TE Bvwg Beschluss 2020/9/3 W120 2234339-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2020
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Entscheidungsdatum

03.09.2020

Norm

AVG §33 Abs3
BVergG 2018 §12 Abs1 Z4
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1
BVergG 2018 §5
B-VG Art133 Abs4
BVwGG §19
GO-BVwG §20 Abs1
GO-BVwG §20 Abs2
GO-BVwG §20 Abs6
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W120 2234339-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Christian Eisner über den mit dem 24.08.2020 datierten Antrag der XXXX in XXXX auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Reflektierende Dachbeschichtung/Beschichtungsarbeiten Technisches Museum Wien“ der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Burghauptmannschaft Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, den Beschluss:

A)

Dem Antrag,

„die Vergabe bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens auszusetzen [...] bzw. der Burghauptmannschaft Österreich bis zum Ende des Nachprüfungsverfahren[s] zu untersagen den Zuschlag zu erteilen“,

wird Folge gegeben.

Der Auftraggeberin wird für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt, den Zuschlag zu erteilen.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Schriftsatz vom 24.08.2020 beantragte die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend, dass der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags untersagt werde. Zudem stellte die Antragstellerin Anträge auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Akteneinsicht.

Zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass 1. vermutlich keine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt worden sei, der Gesamtpreis des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht plausibel und nachvollziehbar sei und das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin daher auszuscheiden gewesen wäre, 2. die Antragstellerin keine Aufforderung erhalten habe, ihre Preise kalkulatorisch nachzuweisen und somit keine detaillierte Preisprüfung stattgefunden habe und 3. bestimmte Bieterlücken von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht ordnungsgemäß ausgefüllt worden seien, deren Angebot daher den Vorgaben widerspreche und somit auszuscheiden gewesen wäre.

2.       Am 27.08.2020 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde zusammengefasst vorgebracht, dass das besondere Interesse der Auftraggeberin an der Fortführung des Verfahrens aufgrund eines dringenden Beschaffungsbedarfs bestehe, da die gegenständliche Beschaffung zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der Auftraggeberin benötigt werde. Aufgrund des dringenden Beschaffungsbedarfs der Auftraggeberin werde im Falle der Erlassung einer einstweiligen Verfügung um Beschränkung von dieser auf die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer eines Nachprüfungsverfahrens, sohin auf sechs Wochen ab Erlassung der einstweiligen Verfügung, ersucht.

Zudem sei darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Nachprüfungsantrag vor dem Hintergrund der Verfristung zurückzuweisen und dieser Umstand daher bei der Erlassung der einstweiligen Verfügung zu berücksichtigen sei.

3.       Am 31.08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Auftraggeberin schrieb unter der Bezeichnung „Reflektierende Dachbeschichtung/Beschichtungsarbeiten Technisches Museum Wien“ einen Bauauftrag nach dem Billigstangebotsprinzip im Unterschwellenbereich aus. Es erfolgte keine Unterteilung in Lose.

Der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer beträgt EUR XXXX ,--.

Die Auftraggeberin führt dieses Verfahren als nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung durch.

Die Angebotseröffnung fand am 03.08.2020 ohne Anwesenheit der Bieter statt.

Am 13.08.2020 übermittelte die Auftraggeberin an die Antragstellerin die hier gegenständliche Zuschlagsentscheidung, welche auszugsweise wie folgt lautet:

„Sehr geehrter Bieter!

Die Burghauptmannschaft Österreich informiert gemäß BVergG 2018 § 143, dass der Zuschlag an die Firma XXXX , mit einem Gesamtpreis in der Höhe von XXXX (exkl. MwSt.) erteilt wird.

Ausschlaggebend dafür ist:

‚Angebotspreis‘

Damit hat dieses Angebot im Hinblick auf die von uns gewählte Bewertungsmethode gemäß dem in der Ausschreibung festgelegten Kriterium:

‚Angebotspreis‘

die höchste Wertung unter den eingegangenen Angeboten erreicht und war daher als wirtschaftlich günstigstes Angebot zu bewerten.

Die Stillhaltefrist endet am 23. August 2020, 24 Uhr“

Das Angebot der Antragstellerin wurde von der Auftraggeberin nicht ausgeschieden.

Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt.

