten sich diese auch erkundigt, ob ihr Mann irgendwelche Dokumente zurückgelassen habe, was die Zweitbeschwerdeführerin verneint habe. Vor der Ausreise ihres Ehemannes sei es zu keinen Vorfällen gekommen. Dazu befragt, ob sie zu ihrem Vorbringen noch etwas ergänzen wolle, gab sie an, dass ihr Mann 2004 einmal angegriffen und überfallen worden sei, wobei sein Bein gebrochen worden sei. Dies habe sie erst vor kurzem erfahren; er habe seither verschiedene Phobien, Klaustrophobie und Höhenangst. Nachgefragt, weshalb sie von dem Überfall und Beinbruch nichts gewusst habe, gab sie an, dass er ihr dies verheimlicht habe, weil ihr nach ihrer Erkrankung verboten worden sei, sich aufzuregen. Konkret habe er ihr die wahren Gründe für den Beinbruch nicht erzählt und ihr gesagt, dass er geholfen habe, ein Auto anzuschieben, sodass es zu dieser Verletzung gekommen sei. Damals, als er verletzt worden sei, sei er mit Gips an Bein und Arm nach Hause gebracht worden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe dann die Familie ernähren müssen und habe die ganze Verantwortung übernommen. Ihr Ehemann sei acht Monate zu Hause gewesen. In dieser Zeit hätten auch ihre gynäkologischen Probleme begonnen, jedoch sei sie mit der Pflege ihres Gatten und der Arbeit so beschäftigt gewesen, dass sie keine Zeit gehabt habe, zum Arzt zu gehen. Als ihr Mann gesund gewesen sei, sei es bei ihr zu einer starken Blutung gekommen, sodass sie ins Krankenhaus eingeliefert und sofort operiert worden sei. Am 16. oder 17. Mai habe sie vorgehabt ins Krankenhaus zu gehen, weil sie Probleme mit der Bauchspeicheldrüse gehabt habe und dies habe behandeln lassen wollen. Nachgefragt, was bei aktueller Heimkehr passieren würde, führte sie aus, es sich nicht vorstellen zu können, was ihr dort passieren würde. Wenn ihr Antrag hier abgewiesen werde, müsse sie in ein anderes Land ziehen; in die Ukraine könne sie nicht zurück. Auf die Frage, ob sie die Möglichkeit habe, sich im Heimatland an einen anderen Ort, z.B. zu ihrer Schwester, zu begeben, führte sie aus, dass es für diese Leute einfach wäre, ihre Schwester zu finden. Sie vermute, dass die Leute, mit denen ihr Mann Probleme habe, von irgendwelchen Behörden kommen würden. Sie liebe ihre Schwester sehr und wolle sie nicht in Gefahr bringen. Dazu befragt, weshalb nicht bei ihr zu Hause nach den Dokumenten gesucht worden sei, brachte sie vor, dass ihr Haus bewacht werde und auch eine Videoüberwachung vorhanden sei. Offiziell werde niemand etwas unternehmen, weil dies Sachen seien, die man nicht an die Öffentlichkeit bringen wolle. Demokratie und Meinungsfreiheit gebe es bei ihnen nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.08.2012 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 29.05.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dieser der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 ABs 1 Z 13 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 10 ABs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 21.08.2012 wurde der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang angefochten. Am 13.03.2013 langte eine CD mit einer Dokumentation über die Situation in der Ukraine beim Asylgerichtshof ein.

Mit Schreiben vom 08.04.2013 wurde die Zweitbeschwerdeführerin dazu aufgefordert, den konkreten Inhalt, insbesondere die Quelle der Aufnahme und jener Stellen, die zum Nachweis des Asylverbringringens beitragen sollen, unter Angabe der Filmminute zu beschreiben.

Am 26.03.2013 langten Deutschkurs-Teilnahmebestätigung sowie Arztbefunde betreffend die Zweitbeschwerdeführerin beim Asylgerichtshof ein.

Mit Eingabe vom 22.04.2013 legten die Beschwerdeführer einen handschriftlich geschriebenen Zettel vor, aus welchem hervorgeht, dass es in der Dokumentation, welche auf der vorgelegten CD abgespeichert sei, nicht konkret um die Beschwerdeführer gehe, sondern diese für alle Ukrainer gelte. Auch wurde der Link dazu angeführt.

