TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/25 I401 2234034-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2020
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Entscheidungsdatum

25.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I401 2234034-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX , StA. Nigeria alias Somalia, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 13.07.2020, Zl. IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2002 nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe, somalischer Staatsangehöriger zu sein. Der Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.01.2011, A11 249.496-0/2008/16E, negativ entschieden. Festgestellt wurde nach einem (durch das damals zuständige Bundesasylamt) eingeholten Sprachgutachten, dass der Beschwerdeführer „offensichtlich nicht aus Somalia, sondern vielmehr aus dem südwestlichen Landesteil Nigerias stamme“ und seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei.

Am 19.07.2010 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung“ bei der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde. Dieser Antrag wurde mit rechtskräftigem Bescheid vom 08.07.2013 mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer den Nachweis über den gesicherten Lebensunterhalt nicht erbracht habe, abgewiesen.

Am 03.06.2014 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und über ihn wegen des Verdachts der Begehung eines Suchtmitteldeliktes Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16.12.2014 wurde er wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall StGB und 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG und nach §§ 12 dritter Fall StGB, 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 2 Z 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt. Mit Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 10.06.2016 erfolgte die Anordnung der Bewährungshilfe, welche vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 11.12.2018 (Übernahme der Zuständigkeit nach § 179 Abs. 1 STVG) aufgehoben wurde. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.02.2020 wurde der Beschwerdeführer endgültig aus der mit 10.08.2016 vollzogenen Freiheitsstrafe entlassen.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.04.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt. In seiner Stellungnahme vom 17.05.2017 gab er unverändert an, aus Somalia zu stammen, dort niemanden zu haben und in Österreich mit seiner Lebensgefährtin zusammenzuleben. Mit ihr übermittelte er zwei Seiten einer Kopie eines somalischen Reisepasses.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 10.07.2019 durch das Bundesamt äußerte er, dass ihm sein unrechtmäßiger Aufenthalt bewusst sei, er aber mit seiner Freundin im gemeinsamen Haushalt lebe und sie für die Lebenserhaltungskosten aufkomme. Den Reisepass im Original könne er nicht vorlegen, den bereits abgelaufenen habe er zerrissen und er besitze lediglich eine Kopie. Auf Vorhalt der strafgerichtlichen Verurteilung verantwortete er sich dahingehend, dass er fälschlicherweise des Drogenverkaufs beschuldigt worden sei.

Mit Bescheid vom 13.07.2020 erteilte das Bundesamt dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.), erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.) und erließ mit Spruchpunkt VI. gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot.

Die erhobene Beschwerde vom 10.08.2020 begründete der Beschwerdeführer damit, dass er mit seiner Lebensgefährtin, die nigerianische Staatsangehörige und im Besitz eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ sei, im gemeinsamen Haushalt lebe und die Partnerin den Lebensunterhalt finanziere. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 2002 im Bundesgebiet und sei davon auszugehen, dass er sich ein großes soziales Umfeld und einen emotionalen Bezug aufgebaut habe. Zur strafgerichtlichen Verurteilung sei es im Dezember 2014 gekommen und er sei nicht unmittelbarer Täter gewesen, sondern als Beitragstäter beschuldigt worden. Er habe aber den Ernst der Lage erkannt und werde fortan keine strafgerichtlichen Delinquenzen mehr begehen. Aufgrund eines Unfalles im Jahr 2010 könne er sich nicht mehr an die Vergangenheit erinnern und wäre das Leben im Fall einer Rückkehr aufgrund der kognitiven Beeinträchtigungen zudem erschwert. Vom Beschwerdeführer gehe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, die Erlassung eines Einreiseverbotes sei nicht geboten und greife die Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig in sein Privat- und Familienleben ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest. Er ist Staatsangehöriger von Nigeria und nicht von Somalia. Der Beschwerdeführer trat außerdem mit verschiedenen Aliasidentitäten und einem anderen Geburtsdatum vor österreichischen (Straf-) Behörden auf.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1. Die Prüfung für die Stufe A2 hat er nicht bestanden.