Die Antragstellerin bezahlte die entsprechenden Pauschalgebühren.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Anzuwendendes Recht:

3.1.1.  § 28 Abs 1 VwGVG („Erkenntnisse“), BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

§ 31 Abs 1 VwGVG („Beschlüsse“) ordnet Folgendes an:

„§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

[…]“

3.1.2.  Der 4. Teil des BVergG 2018, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält, geht als lex specialis den Bestimmungen des VwGVG vor. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65, lauten:

„4. Teil

Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht

1. Hauptstück

Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

[…]

2. Hauptstück

Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig

1.        zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie

2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

[…]

2. Abschnitt

Nachprüfungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

2.        ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

[…]

Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages

§ 344. (1) Ein Antrag gemäß § 342 Abs. 1 hat jedenfalls zu enthalten:

1. die Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung,

2. die Bezeichnung des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

3. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, insbesondere bei Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung die Bezeichnung des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bieters,

4. Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,

5. die Bezeichnung der Rechte, in denen der Antragsteller verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

6. einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung, und

7. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(2) Der Antrag ist jedenfalls unzulässig, wenn

1. er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet, oder

2. er nicht innerhalb der in § 343 genannten Fristen gestellt wird, oder

3. er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.

[…]

3. Abschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

[…]

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

[…]“


3.2.    Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:

3.2.1.  Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 ist im Anwendungsbereich des BVergG 2018 grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Insbesondere sind einstweilige Verfügungen davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.

Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Burghauptmannschaft Österreich, Abteilung 304. Diese ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 1 BVergG 2018. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 BVergG 2018. Nach den Angaben der Auftraggeberin beträgt der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer EUR XXXX ,--, sodass es sich gemäß § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 um ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

3.3.    Zum Vorbringen der Parteien:

3.3.1.  Die Antragstellerin stellte in Bezug auf die Erlassung der einstweiligen Verfügung folgenden Antrag:

„die Vergabe bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens auszusetzen [...] bzw. der Burghauptmannschaft Österreich bis zum Ende des Nachprüfungsverfahren[s] zu untersagen den Zuschlag zu erteilen“,

Die Antragstellerin begründete ihren Antrag im Wesentlichen damit, dass die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der Zuschlagserteilung während der Dauer des Nachprüfungsverfahrens schon deshalb erforderlich sei, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass nach Ablauf der Stillhaltefrist die Antragstellerin durch Erteilung des Zuschlags an die präsumtive Zuschlagsempfängerin endgültig um die Chance auf den Zuschlag in einem gesetzmäßigen, fairen, lauteren und wettbewerbsneutralen Vergabeverfahren gebracht werden würde.

3.3.2.  Die Auftraggeberin sprach sich gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde zusammengefasst vorgebracht, dass das besondere Interesse der Auftraggeberin an der Fortführung des Verfahrens aufgrund eines dringenden Beschaffungsbedarfs bestehe, da die gegenständliche Beschaffung zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der Auftraggeberin benötigt werde. Folglich soll daher schnellstmöglich ein neues Vergabeverfahren eingeleitet werden. Aufgrund des dringenden Beschaffungsbedarfs der Auftraggeberin werde im Falle der Erlassung einer einstweiligen Verfügung um Beschränkung von dieser auf die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer eines Nachprüfungsverfahrens, sohin auf sechs Wochen ab Erlass der einstweiligen Verfügung, ersucht.

3.3.3.  Die präsumtive Zuschlagsempfängerin erstattete in ihrer Stellungnahme vom 31.08.2020 kein Vorbringen zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung und benannte keine gegen die Erlassung der einsweiligen Verfügung sprechenden Interessen.

3.4.    Zum Vorliegen der Voraussetzungen zur Erlassung der einstweiligen Verfügung:

3.4.1.  Zulässigkeit gemäß § 350 BVergG 2018

Da laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 1 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin zuständig.

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

3.4.1.1. Bezüglich der Rechtzeitigkeit des gegenständlichen Nachprüfungsantrags inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führte die Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme vom 27.08.2020 Folgendes aus:

Da die Zuschlagsentscheidung der Antragstellerin am 13.08.2020 elektronisch übermittelt worden sei, habe die gegenständliche Anfechtungsfrist am 23.08.2020 geendet. Da das Fristende auf einen Sonntag gefallen sei, wäre daher die Einbringung am 24.08.2020 grundsätzlich noch möglich gewesen.

Gemäß § 20 Abs 2 und 6 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG) könnten schriftliche Anbringen nur innerhalb der Amtsstunden physisch (postalisch, persönlich oder mit Boten) oder elektronisch beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden und schriftliche Anbringen, die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden würden, würden erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Tages als eingebracht gelten.

Gemäß § 20 Abs 1 GO-BVwG seien die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes an jedem Arbeitstag (mit drei Ausnahmen) von 08:00 bis 15:00 Uhr.

