TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 G313 2103925-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs2
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §60 Abs1
FPG §60 Abs2
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §69 Abs2

Spruch

G313 2103925-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Es wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der zuständigen Bundespolizeidirektion (im Folgenden: BPD) vom 20.06.2007 wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend wurde auf rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen des BF von Jänner 2006 und von März 2007 verwiesen.

Nach Erhebung einer Berufung dagegen wurde der angefochtene Bescheid von der zuständigen Sicherheitsdirektion bestätigt. Das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot ist am 15.11.2010 in Rechtskraft erwachsen.

2. Im Mai 2012 wurde der BF erneut – zu einer unbedingten Freiheitsstrafe – strafrechtlich verurteilt.

3. Am 13.01.2014 beantragte er seine Strafhaftentlassung gemäß § 133a StVG. Nachdem seinem Antrag zugestimmt worden war, reiste der BF am 02.05.2014 freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien aus.

4. Am 26.06.2014 beantragte der BF, das gegen ihn erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot verkürzen bzw. aufzuheben. Begründend dafür wurde angeführt, die Lebensumstände des BF hätten sich massiv verändert. Er führe eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin, wobei eine Heirat geplant sei, und habe über Jahre hinweg in Österreich gelebt und gearbeitet.

5. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BF) vom 11.02.2015 wurde dem BF vorgehalten, es sei beabsichtigt, seinen Antrag abzuweisen, sei er doch nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes erneut zu einer Freiheitsstrafe von einem inländischen Gericht verurteilt worden.

6. Am 26.02.2015 langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme des BF ein, in welcher auf die bereits im Zuge des Antrages vom 26.06.2014 vorgebrachten Gründe verwiesen wurde.

7. Mit Bescheid des BFA vom 04.03.2015 wurde der Antrag des BF gemäß § 60 Abs. 1 FPG abgewiesen. Nach Erhebung einer Beschwerde dagegen wurde diese mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: BVwG) vom 26.03.2015 als unbegründet abgewiesen.

8. Am 05.01.2016 brachte der BF einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ein, wobei der BF im Wesentlichen dieselben Gründe wie im Antrag vom 26.06.2014 geltend machte und zusätzlich vorbrachte, er sei nunmehr mit seiner Lebensgefährtin verheiratet.

9. Mit schriftlicher Verständigung vom 12.07.2016 wurde dem BF vorgehalten, es sei beabsichtigt, den Antrag des BF auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abzuweisen.

10. Eine Stellungnahme dazu gab der BF nicht ab.

11. Mit Bescheid des BFA vom 19.08.2016 wurde der Antrag vom 05.01.2016 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Nach Erhebung einer Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 22.12.2016 stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

12. Mit schriftlicher Verständigung vom 09.02.2017 wurde dem BF abermals vorgehalten, es sei beabsichtigt, den Antrag des BF auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abzuweisen.

13. Am 13.02.2017 sprach die im Sprucheinleitungssatz namentlich angeführte Ehegattin des BF persönlich beim BFA vor und legte sie eine Vollmacht vor.

14. Am 21.02.2017 langte beim BFA eine schriftliche Stellungnahme ein, in welcher unter anderem angeführt wurde, der BF befinde sich bereits seit drei Jahren außerhalb von Österreich getrennt von seiner Familie. Die Ehegattin des BF sei hochschwanger. Der BF habe sich verändert und bereue zutiefst, was damals geschehen sei. Seit 10.06.2011 habe er keine Straftat mehr begangen.

15. Mit Bescheid des BFA vom 15.03.2017 wurde der Antrag des BF abgewiesen. Nach Erhebung einer Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 16.08.2017 diese als unbegründet abgewiesen.

16. Mit dem per Post am 04.12.2018 eingebrachten Schriftsatz stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG, im Zuge dessen vorgebracht wurde, das Aufenthaltsverbot mit der weiteren Trennung von seiner Ehefrau und seinem Sohn stelle einen groben Eingriff in seine Lebensumstände dar.

