TE Bvwg Beschluss 2020/8/20 W187 2233882-1

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Veröffentlicht am 20.08.2020
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Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1 Z4
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W187 2233882-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der Bietergemeinschaft bestehend aus 1 AAAA 2. BBBB , vertreten durch die WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „S 7 Fürstenfelder Schnellstraße, Abschnitt West – Baulos 02, Erd- und Kunstbauten Großwilfersdorf – km 0,500 bis km 4,700“ der Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Rotenturmstraße 5-9, 1010 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle ASFINAG Bau Management GmbH, Modecenterstraße 16, 1030 Wien, vom 10. August 2020 beschlossen:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. AAAA , 2. BBBB , „das BVwG möge eine einstweilige Verfügung erlassen, mit welcher der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren zu erteilen“, gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren „S 7 Fürstenfelder Schnellstraße, Abschnitt West – Baulos 02, Erd- und Kunstbauten Großwilfersdorf – km 0,500 bis km 4,700“, den Zuschlag zu erteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 10. August 2020 beantragte die Bietergemeinschaft bestehend aus 1 AAAA 2. BBBB , vertreten durch die WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, das Anberaumen einer mündlichen Verhandlung, die Akteneinsicht, die Ausnahme von der Akteneinsicht in das eigene Angebot, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben und den Ersatz der Pauschalgebühr. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „S 7 Fürstenfelder Schnellstraße, Abschnitt West – Baulos 02, Erd- und Kunstbauten Großwilfersdorf – km 0,500 bis km 4,700“ der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Rotenturmstraße 5-9, 1010 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle ASFINAG Bau Management GmbH, Modecenterstraße 16, 1030 Wien.

1.1 Nach Darstellung des Sachverhalts bezeichnet die Antragstellerin ihr Interesse am Vertragsabschluss und nennt als drohenden Schaden den Entgang des zu lukrierenden Gewinns, die frustrierten Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren, die entrichteten Pauschalgebühren, die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung, den Verlust von bedeutenden Marktanteilen angesichts der Baudauer von 31 Monaten und den Verlust eines Referenzprojekts. Die Antragstellerin erachtet sich generell in ihrem Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens sowie insbesondere im Recht auf Durchführung eines transparenten und dem freien und lauteren Wettbewerb entsprechenden Vergabeverfahrens, im Recht auf Gleichbehandlung aller Bieter, im Recht auf Nicht-Diskriminierung, im Recht auf vergaberechts- und ausschreibungskonforme Angebotsprüfung, im Recht auf transparente und vergaberechtskonforme Angebotsbewertung, im Recht auf Ausscheiden eines auszuscheidenden, insbesondere nicht ausschreibungskonformen Angebotes, im Recht auf Ausscheiden eines unzulässigen (nicht gleichwertigen) Alternativangebots, im Recht auf Berücksichtigung ausschließlich vergleichbarer Angebote bzw Nicht-Berücksichtigung sowie Ausscheiden nicht vergleichbarer Angebote, im Recht auf rechtskonforme Zuschlagsentscheidung, im Recht auf Zuschlagserteilung an den tatsächlichen Bestbieter und im Recht, für den Zuschlag in Aussicht genommen zu werden, verletzt. Sie macht Ausführungen zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und der Rechtzeitigkeit des Nachprüfungsantrags.