Am 23.08.2013 langte ein MRT Befund der Zweitbeschwerdeführerin ein.

Die Beschwerdeführer legten am 11.11.2013 weitere Unterlagen, nämlich eine Vereinbarung über Hilfstätigkeiten zwischen dem Verein XXXX und der Zweitbeschwerdeführerin, eine Bestätigung der Betriebsseelsorge XXXX sowie einen Befund betreffend den Erstbeschwerdeführer vor.

Am 20.06.2014 langten beim Bundesverwaltungsgericht ein Zusatz zum Bescheid vom 10.08.2012, ärztliche Stellungnahmen und Befunde betreffend die Zweitbeschwerdeführerin sowie zwei Teilnahmebestätigungen des Deutschkurses der Diakonie von Februar bis Juni 2014 ein. Von den Beschwerdeführern wurde ausgeführt, dass sich wichtige Fakten neu entwickelt hätten. Der Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin sei sehr schlecht. Sie sei vor achteinhalb Jahren an Krebs erkrankt und sei seither in laufender Behandlung und Beobachtung im Klinikum XXXX . Aufgrund ihres labilen psychischen Zustandes, der starken Kopfschmerzen und der Schlaflosigkeit sei sie in laufender psychiatrischer und neurologischer Kontrolle. Der Verlauf ihrer Krebserkrankung sei nicht vorhersehbar und lebe sie daher in ständiger Angst, sterben zu müssen. Der Erstbeschwerdeführer sei Ende 2004 während der Orangen Revolution in der Ukraine in einen Überfall geraten und so brutal geschlagen worden, dass ihm ein Arm und ein Bein gebrochen worden seien. Er leide nach wie vor an Panikattacken und damit in Verbindung stehend an Atemnotfällen. Seine Panikattacken seien erst in Österreich richtig diagnostiziert worden. Ihre ungewisse Lage in Österreich trage noch zu einer Verschlechterung der ohnehin instabilen psychischen Lage bei. Die Zweitbeschwerdeführerin arbeite trotz ihrer schwierigen psychischen und physischen Lage beim Verein XXXX . Sie würden sich bemühen, an allen offiziellen Vorkehrungen und Angeboten der Stadt teilzunehmen, würden Deutschkurse besuchen und hätten auch schon etliche Freunde in Österreich gefunden. Für den Fall, dass sie in Österreich bleiben könnten, hätten sie auch die Absicht zu arbeiten.

Mit Eingabe vom 11.08.2014 legte der Erstbeschwerdeführer einen Bescheid des AMS vor, wonach ihm von 04.06.2014 bis 27.06.2014 eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter erteilt worden sei.

Die Zweitbeschwerdeführerin übermittelte am 01.09.2014 einen chirurgischen Entlassungs- und Transferbericht vom 18.08.2014.

Am 19.09.2014 langten ein chirurgischer Entlassungsbericht der Zweitbeschwerdeführerin sowie ein ambulanter Arztbrief betreffend den Erstbeschwerdeführer ein.

Mit Eingabe vom 18.12.2014 langte ein ambulanter Arztbrief betreffend den Erstbeschwerdeführer ein.

Die Beschwerdeführer übermittelten am 20.01.2015 zwei Teilnahmebestätigungen eines Deutschkurses bei der Diakonie.

Am 24.02.2015 langte ein ambulanter Arztbrief betreffend den Erstbeschwerdeführer ein.

Am 21.04.2015 übermittelte der Erstbeschwerdeführer einen weiteren ambulanten Arztbrief.

Mit Eingabe vom 18.05.2015 legte die Zweitbeschwerdeführerin einen Ambulanzbericht des Universitätsklinikum XXXX (Abteilung für Augenheilkunde und Orbitachirurgie) vom 05.05.2015 vor.

Am 03.06.2015 erfolgte eine Verständigung der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs 3 AVG, wobei ihnen die Möglichkeit eingeräumt wurde, binnen zwei Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben und aktuelle Befunde vorzulegen.

Beim Bundesverwaltungsgericht langte am 23.06.2015 eine Stellungnahme der Beschwerdeführer, datiert mit 22.06.2015 ein, in welcher moniert wurde, dass sich die übermittelten Länderberichte nicht ausreichend mit dem konkreten Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer befassen würden, sondern diese über Seiten Ausführungen zu Themen treffen würden, welche mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer in keinem Bezug stünden. Hingegen würden Berichte und Ausführungen zu den von den Beschwerdeführern angeführten Problematiken und Vorbringen fehlen. Auch seien die Länderberichte unvollständig und teilweise veraltet, sodass es nicht möglich sei, die Asylrelevanz des Fluchtvorbringens der Beschwerdeführer auf Grundalge dieser Länderberichte abschließend beurteilen zu können. Diesbezüglich sei auch auf das aktuelle Erkenntnis des VfGH vom 23.02.2015 zu verweisen. So würden in erster Linie detaillierte Länderberichte zur Situation von politischen Oppositionellen fehlen, dies obwohl der Beschwerdeführer die politische Verfolgung seitens Behörden / Sicherheitsdienst bzw politischer Akteure detailliert geschildert habe. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Beschwerdeführer konkrete Angaben zu staatlichen Repressionen bzw. solchen, welche dem Staat zuzurechnen seien, gemacht hätten, sei die Beweisaufnahme vollkommen unzureichend. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Behörden, die jahrzehntelang Instrument der Repressionen gewesen seien, nicht von einem Tag auf den anderen diese Eigenschaft ablegen, selbst dann nicht, wenn sich in der Zwischenzeit eine politische Revolution in der Ukraine ereignet habe. Hinsichtlich der Verfolgungsgefahr und des Machtmissbrauches wurde von den Beschwerdeführern auch auf den aktuellen Bericht von Global Protection Cluster zur Ukraine verwiesen. In den übermittelten Länderberichten würden auch jegliche Ausführungen dazu fehlen, wie mit politischen Oppositionellen bei ihrer Rückkehr in die Ukraine umgegangen würde bzw welchen Repressionen sie ausgesetzt seien. Die Aussage, dass derartige Repressionen nicht bekannt seien, sei noch keine gebotene, erschöpfende Behandlung der für diesen Fall höchst relevanten Thematik rückkehrender Oppositioneller. Den Länderfeststellungen zufolge würde dem Erstbeschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Ukraine aufgrund der soeben beschriebenen Wehrpflichtwiedereinführung und Mobilisierungswelle der Reservisten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einberufung drohen. Der Erstbeschwerdeführer lehne es jedoch aus ideologischen und moralischen Gründen ab, eine Waffe in die Hand zu nehmen und zu kämpfen und könne er den übermittelten Berichten zufolge deshalb mit einem bis zu fünfjährigen Freiheitsentzug bestraft werden. Aus diesem Grund erscheine es geboten, sich mit dieser Thematik näher auseinanderzusetzen und weitere relevante Berichte einzuholen. Es könne auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen Überzeugungen beruhe oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehle. Sollte dieses Vorbringen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als neue Tatsache gewertet werden, so sei auszuführen, dass es sich zum einen um geänderte Verhältnisse und Umstände in der Ukraine handelt und zum anderen gemäß § 20 Abs 2 BFA-VG neue Tatsachen in der Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamt vorgebrachten werden dürften, wenn das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft war, was auf den Fall des Beschwerdeführers zutreffe. Ebenfalls unzureichend ausgeführt sei die Situation der armenischen Minderheit in der Ukraine. Obwohl der Beschwerdeführer der armenischen Volksgruppe angehöre, würden Ausführungen zur Situation der armenischen Minderheitenvolksgruppe in der Ukraine gänzlich fehlen. Zur medizinischen Versorgung sei festzuhalten, dass die Zweitbeschwerdeführerin bereits mehrfach und detailliert ausgeführt habe massive gesundheitliche Probleme zu haben, sodass eine fortlaufende medizinische bzw medikamentöse Behandlung notwendig sei. Die im Rahmen der Beweisaufnahme erhobenen Berichte, wonach die medizinische Versorgung kostenlos und flächendeckend gewährleistet sei, seien im Hinblick auf das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin unzureichend. Im Hinblick auf Art 8 EMRK werde im Falle der Beschwerdeführer insbesondere auf die bereits mehrjährige Aufenthaltsdauer in Österreich Bedacht zu nehmen seien.