Er reiste erstmals im Jahr 2002 nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich durch Entscheidung des Asylgerichtshofs vom 28.01.2011 abgewiesen wurde. Seither hält sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf und ist ihm der unrechtmäßige Aufenthalt bewusst.

In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin in einem gemeinsamen Haushalt. Sie waren vom 23.06.2008 bis 06.09.2010 und sind - nach der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft - seit 25.10.2016 an einer gemeinsamen Adresse gemeldet. Die Lebensgefährtin ist nigerianische Staatsangehörige, die sich mit einem Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und seit Anfang des Jahres 2015 einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Die Lebensgefährtin sorgt für den gemeinsamen Lebensunterhalt. Der Beschwerdeführer unterlag in der Zeit vom 01.12.2010 bis 31.01.2013 und vom 01.09.2013 bis 31.08.2014 der Pflichtversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG). Er bezieht seit 05.09.2018 (wieder) Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung, er geht gelegentlich der Schwarzarbeit nach. Bis zur Insolvenz betrieb er ein Hip-Hop-Geschäft, welches er zur Begehung von Suchtgiftdelikten im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zur Verfügung stellte.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16.12.2014, rechtskräftig am 30.12.2014, wurde er wegen Verbrechen des Suchgifthandels zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Mai 2011 bis Ende Februar 2013 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung dazu beigetragen hat, Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge vorschriftswidrig aus den Niederlanden bzw. aus anderen Ländern aus- und anschließend nach Österreich einzuführen und Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge an Abnehmer zu überlassen. Der Beschwerdeführer habe sich bereit erklärt, „[…] sein Geschäft als Zahlstelle für die finanziellen Transaktionen der Tätergruppe zur Verfügung zu stellen, die Erlöse aus dem Verkauf des Suchtgiftes entgegenzunehmen, offene Forderungen der anderen Mitglieder der kriminellen Vereinigung zu betreiben, Bargeld in größere Geldscheine umzuwechseln, die ihm übergebenen Geldbeträge für die anderen Mitglieder der kriminellen Vereinigung zu verwalten und darüber Buch zu führen, im Auftrag der anderen Mitglieder der kriminellen Vereinigung Auszahlungen zu tätigen und Überweisungen ins Ausland durchzuführen sowie sonstige Hilfstätigkeiten für die anderen Mitglieder der kriminellen Vereinigung zu verrichten, was er in der Folge auch tat.“ Das Strafgericht wertete den langen Tatzeitraum, das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und das Überschreiten der 25-fachen Grenzmenge als erschwerend, mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und den untergeordneten Tatbeitrag.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich trotz seines langjährigen Aufenthaltes keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Er legte Empfehlungsschreiben vor.

1.2. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen):

Im angefochtenen Bescheid wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Nigeria mit Stand 20.05.2020 zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind keine Änderungen bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 20.5.2020

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 16.1.2020). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 16.1.2020; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten (EASO 11.2018a; vgl. AA 16.1.2020), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. Im „Middlebelt“ kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt. Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt jedoch latent konfliktanfällig. IPOB ist allerdings derzeit in Nigeria nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nassarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger, Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten betroffen. Weiterhin bestimmen immer wieder gewalttätige Konflikte zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie gut organisierten Banden die Sicherheitslage. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 forderten diese in Abuja auch wiederholt Todesopfer (AA 16.4.2020).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen auf dem Landweg in die nordöstlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Von nicht erforderlichen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias, in die Bundesstaaten Sokoto, Katsina und Jigawa wird abgeraten. Von Reisen in die folgenden Bundesstaaten wird abgeraten, sofern diese nicht direkt auf dem Luftweg in die jeweiligen Hauptstädte führen: in Zentral-und Nord-Nigeria Kaduna, Zamfara, Kano und Taraba, in Südnigeria: Ogun, Ondo, Ekiti, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Anambra, Enugu, Abia, Ebonyi und Akwa Ibom. Auch von Reisen in die vorgelagerten Küstengewässer, Golf von Guinea, Nigerdelta, Bucht von Benin und Bucht von Bonny, wird abgeraten (AA 16.4.2020).

