TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/25 LVwG-2020/44/2291-2, LVwG-2020/44/2292-2

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Entscheidungsdatum

25.11.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol

Norm

AVG §13 Abs3
WRG 1959 §103 Abs1
NatSchG Tir 2005 §43 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerden (1.) der Gemeinde AA, Adresse 1, **** AA, und (2) des BB, Adresse 2, **** AA, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 17.08.2020, Zahl ***, betreffend der Zurückweisung eines wasser- und naturschutzrechtlichen Bewilligungsantrages für eine Oberflächenentwässerung (mitbeteiligte Partei: CC, Adresse 3, **** AA)

zu Recht:

1.       Den Beschwerden wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren und Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 24.10.2019 haben die Gemeinde AA und BB bei der Bezirkshauptmannschaft Z beantragt, das von der DI DD ausgearbeitete Projekt „Oberflächenentwässerung Bereich EE“ wasser- und naturschutzrechtlich zu bewilligen. Dieses Projekt sieht vor, dass Oberflächenwässer von Verkehrs- und Dachflächen versickert bzw in einen Vorfluter geleitet werden sollen. Davon ist neben den Grundstücken der Antragsteller (Gste Nr **1, **2 und **3, alle KG AA) auch das Grundstück Nr **4, KG AA, des CC betroffen.

Mit Schreiben vom 03.03.2020 hat die Gemeinde AA der Behörde ein Schreiben des CC vom 03.02.2020 vorgelegt, wonach dieser der Inanspruchnahme seines Grundstücks Nr **4 nicht zustimmt.

Mit Schreiben vom 29.06.2020 hat die Behörde die Antragsteller gemäß § 13 Abs 3 AVG aufgefordert, binnen vier Wochen eine Zustimmungserklärung des Eigentümers des Grundstücks Nr **4 vorzulegen; widrigenfalls wäre der Antrag zurückzuweisen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.08.2020 wurde der wasser- und naturschutzrechtliche Antrag vom 24.10.2019 gemäß § 13 Abs 3 AVG als mangelhaft zurückgewiesen, da keine Zustimmungserklärung des Eigentümers des Grundstücks Nr **4 vorgelegt wurde.

Dagegen haben BB mit Schreiben vom 28.08.2020 und die Gemeinde AA mit Schreiben vom 16.09.2020 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben. Demnach habe der Rechtsvorgänger des CC dem Vorhaben zugestimmt und es liege eine zivilrechtliche Vereinbarung vom 24.09.2008 vor.

II.      Rechtslage:

Die relevante Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lautet auszugsweise wie folgt:

Anbringen

§ 13

(…)

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

(…)

Die relevanten Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) lauten auszugsweise wie folgt:

„Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung

§ 103.

(1) Ein Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung ist mit folgenden Unterlagen – falls sich aus der Natur des Projektes nicht verschiedene Unterlagen als entbehrlich erweisen – zu versehen:

(…)

b)       grundbuchsmäßige Bezeichnung der durch Anlagen beanspruchten Liegenschaften unter Anführung des Eigentümers sowie Bekanntgabe der Wasser-, Fischerei- und Einforstungsberechtigten;

Angaben darüber, ob bzw. in welcher Weise den Betroffenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme von Vorhaben gegeben wurde, sowie über bereits vorliegende Vereinbarungen, sowie über Anträge an öffentliche Förderungsstellen nach dem Umweltförderungsgesetz oder Wasserbautenförderungsgesetz;

(…)

Enteignung von Liegenschaften und Bauwerken

§ 63.

Um die nutzbringende Verwendung der Gewässer zu fördern, um ihren schädlichen Wirkungen zu begegnen, zur geordneten Beseitigung von Abwässern und zum Schutz der Gewässer kann die Wasserrechtsbehörde in dem Maße als erforderlich

(…)

b) für Wasserbauvorhaben, deren Errichtung, Erhaltung oder Betrieb im Vergleich zu den Nachteilen von Zwangsrechten überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten läßt, die notwendigen Dienstbarkeiten einräumen oder entgegenstehende dingliche Rechte einschließlich Nutzungsrechte im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, einschränken oder aufheben, damit die genehmigte Anlage mit den zu ihr gehörigen Werken und Vorrichtungen hergestellt, betrieben und erhalten sowie der Vorschreibung sonstiger Maßnahmen entsprochen werden kann;

c) Liegenschaften und Bauwerke, ferner Werke, Leitungen und Anlagen aller Art ganz oder teilweise enteignen, wenn in den Fällen der unter lit. b bezeichneten Art die Einräumung einer Dienstbarkeit nicht ausreichen würde;