Gleichzeitig mit der Stellungnahme übermittelten die Beschwerdeführer auch drei Befunde des Internistenzentrum GP für Innere Medizin betreffend die Zweitbeschwerdeführerin, aus welchen sich folgende Diagnosen ergeben:

?        Cervix-C.m.Wertheim+Radiatio (2005 Ukraine)

?        Metronidazolallergie

?        Meckeldivertikel m.Ileocoecalresektion (9cm Dünndarmegment) – 13.08.2014

?        Gastritis Typ B (Nov 2014)

?        Durchfall post Ileocoecalresektion

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.06.2015 wurden die Beschwerden gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren der Beschwerdeführer insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer eine außerordentliche Revision.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.11.2015, Zlen. Ra 20/20/0179 bis 0180-6, wurden die angefochtenen Erkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass die den Beschwerdeführern eingeräumte Möglichkeit, zum Inhalt aktueller Länderberichte zur Situation im Herkunftsland schriftlich Stellung zu nehmen, die Durchführung einer Verhandlung in einem Fall, wie er auch hier vorliege, jedoch nicht ersetzen könne.

Mit Eingabe vom 03.12.2015, 27.10.2016, 05.02.2020, 24.02.2020 und vom 25.02.2020 wurden eine Vielzahl an Integrationsunterlagen, darunter Teilnahmebestätigungen, Empfehlungsschreiben, ein Arbeitsvorvertrag und eine Einstellungszusage sowie Bestätigungen betreffend ehrenamtliche Tätigkeiten in Vorlage gebracht.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.06.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführer ausführlich befragt wurden.

Am 24.06.2020 langte eine weitere Auflistung der vorgelegten Integrationsunterlagen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Ukraine und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie führen die im Spruch genannten Namen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet.

Der Erstbeschwerdeführer ist Angehöriger der armenischen Volksgruppe, die Zweitbeschwerdeführerin ist Angehörige der ukrainischen Volksgruppe. Vor ihrer Ausreise lebten die Beschwerdeführer mehrere Jahre in XXXX .

Der Erstbeschwerdeführer stellte am 20.12.2011 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Die Zweitbeschwerdeführerin stellte am 29.05.2012 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer mit ihrem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht haben.

Nicht festgestellt werden konnte, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der Erstbeschwerdeführer leidet im Entscheidungszeitpunkt an Panikattacken und Atemnotfällen, die keiner Behandlung aber Kontrollen bedarf. Bei der Zweitbeschwerdeführerin wurden folgende Diagnosen gestellt: chronische Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung), Migräne, Gastritis, bek. Mitralklappenprolaps (Herzklappenfehler), st.p. Mukocele der Appendix, Meckel-Divertikel, st.p. Cervix-Ca mit Wertheim OP und Radiatio (2005 in der Ukraine), Depression, Metronidazolallergie, Durchfall post Ileocoecalresektion. Sie befindet sich in laufender ärztlicher Behandlung.

Der Erstbeschwerdeführer ist seit über neuneinhalb Jahren und die Zweitbeschwerdeführerin seit über acht Jahren in Österreich aufhältig. Die Beschwerdeführer leben im gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdeführer sind sozial und karitativ tätig, absolvierten diverse Sprachkurse und sind bemüht, sich zu integrieren, wie durch eine Anzahl von Empfehlungsschreiben bewiesen wird. Die Beschwerdeführer sprechen Deutsch. Die Beschwerdeführer sind Mitglieder und Helfer bei XXXX Network, dort engagieren sich die Beschwerdeführer an Projekten für Jugendliche, für Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder für Neuzugekommene. Der Erstbeschwerdeführer hilft ehrenamtlich bei „ XXXX “, bei XXXX und bei Flohmärkten. Die Zweitbeschwerdeführerin arbeitet seit 2013 als Hausmeisterin und Putzfrau. Zudem nimmt die Zweitbeschwerdeführerin an diversen Veranstaltungen, wie die Sommerspiele in XXXX , Straßenfesten und diversen Freizeitaktivitäten teil, wo sie auch mitarbeitet. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über vier Stellenangebote, darunter vom Verein „ XXXX “.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in der Ukraine:

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.05.2019 - letzte Kurzinformation eingefügt am 30.08.2019:

Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten „Sonderstatusgesetzes“ bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, „das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen“. In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

Halbinsel Krim

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019). Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen dazu auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert, die von Sergey Aksyonov als „Premierminister“ des “Staatsrats der Republik Krim“ geführt wird. Der “Staatsrat“ ist für die tägliche Verwaltung und andere Regierungsfunktionen zuständig. Es werden unverhältnismäßig repressive Gesetze verhängt und angewendet. Die russischen Sicherheitsbehörden auf der Krim schränken die Menschenrechte ein. Die schwerwiegendsten Probleme beinhalten: Verschwindenlassen; Folter, einschließlich strafweise psychiatrische Einweisung; Misshandlung von Inhaftierten als Strafe oder zur Erpressung von Geständnissen; harte Haftbedingungen und Überführung von Gefangenen nach Russland; willkürliche Festnahme und Inhaftierung, auch aus politischen Gründen; allgegenwärtige Missachtung der Privatsphäre; schwerwiegende Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der Medien einschließlich Schließungen und Gewalt gegen Journalisten; Beschränkungen des Internets; grobe und weit verbreitete Unterdrückung der Versammlungsfreiheit; starke Einschränkung der Vereinigungsfreiheit, einschließlich Verbot der Selbstverwaltung (Mejlis) der Krimtataren; Einschränkung von Bewegungsfreiheit und Teilnahme am politischen Prozess; systemische Korruption; und systematische Diskriminierung von Krimtataren und ethnischen Ukrainern. Die russischen Behörden unternehmen kaum Schritte, um Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich zu verfolgen, wodurch eine Atmosphäre der Straflosigkeit und Gesetzlosigkeit geschaffen wurde (USDOS 13.3.2019b).

Die Einwohner der Krim wurden pauschal in die Russische Föderation eingebürgert und es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Auslandsreisepässen, auszustatten. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit aufgrund politisch motivierter Vorwürfe inhaftiert werden, verschwinden, nicht mehr auf die Krim zurückreisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren wird von den de-facto- Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, ihre Mitglieder verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Unabhängige Medien werden unterdrückt, dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Religiöse Literatur gilt den Behörden als extremistisch. Auch jüngste Berichte von UNHCR, Amnesty International sowie des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reichen. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert. Die Einwohner der Krim werden von der Russischen Föderation, wenn sie nicht ihr Widerspruchsrecht genutzt und damit u.a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren haben, als russische Staatsangehörige behandelt (AA 22.2.2019).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch die russischen Behörden unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren, jedoch auch auf Vertreter der ukrainischen Minderheit aus (ÖB 2.2019; vgl. HRW 17.1.2019).

Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der russischen Behörden zu beobachten: Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erlangt wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt.

Weiters besteht Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit abweichender politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische Antiterror-Gesetzgebung zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Personen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend strafverfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt (ÖB 2.2019).

Ukrainer von der Krim mit russischen Reisepässen

Die Gesetzgebung der Ukraine sieht die einzige Staatsbürgerschaft vor. Wenn ein ukrainischer Staatsbürger legal die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation annehmen möchte, muss er auf die ukrainische Staatsbürgerschaft verzichten. Von den russischen Behörden werden jedoch, entgegen ukrainischen und internationalen rechtlichen Normen, russische Reisepässe an die Bevölkerung der Krim mit ukrainischer Staatsbürgerschaft ausgegeben. Diese Reisepässe der Russischen Föderation für Einwohner der Krim, werden international nur von einigen Ländern anerkannt (Nordkorea, Bolivien, Nicaragua, Armenien) (VB 28.1.2019). Die Frage der Staatsangehörigkeit der Einwohner der Krim ist damit eigentlich ungeklärt. Da die Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine erst durch einen entsprechenden Erlass des Präsidenten der Ukraine erfolgen kann, ist davon auszugehen, dass nach ukrainischem Recht die Einwohner der Krim Staatsbürger der Ukraine geblieben sind (BFH 30.6.2016).

Krim-Bewohner, die über keinen ukrainischen Reisepass, sondern nur über von russischen Behörden auf der Krim ausgestellte Reisedokumente verfügen, haben Schwierigkeiten bei der Einreise auf das ukrainische Festland, da diese Dokumente nicht anerkannt werden. Alle Krim-Bewohner wurden von der Russischen Föderation zu russischen Staatsbürgern erklärt. Krim-Bewohner, welche die russische Staatsbürgerschaft nicht annehmen, gelten als Ausländer und benötigen eine Aufenthaltserlaubnis. Die Ablehnung der russischen Staatsbürgerschaft kann zur Ausweisung bzw. Abschiebung führen. In einigen Fällen wurden Krim-Bewohner von den Behörden gezwungen, ihren ukrainischen Reisepass abzugeben, was Auslandsreisen entsprechend erschwert (USDOS 13.3.2019b).