17. Mit Bescheid des BFA vom 17.05.2019 wurde der Antrag des BF auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der BPD vom 20.06.2017 gem. § 69 Abs.2 FPG erlassenen Aufenthaltsverbotes nach § 60 FPG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), und ausgesprochen, dass gemäß § 78 AVG der BF Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von EUR 6,50 zu entrichten habe, wobei die Zahlungsfrist vier Wochen betrage (Spruchpunkt II.).

18. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

19. Am 27.06.2019 langte beim BVwG die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist bosnischer Staatsangehöriger.

1.2. Er ist seit November 2015 mit einer österreichischen Staatsangehörigen, die vom BF bevollmächtigt wurde, ihn im gegenständlichen Verfahren zu vertreten, verheiratet und hat mit ihr einen gemeinsamen unmündig minderjährigen Sohn.

1.3. Der BF wurde in Österreich dreimal strafrechtlich verurteilt, und zwar

?        mit Urteil von Jänner 2006, rechtskräftig mit Jänner 2006, zu einer bedingten Geldstrafe,

?        mit Urteil von März 2007, rechtskräftig mit März 2007, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und

?        mit Urteil von Mai 2012, rechtskräftig mit Februar 2013 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

1.4. Mit Bescheid der BPD vom 20.06.2007, rechtskräftig mit 15.11.2010, wurde gegen den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieses wurde auf die ersten beiden rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des BF von Jänner 2006 und März 2007 gestützt.

1.5. Der BF beantragte am 13.01.2014 die Entlassung aus der Strafhaft bzw. ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen des Aufenthaltsverbotes gemäß § 133a StVG. Nachdem seinem Antrag zugestimmt worden war, reiste der BF am 02.05.2014 freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien aus.

1.6. Daraufhin folgten, begründet mit einer maßgeblichen Änderung seiner Lebensumstände und Einstellung, Anträge des BF auf Verkürzung bzw. Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der LPD vom 20.01.2007 erlassenen Aufenthaltsverbotes, und zwar

?        am 26.06.2014 ein Antrag auf Verkürzung bzw. Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, dann nach Abweisung seines Antrages mit Bescheid vom 04.03.2015

?        am 05.01.2016 ein Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, und

nach Abweisung dieses Antrages mit Bescheid vom 15.03.2017

?        am 04.12.2018 verfahrensgegenständlicher Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes.

1.7. Mit Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten Bescheides des BFA vom 17.05.2019 wurde der Antrag des BF vom 04.12.2018 auf Aufhebung des gegen den BF mit Bescheid vom 20.06.2007 gem. § 69 Abs.2 FPG erlassenen Aufenthaltsverbotes – unter Zugrundelegung, das Aufenthaltsverbot gelte nach der aktuellen Rechtsprechung nunmehr als Einreiseverbot, gemäß § 60 FPG als unzulässig zurückgewiesen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der unter Punkt II. festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr vorliegenden Gerichtsaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 3 FPG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbotes mit derselben Gültigkeitsdauer.

Gemäß § 125 Abs. 25 S. 2 leg. cit. bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gem. § 69 Abs. 2 und 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten.

Gemäß § 69 Abs. 2 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Dies gilt auch für Aufenthaltsverbote, die vor dem Inkrafttreten des FrÄG 2011 erlassen wurden (VwGH 2012/18/0213).

Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(…).“

3.2. Die belangte Behörde stützte die Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes auf § 60 FPG:

„60. (1) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen oder aufheben, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten freiwillig verlassen hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(2) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat und seither einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes im Ausland verbracht hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.“

Im gegenständlichen Fall wäre jedoch § 69 Abs. 2 FPG anzuwenden gewesen:

§ 69 Abs. 2 FPG lautet:

„§ 69. (…)

(2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.“

Mit Spruchpunkt I. des gegenständlich angefochtenen Bescheides wurde der Antrag des BF auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid vom 20.06.2007 erlassenen, am 15.11.2010 rechtskräftig gewordenen, unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG gemäß § 60 FPG als unzulässig zurückgewiesen, wobei das gegen den BF im Jahr 2007 bzw. im Jahr 2010 rechtskräftig erlassene Aufenthaltsverbot in ein Einreiseverbot umgedeutet wurde.

