TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/15 96/10/0092

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Veröffentlicht am 15.09.1997
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Index

L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;
L55053 Nationalpark Biosphärenpark Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;
NatSchG NÖ 1977 §4 Abs1 Z1;
NatSchG NÖ 1977 §4 Abs2;
NatSchG NÖ 1977 §4 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der H-GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana und Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwälte in Wien II, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. November 1994, Zl. II/3-1303/4, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 25. Februar 1991 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (BH) die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Gewinnung von Sand und Kies in Form einer Trockenbaggerung auf einem näher bezeichneten Grundstück der Gemeinde Markgrafneusiedl. Den angeschlossenen Projektunterlagen zufolge würde das ca. 14,4 ha große Grundstück abschnittsweise und zwar in 6 Abschnitten von Süden nach Norden abgebaut. Der 1. Abschnitt würde bis Kote 155,5 m ü.A., das ist 0,5 m über HGW, durchgeführt, die Grubensohle komme im 6. Abschnitt - nach Abbau der jeweils rund 2,4 ha großen Abschnitte - auf Kote 156,5 m ü.A. (das ist ebenfalls 0,5 m über HGW) zu liegen. Nach Erreichung der Abbautiefe von 0,5 m über HGW würde wirtschaftlich nicht verwertbares grubeneigenes Material bzw. Material aus anderen Gruben in einer Stärke von 1,5 m aufgebracht. In weiterer Folge sei die Wiederverfüllung der entstandenen Grube mit Bauschutt und Erdaushub geplant; von einem entsprechenden Projekt werde wegen der bestehenden Problematik bezüglich Deponien vorerst abgesehen. Das Areal würde jedoch entweder geländegleich oder auf der Grubensohle, das heißt 2,0 m über HGW wieder einer land- (bzw. forstwirt-)schaftlichen Nutzung zugeführt.

Die BH holte das Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturschutz ein. Dieser führte aus, es könne wegen des Marchfeldkanals unter Umständen zu einer geringfügigen Erhöhung des höchsten Grundwasserstandes und bei den vorgesehenen geringen Abständen zum höchsten Grundwasserstand unter Umständen zu einer Freilegung des Grundwassers kommen. Dies sollte allerdings im Hinblick auf die Grundwasserführung vermieden werden. Bei Vorschreibung von im einzelnen genannten Vorkehrungen könne eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes oder eine Beeinträchtigung des Erholungswertes ausgeschlossen werden.

Die Umweltanwaltschaft des Landes Niederösterreich nahm zum Vorhaben der Beschwerdeführerin dahin Stellung, daß durch die Flutung des Marchfeldkanals im Herbst 1992 eine Anhebung des Grundwassers sowie der Höchstgrundwasserstände möglich sei. Um sicher zu gehen, daß die Abbausohle nicht geflutet werde, sollte der Abbau maximal bis 2 m über dem derzeit gültigen HGW-Wert geführt werden. Die Umweltanwaltschaft spreche sich daher auch gegen einen Materialaustausch unterhalb dieser Sohlkote aus. Zur Schonung des Grundwassers sollte schließlich nach Beendigung des Abbaus nur eine solche Nutzungsart ermöglicht werden, die einen Einsatz von Dünge- und Spritzmitteln nicht erfordere. Im Idealfall wäre eine Ökobrache oder Ökowertfläche als Endzustand anzustreben.

Mit Bescheid der BH vom 30. Juli 1991 wurde der Beschwerdeführerin die beantragte Bewilligung gemäß den vorgelegten Projektunterlagen gemäß den §§ 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 sowie 19 NÖ NSchG erteilt. Dem Gutachten des Amtssachverständigen folgend wurden gleichzeitig insgesamt elf Auflagen vorgeschrieben, wobei die Auflagen unter Punkt 10. und 11. wie folgt lauten:

"10. Nach Fertigstellung bzw. Beendigung des Abbaus ist die gesamte Schottergrube in vorgesehener Art mit Mutterboden entsprechend der derzeit vorhandenen Stärke zu versehen und einer landwirtschaftlichen Folgenutzung zuzuführen oder durch Besämung und Anpflanzung von standortgerechten Bäumen und Sträuchern zu rekultivieren. Bei Aufbringung des Mutterbodens ist zu beachten, daß auch die Böschungen mit entsprechend starkem Mutterboden zu versehen sind. Fehlendes Material ist daher zuzuführen.