Im November 2018 wurde ein Einreiseverbot in die Ukraine für männliche russische Staatsbürger im Alter von 16 bis 60 Jahren verhängt, das weiterhin gilt. Wenn Einwohner der Krim die Grenzeals Bürger der Russischen Föderation passieren wollen, gilt dieses Verbot auch für sie. Wenn sie jedoch noch einen gültigen ukrainischen Pass vorweisen können, gilt dieses Verbot für sie nicht (VB 28.1.2019).

Russen / Russischsprachige

Russisch ist in der Ukraine keineswegs die Sprache einer kleinen Minderheit und wird nicht bloß regional begrenzt gesprochen. Zwar haben sich bei der Volkszählung 2001 nur 17 Prozent der Bevölkerung zu ethnischen Russen erklärt, aber es sprechen bedeutend größere Gruppen der Bevölkerung in ihren Familien und im Alltag Russisch. In derselben Volksbefragung gaben 34 Prozent der Befragten an, in ihrer Alltagskommunikation Russisch zu verwenden, 64 Prozent hingegen Ukrainisch. In genaueren Untersuchungen wurde 1994 festgestellt, dass 37 Prozent nur Russisch, 33 Prozent nur Ukrainisch und 29 Prozent beide Sprachen gleichermaßen nutzen. Bis 2008 hatte sich das Verhältnis etwas zugunsten der Staatssprache geändert, aber nicht grundlegend gewandelt. Nun waren die entsprechenden Zahlen: 31, 45 und 25 Prozent. Russisch wird also im Durchschnitt des Landes von ca. der Hälfte der Bevölkerung aktiv verwendet und damit nur etwas weniger häufig als Ukrainisch (DS 19.10.2017).

Aus einer Analyse von Meinungsumfragen aus den Jahren 2012, 2014 und 2017 geht hervor, dass russischsprachige Staatsbürger der Ukraine keine homogene Gemeinschaft bilden, die sich durch ihre bevorzugte Sprache vom Rest der Bevölkerung abhebt, sondern dass sie seit Ende der Sowjetunion eine allmähliche Verwandlung von Sowjetbürgern zu Ukrainern vollzogen haben, ohne ihren Sprachgebrauch groß zu verändern. Die meisten von ihnen sprechen weiterhin vorwiegend Russisch, ohne dass es jedoch entscheidend für ihre Selbstidentifikation wäre. Vor dem Hintergrund der Aggression Russlands gegen die Ukraine seit dem Jahr 2014 haben sich die meisten Russischsprachigen in der Ukraine, selbst in den vermeintlich prorussischen Regionen im Osten und Süden, eher mit ihren Mitbürgern als mit ihren sprachlichen „Brüdern“ auf der anderen Seite der Grenze verbündet. Trotzdem brachte das einen großen Teil der Bevölkerung der Ukraine nicht dazu, den Sprachgebrauch radikal zu verändern. Obwohl viele Menschen, die zuvor fast ausschließlich Russisch gesprochen haben, nun stärker bereit zu sein scheinen, in bestimmten Bereichen etwas Ukrainisch zu verwenden, handelt es sich dabei keineswegs um einen umfassenden Wechsel von einer Sprache zur anderen. Die meisten Menschen in der heutigen Ukraine nutzen sowohl Ukrainisch als auch Russisch in ihrem Alltag, wenn auch zu einem sehr unterschiedlichen Anteil. 21 Prozent (2017) kombinieren die beiden Sprachen in mehr oder weniger gleich großen Teilen. Die Förderung des Ukrainischen führte nicht zu einer systematischen Diskriminierung der Russischsprachigen (UA 22.2.2018).

Es gibt in der Ukraine generell keine Diskriminierung der russischen Sprache. Seit Beginn des Konflikts in der Ostukraine im Jahr 2014, fördert die ukrainische Politik jedoch in bestimmten Bereichen aktiv die ukrainische Sprache, was von der Mehrheit der Menschen un

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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