TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/16 97/08/0456

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Veröffentlicht am 16.09.1997
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs10;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des G in G, vertreten durch Dr. Reinhard Weber, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Anton-Schneider-Straße 11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 23. Mai 1997, Zl. VIb-69-11/1994, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer (in teilweiser Stattgebung seines gegen den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erhobenen Einspruchs) als Geschäftsführer einer näher bezeichneten Ges.m.b.H., Sozialversicherungsbeiträge (einschließlich nachverrechneter Beiträge) für Beitragszeiträume vom November 1991 bis Februar 1992, sowie Verzugszinsen vom 3. April 1992 bis 31. Dezember 1995 von insgesamt S 359.814,04 sowie weitere Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG in der jeweils geltenden Fassung aus S 241.749,62 seit 1. Jänner 1996 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu bezahlen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, "wegen Rechtswidrigkeit" (der Sache nach: des Inhaltes des angefochtenen Bescheides) erhobene Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer - ohne Bestreitung der Höhe der zur Haftung vorgeschriebenen Beiträge sowie unter ausdrücklichem Zugeständnis der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge bei der Gesellschaft - aus zwei Gründen die Auffassung vertritt, zu Unrecht zur Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG herangezogen worden zu sein: Zum Konkurs der Gesellschaft und in der Folge zum Forderungsausfall sei es nicht deshalb gekommen, weil der Beschwerdeführer "schuldhaft oder nicht" die rechtzeitige und/oder vollständige Berichtigung der gegenständlichen Beitragsschulden verabsäumt habe, sondern - wie er im Verfahren ausführlich dargelegt habe - weil mangels "Zuzählung des vertraglich zugesicherten Darlehens ... Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eintrat, und zwar nicht nur gegenüber der (mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) sondern, wie im angefochtenen Bescheid auch festgestellt gegenüber zahlreichen anderen Gläubigern". Eine allfällige Pflichtverletzung in bezug auf die gegenständlichen Beitragszahlungen sei somit keineswegs "Folge der Uneinbringlichkeit der Konkursforderungen" (gemeint offenbar: deren Ursache). Ursache der Uneinbringlichkeit sei "das mangelnde Vermögen, auf das gegriffen werden könnte". Der angefochtene Bescheid lasse in diesem Zusammenhang die "entscheidungswesentliche u.a. den Verfahrensmangel begründende Feststellung vermissen, daß mit diesem (ergänze: verbindlich zugesagten) Darlehensbetrag, so er (der Gesellschaft) vertragsgemäß zugeflossen wäre, die gegenständlichen Beitragsschulden wie auch die übrigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft ohne weiteres hätten getilgt werden können".

"Entsprechend dieser Feststellung" hätte die belangte Behörde daher die Frage zu beantworten gehabt, ob ihm (dem Beschwerdeführer) "im Zusammenhang mit der Finanzplanung der Gesellschaft" auch eine nur leicht fahrlässige Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Ein Verschulden daraus, daß der Beschwerdeführer ab dem Vorliegen der schriftlichen und rechtsverbindlichen Finanzierungszusage eines vertrauenswürdigen österreichischen Kreditinstituts über einen Betrag von S 10 Mio hinsichtlich der Befriedigung der Gläubiger Prioritäten gesetzt habe, "um den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft bis zu der kurzfristig zu erwartenden Darlehenszuzählung aufrecht zu erhalten", sei ihm nicht als Verletzung der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns anzulasten; die belangte Behörde hätte bereits aus diesem Grund den Haftungsbescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse aufzuheben gehabt. Überdies (und dies ist der zweite Beschwerdegrund) habe der Beschwerdeführer bereits mittels Schriftsatzes vom 23. August 1996 "sowohl behauptet wie auch konkretisiert", daß für den Fall der grundsätzlichen Annahme der Haftung die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse "nur auf jene Quote der geschuldeten Beiträge Anspruch hat, welche dem Verhältnis der seinerzeit vorhandenen Mittel und diesen gegenüberstehenden Gesamtverbindlichkeiten entspricht". Zur Feststellung dieser Quote wäre die belangte Behörde aufgrund der ihr vorgelegten Unterlagen und Belege ohne weiteres imstande gewesen.

Mit diesen Ausführungen wird eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt:

Zunächst bestreitet der Beschwerdeführer nicht die Feststellungen der belangten Behörde, daß er - ungeachtet der Befriedigung anderer Gläubiger - die im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Sozialversicherungsbeiträge nicht an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse abgeführt hat. Er bestreitet mit dem ersten Beschwerdegrund vielmehr lediglich die Kausalität dieses Verhaltens für deren Uneinbringlichkeit (arg.: gleichgültig, ob "schuldhaft oder nicht") unter Hinweis auf eine in seinem Besitz befindliche Finanzierungszusage, die es ihm - bei deren Einhaltung - ermöglicht hätte, alle Forderungen gegen die Gesellschaft zu befriedigen.

Damit verkennt der Beschwerdeführer, daß die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung ist, die den Geschäftsführer nicht deshalb trifft, weil er das Unternehmen in den Konkurs geführt hat, sondern deshalb, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung, für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können, kann z.B. darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016, u.v.a.).

Für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG genügt leichte Fahrlässigkeit bei der Verletzung der den Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen (vgl. u.a. aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0251). Es trifft - ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde - denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus die besondere Verpflichtung, darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217, vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016, u.v.a.).

Es kommt also - entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers - nicht darauf an, ob er aufgrund einer verbindlichen Finanzierungszusage darauf vertrauen durfte, künftig über jene Geldmittel verfügen zu können, die (dann ohnehin) eine Befriedigung der zunächst offengelassenen Forderungen erlauben würde. Das für die Haftung relevante Verschulden des Beschwerdeführers liegt vielmehr bereits darin, daß er die Beitragsschuld (obgleich Mittel zu einer zumindest anteiligen Befriedigung auch der mitbeteiligten Partei vorhanden gewesen wären) zur Gänze - wenn auch im Vertrauen auf künftig zufließende Mittel - unberichtigt gelassen hat (vgl. dazu das den ähnlichen Fall einer "Patronatsvereinbarung" betreffende Erkenntnis vom 11. Februar 1997, Zl. 96/08/0264).

Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, nur für die der Gebietskrankenkasse bei anteiliger Befriedigung zustehende Quote zu haften. Er hat nämlich die Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde betreffend die Unzulänglichkeit seiner Mitwirkung am Verfahren nicht bekämpft, sondern räumt ein, daß er "möglicherweise nicht im Stande (gewesen sei), anhand der vorliegenden Buchhaltungsunterlagen die von der belangten Behörde gewünschte Gegenüberstellung in einer Form vorzulegen, die im Sinne eines klaren Beweises für eine bestimmte, der ... Gebietskrankenkasse zukommenden Quote in die Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides übernommen hätten werden können". Es seien der Behörde jedoch alle zur Berechnung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestanden, sodaß auch "allfällige Unrichtigkeiten in den ... vorgelegten Gegenüberstellungen von der belangten Behörde hätten berichtigt werden können und müssen". Die belangte Behörde habe in diesem Zusammenhang ihre weiterreichende Ermittlungspflicht verletzt, zumal der Beschwerdeführer zwar verpflichtet sei, "die Rechtfertigungsgründe einer allfälligen Ungleichbehandlung" darzutun und zu konkretisieren, "nicht jedoch dazu, für die belangte Behörde Schriftstücke anzufertigen, nämlich die von ihr mehrfach geforderten Gegenüberstellungen".

Nach den - danach unbekämpft gebliebenen - Feststellungen der belangten Behörde hat diese ein Gutachten eingeholt, das - im angefochtenen Bescheid in extenso wiedergegeben - zum Ergebnis kommt, daß der Beschwerdeführer keine "fälligkeitsbezogene Berechnung des Verhältnisses der gesamten Verbindlichkeiten und der darauf von der Gesellschaft geleisteten Zahlungen zu den aushaftenden Beitragsverbindlichkeiten ... vorgelegt" habe. Die Mängel der übergebenen Unterlagen sind in diesem Gutachten - nach dessen Wiedergabe im angefochtenen Bescheid - im einzelnen aufgeführt. Deshalb wäre es in erster Linie Sache des Beschwerdeführers gewesen, der Behörde eine schlüssige und nachvollziehbare Berechnung dieser Quote unter Bezugnahme auf die dafür maßgebenden Unterlagen vorzulegen. Wenn die Behörde zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Aufstellungen und Unterlagen ein Sachverständigengutachten einholen mußte, das überdies zu dem Ergebnis kommt, daß diese teils nicht vollständig, teils nicht nachvollziehbar seien, und der Beschwerdeführer daraufhin nichts unternimmt, um die Lücken seiner Darstellung zu schließen, dann ist er seiner Nachweispflicht nicht nachgekommen.

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997080456.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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