In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt (AA 16.4.2020). Das britische Außenministerium warnt vor Reisen nach Borno, Yobe, Adamawa und Gombe, sowie vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta, sowie Reisen nach Zamfara näher als 20km zur Grenze mit Niger. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zu Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers, und Reisen im Bundesstaat Niger im Umkreis von 20km zur Grenze zu den Staaten Kaduna und Zamfara, westlich des Flusses Kaduna (UKFCO 15.4.2020). Gewaltverbrechen sind in bestimmten Gebieten Nigerias ein ernstes Problem, ebenso wie der Handel mit Drogen und Waffen (FH 1.2019).

In der Zeitspanne April 2019 bis April 2020 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.712), Zamfara (685), Kaduna (589) und Katsina (392). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (3), Kebbi (3), Kano (7), Jigawa (7), Kwara (8), Enugu (8) und Ekiti (9) (CFR 2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (16.4.2020): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, 16.4.2020

-        CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 16.4.2020

-        FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019, Nigeria, https://freedomhouse.org/country/nigeria/freedom-world/2019, Zugriff 17.4.2020

-        UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (15.4.2020): Foreign Travel Advice – Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 16.4.2020

Grundversorgung:

Letzte Änderung: 20.5.2020

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 3.2020c). 2018 wurde ein Wachstum von 1,9 Prozent erreicht (AA 24.5.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 3.2020c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 3.2020c). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).

Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 3.2020c) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 3.2020c; vgl. AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2019).

Die Prozentsätze der Unterernährung haben sich in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegen nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 3.2020b). Über 80 Prozent der ca. 190 Millionen Nigerianer leben unterhalb der Armutsgrenze - Tendenz steigend (GIZ 3.2020c). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 3.2020b). Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmittelpreise variieren ebenfalls nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2019).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 3.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vgl. BS 2020).

Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 3.2020b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 3.2020c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2019).

Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Von den auf Hilfe Angewiesenen (7,1 Millionen) sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/wirtschaft/205790, Zugriff 16.4.2020

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 18.5.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.4.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria, Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020

-        IOM Nigeria - International Organization for Migration (17.3.2020): Emergency Response, 2019 Annual Reports, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2019_annual_report_-_iom_nigeria_emergency_responsefinal.pdf, Zugriff 15.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

Rückkehr:

Letzte Änderung: 14.4.2020

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor diesem und der Stellungnahme nach dem eingeräumten Parteiengehör, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria mit Stand 20.05.2020.

Der Beschwerdeführer bestreitet den vom Bundesamt festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der vom Bundesamt vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung anschließt.

Das Bundesamt hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde können keine neuen Sachverhaltselemente entnommen werden, welche geeignet wären, die vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere zur Religionszugehörigkeit, zum Gesundheitszustand und Familienstand, zu den familiären Verhältnissen, seinen Deutschkenntnissen auf dem Niveau A1, beruhen hauptsächlich auf seinen eigenen Angaben vor dem Bundesamt und den von ihm vorgelegten Beweismitteln.