1.2 Als Gründe für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung gibt sie im Wesentlichen an, dass die Ausschreibung keine tauglichen Mindestanforderungen zur Prüfung der Gleichwertigkeit von Alternativangeboten enthalte. Die Ausschreibung lasse Alternativangebote neben einem ausschreibungskonformen Hauptangebot zu. Weitere Ausführungen fänden sich in Punkt 1.1.32.5 Teil B.1 und in Position 00B108A des Leistungsverzeichnisses Teil B.5. Bei der Anforderung der „Gebrauchstauglichkeit“ handle es sich um einen unbestimmten Begriff, der insbesondere keine inhaltliche Anforderung oder Parameter zur Prüfung beinhalte. Nach der Stellung eines von der Antragstellerin beigezogenen Sachverständigen stelle diese keine taugliche Mindestanforderung dar und könne einer gesetzeskonformen, nachvollziehbaren Gleichwertigkeitsprüfung nicht zugrunde gelegt werden. Die Auftraggeberin müsse in der Ausschreibung transparente und nachvollziehbare Mindestanforderungen an die Gleichwertigkeit von Alternativangeboten festlegen. Fehlten diese, dürften Alternativangebote nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht berücksichtigt werden. Ein Verweis auf eine nationale Rechtsvorschrift genüge nicht. Dies gelte auch für den Verweis auf die „Gebrauchstauglichkeit“. Es fehlten die Parameter. Das Kriterium sei nicht transparent und nachvollziehbar. Dem Kriterium „Standsicherheit“ komme neben dem Kriterium „Tragsicherheit“ keine weitere Bedeutung zu. Diese beiden Kriterien trügen daher ebenfalls nicht zur Konkretisierung der Prüfung der Gleichwertigkeit bei. Es daher nicht möglich, auf Grundlage der Kriterien in der Ausschreibung die Gleichwertigkeit transparent, vorhersehbar und nachvollziehbar hinsichtlich eines Alternativangebots mit Asphalt-Oberbau zu prüfen. Daher dürften Alternativangebote mit einer Asphalt-Oberbauausführung bei der Ermittlung des besten Angebots nicht berücksichtigt werden.

1.3 Man müsse die Lebensdauer in die „Gebrauchstauglichkeit“ einbeziehen. Es sei verwunderlich, dass die Auftraggeberin nichts Vergleichbares festgelegt habe. Der Sachverständige sehe die Lebensdauer eines Asphalt-Oberbaus mit 20 Jahren, jene eines Beton-Oberbaus mit 30 Jahren. Das entspreche dem Pavement Management System der Auftraggeberin. In dem später zurückgezogenen Aufklärungsersuchen vom 2. April 2020 habe die Auftraggeberin um eine Lebenszykluskostenanalyse für „die Gesamtkosten (Kosten für Neubau und Erhaltung) und den Restwert am Ende der Bemessungsperiode nach 30 Jahren“ ersucht. Damit sei klar, dass Alternativangebote mit Asphalt-Oberbau keine gleichwertige Gebrauchstauglichkeit aufwiesen. Dies entspreche der Einschätzung der Autoren auf https://www.baunetzwerk.biz/asphalt-oder-beton. Mangels Gleichwertigkeit (mangelnde Gebrauchstauglichkeit) seien folglich sämtliche Alternativangebote, die eine Asphalt-Oberbau-Ausführung anstelle einer Betonausführung anböten, vom Vergabeverfahren gemäß § 141 Abs 2 Z 7 BVergG auszuscheiden.

1.4 Der Nachweis der Gleichwertigkeit von Asphalt-Oberbauten sei auch formal gar nicht möglich. Der Nachweis der Gleichwertigkeit müsse sich aus dem Angebot ergeben. Eine nachträgliche Definition oder Heranziehung von Gleichwertigkeitskriterien sei nach der Rechtsprechung unzulässig. Aus Sicht der Antragstellerin sei davon auszugehen, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin die erforderlichen Nachweise zur Gleichwertigkeit einer Ausführung mit Asphalt-Oberbau auch rein formal nicht erbracht habe bzw auch gar nicht – jedenfalls nicht objektiv nachvollziehbar – habe erbringen können. Das ergebe sich auch aus dem Aufklärungsersuchen der Auftraggeberin von 2. April 2020. Hätte die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin diesen Nachweis bereits mit dem Angebot vorgelegt gehabt, wäre die Nachforderung nicht nötig gewesen. So seien die Alternativangebote mit Asphalt-Oberbau auch mangels tauglichen Nachweises der Gleichwertigkeit aus dem Vergabeverfahren auszuscheiden. Die Auftraggeberin habe der Antragstellerin mehrmals mündlich mitgeteilt, dass für sie eine Ausführung mit Asphalt-Oberbau nicht in Frage käme. Der Nachweis der Gleichwertigkeit sei „nur“ hinsichtlich Asphalt-Alternativen unmöglich gewesen bzw könne er nicht nachvollziehbar geführt werden. Dies betreffe keine sonstigen Alternativen, die die ausgeschriebene Beton-Oberbau-Ausführung vorsähen.