Seitens der Antragstellerin sei der gegenständliche Nachprüfungsantrag jedoch erst am 24.08.2020 um 15.47 Uhr eingebracht worden, weshalb dieser daher gemäß § 20 Abs 6 GO-BVwG mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages, sohin am 25.08.2020, als eingebracht gelte.

Bei den in § 343 BVergG 2018 angeführten Zeitpunkten handle es sich jedoch um keine verfahrensrechtlichen Fristen im Sinne des AVG. Dies habe ua zur Folge, dass das Postlaufprivileg des § 33 Abs 3 AVG nicht zur Anwendung gelange und es daher auf das tatsächliche Einlangen bei der Behörde ankomme. Es reiche daher nicht aus, den Nachprüfungsantrag am letzten Tag der Nachprüfungsfrist der Post oder einem anderen Zustelldienst zu übergeben, sondern der Nachprüfungsantrag müsse vielmehr an diesem Tag bereits bei der Vergabekontrollbehörde einlangen.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei festzuhalten, dass ein Einbringen von Schriftsätzen nach den Amtsstunden im Sinne des § 20 Abs 7 GO-BVwG lediglich per elektronischem Rechtsverkehr im Sinne der Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten möglich und damit Rechtsanwälten vorbehalten sei.

Der gegenständliche Nachprüfungsantrag sei jedoch nicht per elektronischem Rechtsverkehr eingebracht worden, weshalb dieser – wie oben bereits ausgeführt – gemäß § 20 Abs 6 GO-BVwG als mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages beim Bundesverwaltungsgericht als eingelangt gelte. Festzuhalten sei daher, dass der gegenständliche Nachprüfungsantrag nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 343 Abs 1 BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt sei und demgemäß als verspätet bzw. verfristet zurückzuweisen sei.

3.4.1.2. Das Bundesverwaltungsgericht geht aus folgenden Gründen davon aus, dass der gegenständliche Nachprüfungsantrags inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung rechtzeitig eingebracht wurde:

Der Verwaltungsgerichtshof sprach dazu in seinem Erkenntnis vom 08.08.2019, Ra 2018/04/0116, Folgendes aus:

„27 Mit den Regelungen des § 20 Abs. 2 und 6 GO-BVwG, an die in § 13 Abs. 2 und 5 AVG angeknüpft wird, legt das Bundesverwaltungsgericht fest, zu welchen Zeiten es zur Entgegennahme schriftlicher Anbringen bereit ist bzw. wann außerhalb der Amtsstunden eingebrachte Anbringen als eingebracht gelten. Diese Regelungen haben ihrem Wesen nach allerdings keine Verkürzung der Rechtsmittelfrist des § 321 Abs. 1 BVergG 2006 als solche zur Folge. Dies ist zunächst vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 3. März 2014, G 106/2013, zu sehen, denen zufolge die organisatorischen Beschränkungen des elektronischen Verkehrs und die Festlegung der Amtsstunden, während derer eine Behörde zur Entgegennahme von schriftlichen Anbringen verpflichtet ist, eine Angelegenheit des Verwaltungsorganisationsrechts und nicht des Verwaltungsverfahrensrechts sind. Eine organisationsrechtliche Festlegung von Amtsstunden in einer Geschäftsordnung kann daher innerstaatlich nicht als Verkürzung einer verfahrensrechtlichen Frist angesehen werden. Zudem ist auf die Regelung des § 33 Abs. 3 AVG hinzuweisen, der zufolge die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinn des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die verfahrensrechtliche Frist nicht eingerechnet werden. Erfolgt die Übermittlung eines Anbringens somit im Wege eines Zustelldienstes, kommt es nicht auf das Einlangen des Anbringens bei der Behörde, sondern auf die Übergabe an den Zustelldienst an (siehe eingehend dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) § 33 Rz. 3 ff, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des VwGH). Die Regelungen über die Amtsstunden bzw. die Bereitschaft zur Entgegennahme von schriftlichen Eingaben in zeitlicher Hinsicht betreffen somit nicht alle, sondern nur bestimmte Formen der Übermittlung von Eingaben.“

Die Novellierung von § 19 BVwGG wurde vom Gesetzgeber (561 der Beilagen XXVI. GP, 4f) in folgender Weise begründet:

