TE Vfgh Erkenntnis 2020/9/28 E1262/2020

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Veröffentlicht am 28.09.2020
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Index

44/01 Zivildienst

Norm

StGG Art2
B-VG Art7 Abs1 / Gerichtsakt
ZivildienstG §8a Abs6, §21
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Verlängerung des Zivildienstes um drei Monate zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie; keine Auseinandersetzung mit der Erforderlichkeit der weiteren Heranziehung des Beschwerdeführers als Zivildienstleistenden

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger und hat im Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis zum 31. März 2020 den ordentlichen Zivildienst beim Verein Menschenrechte Österreich, Geschäftsstelle Graz, absolviert. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 21. März 2020 "über die Zuweisung zum außerordentlichen Zivildienst" wurde die Zivildienstleistung des Beschwerdeführers gemäß §8a Abs6 des Bundesgesetzes über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 – ZDG), BGBl 679 (WV) idF BGBl I 106/2005, bis 30. Juni 2020 verlängert und dem Beschwerdeführer aufgetragen, seinen Dienst ab 1. April 2020 in den Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz zu leisten. Der Beschwerdeführer habe folgende Dienstleistungen zu verrichten: Hilfsdienste bei der Betreuung und Pflege alter Menschen; in untergeordnetem Ausmaß: Küchen-, Haus- und Gartenarbeiten, Instandhaltungsarbeiten sowie administrative Tätigkeiten, Botendienste und Begleitdienste zu Kliniken und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten unter Verantwortung des anerkannten Rettungsdienstes und medizinischen Fachpersonals vor Ort. Gemäß §13 Abs2 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen.

Begründend führt die Zivildienstserviceagentur aus, die durch das COVID-19-Virus ausgelösten Folgen, insbesondere jene im Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung und im Pflegebereich, hätten das Ausmaß eines außerordentlichen Notstandes erreicht. Zahlreiche Einrichtungen des Zivildienstes hätten die Zivildienstserviceagentur informiert, dass viele Beschäftigte, die in Krankenanstalten, im Rettungswesen, in der Sozial- und Behindertenhilfe sowie in der Altenbetreuung zur Betreuung von Klienten eingesetzt würden, auf Grund einer Erkrankung oder einer behördlichen Anordnung nicht mehr ihren Dienst versehen könnten. Deshalb sei ein Einsatz von Zivildienstleistenden besonders im Dienstleistungsbereich über die bescheidmäßig verfügte Dauer des ordentlichen Zivildienstes hinaus gemäß §8a Abs6 ZDG erforderlich.

Die Dauer von drei Monaten sei erforderlich, um den Auswirkungen der Pandemie entgegentreten zu können, den Einrichtungen die Erfüllung ihrer gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen zu ermöglichen, eine Planbarkeit des Einsatzes der Zivildienstleistenden vorsehen zu können und eine effiziente Verwaltung der Zivildienstangelegenheiten aufrechterhalten zu können.

2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 15. April 2020 als unbegründet ab. Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht aus, der Beschwerdeführer sei zum Wehrdienst für tauglich befunden, zivildienstpflichtig und mit dem angefochtenen Bescheid über die Zeit des ordentlichen Zivildienstes hinaus der Einrichtung Geriatrische Gesundheitszentren Graz zur Leistung eines außerordentlichen Zivildienstes zugewiesen worden. Er habe sein 50. Lebensjahr noch nicht vollendet und sei nicht von der Leistung des Zivildienstes befreit worden. Der Beschwerdeführer habe den ordentlichen Zivildienst am 1. Juli 2019 angetreten und während des laufenden Zivildienstes im Wintersemester 2019/20 mit dem Studium der Informatik an der TU Graz begonnen. Mit Wirkung vom 1. März 2020 sei er ein Dienstverhältnis als Studienassistent an der TU Graz eingegangen. Seit 1. August 2019 sei er im Ausmaß von sechs Wochenstunden als IT-Support-Mitarbeiter eines Unternehmens beschäftigt.

Auf Grund der aktuellen COVID-19-Pandemie stehe das gesamte österreichische Gesundheitssystem vor substantiellen Einschränkungen bzw Anforderungen. Diese beträfen auch die genannte Einrichtung. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der genannten Einrichtung diene der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung.

Beweiswürdigend führt das Bundesverwaltungsgericht weiter aus, dass sich die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde ergäben. Die belangte Behörde habe den entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt im behördlichen Verfahren hinreichend ermittelt und diesen in der Bescheidbegründung nachvollziehbar festgestellt. Es gebe keinen Grund, an der Feststellung der belangten Behörde, wonach die Zuweisung erforderlich sei und keine Zuweisungshindernisse vorlägen, zu zweifeln. Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, an einer Erkrankung zu leiden und deswegen im Gesundheitswesen nicht eingesetzt werden zu können, sei festzuhalten, dass er die Tauglichkeit für den Zivildienst aufweise und bereits einen ordentlichen Zivildienst geleistet habe. Einer Verwendung des Beschwerdeführers im Rahmen der Altenpflege stehe nichts im Wege, zumal es sich bei Insassen von Altersheimen um eine unter dem Gesichtspunkt der COVID-19-Pandemie besonders vulnerable Gruppe handle. Soweit der Beschwerdeführer auf persönliche Gründe verweise, die der Verlängerung des Zivildienstes entgegenstünden, sei dem entgegen zu halten, dass diese Gründe in einem Befreiungsantrag nach §13 ZDG geltend zu machen seien. Ein Antrag auf Befreiung hindere nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Einberufung nicht; nach §26 Abs4 Wehrgesetz 2001 (WG 2001), BGBl I 146/2001 idF BGBl I 102/2019, werde erst mit Erlassung eines Bescheides, mit dem ein Aufschub oder eine Befreiung gewährt werde, eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum des Aufschubes oder der Befreiung unwirksam.

Da der Einsatz des tauglichen Beschwerdeführers als Zivildienstleistender auf Grund der aktuellen Situation zur pandemiebedingten Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung erforderlich sei, keine Zuweisungshindernisse vorlägen und der Beschwerdeführer nicht befreit worden sei, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen. Ein Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung habe entfallen können, weil unverzüglich über die Hauptsache entschieden worden sei.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbsausübung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, zum Zeitpunkt des Bescheides der Zivildienstserviceagentur sei kein Notstand erreicht, sondern ein solcher höchstens zu befürchten gewesen. Wie sich mittlerweile herausgestellt habe, sei dieser Notstand zu keinem Zeitpunkt nur annährend eingetreten; die Kapazitätsgrenzen im intensivmedizinischen Bereich seien glücklicherweise bei weitem nicht erreicht worden. Der Gesundheitsbereich sei – aus nachvollziehbaren Gründen, nämlich der Pandemieeindämmung – auf einen Minimalbetrieb reduziert worden, Urlaube bei medizinischem Personal abgebaut und Mitarbeiter im Gesundheits- und Sanitätsbereich zum Teil sogar in Kurzarbeit geschickt worden. Überdies habe sich eine Vielzahl an freiwilligen außerordentlichen Zivildienern gemeldet, sodass die Zivildienstserviceagentur selbst mitgeteilt habe, dass Zivildiener, deren Dienst im April 2020 ende, nicht (außerordentlich) verlängert würden. Bereits unter Berücksichtigung dieser Tatsachen sei evident, dass die Zuweisung des Beschwerdeführers zum außerordentlichen Zivildienst (zu keinem Zeitpunkt) sachlich gerechtfertigt gewesen sei. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass nach §21 ZDG die Zivildienstpflichtigen im personell und zeitlich notwendigen Ausmaß zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes zu verpflichten seien. Selbst wenn man nunmehr davon ausgehen sollte, dass zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht absehbar gewesen sein sollte, dass der befürchtete Notstand im Gesundheits- und Pflegebereich nicht eintreten werde, sei dies spätestens im April 2020 auf Grund der Entwicklung der Krankheitszahlen – insbesondere in Bezug auf die Auslastung des intensivmedizinischen Bereichs – offenkundig gewesen, sodass eine Zuweisung zum außerordentlichen Zivildienst im Ausmaß von drei Monaten jedenfalls das zeitlich notwendige Ausmaß zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes im Sinne des §21 ZDG überschreite.

Die unterschiedlichen Konditionen hinsichtlich der Entlohnung des "verlängerten" und des "freiwilligen" Zivildienstes stellten eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art7 B-VG dar und seien sohin verfassungswidrig.

Nach §8a Abs6 ZDG gelte ein verlängerter Zivildienst als außerordentlicher Zivildienst. Gemäß §34b Abs1 ZDG hätten Zivildienstpflichtige, die einen außerordentlichen Zivildienst gemäß §21 Abs1 leg cit leisteten, neben der Grundvergütung und dem Zuschlag zur Grundvergütung einen zusätzlichen Anspruch auf Pauschalentschädigung in Höhe von € 1.292,74 (brutto). Mit Bescheid vom 21. März 2020 habe die Zivildienstserviceagentur dem Beschwerdeführer zusätzlich zu den bisherigen finanziellen Ansprüchen (nämlich der Grundvergütung) lediglich einen monatlichen Zuschlag zur Grundvergütung in Höhe von € 189,90 gewährt. Diese hoheitlich festgesetzte Vergütung des außerordentlichen Zivildienstes, die dem Beschwerdeführer als "verlängertem" Zivildiener lediglich die Grundvergütung und den Zuschlag gemäß §25a Abs2 ZDG zuerkenne und die zusätzliche Pauschalentschädigung des §34b Abs1 leg cit dem "freiwilligen" Zivildiener vorbehalte, unterstelle dem ZDG einen gleichheitswidrigen Inhalt und verletze sohin den Gleichheitssatz. Für die aufgezeigte Ungleichbehandlung liege keinerlei sachliche Rechtfertigung vor, zumal sich die ausgeübten Tätigkeiten der "verlängerten" und der "freiwilligen" Zivildiener weder von der Art der Tätigkeit noch vom Umfang her unterschieden.

Der Beschwerdeführer sei ferner in seinem Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung verletzt, weil er das möglichst frühe Datum des Beginns seines Zivildienstes selbst gewählt habe, um möglichst bald mit dem Studium beginnen zu können und nach Ende seiner Dienstzeit bereits im Wintersemester 2019/20 an Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Auf Grund seines außerordentlichen Einsatzes sowie seiner Fähigkeiten im Bereich der Informatik sei ihm eine befristete Stelle als Studienassistent an der TU Graz von 1. März bis 30. Juni 2020 angeboten worden. Nach erfolgreichem Abschluss der Tätigkeit sei ihm ein unbefristetes Dienstverhältnis in Aussicht gestellt worden. Durch die Zuweisung zum außerordentlichen Zivildienst habe der Beschwerdeführer keine Möglichkeit, dieser Tätigkeit nachzugehen, sodass sein weiterer universitärer bzw beruflicher Werdegang in unverhältnismäßiger Weise gefährdet bzw eingeschränkt werde. Auch der Studienabschluss des Beschwerdeführers werde sich erheblich verzögern, zumal er nicht nur das Sommersemester, sondern dadurch, dass manche Lehrveranstaltungen nur im Sommersemester angeboten würden, ein ganzes Studienjahr verliere. Auch die mit dem Dienstgeber vereinbarte Einarbeitung der während des ordentlichen Zivildienstes anfallenden Minusstunden im April 2020 sei ihm auf Grund seiner Zuweisung zum außerordentlichen Zivildienst nicht möglich. Es bestehe die Gefahr, dass eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sei, da der Dienstgeber sich bis dahin mit einer Ersatzkraft verstärkt haben werde.

Der Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 21. März 2020 basiere auf einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung, da §21 ZDG vorsehe, dass Zivildienstpflichtige bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen im personellen und zeitlich notwendigen Ausmaß zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes zu verpflichten seien. Eine Zuweisung zum außerordentlichen Zivildienst für den Zeitraum von drei Monaten sei jedoch zu keinem Zeitpunkt erforderlich gewesen, sodass das zeitlich notwendige Ausmaß der zitierten Bestimmung jedenfalls überschritten sei. Darüber hinaus bleibe festzuhalten, dass der seitens der Behörde angeführte außerordentliche Notstand im medizinischen Bereich erfreulicherweise nicht eingetreten, sondern lediglich befürchtet worden sei. Die bloße Befürchtung des Eintritts eines außerordentlichen Notstandes vermöge die Zuweisung zum außerordentlichen Zivildienst im Sinne der gesetzlichen Bestimmung aber nicht zu rechtfertigen.

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

5. Die Zivildienstserviceagentur hat eine Gegenschrift erstattet, in der den Beschwerdebehauptungen entgegengetreten wird. Ausgeführt wird im Wesentlichen, im Bescheid vom 21. März 2020 sei über finanzielle Ansprüche nicht abgesprochen worden, sondern einzig und allein über die Verlängerung des Zivildienstes im Sinne des §8a Abs6 ZDG. Sowohl die Grundvergütung als auch der Zuschlag zu dieser seien in §25a ZDG gesetzlich geregelt. Für eine bescheidmäßige Feststellung bleibe daher kein Platz.

Der Beschwerdeführer irre, wenn er vermeine, "die unterschiedlichen Konditionen hinsichtlich der Entlohnung des verlängerten und des freiwilligen Zivildienstes" stellten eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art7 B-VG dar. Das ZDG unterscheide drei Arten der Leistung des Zivildienstes, nämlich den ordentlichen Zivildienst, den außerordentlichen Zivildienst als Einsatz gemäß §21 Abs1 ZDG und den außerordentlichen Zivildienst als Einsatz gemäß §8a Abs6 leg cit (§6a leg cit). Diese Bestimmungen regelten jeweils unterschiedliche Sachverhalte. Der außerordentliche Zivildienst nach §8a Abs6 ZDG könne aber höchstens einmal, und zwar unmittelbar im Anschluss an den ordentlichen Zivildienst geleistet werden. Zum außerordentlichen Zivildienst gemäß §21 ZDG könne ein Zivildienstpflichtiger hingegen erst dann herangezogen werden, wenn zwischen dem Ende des Zuweisungszeitraums des ordentlichen Zivildienstes und dem Beginn des außerordentlichen Zivildienstes ein gewisser Zeitraum vergangen sei; zudem könne er mehrmals und auch innerhalb einer größeren Zeitspanne — nämlich bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres — zugewiesen werden. Die Bestimmungen hinsichtlich der verschiedenen Arten des Zivildienstes regelten somit unterschiedliche Sachverhalte, sodass auch die für den jeweiligen Dienst vorgesehenen finanziellen Vergütungen unterschiedlich seien. Die diesbezüglichen Bestimmungen des ZDG verstießen daher nicht gegen Art7 B-VG.

Folgte man der Argumentation des Beschwerdeführers hinsichtlich des behaupteten Eingriffs in das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit, wären sowohl der Grundwehrdienst als auch der Zivildienst an sich verfassungswidrig. Die Pflicht, den Wehr- oder Zivildienst zu leisten, sei jedoch in Art9a B-VG verfassungsgesetzlich verankert. Diesem Pflichtdienst sei systemimmanent, dass der Verpflichtete im Zeitraum der Zuweisung keiner (bzw wenn, nur in einer stark eingeschränkten Form einer) Erwerbstätigkeit nachgehen könne.

6. Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus hat eine Äußerung erstattet, in der dem Beschwerdevorbringen wie folgt entgegengetreten wird:

6.1. Zum Vorliegen eines außerordentlichen Notstandes bringt die Bundesministerin vor, seit Beginn des Jahres 2020 habe sich die Infektionskrankheit COVID-19 von China aus sukzessive über alle Kontinente ausgebreitet. Am 11. März 2020 habe die Weltgesundheitsorganisation verlautbart, dass eine Pandemie vorliege. Diese habe inzwischen laut Johns Hopkins Universität mit Stand 6. Juli 2020 weltweit zu 11,45 Millionen Infizierten und 534.267 Todesfällen durch COVID-19 geführt.

Die Zuweisung des Beschwerdeführers sei mit 1. April 2020 erfolgt. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz habe auf seiner Homepage mit Stand 3. April 2020, 9:30 Uhr, in Österreich 11.251 positiv getestete erkrankte Personen ausgewiesen, 1.074 erkrankte Personen, die in Spitälern versorgt und 245 Personen, die auf einer Intensivstation behandelt werden mussten. 168 Menschen hätten COVID-19 nicht überlebt. Die tägliche Rate des Anstieges der Infektionen habe geschwankt und sei bei etwa 15,7 % täglich gelegen. Auf Grund dieser Rate hätten über künftige Gesamtzahlen belastbare Prognosen erstellt werden können.

Dies habe zu zahlreichen Maßnahmen des Parlaments und auch der Regierung geführt. Beispielsweise habe die Bundesministerin für Landesverteidigung die Heranziehung von Wehrpflichtigen zum Einsatzpräsenzdienst verfügt (BGBl II 131/2020). Die durch das COVID-19-Virus ausgelösten Folgen, insbesondere jene im Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung und im Pflegebereich, hätten das Ausmaß eines außerordentlichen Notstandes erreicht gehabt. Zahlreiche Einrichtungen des Zivildienstes hätten die Zivildienstserviceagentur informiert, dass viele Beschäftigte, die in Krankenanstalten, im Rettungswesen, in der Sozial- und Behindertenhilfe sowie in der Altenbetreuung zur Betreuung von Klienten eingesetzt waren, auf Grund einer Erkrankung oder einer behördlichen Anordnung nicht mehr ihren Dienst versehen könnten.

Um im Zuge dieser Situation, insbesondere auf Grund der zu diesem Zeitpunkt weiterhin steigenden Neuerkrankungen und der Prognosen für die Zukunft, Problemen im Bereich der Versorgung mit ausreichend befähigtem Sanitäts- und Pflegebetreuungspersonal begegnen zu können, habe es der Unterstützung von außerordentlichen Zivildienstleistenden in gesundheitsrelevanten Berufen bedurft.

Es sei auf Grund der bekannten internationalen Entwicklung des Pandemieverlaufs und obiger Ausführungen evident, dass der in §21 ZDG genannte Notstand eingetreten gewesen sei und die Zivildienstverwaltung nicht den Zusammenbruch des Gesundheitssystems abwarten habe können, bevor außerordentliche Zivildienstleistende eingesetzt würden. Die Dauer von drei Monaten sei erforderlich gewesen, um den Auswirkungen der Pandemie entgegentreten zu können, den Einrichtungen die Erfüllung ihrer gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen zu ermöglichen, eine Planbarkeit des Einsatzes der Zivildienstleistenden vorsehen zu können und eine effiziente Verwaltung der Zivildienstangelegenheiten aufrechterhalten zu können. Bei kürzerer Dauer wäre die Einarbeitungsphase zu lange im Verhältnis zur Gesamtdauer des außerordentlichen Zivildienstes gewesen. Insgesamt seien 4.500 Zivildienstpflichtige dem außerordentlichen Zivildienst mittels Bescheid zugewiesen worden, eine kürzere Einsatzdauer bedinge eine im Verhältnis entsprechend aufwändigere Verwaltungstätigkeit. Das Ausmaß der Zuweisung richte sich nach den jeweiligen sachlichen und personellen Erfordernissen. Auf Grund des Anlassfalles sei zu keinem Zeitpunkt klar gewesen, ob und wie viele ausländische Pflegekräfte an ihren Arbeitsplätzen in Österreich auf Grund der Grenzschließungen und Erkrankungen erscheinen würden. Für diesen Umstand sei vorzusorgen gewesen.

6.2. Die Zivildienstserviceagentur habe im vorliegenden Fall einen Zuweisungsbescheid erlassen, mit dem über finanzielle Ansprüche nicht abzusprechen gewesen und auch nicht abgesprochen worden sei. §§34 und 34b ZDG seien daher nicht Gegenstand des Zuweisungsbescheides gewesen.

6.3. Zur Freiheit der Erwerbsbetätigung führt die Ministerin aus, der Zivildienst sei auf Grund seiner Erwähnung in Art9a Abs4 B-VG Teil der umfassenden Landesverteidigung und wie der Wehrdienst ein Rechtsverhältnis sui generis, das eine "umfassende Verpflichtung zum Dienst am Staat" begründe, sodass nur eingeschränkt Raum für das gleichzeitige Eingehen eines Arbeitsverhältnisses verbleibe. Wehr- und Zivildienst sei eine Bürgerpflicht männlicher, österreichischer Staatsbürger; der Gesetzgeber knüpfe andere Rechtsfolgen an die Leistung des Wehr- und Zivildienstes als an Arbeitsverhältnisse. Zivildienst sei nach Art4 Abs3 litb EMRK nicht als Zwangs- oder Pflichtarbeit zu qualifizieren und stehe als übliche Bürgerpflicht auch nicht im Widerspruch zu Art2 Abs2 litb des Übereinkommens über Zwangs- oder Pflichtarbeit (BGBl 86/1961).

II. Rechtslage

1. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

2. §§6a, 8a, 21, 25a und 34b ZDG, BGBl 679/1986 (WV) idF BGBl I 16/2020, lauten (die mit dem 2. COVID-Gesetz BGBl I 16/2020 angefügten und mit 22. März 2020 in Kraft getretenen Passagen sind hervorgehoben):

"Zivildienst

§6a. (1) Der Zivildienst gliedert sich in den ordentlichen und den außerordentlichen Zivildienst.

(2) Der ordentliche Zivildienst ist

1. als Einsatz gemäß §8 Abs1 und

2. in den in Abs3 angeführten Fällen als Einsatz gemäß §8a Abs1

zu leisten.

(3) Der außerordentliche Zivildienst ist als Einsatz bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen, und zwar

1. als Einsatz gemäß §21 Abs1 und

2. als Einsatz gemäß §8a Abs6 zu leisten.

§8a. (1) Die Zivildienstserviceagentur kann den Rechtsträger der Einrichtung (§4 Abs1) anweisen, seiner Einrichtung zugewiesene Zivildienstleistende (§8 Abs1) zur Erbringung von Dienstleistungen nach §21 Abs1

1. in der Einrichtung selbst heranzuziehen oder

2. an eine von der Zivildienstserviceagentur bestimmte andere Einrichtung abzustellen.

§21 Abs1 ist sinngemäß anzuwenden. Die nach den Z1 und 2 geleisteten Dienste gelten als ordentlicher Zivildienst gemäß §7.

(2) Bei Verfügungen nach Abs1 ist nach Maßgabe der den Einsatz bedingenden Voraussetzungen auf die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes der Einrichtung Bedacht zu nehmen.

(3) In den Fällen des Abs1 hat der Rechtsträger der Einrichtung die Zivildienstleistenden entsprechend anzuweisen. Abweichend von §22 Abs1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz kann einer Beschwerde gegen eine solche Anweisung jedoch aufgrund zwingenden öffentlichen Interesses eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden.

(4) Der Zivildienstleistende ist verpflichtet, einer Anordnung nach Abs3 unverzüglich Folge zu leisten.

(5) In den Fällen, in denen der Zivildienstleistende nicht bei der bisherigen Einrichtung Dienst verrichtet, gilt er als der Einrichtung zugewiesen, zu der er nach Abs1 Z2 abgestellt worden ist.

(6) Sofern ein Einsatz nach Abs1 über die bescheidmäßig verfügte Dauer des ordentlichen Zivildienstes (§8 Abs1) hinaus erforderlich wird, ist der weitere Einsatz von der Zivildienstserviceagentur bescheidmäßig zu verfügen und gilt als außerordentlicher Zivildienst gemäß §21 Abs1.

(7) Der Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden haben bei der Vollziehung der Abs1 und 6 mitzuwirken.