Da der Beschwerdeführer keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, muss von einer bloßen Verfahrensidentität ausgegangen werden. Er bestritt stets, nigerianischer Staatsangehöriger zu sein, und beharrte darauf, aus Somalia zu stammen. Die nigerianische Staatsangehörigkeit wurde basierend auf einem vom Bundesasylamt in Auftrag gegebenen Sprachgutachten rechtskräftig durch den Asylgerichtshof festgestellt. Dadurch, dass der Beschwerdeführer zwei Seiten eines abgelaufenen somalischen Reisepasses in Kopie vorlegte, konnte er der Feststellung seiner nigerianischen Staatsangehörigkeit nicht erweislich entgegentreten. Aus der vorliegenden Kopie lässt sich die Richtigkeit und Echtheit des Dokumentes nicht feststellen und damit auch nicht die somalische Staatsangehörigkeit. Außerdem wird die im angefochtenen Bescheid festgestellte nigerianische Staatsangehörigkeit in der Beschwerde nicht explizit bestritten. Im Rubrum der Beschwerde wird zur Person des Beschwerdeführers vielmehr die nigerianische und die somalische Staatsangehörigkeit angeführt (AS 761). In weiterer Folge ist im Schriftsatz („nur“) vom Herkunftsland die Rede, ohne einen konkreten Staat zu benennen. Die Behauptung, aus Somalia zu stammen, genügt nicht, die bereits durch den Asylgerichtshof festgestellte nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu entkräften.

Seine darüber hinaus verwendeten Aliasidentitäten können dem erstinstanzlichen Akt und dem Zentralen Fremdenregister entnommen werden sowie sind diese auch im Strafurteil und im Strafregisterauszug angeführt.

Aus der im Akt einliegenden Urteilsausfertigung des Landgerichts für Strafsachen Wien ergeben sich auch die strafgerichtliche Verurteilung und die Tathergänge sowie die Strafzumessungsgründe, wie auch der Umstand, dass er zur Verwirklichung der Strafdelikte sein Hip-Hop-Geschäft zur Verfügung stellte. Der Beschwerdeführer gab selbst an, das Geschäft bis zum Konkurs betrieben zu haben (AS 581) und stimmen diese Angaben mit einem am 17.08.2020 eingeholten Auszug aus dem Gewerberegister GISA überein.

Sein bisheriger Aufenthalt im Bundesgebiet und die abgeschlossenen (Asyl-) Verfahren fußen auf dem erstinstanzlichen Akt, dem oben zitierten Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.01.2011, der Einsicht in das Zentrale Fremdenregister und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, wonach ihm der unrechtmäßige Aufenthalt auch bewusst sei (AS 579).

Aus einer Einsicht in das Betreuungsinformationssystem ergibt sich der gegenwärtige Bezug von staatlichen Leistungen. Die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit geht auf einen aktuellen Versicherungsdatenauszug zurück. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister belegen den gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin. Angaben zu ihrer Person konnten durch Abfragen des Zentralen Fremdenregisters und des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger verifiziert werden und konnte auch aufgrund der Unterstützungserklärung der Partnerin (AS 555) von einer Lebensgemeinschaft ausgegangen werden. Glaubhaft erscheinen die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt (AS 581), wonach die Lebensgefährtin den Lebensunterhalt durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die sie einen Lohn von ca. € 1.400,-- monatlich bezieht, aufkommt, und er „öfter schwarz“ arbeitet. Damit kann auch von seiner Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden.

Zu seinem Gesundheitszustand legte er dar, seit einem Unfall im Jahr 2010 keine Erinnerungen an Vergangenes mehr zu haben, legte diesbezüglich aber keine einschlägigen ärztlichen Unterlagen oder Befunde vor. Im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren im Jahr 2011 wurde bereits auf den angesprochenen Unfall im Jahr 2010 Bezug genommen und festgestellt, dass sich aus den Befunden nicht ergebe, dass „er sich seit dem Unfall an nichts mehr erinnern könne“, und eine „gegenwärtig bestehende lebensbedrohliche Erkrankung“ nicht abgeleitet werden könne. Somit konnte auch im gegenständlichen Verfahren von einem gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer ausgegangen werden.

Zur Dokumentation seiner Integration in Österreich legte er vier Empfehlungsschreiben von drei Freunden und seiner Lebensgefährtin in englischer Sprache und eine Bestätigung über eine nicht bestandene Deutschprüfung A2, datiert mit 11.12.2012, vor.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom Mai 2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von nichtstaatlichen Organisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht entgegen, sondern bekräftigte unverändert, aus Somalia zu stammen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels:

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Der Aufenthalt ist seit rechtkräftigem Abschluss des Asylverfahrens im Jänner 2011 unrechtmäßig und ist der Beschwerdeführer nicht in Besitz eines Aufenthaltstitels.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ unter bestimmte Voraussetzungen zu erteilen. Diese müssen im gegenständlichen Fall nicht weiter geprüft werden, da der Erteilung eine rechtskräftige Verurteilung durch ein österreichisches Strafgericht wegen eines Verbrechens entgegensteht (Z 1 leg. cit.).

Das Bundesamt erteilte daher zu Recht keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und war die Beschwerde gegen Spruchunkt I. abzuweisen.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung:

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Dazu ordnet § 52 Abs. 1 FPG an, dass das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen hat, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

§ 9 BFA-VG normiert, dass wenn durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß Abs. 2 leg. cit. insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass sich der Aufenthalt des Beschwerdeführers nach illegaler Einreise zunächst auf einen im Ergebnis unbegründeten Asylantrag stützte, er daher während der gesamten Dauer des Aufenthalts in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann, und er sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens im Jänner 2011, und damit seit über neun Jahren, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Ihm war - wie er selbst bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 10.07.2019 eingestand - der unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet bewusst.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist.

Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/2170054). Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielte in der bisherigen Judikatur daher nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen war (VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0121).

Auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ist dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0340).

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wien vom 16.12.2014 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und am 10.08.2016 aus der Strafhaft entlassen. Der Verurteilung lagen mehrere Verbrechen nach dem SMG, nämlich die Beitragstäterschaft zum grenzüberschreitenden Suchtgifthandel (in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu Grunde. Die Verbrechen des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall StGB und 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG und nach §§ 12 dritter Fall StGB und 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 2 Z 2 SMG sind als „besonders schwere Verbrechen“ zu qualifizieren.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11). Vom Beschwerdeführer geht eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, was durch den Umstand, dass er (wieder) seit September 2018 (bis laufend) staatliche Grundleistungen bezieht und er nach einem ca. 18-jährigen Aufenthalt nur über geringe Deutschkenntnisse verfügt, verstärkt wird. Dies führt dazu, dass das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse massiv verstärkt wird und trotz der langen Aufenthaltsdauer von einem eindeutigen Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer Außerlandesbringung auszugehen ist. In einem ähnlich gelagerten Fall wurde die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach einer Aufenthaltsdauer von 17 Jahren vom Verwaltungsgerichtshof ebenfalls für vertretbar erachtet und begründend ausgeführt, dass vor dem Hintergrund einer mehrmaligen Asylantragstellung und eines strafrechtlichen Verhaltens der Teilnahme an Deutschkursen sowie der gelegentlichen Verrichtung von sozialen oder beruflichen Tätigkeiten selbst unter Bedachtnahme auf die lange Dauer des Aufenthaltes kein ausschlaggebendes Gewicht beizumessen ist (VwGH 22.03.2017, Ra 2017/19/0028).

Die Aufenthaltsbeendigung von straffällig gewordenen Ausländern gilt grundsätzlich als legitimes Interesse eines Aufenthaltsstaates. Daher sind Straftaten wesentliche Gründe, die bei Rückkehrentscheidungen im Rahmen der Interessensabwägung zu Ungunsten eines Fremden ausschlagen können. Das besondere verpönte Verhalten des Beschwerdeführers (die Verbrechen des Suchtgifthandels nach dem SMG) verdeutlicht, dass er nicht gewillt ist, die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften seines Gastlandes einzuhalten.

Auch wenn er vor seiner Verhaftung ein Hip-Hop-Geschäft, das er aber für die Verwirklichung des Verbrechens des Suchtgifthandels im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zur Verfügung stellte, auf selbständiger Basis betrieben hat, kann von einer beruflichen Integration (durch die Ausübung des Gewerbes) nicht ausgegangen werden. Zudem räumte er ein, „schwarz“ gearbeitet und Arbeiten verrichtet zu haben, ohne eine Meldung an den zuständigen Sozialversicherungsträger zu erstatten. Darin ist ein Missbrauch im Sinn der Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten zu erblicken.

In sprachlicher Hinsicht ist zu erwarten, dass der Beschwerdeführer angesichts seines ca. 18-jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet über dem Niveau A1 liegende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Er bedurfte jedoch bei der letzten Einvernahme durch das Bundesamt im Juli 2019 eines Dolmetschers. Zudem legte er eine Bestätigung über die nicht bestandene Prüfung Niveau A2 aus dem Jahr 2012 vor.

Im gegenständlichen Fall liegen somit keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine lange Aufenthaltsdauer in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde.

Zu prüfen bleibt, ob eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig in das Privat- und Familienleben eingreift. Der Beschwerdeführer lebt zwar seit mehreren Jahren in einer kinderlosen Beziehung zu einer nigerianischen Staatsangehörigen und besteht seit seiner Entlassung aus der Strafhaft wieder ein gemeinsamer Haushalt. Die Lebensgefährtin, die gegenwärtig einer Erwerbstätigkeit nachgeht, hält sich seit Erteilung eines, zuletzt am 10.03.2020 erteilten bis 10.03.2023 gültigen, Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ rechtmäßig in Österreich auf. Bei diesem Aufenthaltstitel handelt es sich aber weder um ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht, noch um ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG), wie in Abs. 3 leg. cit. gefordert. Sie ist auch nicht österreichische Staatsangehörige. Die Lebensgefährtin bestreitet durch die von ihr ausgeübte Erwerbstätigkeit den gemeinsamen Lebensunterhalt. Der Beschwerdeführer wusste, dass sein Aufenthalt ein unsicherer war. Er konnte zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, ein gemeinsamen Familienleben führen zu können. Die Lebensgefährtin ist von ihm finanziell nicht abhängig, sondern unterstützt ihn bei Bestreitung des Lebensunterhaltes und kommt für die Miete auf. Da die Lebensgefährtin nigerianische Staatsangehörige ist, wäre es ihr möglich, nach Nigeria zu reisen, um den Beschwerdeführer dort zu besuchen. Das Familienleben könnte in Nigeria fortgesetzt werden. Es wurde kein Vorbringen erstattet, dass der Lebensgefährtin ein Fortkommen in Nigeria nicht möglich wäre und kommt ihr auch ein internationaler Schutz in Bezug auf Nigeria nicht zu. Ein gänzlicher Abbruch der Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner in Österreich aufenthaltsberechtigten Lebensgefährtin geht demnach mit der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung nicht einher und ist den Erwachsenen die Aufrechterhaltung des Kontaktes via moderner Tele- und Videokommunikationsmittel und per Briefverkehr zumutbar.

Eine maßgebliche Eingliederung in die österreichische Gesellschaft kann an den drei in englischer Sprache verfassten Empfehlungsschreiben von Freunden und eines seiner Lebensgefährtin nicht festgemacht werden, auch wenn sie die Liebesbeziehung zum Beschwerdeführer bestätigt und versichert, ihm Unterstützung in jeder Hinsicht angedeihen zu lassen.

Dass der Beschwerdeführer nach der rechtskräftigen Verurteilung nach dem SMG keine Einsicht zeigt und sich damit „verantwortet“, dass er fälschlich beschuldigt worden sei, Drogen verkauft zu haben, er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, er unverändert auf einer anderen Staatsangehörigkeit als der durch das erstellte Sprachgutachten festgestellten beharrt und er einer Schwarzarbeit nachging, verdeutlichen bei einer Gesamtbetrachtung, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, die von der österreichischen Rechtsordnung geschützten Rechtsgüter zu beachten.