11. Sollte durch die Errichtung des Marchfeldkanales der Grundwasserspiegel ansteigen, ist die Abbausohle entsprechend zu erhöhen."

Begründend wurde u.a. ausgeführt, es sei weder die Wahrnehmung des Grundwasserschutzes noch die Festlegung der Folgenutzung Aufgabe der Naturschutzbehörde, sodaß der Stellungnahme der Niederösterreichischen Umweltanwaltschaft nicht zu folgen, sondern aufgrund des Gutachtens des Amtssachverständigen für Naturschutz spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Die Umweltanwaltschaft erhob Berufung. Sie führte aus, es könne eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes auch durch eine Verschlechterung der Grundwasserqualität bewirkt werden. Störungen der Grundwasserführung seien daher als Störungen eines Teiles des Gefüges des Landschaftshaushaltes mit zu berücksichtigen. Im übrigen sei von der Erstbehörde auch nicht geprüft worden, inwieweit durch Schadstoffeinträge in das Grundwasser eine Beeinträchtigung der Gesundheit von Menschen zu besorgen wäre, die die Erholungsfunktion und damit den Erholungswert gemäß § 4 Abs. 3 NÖ NSchG zu beeinträchtigen geeignet seien.

Die Berufungsbehörde holte zunächst das Gutachten eines Amtssachverständigen zu den Auswirkungen des Vorhabens der Beschwerdeführerin auf das Grundwasser ein. Diesem zufolge würden sich weder bei 2 m ungestörtem Boden über HGW noch bei 0,5 m ungestörtem Boden in Verbindung mit 1,5 m Anschüttung erhöhte Verdunstungsverluste durch unmittelbaren Entzug aus dem Grundwasser ergeben. Würde jedoch im Zuge der Anschüttung wesentlich bindigeres Material eingebracht, so könnte es zu einer geringeren Grundwassererneuerung durch versickernde Niederschläge kommen. Die Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel lägen zwar sicherlich unter dem meßbaren Bereich, sie sollten jedoch bei einer Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden. In qualitativer Hinsicht könnte allerdings durch entsprechend bindigen Bodenaufbau des 1,5 m aufzubringenden Materials die durch Wegfall der abgebauten Bodensäule verringerte Filterwirkung gegenüber einsickernden Schadstoffen wettgemacht werden. Aus der Sicht des Grundwasserschutzes sei daher zu fordern, daß die Folgenutzung des Grubenareals eine wesentlich extensivere (gegenüber der derzeit betriebenen Landwirtschaft) sein müsse. Dies könne durch Umwandlung in Ödland, Aufforstung oder Landwirtschaft mit Düngebeschränkung bei Beibehaltung des natürlichen Bodenaufbaues über dem HGW erfolgen.