1.5 Der Bericht über den Vergleich und die Bewertung von Oberbauvarianten sei kein Nachweis der Gleichwertigkeit. Er nehme keinen Bezug auf die Mindestanforderungen an die Gleichwertigkeit von Alternativangeboten in den Ausschreibungsunterlagen. In Punkt 3.3 finde sich eine „Wirtschaftlichkeitsanalyse (Lebenszykluskostenanalyse)“. Dies weiche von den Festlegungen der Ausschreibung ab. Die Grundlagen des Berichts seien wegen der Schwärzungen nicht nachvollziehbar.

1.6 Die Antragstellerin verweist zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf ihr bisheriges Vorbringen und führt die im Wesentlichen aus, dass dem provisorischen Rechtsschutz Vorrang einzuräumen sei. Eine einstweilige Verfügung sei nur dann nicht zu erlassen, wenn besondere Gründe eine solche Ausnahme erforderten. Zum drohenden Schaden verweist die Antragstellerin auf den Nachprüfungsantrag. Es stünden der Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine vergleichbaren Interessen der Auftraggeberin oder etwaiger sonstiger Mitbieter entgegen. Die Auftraggeberin wäre verpflichtet, Verfahrensverzögerungen aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens in ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Die Auftraggeberin habe sich durch eine eigene Entscheidung in diese Position gebracht. Eine einstweilige Verfügung stelle daher weder für die Auftraggeberin noch für die Mitbieter eine unverhältnismäßige Belastung dar. Es stünde der einstweiligen Verfügung auch kein öffentliches Interesse entgegen. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse am Erlassen der einstweiligen Verfügung. Es bestünden keine besonderen öffentlichen Interessen an der Fortführung des Vergabeverfahrens. Der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes sei nämlich die Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren. Interessen der Auftraggeberin sowie allfällige Interessen von Mitbietern bzw der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin, die durch die Verzögerung des Vergabeverfahrens geschädigt werden könnten, seien nicht ersichtlich bzw zumindest unbeachtlich. Wie bereits ausgeführt, sei ein besonderes Dringlichkeitsinteresse an der raschen Durchführung des Vergabeverfahrens jedenfalls nicht gegeben. Die Interessenabwägung habe daher zu Gunsten der Antragstellerin auszufallen, da ihre Interessen bei der Fortführung des Vergabeverfahrens wesentlich bedroht seien. Die begehrte einstweilige Verfügung stelle auch die gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme dar.

2 Am 13. August 2020 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren, erstattete ausdrücklich kein Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und nahm zum Umfang der Akteneinsicht Stellung.

3. Mit Schriftsatz vom 17. August 2020 erhob die CCCC , vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH, Dr. Florian Neumayr, LL.M., Rechtsanwalt, ARES-Tower, Donau-City-Straße 11, 1220 Wien, in der Folge in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin, begründete Einwendungen.

3.1 Sie nahm zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Stellung. Darin führt sie im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin über in der Sache unbegründete Behauptungen hinaus keinen Grund aufzuzeigen vermöge, warum die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären wäre. Es bestehe ein öffentliches Interesse an einer zügigen Ausführung des Bauvorhabens. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung würde zu einer Verzögerung des Abschlusses des zu Recht in Aussicht genommenen Vertrages und damit potentiell der Auftragsausführung führen. In letzterem Fall könne sich auch die Einnahme von Deckungsbeiträgen sowie unternehmerischem Gewinn verzögern und entstünden der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin Vorhaltekosten, die sie nicht ersetzt bekommen würde. Falls dennoch eine einstweilige Verfügung ergehen sollte, sollte sie auf das absolut notwendige Mindestmaß beschränkt werden.

