TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/17 95/12/0220

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Veröffentlicht am 17.09.1997
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Index

72/13 Studienförderung;

Norm

StudFG 1992 §19 Abs2 Z2;
StudFG 1992 §19 Abs2 Z3;
StudFG 1992 §19 Abs3;
StudFG 1992 §19 Abs4;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z1;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der Dipl.-Ing. M in W, vertreten durch Dr. Wolfgang W. Richter, Rechtsanwalt in Wien I, Parkring 12a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst (nunmehr: Wissenschaft und Verkehr) vom 9. Februar 1995, Zl. 56.040/5-I/7/95, betreffend Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin studiert seit dem Sommersemester 1984 "Landwirtschaft" an der Universität für Bodenkultur Wien.

Am 18. Februar 1985 gebar sie ihr erstes Kind, legte am 31. Mai 1988 die erste Diplomprüfung ab und brachte am 10. August 1990 ihr zweites Kind zur Welt.

Die zweite Diplomprüfung legte sie im 12. Semester des zweiten Studienabschnittes am 9. Juni 1994 ab.

Am 18. Dezember 1994 beantragte die Beschwerdeführerin Studienbeihilfe für ihr Doktoratstudium und richtete mit Datum 20. Dezember 1994 einen Antrag auf Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 StudFG an die belangte Behörde. Dieser Antrag war ausschließlich mit der Schwangerschaft und der Pflege und Erziehung eines Kindes bis zum 3. Lebensjahr begründet.

Obwohl der Senat der Studienbeihilfenbehörde den Antrag befürwortete, entschied die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abweisend.

Zur Begründung wird nach Wiedergabe der Rechtslage im wesentlichen weiter ausgeführt, nach der Studienordnung für die Studienrichtung Landwirtschaft, BGBl. Nr. 296/1970, betrage die Studiendauer für den zweiten Studienabschnitt fünf Semester. Die zweite Diplomprüfung sei im Sinne des § 20 Abs. 2 StudFG daher spätestens im neunten Semester des zweiten Studienabschnittes abzulegen. Die Beschwerdeführerin habe sich im Sommersemester 1994 aber im zwölften Semester ihres Studiums befunden und habe die zweite Diplomprüfung erst am 9. Juni 1994 abgelegt. Sie habe die Studienverzögerung im wesentlichen mit der Schwangerschaft und der Pflege und Erziehung ihres am 10. August 1990 geborenen Sohnes begründet.

In rechtlicher Hinsicht sei daher zu prüfen gewesen, ob die von der Beschwerdeführerin genannten Gründe das überwiegende Ausmaß ihrer Studienzeitüberschreitung nach § 19 Abs. 6 Z. 2 StudFG von insgesamt sieben Semestern, also eine mehr als drei Semester dauernde Studienverzögerung, bewirkt hätten und ob es sich dabei um wichtige Gründe im Sinne des StudFG gehandelt habe. Zusammenfassend sei festzustellen, daß die von der Beschwerdeführerin dargelegten Gründe sich insgesamt mit höchstens drei Semestern quantifizieren hätten lassen (nämlich:

ein Semester für die Schwangerschaft und zwei Semester für die Pflege und Erziehung ihres am 10. August 1990 geborenen Sohnes). Die von der Beschwerdeführerin angeführten Gründe hätten also nicht das überwiegende Ausmaß ihrer Studienzeitüberschreitung von sieben Semestern gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 15 Abs. 2 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 (StudFG), besteht Anspruch auf Studienbeihilfe für ein Doktoratstudium (§ 13 Abs. 1 lit. e AHStG) trotz Absolvierung eines Diplomstudiums, wenn der Studierende die vorgesehene Studienzeit zur Absolvierung des zweiten und dritten Studienabschnittes des Diplomstudiums um nicht mehr als vier Semester überschritten hat.

Die Verlängerung der Anspruchsdauer aus wichtigen Gründen ist im § 19 StudFG geregelt. Die Anspruchsdauer ist nach Abs. 1 zu verlängern, wenn der Studierende nachweist, daß die Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verursacht wurde.

Wichtige Gründe im Sinne des Abs. 1 sind gemäß Abs. 2:

1.

Krankheit des Studierenden, wenn sie durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesen wird,

2.

Schwangerschaft der Studierenden und

3.

jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, wenn den Studierenden daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach Abs. 3 bewirkt eine Schwangerschaft die Verlängerung der Anspruchsdauer um ein Semester.

Die Pflege und Erziehung eines Kindes vor Vollendung des 3. Lebensjahres, zu der der Studierende während seines Studiums gesetzlich verpflichtet ist, bewirken nach Abs. 4 die Verlängerung der Anspruchsdauer um insgesamt höchstens zwei Semester je Kind, ohne daß es eines weiteren Nachweises über die Verursachung der Studienverzögerung bedarf.

Der zuständige Bundesminister hat gemäß Abs. 6 auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde

1.

bei Studien im Ausland, überdurchschnittlich umfangreichen und zeitaufwendigen wissenschaftlichen Arbeiten oder ähnlichen außergewöhnlichen Studienbelastungen die Anspruchsdauer um ein weiteres Semester zu verlängern oder

2.

bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z. 1 oder des Abs. 2 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit des ersten Studienabschnittes zuzüglich eines Semesters (§ 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 2) oder die Überschreitung der Studienzeit des zweiten und dritten Studienabschnittes um mehr als vier Semester (§ 15 Abs. 2) nachzusehen,

wenn das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung auf die genannten Gründe zurückzuführen und auf Grund der bisherigen Studienleistungen zu erwarten ist, daß der Studierende die Diplomprüfung (das Rigorosum) innerhalb der Anspruchsdauer ablegen wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 94/12/0179, zu § 19 StudFG ausgeführt, die Betrachtung der Abs. 2, 3, 4 und 6 in ihrem systematischen Zusammenhang unter Beachtung der Erläuternden Bemerkungen zeigt, daß die Tatbestände im Abs. 2, der in Z. 3 eine Generalklausel enthält, und der Tatbestand nach Abs. 6 Z. 1 eine taxative Aufzählung darstellen. Abs. 3 sieht anknüpfend an Abs. 2 Z. 2 eine gesetzliche Verlängerung der Anspruchsdauer für diesen Fall um ein Semester vor. Abs. 4 regelt einen Sonderfall, der aber an sich unter die Generalklausel fällt, in der Weise, daß für diesen Fall ohne weiteren Nachweis über die Ursache ebenfalls eine Verlängerung der Anspruchsdauer bewirkt wird. Dies erfolgte einerseits im Hinblick auf die Erfahrung, daß mit der Obsorge für ein Kleinkind eine erhebliche Beeinträchtigung für die Betreuungsperson verbunden ist, andererseits im Hinblick auf die Vereinfachung des Ermittlungsverfahrens. Der Regelung des Abs. 4 darf aber nicht eine Bedeutung dergestalt beigemessen werden, daß Pflegeleistungen nur unter den im Abs. 4 genannten Voraussetzungen als wichtige Gründe im Sinne des § 19 Abs. 2 StudFG berücksichtigt werden können. Abs. 4 des § 19 StudFG ist vielmehr als Zurechnungs- und Nachweisregelung für ein spezifisches Ereignis zu sehen.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin, die um Studienbeihilfe für ihr Doktoratstudium angesucht hat, die gesetzlich vorgesehene Studiendauer im zweiten Studienabschnitt ihrer Studienrichtung von fünf Semestern um sieben Semester überschritten hat. Es ist daher für die Gewährung der Studienbeihilfe die Notwendigkeit der Nachsicht nach § 19 Abs. 6 Z. 2, zweiter Fall, StudFG gegeben. Eine solche Nachsicht darf nach dem zwingenden Wortlaut des Gesetzes - soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt - aber nur dann erteilt werden, wenn das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung, im konkreten Fall also mehr als die Hälfte von sieben Semestern, auf die "genannten Gründe" zurückzuführen sind.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem formularmäßig gestellten Antrag als solche wichtige Gründe im Sinne des StudFG "Schwangerschaft" und "Pflege und Erziehung eines Kindes bis zum 3. Lebensjahr" genannt und trotz formularmäßig gebotener Möglichkeit keine weiteren wichtigen Gründe angegeben. Die belangte Behörde ist daher entsprechend § 19 Abs. 3 und 4 StudFG von einer im Beschwerdefall bereits auf Grund des Gesetzes zeitlich vorgegebenen Verlängerung der Anspruchsdauer um insgesamt drei Semester ausgegangen. Für eine allenfalls darüber hinausgehende, durch weitere wichtige Gründe indizierte Verlängerung der Anspruchsdauer gab es auf Grund der Angaben der Beschwerdeführerin keine Anzeichen.

Bei den nun im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zusätzlich geltend gemachten Umständen der Erkrankung des Zweitgeborenen der Beschwerdeführerin handelt es sich daher um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 1971, Slg. N. F. Nr. 8113/A, u.v.a.), die kein für die Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis herbeiführen kann. Es kann daher schon aus diesem Grund dahingestellt bleiben, ob eine allenfalls durch die Erkrankung eines Kleinkindes im Sinne des § 19 Abs. 4 StudFG für die Mutter gegebene zusätzliche zeitliche Belastung neben der gesetzlich festgelegten Obergrenze für Pflege und Erziehung im Abs. 4 überhaupt noch berücksichtigt werden darf.

Wenn die Beschwerde vorbringt, die Behörde habe ihre Manuduktionspflicht gegenüber der Beschwerdeführerin bei der Antragstellung im Sinne des § 13a AVG verletzt, so ist dem entgegenzuhalten, daß es nicht Aufgabe der Behörde ist, allfällige inhaltliche Mängel von Parteiangaben aus der Welt zu schaffen. Auch die Beratung von Verfahrensparteien oder anderen Beteiligten in materiell-rechtlicher Sicht zählt nicht zu den Pflichten der Behörde (vgl. ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, beispielsweise Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, Zlen. 86/07/0065, 0066, oder vom 20. Dezember 1989, Zl. 89/03/0241, sowie weiters die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, zu § 13a AVG angegebene Rechtsprechung).

Da die von der belangten Behörde durch die Angaben der Beschwerdeführerin auf Grund der gesetzlichen Bestimmung des § 19 Abs. 3 und 4 StudFG bewirkte Verlängerung der Anspruchsdauer insgesamt nur drei Semester, also weniger als die Hälfte der Studienzeitüberschreitung der Beschwerdeführerin im zweiten Studienabschnitt betragen hat, kann die Abweisung des Nachsichtsbegehrens der Beschwerdeführerin gemäß § 19 Abs. 6 StudFG nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995120220.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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