Die Berufungsbehörde holte weiters das Gutachten eines Amtssachverständigen zu den Auswirkungen des Vorhabens auf das innere Gefüge des Landschaftshaushaltes und auf den Erholungswert ein. Diesem Gutachten zufolge sei das Grundstück, auf dem der Abbau getätigt werden solle, Teil einer ausgedehnten Kulturlandschaft, die von Ackerflächen geprägt sei. Die Monotonie werde nur von mehreren Schottergruben unterbrochen. Natürliche und naturnahe Elemente seien in dieser Landschaft selten anzutreffen; auch die zum Abbau vorgesehene Fläche sei Ackerland. Da vom Schotterabbau keine besonders hochwertigen Pflanzen- und Tiergemeinschaften betroffen würden, seien vor allem die Auswirkungen auf das Grundwasser abzuwägen. Das Grundwasser als wesentliches Element, ja als Voraussetzung für die Ausbildung von Pflanzen- und Tierleben und nicht zuletzt der menschlichen Existenz sei eines der bestimmenden Faktoren des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes. Der Erholungswert der Landschaft könne durch die Grundwasserführung insofern beeinflußt werden, als Landschaftsteile mit verschmutzem oder mangelndem Wasser als Erholungslandschaft gar nicht erst in Frage kämen. Es sei daher auch Aufgabe des Naturschutzes, Qualität und Quantität des Grundwassers bei Vorliegen eventuell grundwasserbeeinflussender Vorhaben zu erhalten und durch entsprechende Vorkehrungen zu schützen. Zu diesen Maßnahmen zählten auch Forderungen nach bestimmten Folgenutzungen bei veränderten Wasserabständen, um eventuelle Schadstoffeinträge hintanzuhalten. Wie im hydrologischen Gutachten ausgeführt, könne eine quantitative Auswirkung auf das Grundwasser bei Aufschüttung von bindigem Material, das eine geringere Durchlässigkeit als der bestehende Bodenkörper aufweise, nicht ausgeschlossen werden. Durch die geringere Versickerung von Wasser würde die Grundwassererneuerung nicht mehr im bisherigen Ausmaß stattfinden können. Auch eine großflächige forstliche Folgenutzung auf dem Abbauareal könnte Auswirkungen auf die Grundwasserführung haben. Durch den relativ geringen Abstand zum Grundwasser würden die Baumwurzeln ins Wasser vordringen und die Bäume beachtliche Mengen an Wasser transpirieren, was im Extremfall den Grundwasserspiegel in einem nicht vorhersehbaren Ausmaß beeinflussen könnte. Was im Waldviertel zum Trockenlegen von Naßstellen benutzt werde, sei im wasserarmen Marchfeld durchaus nicht vorteilhaft. In qualitativer Hinsicht würde ein Abstand von nur 2 m zum HGW, der außerdem wegen des gefluteten Marchfeldkanals geringer werden könnte, in Verbindung mit konventioneller landwirtschaftlicher Nutzung zu große Risken für das Grundwasser bergen. Durch die geringe Filterwirkung des Bodens und die hohe Durchlässigkeit würden nur allzu leicht wasserlösliche Düngemittel oder auch Pestizide ins Grundwasser gelangen. Eine landwirtschaftliche Folgenutzung ohne weitere Schutzmaßnahmen (Abdichtungen durch Bewirtschaftungsmaßnahmen ohne Agro-Chemikalien) seien aus naturschutzfachlicher Sicht nicht zu verantworten. Um eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes (hier vor allem Klima, Bodenbildung und Grundwasserführung) weitgehend auszuschließen, gebe es folgende Vorkehrungen:

-

Abbau bis 2 m über HGW

-

extensive Folgenutzung, worunter im wesentlichen folgendes

zu verstehen ist:

1)

Ödland, das heißt vorerst keine menschlichen Eingriffe, Humusierung nicht notwendig.

2)

Vernetztes Biotopverbundsystem; Initialpflanzungen mit Sträuchern, kleinen Baumgruppen, eventuell Wiesen; teilweise Humusierung.

3)

Extensive Wiesen und Weiden; eine Verwendung von wasserlöslichen Düngern (Mineraldünger, Jauche, Gülle) und von Pestiziden; Humusierung.

4)

Kombination der erwähnten Nutzungsformen, teilweise Humusierung. Hier wäre auch eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung von Teilflächen bei entsprechenden Abdichtungsmaßnahmen und sichergestellter Bewirtschaftungsweise ohne wasserlösliche Dünger und ohne Pestizide möglich.