3.2 Die Behauptungen der Antragstellerin träfen nicht zu. Der Antragstellerin fehle die Antragslegitimation, weil sie keine Chance auf den Zuschlag habe. Wenn Alternativen nicht berücksichtigt würden, wobei angesichts der Mindestanforderungen nicht zwischen Alternativen mit Asphalt-Oberbau und solchen mit Beton-Oberbau unterschieden werden könne, bleibe es bei den Hauptangeboten. Das Hauptangebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin sei billiger als jenes der Antragstellerin. Die Antragstellerin stelle ein Kartell dar, weil es sich bei den an der Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen um Wettbewerber handle. Beide gehörten zu den größten Bauunternehmen Österreichs. Es sei auszuschließen, dass sie den gegenständlichen Auftrag nicht jeweils alleine ausführen könnten. Die Absprache in zu einer Bietergemeinschaft habe somit ganz offensichtlich nicht den Zweck verfolgt, ausreichend Ressourcen zu bündeln, um überhaupt den Auftrag zu erlangen und abwickeln zu können, sondern den Kreis der am Markt tätigen Unternehmen zur verringern und sich hinsichtlich des Angebots abzustimmen, Es müsse daher offenkundig vom Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ausgegangen werden. Die Bietergemeinschaft der Antragstellerin sei kartellrechtlich unzulässig und ihr Angebot sowie jedes Alternativangebot jedenfalls auszuscheiden. Daher fehle der Antragstellerin die Antragslegitimation. Der Begriff der „Gebrauchstauglichkeit“ sei in der RVS definiert. Die Antragstellerin habe daher vor Angebotslegung ihre Chancen abschätzen können. In der gegenständlichen Ausschreibung seien bewusst Alternativangebote mit Asphalt-Oberbau ermöglicht worden. Die Antragstellerin habe selbst solche Alternativangebote abgegeben. Es sei nicht statthaft, dass die Antragstellerin nach Bestandskraft der Ausschreibung versuche, nun durch „die Hintertür“ die Zulässigkeit bestimmter Alternativangebote zu Fall zu bringen. Die Gebrauchstauglichkeit sei in technischer Hinsicht definiert. Eine wirtschaftliche Entwicklungsrechnung oder dergleichen sei nicht gefragt. Es sei etwa ausgeschrieben worden, dass der Oberbau Lastklasse 40 genügen müsse. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin habe etwa die Bautype AS4 mit Lastklasse 42 angeboten. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Nachprüfungsantrag, insbesondere dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, nicht folge geben und macht Ausführungen zur Einsicht in ihr Angebot.

4 Am 19. August 2020 nahm die Auftraggeberin zu dem Nachprüfungsantrag Stellung. Nach einer kurzen Darstellung des Sachverhalts nimmt sie zu der Tendenz des Nachprüfungsantrags Stellung.

4.1 Die Vorgaben der Antragstellerin zu Alternativangeboten bei Bauaufträgen und das Ergebnis der Angebotsprüfung seien bereits mehrmals Gegenstand von Nachprüfungsverfahren gewesen und diese seien für vergaberechtskonform erklärt worden. Die Mindestanforderungen seien für den durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt verständlich festzulegen. In der Ausschreibung seien Mindestanforderungen an Alternativangebote definiert worden. Der Vergleich mit Anforderungen an Zuschlagskriterien sei vergaberechtlich verfehlt. Bei den Adressaten der gegenständlichen Ausschreibung handle es sich ausschließlich um im Baubereich tätige, technisch versierte Personen. Die einschlägigen Vorschriften seien somit einem durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bekannt. Die Gebrauchstauglichkeit sei technischer Begriff, der in der RVS definiert sei. Die sollte den Mitgliedern der Bietergemeinschaft als fachkundige Unternehmen sehr wohl bekannt sein. Der Begriff der Gebrauchstauglichkeit sei im Zusammenhang mit den beiden anderen technischen Begriffen Standsicherheit und Tragsicherheit zu lesen. Dabei handle es sich um klar definierte technische Anforderungen. Jedes Alternativangebot könne an dieser technischen Anforderung gemessen werden. Somit enthalte die Ausschreibung entsprechende transparente und nachvollziehbare Mindestanforderungen an die Gleichwertigkeit von Alternativangeboten. Es überrasche auch, dass dennoch die Beton-Alternative der Antragstellerin verglichen werden können solle.