„Im Hinblick auf den elektronischen Verkehr zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und den Beteiligten beschränkende organisations- bzw. geschäftsordnungsrechtliche Regelungen (vgl. § 20 Abs. 2 und 6 der gemäß § 19 BVwGG erlassenen Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes – GOBVwG vom 4. August 2014) ist es derzeit zur Fristenwahrung erforderlich, Schriftsätze, die dem Bundesverwaltungsgericht im elektronischen Verkehr übermittelt oder im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht werden, so rechtzeitig einzubringen, dass sie am letzten Tag der Frist noch vor dem Ende der Amtsstunden beim Bundesverwaltungsgericht einlangen (vgl. VwSlg. 19.247 A/2015; VfSlg. 19.849/2014). Demgegenüber gilt für durch einen Zustelldienst erfolgende Übermittlungen das ‚Postlaufprivileg‘: Die Tage von der Übergabe an den Zustelldienst bis zum Einlangen bei der Behörde sind in die Frist nicht einzurechnen (§ 33 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991). Vor diesem Hintergrund hat der Nationalrat in seiner Sitzung am 29. Juni 2017 in einer einstimmig angenommenen Entschließung den Bundeskanzler aufgefordert, ‚einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass mittels ERV und E-Mail gemachte Eingaben an Behörden und Verwaltungsgerichte in Hinblick auf die Rechtzeitigkeit ihres Einlangens gleichbehandelt werden wie postalisch gemachte Eingaben‘ (216/E XXV. GP). Diesem Wunsch des Nationalrates soll mit dem Entwurf entsprochen werden. Nach der vorgeschlagenen Regelung soll es zur Wahrung von (verfahrensrechtlichen) Fristen künftig ausreichend sein, wenn der Schriftsatz am letzten Tag der Frist an das Bundesverwaltungsgericht elektronisch versendet oder im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht wird (im Sinne des § 1 Abs 1 BVwG-EVV). Ob dies während der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes oder nach ihrem Ende geschieht und wann der Schriftsatz beim Bundesverwaltungsgericht einlangt, soll künftig für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit rechtlich ohne Bedeutung sein, vorausgesetzt, der Schriftsatz langt überhaupt dort ein und geht nicht auf dem Übermittlungsweg ‚verloren‘; die Gefahr des ‚Verlustes‘ des Schriftsatzes auf dem Übermittlungsweg soll also nach wie vor der Einschreiter zu tragen haben. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Einlangen eines Schriftsatzes Handlungspflichten des Bundesverwaltungsgerichtes auslösen kann (zB die Pflicht zur Entscheidung über einen in einer Revision gestellten Antrag auf aufschiebende Wirkung oder die Bekanntmachungs- und Verständigungspflichten nach § 345 des Bundesvergabegesetzes 2018 – BVergG 2018, BGBl I Nr. 65/2018), die von ihm bei realistischer Betrachtung außerhalb der Amtsstunden nicht erfüllt werden können. Wird ein Schriftsatz außerhalb der Amtsstunden eingebracht, so sollen derartige Handlungspflichten daher erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden ausgelöst werden (vorausgesetzt, der Schriftsatz ist zu diesem Zeitpunkt bereits eingelangt, was, außer bei technischen Störungen, in der Regel der Fall sein wird).“

Bei den Fristen zur Einbringung von Nachprüfungsanträgen handelt es sich um verfahrensrechtliche Fristen, die nach dem AVG zu berechnen sind und bei denen alle Rechtsbehelfe nach dem VwGVG wie die Wiedereinsetzung zur Verfügung stehen. Grundsätzlich ist für die zulässige Form des Einbringens von Nachprüfungsanträgen die BVwG-EVV zu beachten, wobei die falsche Wahl einer Übermittlungsart einen grundsätzlich verbesserbaren Formfehler darstellt. Eine Ausnahme stellt das E-Mail dar, dessen Einbringung jedenfalls unzulässig ist und bewirkt, dass gar keine Eingabe erfolgte. Beim Einbringen eines Nachprüfungsantrags im Postweg gilt das Postlaufprivileg gemäß § 33 Abs 3 AVG, allerdings geht insbesondere bei der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung die Dauer der Übermittlung an das Bundesverwaltungsgericht und damit das Risiko einer vorzeitigen Zuschlagserteilung zu Lasten des Nachprüfungswerbers (Reisner, in Heid/Reisner/Deutschmann/Hofbauer [Hrsg], BVergG 2018 – Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2018 [2019] § 343 Rz 3).

Die vom Bundesverwaltungsgericht in § 20 GO-BVwG getroffene organisatorische Beschränkung der Einbringung auf dessen Amtsstunden betrifft weder schriftliche Anbringen, für die das Postlaufprivileg des § 33 Abs 3 AVG zur Anwendung gelangt, noch die besondere Form der Einbringung von schriftlichen Anbringen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (Autengruber/Schindl, in Gast [Hrsg], Bundesvergabegesetz inklusive BVergG Konz – Leitsatzkommentar [2019] § 343 Rz 13).