Die Beschwerdeführerin hielt entgegen, es sei unzutreffend, daß die Aufbringung einer bindigen Schicht auf der Grubensohle oder die Verfüllung des Gesamtareals das Grundwasser in seiner Menge reduzieren würde, zumal das quartäre Grundwasser - wie aus einer Broschüre der Errichtungsgesellschaft Marchfeldkanal ersichtlich - in nur geringem Umfang aus versickernden Niederschlägen gespeist werde. Durch den Marchfeldkanal werde der Grundwasserspiegel im übrigen lediglich stabilisiert bzw. bis zum HGW aus dem Jahre 1965 angehoben, keinesfalls aber darüber. Das innere Gefüge des Landschaftshaushaltes werde schließlich durch benachbarte Abbauunternehmen, denen der Abbau bis 0,5 m bzw. 1,0 m über HGW und Aufhöhung bis 2,0 m über HGW bewilligt worden sei, genauso beeinträchtigt wie durch das Vorhaben der Beschwerdeführerin.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 4. November 1994 wurde der Berufung Folge gegeben und die Auflagen 10. und 11. des erstinstanzlichen Bescheides durch folgende ersetzt:

"10.

Der Abbau darf maximal bis 2 m über dem höchsten Grundwasserstand, das ist auf Kote 158 m über Adria im nördlichen Bereich und auf Kote 157 m über Adria im südlichen Bereich, geführt werden.

11.

Nach Beendigung des Abbaus ist die Fläche einer extensiven Folgenutzung zuzuführen. Als derartige Nutzungsmöglichkeit kommt in Betracht:

a)

Ödland, d.h. vorerst keine menschlichen Eingriffe; Humusierung nicht notwendig.

b)

Vernetztes Biotopsystem, d.h. Initialpflanzung mit Sträuchern, kleinen Baumgruppen, eventuell Wiesen, teilweise Humusierung.

c)

Extensive Wiesen und Weiden; keine Verwendung von wasserlöslichen Düngern (Mineraldünger, Jauche, Gülle) und von Pestiziden; Humusierung.

d)

Komination der erwähnten Nutzungsformen; teilweise Humusierung."

Begründend wurde - nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der angewendeten Gesetzesbestimmungen - im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei dem Gutachten des Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Sie habe nicht schlüssig darzustellen vermocht, warum bei projektmäßiger Abbautiefe und Folgenutzung eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes weitgehend ausgeschlossen werden könne. Ob jedoch andere Abbauvorhaben in der Nähe des Vorhabens der Beschwerdeführerin anders beurteilt worden seien, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei es notwendig, die im Spruch angeführten Auflagen vorzuschreiben, um eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes weitgehend auszuschließen. Zwar werde der "Gewässerschutz im engeren Sinn" von der Wasserrechtsbehörde wahrgenommen; Veränderungen des Grundwassers könnten aber eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes bewirken. Daher seien die möglichen Auswirkungen eines Vorhabens auf das Grundwasser auch im naturschutzbehördlichen Verfahren zu berücksichtigen. Da der Naturschutzbehörde die Kompetenz fehle, in bestehende Flächenwidmungspläne gestaltend einzugreifen, sei im Auflagenpunkt 10. keine bestimmte Widmungsart der Folgenutzung vorgeschrieben worden.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem der Verfassungsgerichtshof deren Behandlung mit Beschluß vom 26. Februar 1996, B 35/95, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 NÖ NSchG, LGBl. 5500-4, bedürfen die Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von Steinen, Lehm, Sand, Kies, Schotter und Torf, soweit sie nicht ausschließlich der Deckung des Eigenbedarfes eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes dienen, sowie die Erweiterung der Abbaufläche bestehender Anlagen dieser Art einer Bewilligung der Behörde.

Um die Bewilligung hat gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. der Grundeigentümer, Pächter oder sonstige Nutzungsberechtigte (Berechtigte) anzusehen.