4.2 Im Speziellen werde im Straßenoberbau die Gebrauchstauglichkeit durch weitere technische Parameter über den – auf die Straßenoberfläche bezogenen – sogenannten „Gebrauchswert“ konkretisiert. Würden die gemäß RVS geforderten Anforderungen für den Straßenoberbau eingehalten, sei technisch die Gebrauchstauglichkeit gegeben. Das gelte auch für alle anderen Alternativen im Bereich des Straßenoberbaus. Für alle Oberbaukonstruktionen müsse gemäß RVS 03.08.63 eine identische technische Bemessungslebensdauer von 30 Jahren auf Bundesstraßen A und S angesetzt werden. Daraus ergebe sich eine Gleichwertigkeit der Gebrauchstauglichkeit, der Tragsicherheit und der Standsicherheit für alle in der RVS aufgelisteten Oberbauvarianten, wenn die Zuordnung zur verkehrsabhängigen lastklasse korrekt vorgenommen worden sei, was gegenständlich der Fall sei. Somit sei auch die angebotene Alternative 3 der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin im Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit gleichwertig. Es seien auch Erhaltungsmaßnahmen einzuplanen, um die Gebrauchstauglichkeit über die einheitliche Bemessungsperiode von 30 Jahren sicher zu stellen. Dies sei unstrittiger Stand der Technik. Die von der Antragstellerin vorgelegte Beurteilung entspreche nicht mehr dem Stand der Technik. Diese Vorgabe sei auch in der aktuellen Version des Pavement Management Systems umgesetzt und sollte der Antragstellerin bekannt sein.

4.3 Das Vorbringen der Antragstellerin über die Unmöglichkeit der Nachweise zur Gleichwertigkeit der Alternativangebote mit Asphalt-Oberbau sei der unsubstantiiert und irreführend, dass im Detail nicht darauf eingegangen werden könne. Die Ausschreibung definiere an mehreren Stellen, wie der Nachweis der Gleichwertigkeit erfolgen können und dass es sich teilweise um nachforderbare Unterlagen handle. Die Auftraggeberin habe die Prüfung der Gleichwertigkeit ausschreibungskonform durchgeführt. Sie habe eine Stellungnahme eingeholt, die auf Basis der vorliegenden Zahlen zu dem Ergebnis komme, dass die untersuchten Alternativangebote unter Betrachtung der Lebenszykluskosten wirtschaftlich gleichwertig seien. Das Gutachten beinhalte auch einen direkten technischen und wirtschaftlichen Vergleich der unterschiedlichen Oberbauvarianten. Der Gutachter habe über Auftrag der Auftraggeberin auch die Ergebnisse der umfangreichen Stellungnahme in einer gesonderten Ergänzung zusammengefasst. Daraus ergebe sich, dass der Nachweis der Gleichwertigkeit vollumfänglich erbracht worden sei. Die Antragstellerin wende unterschiedliche Maßstäbe der Argumentation auf ihre eigenen Alternativangebote und jene anderer Bieter an. Es sei auch erstaunlich, dass die Antragstellerin die Bestimmungen über Alternativangebote in der Ausschreibung erst nach Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung rüge.

4.4 Über den von der Antragstellerin gerügten Bericht über die Gleichwertigkeit von Alternativangeboten hinaus habe die Auftraggeberin noch eine Stellungnahme über die Gleichwertigkeit des für den Zuschlag vorgesehenen Alternativangebots vom 14. August 2020 eingeholt. Diese komme zu dem Schluss, dass dieses Angebot nach den Vorgaben der RVS technisch und wirtschaftlich gleichwertig sei. Es werde auch deutlich, dass das Hauptangebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin das günstigste sei. Die Auftraggeberin beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Antrag der Antragstellerin auf Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung abweisen.

