TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W170 2232904-1

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Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

BDG 1979 §111
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §94 Abs1
BDG 1979 §94 Abs2 Z3
BDG 1979 §94 Abs2 Z5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2232904-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von ChefInsp XXXX vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin RIEDL, gegen den Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4, vom 19.05.2020, Zl. BMI-46124/18-DK/4/2020-EB, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Bei der Überprüfung von EKIS-Abfragen wurde seitens des Landeskriminalamtes Salzburg festgestellt, dass ChefInsp XXXX am 11.06.2018 zwei EKIS-Anfragen (KFZ-Fahndung und Information) zur Fahrgestellnummer XXXX gestellt hat, am 11.06.2018 mit dem Personendatensatz XXXX eine Anfrage im zentralen Melderegister vorgenommen hat und am 16.06.2018 die Fahrgestellnummer XXXX in der EUR-CARIS-PRÜM Anfrageapplikation betreffend der Zulassung des Fahrzeugs in Spanien geprüft hat.

Darauf angesprochen rechtfertigte sich ChefInsp XXXX damit, dass ihm im Rahmen eines privaten Autover- und -ankaufs der Verdacht gekommen sei, dass er Opfer einer strafbaren Handlung geworden sei.

1.2. Laut der Disziplinaranzeige der Landespolizeidirektion Salzburg, Personalabteilung, vom 07.07.2020 ist die Dienstpflichtverletzung der Dienstbehörde am 13.07.2018 zur Kenntnis gelangt, bereits am 03.07.2018 erstattete die Landeskriminalabteilung Salzburg einen Bericht (Gz. PAD/18/01225882/001/KRIM) an die Staatsanwaltschaft Salzburg.

1.3. Am 28.10.2019 langte ein Schreiben des Landesgerichtes Salzburg vom 21.10.2019, Zl. 36 Hv 20/19i-21, bei der Landespolizeidirektion Salzburg, Personalabteilung ein, mit dem dieser ein Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 02.09.2019, Zl. 36 Hv 20/19i, übermittelt wurde, mit dem das Strafverfahren gegen ChefInsp XXXX nach Zahlung eines Geldbetrages in der Höhe von € 6.500 gemäß §§ 199, 200 Abs. 1, 3 und 5 StPO endgültig eingestellt wurde.

1.4. Mit im Spruch bezeichneten Einleitungsbeschluss wurde gegen ChefInsp XXXX ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Nach dem Spruch des Einleitungsbeschlusses ist dieser verdächtig, am 11.06.2018 zwei EKIS-Anfragen (KFZ-Fahndung und Information) zur Fahrgestellnummer XXXX gestellt zu haben, am 11.06.2018 mit dem Personendatensatz XXXX eine Anfrage im zentralen Melderegister vorgenommen zu haben und am 16.06.2018 die Fahrgestellnummer XXXX in der EUR-CARIS-PRÜM Anfrageapplikation betreffend der Zulassung des Fahrzeugs in Spanien geprüft zu haben, wobei sämtliche Anfragen von ChefInsp XXXX ohne dienstliche Notwendigkeit, unter Benutzung von dienstlich zur Verfügung gestellten Ressourcen (IT) durchgeführt worden seien. Daher sei ChefInsp XXXX verdächtig, die näher bezeichnete Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben. Der Einleitungsbeschluss wurde dem im Spruch bezeichneten Vertreter von ChefInsp XXXX am 19.05.2020 zugestellt.

1.5. Mit Schriftsatz vom 02.06.2020, am 03.06.2020 zur Post gegeben, wurde gegen diesen Bescheid (Einleitungsbeschluss) das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und vor allem Verjährung vorgebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage.

Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus dem Bericht des LKA Salzburg vom 03.07.2018 an die Staatsanwaltschaft Salzburg und die Stellungnahmen des Beschwerdeführers, vor allem im E-Mail vom 03.07.2018 und in der schriftlichen Stellungnahme vom 21.03.2020.

Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich aus der Disziplinaranzeige der Landespolizeidirektion Salzburg, Personalabteilung, vom 07.07.2020. Es ist dem Akt kein Schriftstück zu entnehmen, das eine Kenntnis des Landespolizeidirektors oder der Personalabteilung vor dem 13.07.2018 nahelegt noch wurde dies vom Beschwerdeführer substantiiert behauptet.

Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich aus dem zitierten, im Akt einliegenden Schreiben des Landesgerichtes Salzburg und aus dem an diesem Schreiben eingebrachten Einlaufstempel.

Die Feststellungen zu 1.4. und 1.5. ergeben sich aus der klaren Aktenlage, der Zeitpunkt der Zustellung an den Vertreter des Beschwerdeführers – mangels eines im Akt einliegenden Zustellscheins – aus den Angaben in der Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Frage, ob Verjährung vorliegt:

Gemäß § 94 Abs. 1 BDG darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr (disziplinär) bestraft werden, wenn gegen ihn nicht (1.) innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder (2.) innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Z 1 genannte Frist um sechs Monate.

Gemäß § 94 Abs. 2 Z 3 1. Fall und Z 5 lit a 2. Fall BDG wird unter anderem der Lauf der in Abs. 1 genannten Fristen – sofern der der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegende Sachverhalt Gegenstand der Anzeige oder eines der folgenden Verfahren ist – für die Dauer eines Strafverfahrens nach der StPO sowie für den Zeitraum zwischen der Erstattung der Anzeige und dem Einlangen der Mitteilung über die Beendigung des gerichtlichen Verfahrens bei der Dienstbehörde gehemmt.