Diese Umdeutung ist wegen Nichtvergleichbarkeit der beiden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen „Aufenthaltsverbot“ einerseits und „Einreiseverbot“ andererseits nicht zulässig.

Anstelle einer nach § 60 Abs. 2 FPG auf Antrag des Drittstaatsangehörigen möglichen Kürzung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 3 Z. 1 bis 4 FPG, wenn der Drittstaatsangehörige das Bundesgebiet fristgerecht verlassen und seither einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes im Ausland verbracht hat, ist bei einem Aufenthaltsverbot nach § 69 Abs. 2 FPG auf Antrag oder von Amts wegen keine Kürzung, sondern bei Wegfall der für die Erlassung dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme maßgeblichen Gründe eine Aufhebung vorzunehmen.

Dass sich die belangte Behörde auf § 60 Abs. 2 FPG stützte, machte sie in der Begründung des Bescheides bereits durch den im Zuge des Verfahrensganges in § 60 Abs. 2 angeführten fettgedruckten § 53 Abs. 3 Z. 1 (FPG) deutlich. Die Behörde führte dazu fettgedruckt näher aus:

„Ein Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbotes ist im FPG nicht vorgesehen und die Bestimmungen auf die Gegenstandslosigkeit gemäß 60 Abs. 2 FPG finden betreffend Ihres Antrages keine Anwendbarkeit.“

Mit der Angabe, dass ein Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbotes im FPG nicht vorgesehen sei, nahm die Behörde offenbar darauf Bezug, dass ein Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG im FPG nicht vorgesehen ist, nimmt doch, wie aus dem im angefochtenen Bescheid vor § 60 Abs. 2 FPG angeführten § 60 Abs. 1 FPG ersichtlich, § 60 Abs. 1 FPG ein Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 FPG betreffend darauf Bezug, dass ein solches unter bestimmten näher angeführten Voraussetzungen auf Antrag des Drittstaatsangehörigen verkürzt oder aufgehoben werden kann.

Anstatt von § 60 Abs. 2 FPG hätte jedenfalls richtigerweise § 69 Abs. 2 FPG, wonach ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben ist, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind, zur Anwendung gelangen müssen, bleiben doch gemäß § 125 Abs. 25 S. 2 leg. cit. vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gem. § 69 Abs. 2 und 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten.

Wegen der unrichtigen rechtlichen Grundlage im angefochtenen Bescheid wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

3.3. Die belangte Behörde wird nunmehr nach Behebung des angefochtenen Bescheides vom 17.05.2019 über den noch offenen Antrag des BF auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom 04.12.2018 unter Zugrundelegung der richtigen Rechtsgrundlage und unter Berücksichtigung des EuGH- Urteils vom 19.09.2013, C-297/12, bzw. des darin auch erwähnten Art 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) zu entscheiden haben, ob nach Änderung der Rechtslage die Aufrechterhaltung des unbefristeten Aufenthaltsverbots zulässig ist, wenn vom BF eine dies rechtfertigende für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit im Bundesgebiet schwerwiegende Gefahr ausgeht (EuGH 19.09.2013, C-297/12, Rz 44).

Dabei wird auf § 53 Abs. 3 Z. 5 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 56/2018, in Kraft getreten am 01.09.2018, Bedacht zu nehmen sein. Im Gegensatz zu einem Einreiseverbot nach § 53 Abs. 3 Z. 1 bis 4 FPG zu höchstens zehn Jahren ist nach besagtem § 53 Abs. 3 Z. 5 FPG ein Einreiseverbot auch unbefristet zu erlassen, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden ist und dies im individuellen Fall die Annahme rechtfertigt, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Da sich der angefochtene Bescheid nicht auf die richtige Rechtsgrundlage stützt, konnte diese Prüfung im gegenständlichen Fall nicht vom BVwG vorgenommen werden, ist dafür doch die Anfechtung eines rechtlich einwandfreien behördlichen Bescheides nötig.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte nach § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Behebung der Entscheidung Einreiseverbot EuGH Rechtsgrundlage Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2103925.4.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten