RS Vfgh 2020/10/8 E1873/2020

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Index

L8200 Bauordnung

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
COVID-19-VwBG §3, §6 Abs1
VwGVG §24
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht; Durchführung der notwendigen - bereits anberaumten - Beschwerdeverhandlung mit technischen Kommunikationsmitteln, anstelle ihres Entfalls wegen COVID-19, geboten

Rechtssatz

Die Regelung des §3 iVm §6 Abs1 COVID-19-VwBG sah in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des LVwG anzuwendenden Stammfassung BGBl I 16/2020 (sinngemäß auch) für das Verfahren der Verwaltungsgerichte vor, dass mündliche Verhandlungen und Vernehmungen nur durchzuführen waren, soweit dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege unbedingt erforderlich war. Gleiches galt für den mündlichen Verkehr zwischen den Behörden bzw Verwaltungsgerichten und den Beteiligten sowie mit sonstigen Personen im Rahmen der Durchführung des Verfahrens. War die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder Vernehmung unbedingt erforderlich, so konnte sie auch in Abwesenheit aller anderen Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel durchgeführt werden.

Die Erstreckung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung des §3 COVID-19-VwBG auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren erfolgte durch einen Verweis in der Verfassungsbestimmung des §6 Abs1 erster Satz leg cit. Demnach war §3 COVID-19-VwBG auf das Verfahren der Verwaltungsgerichte sinngemäß anzuwenden. §3 COVID-19-VwBG war also nicht schlechthin, sondern "sinngemäß" anzuwenden, und zwar entsprechend den Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Darüber hinaus änderte die Bestimmung nichts an den einfachgesetzlich in §§24, 25, 44 und 48 VwGVG verankerten allgemeinen Regelungen über die Durchführung mündlicher Verhandlungen, die Art6 EMRK umsetzen.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nach Art6 EMRK gebietet regelmäßig die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Dem trug auch §3 COVID-19-VwBG grundsätzlich Rechnung, indem die Regelung ermöglichte, mündliche Verhandlungen durchzuführen, soweit dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege unbedingt erforderlich war. In diesem Fall konnte diese gemäß §3 letzter Satz leg cit auch in Abwesenheit aller anderen Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel durchgeführt werden, womit offenkundig Wort und Bild vermittelnde Medien gemeint waren. Insgesamt kam es damit durch §3 iVm §6 Abs1 COVID-19-VwBG zu keiner Durchbrechung der durch Art6 EMRK gebotenen Verhandlungspflicht.

Da nach Auffassung der erkennenden Richterin grundsätzlich die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben waren (Erörterung des Gutachtens der Amtssachverständigen sowie Vorbringen der im Verwaltungsverfahren übergangenen Partei), die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderten, und die Entscheidung ihrer Ansicht nach auch nicht vorläufig aufzuschieben war, wäre die vom Beschwerdeführer beantragte und bereits anberaumt gewesene mündliche Verhandlung daher entsprechend §3 letzter Satz COVID-19-VwBG mit Hilfe geeigneter technischer Kommunikationsmittel durchzuführen gewesen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verhandlung mündliche, COVID (Corona), Verwaltungsgericht, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E1873.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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