Unter Fristenhemmung versteht man, dass der Lauf der Frist gehemmt ist, die Frist aber – anders als bei einer Unterbrechung – nach Ablauf der Hemmung nicht neu zu laufen beginnt.

Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren – dieses ist Teil des Strafverfahrens nach der StPO – beginnt mit der Tätigkeit der Kriminalpolizei, jedenfalls ab Kenntnis des Verdachts einer Straftat durch die Staatsanwaltschaft. Im gegenständlichen Fall hatte die Staatsanwaltschaft durch den am 03.07.2018 erstatteten Bericht der Landeskriminalabteilung Salzburg, Kenntnis von der Straftat erlangt und hat spätestens zu diesem Zeitpunkt die Fristenhemmung nach § 94 Abs. 2 Z 3 StPO begonnen. Da die Dienstpflichtverletzung der Dienstbehörde erst am 13.07.2018 zur Kenntnis gelangt ist, hat die Verjährungsfrist gemäß § 94 Abs. 1 BDG vor Beginn des Strafverfahrens nicht zu laufen begonnen.

Nach Rechtskraft des Beschlusses des Landesgerichtes Salzburg vom 02.09.2019, Zl. 36 Hv 20/19i, mit dem das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nach Zahlung eines Geldbetrages gemäß §§ 199, 200 Abs. 1, 3 und 5 StPO endgültig eingestellt wurde, endete die Fristenhemmung gemäß § 94 Abs. 2 Z 3 1. Fall BDG. Unmittelbar darauf begann jedoch die Hemmung gemäß § 94 Abs. 2 Z 5 lit a 2. Fall BDG für die Zeit bis zur Zustellung des Beschlusses an die Landespolizeidirektion Salzburg, Personalabteilung. Diese erfolgte am 28.10.2019.

Daher wäre die Verjährungsfrist am 28.04.2020 geendet.

Gemäß § 2 Z 3 COVID-19-VwBG wird die Zeit vom 22.03.2020 bis zum Ablauf des 30.04.2020 in Verjährungsfristen – um eine solche handelt es sich bei den Fristen nach § 94 Abs. 1 BDG – nicht eingerechnet; hierbei handelt es sich um eine Frist von einem Monat und 8 Tagen, die nicht in die Verjährungsfristen einzurechnen sind. Der Einleitungsbeschluss wurde am 19.05.2020, also binnen 20 Tagen nach Ende der Fristhemmung erlassen und vor dem 05.06.2020 (Ende der Verjährungsfrist) und liegt Verjährung daher nicht vor.

Es ist daher nicht relevant, ob ein Fall des § 94 Abs. 1 letzter Satz BDG vorliegt; die Disziplinarkommission hat von der Dienstbehörde nur dort vorhandenes Wissen abgefragt, sodass von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Bundesdisziplinarbehörde keine Ermittlungen durchzuführen sondern nur Auskünfte zu erteilen waren. Daher liegt keine Fristverlängerung im Sinne des § 94 Abs. 1 letzter Satz BDG vor.

Wenn der Beschwerdeführer argumentiert, dass der Dienstbehörde bereits am 03.07.2018 durch den Bericht der Landeskriminalabteilung Salzburg die Dienstpflichtverletzung bekannt geworden wäre, ist dies einerseits durch die Aktenlage nicht gedeckt – unter Dienstbehörde ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 15.12.2004, 2003/09/0164) der Leiter der Dienstbehörde (hier der Landespolizeidirektor) oder jener Fachabteilung/Unterorganisationseinheit der Dienstbehörde, die für die Behandlung von Disziplinarangelegenheiten (hier. die Personalabteilung), zuständig ist, zu verstehen – und andererseits durch Beginn der Hemmung mit 03.07.2018 durch Übermittlung des Sachverhalts an die Staatsanwaltschaft auch nicht relevant.

3.1. Zur Frage, ob ein hinreichender Verdacht vorliegt:

Der Beschwerdeführer hat zur Ausräumung eines ihm persönlich gekommenen Verdachts, er sei Opfer eines Betruges geworden, im Verdachtsbereich EKIS-Anfragen, d.h. ein behördliches Handeln durchgeführt, ohne dieses zu dokumentieren. Auch war er als Betroffener der vermeintlichen Straftat selbstverständlich befangen und hätte sich der Ausübung dieser Handlungen enthalten müssen.

Daher ist der Verdacht, dass er mit den Handlungen gegen § 43 Abs. 1 BDG verstoßen hat, durchaus gegeben.

Im Einleitungsbeschluss wurde auch der ITK-Erlass des BM.I auszugsweise abgedruckt; dieser verweist aber im abgedruckten Teil nur unspezifisch auf eine Verordnung, ohne diese zu ergänzen. Folglich scheint derzeit diese nur auf eine allgemeine Norm – die IKT-Nutzungsverordnung – zu verweisen und ist daher keine relevante Weisung, gegen die der Beschwerdeführer über seine Dienstpflicht hinaus, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu gewissenhaft, engagiert zu besorgen, verstoßen hat, erkennbar.

Allerdings muss im Einleitungsbeschluss eine endgültige Subsumierung noch nicht erfolgen, es reicht die konkrete Darlegung des Verhaltens, wegen dem ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/09/0045).

Daher ist die Beschwerde abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie unter A) dargestellt findet sich keine grundsätzliche Rechtsfrage.

Schlagworte

Befangenheit Dienstpflichtverletzung Disziplinarverfahren Einleitung Disziplinarverfahren Einleitungsbeschluss Fristenhemmung Pandemie Verdacht Verdachtsgründe Verdachtslage Verjährungsfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2232904.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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