Die Behörde hat das Vorhaben gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. zu untersagen, wenn eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes (Klima, Bodenbildung, Grundwasserführung, Pflanzenkleid, Tierleben) oder eine Beeinträchtigung des Erholungswertes trotz Vorschreibung von Vorkehrungen nicht weitgehend ausgeschlossen werden kann. An Vorkehrungen kommen insbesondere die Anlage von Bermen, die Verminderung von Böschungsneigungen, die Anlage von Mutterboden- und Humusdeponien für spätere Rekultivierungen, Besämungen, die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern, die Errichtung von Einzäunungen und die Vornahme von Überschüttungen in Betracht.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid von der Annahme ausgegangen, das Vorhaben der Beschwerdeführerin habe - bei projektgemäßer Abbautiefe und Folgenutzung - Auswirkungen auf die Quantität und die Qualität des Grundwassers. Veränderungen des Grundwassers könnten allerdings eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes bewirken. Es müßten daher nach Auffassung der belangten Behörde (bereits) die Auswirkungen eines Vorhabens auf das Grundwasser im Sinne des § 4 Abs. 3 leg. cit. naturschutzbehörde "berücksichtigt", das heißt im vorliegenden Fall zum Anlaß für die Vorschreibung von Vorkehrungen genommen werden, um eine mögliche Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes (weitgehend) auszuschließen.

Diese Auffassung ist verfehlt.

Zunächst ist die Naturschutzbehörde im Grunde des § 4 Abs. 3 leg. cit. nur dann ermächtigt, Vorkehrungen zur Abwehr von Schädigungen des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes vorzuschreiben, wenn im Rahmen der zu treffenden Prognose festgestellt wird, daß solche Schäden bei Realisierung des zur Bewilligung beantragten Vorhabens konkret zu erwarten sind. Es besteht daher diese Ermächtigung nur insoweit, als durch die Vorschreibung von Vorkehrungen die Bewilligungsfähigkeit eines Vorhabens hergestellt wird, das andernfalls zu untersagen wäre, weil es zu einer Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes führt.

Weiters sind die Auswirkungen eines Vorhabens auf das Grundwasser für sich alleine noch kein Grund, das Vorhaben gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. zu untersagen. Tatbestandsmäßig ist nach dieser Bestimmung nämlich eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes. Erst die Schädigung dieses Gefüges hat zur Untersagung des Vorhabens zu führen, nicht aber schon der Umstand, daß das Vorhaben Auswirkungen auf einzelne der dieses Gefüge bestimmenden Faktoren mit sich bringt; besteht doch - abgesehen von der kompetenzrechtlichen Problematik einer solchen Auffassung (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1994, Zl. 93/10/0153, und vom 26. Juni 1995, Zl. 94/10/0169) - kein Anhaltspunkt für die Annahme, jedwede Einwirkung etwa auf das Grundwasser bedeute für sich bereits (auch) eine Schädigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes.

Indem es die belangte Behörde daher in Verkennung der Rechtslage für erforderlich erachtete, Vorkehrungen vorzuschreiben, um Schädigungen des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes vorzubeugen, ohne aber festzustellen, ob und welche (schädigenden) Auswirkungen mit dem Vorhaben der Beschwerdeführerin für dieses Gefüge überhaupt verbunden sind, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher schon aus diesem Grund - ohne auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlaßt, für das fortzusetzende Verfahren noch auf folgendes hinzuweisen:

Aus § 4 Abs. 2 NÖ NSchG folgt, daß eine naturschutzbehördliche Bewilligung gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. eines Antrages bedarf, durch den der Gegenstand des Verfahrens festgelegt wird. Daraus ist zu erschließen, daß das zur Bewilligung beantragte Vorhaben durch die Vorschreibung von Vorkehrungen im Sinne des § 4 Abs. 3 leg. cit. nur so weit modifiziert werden darf, daß es in seinem Wesen unverändert bleibt. Dies wäre dann jedoch nicht mehr der Fall, würde die durch Vorkehrung bewirkte Änderung des Projektes dem insoweit ausdrücklich erklärten Willen des Projektwerbers widersprechen. Änderungen der projektgemäß vorgesehenen Abbautiefe und Folgenutzung im Wege der Vorschreibung von Vorkehrungen wären demnach wesensändernd und somit unzulässig.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und MaßnahmenRechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996100092.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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