Die Zuschlagsentscheidung wurde der Antragstellerin am 13.08.2020 elektronisch übermittelt, weshalb die gegenständliche Anfechtungsfrist grundsätzlich am 23.08.2020 geendet hätte.

Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24.12., so ist gemäß § 33 Abs 2 AVG der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Da der 23.08.2020 ein Sonntag war, war daher die Einbringung am 24.08.2020 möglich.

Der gegenständliche Nachprüfungsantrag inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung langte am 24.08.2020 um 15:47 per E-Mail beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im postalischen Wege langte der vorliegende Nachprüfungsantrag inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung am 25.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein, nachdem dieser am 24.08.2020 um 15:49 Uhr der Post zur Zustellung übergeben worden war.

Aus all dem ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht, dass der Nachprüfungsantrag inklusive des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung rechtzeitig eingebracht wurde.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.


3.4.2.  Inhaltliche Begründetheit gemäß § 351 BVergG 2018

3.4.2.1. Bei der Interessenabwägung ist auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens einzuberechnen hat (siehe zB BVwG 11.07.2017, W187 2163208-1/3E; 30.05.2014, W139 2008219-1/10E), das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu beachten ist (vgl. grundlegend VfGH 01.08.2002, B 1194/02) und von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 19.01.2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (vgl. EuGH 09.04.2003, C-424/01, CS Austria, Slg 2003, I-3249, Rn 30).

Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die der Antragstellerin bei Zutreffen ihres Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015] § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, und zwar der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.

3.4.2.2. Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung derselben. Es soll somit der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 27.02.2020, W187 2228746-1/2E).).

3.4.2.3. Im vorliegenden Verfahren behauptet die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit der ihr am 13.08.2020 übermittelten Entscheidung, der präsumtiven Zuschlagsempfängerin den Zuschlag zu erteilen. Die Behauptung der Rechtswidrigkeit erscheint in Hinblick auf das wiedergegebene Vorbringen der Antragstellerin zumindest nicht denkunmöglich. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren nicht abzusprechen. Dies wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.

Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich. Dass Leib und Leben gefährdet wäre, ist vom Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar und wurde auch von der Auftraggeberin bzw. der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht vorgebracht.

3.4.3.  Die Auftraggeberin sprach sich zwar gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und führte die aus ihrer Sicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen an (= dringender Beschaffungsbedarf zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der Auftraggeberin), jedoch ist dieser diesbezüglich entgegenzuhalten, dass sich ihr Vorbringen lediglich auf die Geltendmachung der Dringlichkeit beschränkt, ohne die drohende Beeinträchtigung ihrer Interessen durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung substantiiert zu begründen und zu belegen. Das Vorbringen kann damit nicht Grundlage einer Interessenabwägung sein (ua BVwG 22.11.2019, W139 2225291-1/7E; 01.03.2019, W131 2214957-1/3E).

Zudem ist festzuhalten, dass eine mit der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens verbundene Verzögerung von maximal sechs Wochen nicht ins Gewicht fällt und zudem gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter im öffentlichen Interesse gelegen ist (vgl. VfGH 25.10.2002, B 1369/01).

Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den nicht substantiiert dargelegten bzw. belegten Interessen der Auftraggeberin bzw. der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen.

Die Auftraggeberin und die präsumtive Zuschlagsempfängerin sind durch eine derartige Bestimmung der Dauer nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung jederzeit deren Aufhebung beantragt werden kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 04.05.2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054).

Soweit die Auftraggeberin darauf verweist, dass im Falle der Erlassung einer einstweiligen Verfügung aufgrund des dringenden Beschaffungsbedarfs der Auftraggeberin um Beschränkung von dieser auf sechs Wochen ab Erlass der einstweiligen Verfügung, ersucht werde, ist dieser entgegenzuhalten, dass sich vor dem Hintergrund der sich ohnehin aus dem Gesetz ergebenden Begrenzung der Höchstdauer des Nachprüfungsverfahrens mit sechs Wochen die konkrete Festsetzung der sechswöchigen Frist nicht erforderlich erweist.

Dem Antrag der Antragstellerin ist daher dahingehend stattzugeben, dass der Auftraggeberin für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im vorliegenden Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen.

3.5.    Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

Ausschreibung Bauauftrag Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Frist Interessenabwägung Kalkulation Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Plausibilität Preisvergleich Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren vertiefte Angebotsprüfung (vertiefte) Preisprüfung Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W120.2234339.1.00

Im RIS seit

07.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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