Gleichzeitig kann vom Bestehen einer Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat Nigeria ausgegangen werden, selbst wenn er die Herkunft bis zuletzt bestritt. Der Beschwerdeführer verließ Nigeria zwar vor vielen Jahren, lebte dort aber bis zu seiner Ausreise und erfuhr dort seine Hauptsozialisierung. Es kann davon ausgegangen werden, dass er nach wie vor die Sitten und Gebräuche sowie Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates kennt. Von einer vollkommenen Entwurzelung des Beschwerdeführers kann somit nicht ausgegangen werden, zumal er auch noch seine Muttersprache beherrscht. Nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat wird es ihm durch die Annahme von (Hilfs-) Tätigkeiten möglich sein, sich eine Existenz zu sichern.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art. 8 EMRK, vgl. § 9 Abs. 3 BFA-VG und das Erk. des VwGH vom 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung:

3.3.1. Rechtslage:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (Beschluss des VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062; Erk. des VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria erfolgte daher zu Recht.

Der Beschwerdeführer gehört auch weder aufgrund von Vorerkrankungen noch altersbedingt einer Risikogruppe in Hinblick auf eine Covid-19 - Erkrankung an. Selbst wenn er in Nigeria nicht auf familiäre Unterstützung zurückgreifen kann, ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, dass „[…] auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019)“.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.

3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. Dies ist mit Spruchpunkt V. geschehen, weil aufgrund der oben beschriebenen Straffälligkeit, der Verletzung der Ausreiseverpflichtung und der Ausübung von Schwarzarbeit schwerwiegende Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.

Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt ein Überwiegen der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen bekämpften Bescheid zulässig war und folglich eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festzusetzen war.

Die Beschwerde war sohin auch gegen Spruchpunkte IV. und V. als unbegründet abzuweisen.

3.5. Zum befristeten Einreiseverbot:

3.5.1. Rechtslage:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Der Beschwerdeführer wurde von einem österreichischen Strafgericht wegen Verbrechen des Suchtgifthandels als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall StGB und 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG und nach §§ 12 dritter Fall StGB und 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 2 Z 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt. Dass der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG verwirklicht ist, wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Der Ansicht, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche und gegenwärtige schwerwiegende Gefahr darstellt, ist aus folgenden Gründen beizutreten:

Das Bundesamt hat die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbots nicht (nur) auf die Tatsache der Verurteilung bzw. der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist (VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer seit dem Jahr 2002 durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Der Ansicht des Bundesamtes, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche und gegenwärtige schwerwiegende Gefahr darstellt, ist beizutreten. Aufgrund der Verletzung seiner Ausreiseverpflichtung, der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers, der Ausübung von „Schwarzarbeit“ und dem Bezug von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung ist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen weiteren Aufenthalt indiziert. Die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wird zudem durch den Umstand erhöht, dass der Beschwerdeführer unverändert darauf beharrt, aus Somalia zu stammen, obwohl dieser Behauptung das im Asylverfahren eingeholte Sprachgutachten, wonach er „offensichtlich“ aus Nigeria stamme, entgegensteht. Der Beschwerdeführer brachte durch sein gesamtes Fehlverhalten seine mangelnde Rechtstreue und seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck. Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher, insbesondere aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Verbrechen nach dem SMG, des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose, zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Einreiseverbot in der von der belangten Behörde verhängten Dauer zu rechtfertigen vermag. Das sich in Gesamtschau ergebende Persönlichkeitsbild lässt nicht den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer sich in Zukunft wohlverhalten werde.

Der Beschwerdeführer befindet sich zwar gegenwärtig nicht mehr in Strafhaft, es ist jedoch die seit seiner Freilassung verstrichene Zeit noch zu wenig weit fortgeschritten, um ihm einen allenfalls gegebenen - im Verfahren aber nicht einmal ansatzweise dokumentierten - positiven Gesinnungswandel zu attestieren.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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