5 Am 19. August 2020 legte die Auftraggeberin die Unterlagen des Vergabeverfahrens in elektronischer Form vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1 Die Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft schreibt unter der Bezeichnung „S 7 Fürstenfelder Schnellstraße, Abschnitt West – Baulos 02, Erd- und Kunstbauten Großwilfersdorf – km 0,500 bis km 4,700“ einen Bauauftrag mit den CPV-Codes 45000000-7 – Bauarbeiten, 45221111-3 – Bau von Straßenbrücken und 45233110-3 – Bauarbeiten für Autobahn im Oberschwellenbereich in einem offenen Verfahren nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert beträgt € 34.587.846,61 ohne USt. Vergebende Stelle ist die ASFINAG Bau Management GmbH. Die Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte in Österreich im Lieferanzeiger vom 30. Oktober 2019 zur Zahl L-707671-9a30 und unionsweit im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 31. Oktober 2019 zur Zahl 2019/S 211-514854. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.2 Das Ende der Angebotsfrist war der 13. Februar 2020, 13.00 Uhr. Die Öffnung der Angebote erfolgte am 13. Februar 2020, von 13.00 Uhr bis 14.40 Uhr, in Anwesenheit von Vertretern von Bietern. Dabei wurden Angebote von fünf Bietern geöffnet. Alle Angebote bestanden aus einem Hauptangebot oder Basisangebot sowie Alternativangeboten. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.3 Die Auftraggeberin schied kein Angebot aus. Am 29. Juli 2020 teilte die Auftraggeberin allen Bietern die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin im Wege der Vergabeplattform mit. (Angaben der Auftraggeberin; Zuschlagsentscheidung in den Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Auftrag vergeben. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von € 9.723. (Verfahrensakt)

2. Beweiswürdigung

2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10, idF BGBl I 2019/44 lauten:

„Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“

3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2018/57, lauten:

„Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) …

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

…“

3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:

„4. Teil

Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht

1. Hauptstück

Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

(2) …

2. Hauptstück

Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1.         zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2.         zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) …

2. Abschnitt

Nachprüfungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1.         er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2.         ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) …

3. Abschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1.         die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
2.         eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3.         die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4.         die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5.         die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6.         die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) …

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“

3.2 Zu Spruchpunkt A) –Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 (st Rspr zB BVwG 31. 1. 2014, W139 2000171-1/34E; 12. 3. 2020, W139 2224102-2/33E; 22. 5. 2020, W187 2230981-1/3E; BVA 2. 5. 2011, N/0021-BVA/10/2011-33; 15. 3. 2012, N/0006-BVA/12/2012-29). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 BVergG 2018. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 327 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 – Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und im Erhalt des Auftrags.

3.3.2.3 Die Auftraggeberin sah von einer Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin sprach sich aus gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, da sie den Nachprüfungsantrag einerseits als chancenlos ansieht und andererseits ein öffentliches Interesse an einer zügigen Beauftragung und Durchführung des gegenständlichen Auftrags sieht.

3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, machte die Auftraggeberin nicht geltend. Das öffentliche Interesse an einer zügigen Beauftragung und Durchführung des gegenständlichen Auftrags, das die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin geltend macht, hat sie nicht näher konkretisiert und ist dem Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine anderen öffentlichen Interessen ersichtlich.

3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Rechtsmittelrichtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden, vielmehr ist sie Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8). Schließlich hätte die Auftraggeberin das Vergabeverfahren so rechtzeitig beginnen können, dass sie die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens einberechnet hätte.

3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

3.2.2.8 Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).

3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

3.3 Zu Spruchpunkt B) – Nichtzulassung der Revision

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; 30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254; 29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausschreibung Bauauftrag Bietergemeinschaft Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist gelindeste Maßnahme gelindestes Mittel Gleichwertigkeit Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W187.2233882.1.00

Im RIS seit

07.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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