(…)“

Die relevante Bestimmung des Tiroler Naturschutzgesetzes TNSchG 2005 lautet auszugsweise wie folgt:

㤠43

Verfahren

(…)

(2) Im Antrag sind die Art, die Lage und der Umfang des Vorhabens anzugeben. Dem Antrag ist, soweit es sich nicht um Pläne in Natura 2000-Gebieten oder um die Verwendung von Kraftfahrzeugen auf Straßen in Schutzgebieten handelt, der Nachweis des Eigentums am betroffenen Grundstück oder, wenn der Antragsteller nicht Grundeigentümer ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen, es sei denn, dass aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften eine Enteignung oder die Einräumung von Zwangsrechten zugunsten des Vorhabens möglich ist.

(…)

III.    Erwägungen:

Gemäß § 13 Abs 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Die Behörde darf aber nur dann nach § 13 Abs 3 AVG vorgehen, wenn das Anbringen einen "Mangel" aufweist, also von der Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht (VwGH 16.09.2009, 2008/05/0206).

Die für einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung erforderlichen Unterlagen ergeben sich primär aus § 103 Abs 1 WRG 1959. Nach dessen lit b sind zwar die grundbuchsmäßigen Bezeichnungen der durch die beantragte Anlage beanspruchten Liegenschaften unter Anführung der Eigentümer erforderlich. Darüber hinaus sind auch Angaben erforderlich, ob bzw in welcher Weise den Betroffenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben wurde und ob bereits Vereinbarungen mit ihnen vorliegen. Dem WRG 1959 kann aber nicht entnommen werden, dass ein Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung Zustimmungserklärungen aller betroffener Grundeigentümer enthalten muss.

Im wasserrechtlichen Sinn sind Niederschlagswässer, derer sich jemand entledigen will, Abwässer (VwGH 27.02.2019, Ro 2017/05/0003). Auf eine Anlage zur geordneten Beseitigung derartiger Abwässer sind die Bestimmungen über Zwangsrechte gemäß §§ 60 ff WRG 1959 anwendbar. Das bedeutet, dass der Umstand, dass keine Zustimmungserklärung aller betroffenen Grundeigentümer vorgelegt wurde, keinen Mangel des Antrages auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung darstellt. Wenn weder die Zustimmung des betroffenen Grundeigentümers vorliegt noch ein Fall des § 111 Abs 4 WRG 1959 gegeben ist, hat die Wasserrechtsbehörde zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Einräumung eines Zwangsrechtes bestehen und dieses entweder einzuräumen oder den Antrag als Folge des entgegenstehenden fremden Rechtes abzuweisen. Die Nichtvorlage einer Zustimmungserklärung des betroffenen Grundeigentümers kann aber in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren für eine Abwasserbeseitigungsanlage rechtens keinen Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG nach sich ziehen (vgl VwGH 24.05.2007, 2006/07/0001).

Gemäß § 43 Abs 2 TNSchG 2005 ist mit dem Antrag auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung der Nachweis des Eigentums am betroffenen Grundstück oder, wenn der Antragsteller nicht Grundeigentümer ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen, es sei denn, dass aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften eine Enteignung oder die Einräumung von Zwangsrechten zugunsten des Vorhabens möglich ist.

Da auf Anlagen zur Beseitigung von Oberflächenwässern die wasserrechtlichen Bestimmungen über Zwangsrechte gemäß §§ 60 ff WRG 1959 anwendbar sind, ist auch im naturschutzrechtlichen Verfahren keine Zustimmungserklärung nach § 43 Abs 2 TNSchG 2005 erforderlich.

Eine Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages vom 24.10.2019 mangels Vorliegen der Zustimmungserklärung eines betroffenen Grundeigentümers kommt somit nicht in Betracht. Die angefochtene Zurückweisung ist zu beheben.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Bewilligungsantrag für Oberflächenentwässerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.44.2291.2

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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