Außerordentlicher Zivildienst

§21. (1) Die Zivildienstserviceagentur hat Zivildienstpflichtige bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen (insbesondere in Zeiten, in denen Wehrpflichtige zur Leistung des Einsatzpräsenzdienstes einberufen werden) im personell und zeitlich notwendigen Ausmaß zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes zu verpflichten. Die Zivildienstpflichtigen sind anerkannten Einrichtungen (§4 Abs1) zuzuweisen, die in besonderem Maße geeignet sind, die Erfüllung des Zweckes dieses außerordentlichen Zivildienstes zu gewährleisten. Hinsichtlich der Zuweisung von Zivildienstleistenden an Rechtsträger sowie die Anweisung Zivildienstleistender durch Rechtsträger gilt §8a sinngemäß.

(2) Die §§8 (ausgenommen Abs2), 9, 11 (ausgenommen Abs1, soweit dieser die Angabe des Zeitpunktes, in dem der Zivildienst endet, und den Ausspruch der Verpflichtung nach Abs1 letzter Satz betrifft), 12, 13, 13a, 15, 17, 18, 19, 19a und 20 sind anzuwenden.

(3) Die Pflicht, außerordentlichen Zivildienst zu leisten, erlischt mit der Vollendung des 50. Lebensjahres.

(4) Sofern der Umfang der für die Verpflichtung gemäß Abs1 maßgeblichen Umstände den Einsatz so vieler Zivildienstpflichtiger erfordert, dass die Kapazität der zur Verfügung stehenden Einrichtungen für ihre Aufnahme nicht ausreicht, kann die Zivildienstserviceagentur die Zuweisung zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes zum Bundesministerium für Inneres vornehmen.

(5) Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus kann durch Verordnung für die Dauer des außerordentlichen Zivildienstes zur Sicherung der Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur und der Daseinsvorsorge weitere Dienstleistungsgebiete bestimmen, in denen die Mitwirkung von Zivildienstleistenden vorgesehen werden kann.

(6) Entgegen §4 Abs2 Z3 können auch sonstige juristische Personen, die auf Gewinn berechnet sind und ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, anerkannt werden. Diese Anerkennung ist jedenfalls mit der Dauer des außerordentlichen Zivildienstes befristet. Solchermaßen anerkannte Rechtsträger haben dem Bund vollen Kostenersatz für den Einsatz der Zivildienstleistenden zu erstatten. Ein solcher Anerkennungsbescheid gilt als Bescheid im Sinne des §57 Abs1 AVG.

(7) Bescheide gemäß §18 gelten für die Dauer des außerordentlichen Zivildienstes als Bescheide im Sinne des §57 Abs1 AVG (unaufschiebbare Maßnahmen).

(8) Die Dienstzeit-Verordnung für Zivildienstleistende-DZ-V, BGBl Nr 678/1988, gilt auch für den außerordentlichen Zivildienst.

§25a. (1) Dem Zivildienstleistenden gebührt eine Pauschalvergütung (Grundvergütung und Zuschlag).

(2) Die Höhe der monatlichen Pauschalvergütung (Grundvergütung und Zuschlag) bestimmt sich nach dem Gehalt einschließlich allfälliger Teuerungszulagen eines Beamten der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2, des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl Nr 54, und beträgt

1. für die Grundvergütung bei ordentlichem oder außerordentlichem Zivildienst 12,87 vH und

2. für den Zuschlag zur Grundvergütung bei Einsätzen nach §8a Abs6 und §21 7,05 vH dieses Gehaltsansatzes.

(3) Erstreckt sich der Anspruch nach Abs2 nur auf Bruchteile eines Monats, so steht er dem Zivildienstleistenden für jeden Kalendertag mit je einem Dreißigstel dieser Bruchteile zu. Das gilt jedoch nicht, wenn der Zivildienst bis längstens zum 5. des Monats angetreten wird, für die zwischen dem ersten und dem fünften liegenden Tage. In diesem Fall gebührt der Anspruch auch für diese Tage.

§34b. (1) Der Zivildienstpflichtige, der einen außerordentlichen Zivildienst gemäß §21 Abs1 leistet, hat für die Dauer eines solchen Dienstes Anspruch auf Entschädigung oder Fortzahlung der Dienstbezüge, wie er einem Wehrpflichtigen zusteht, der gemäß §2 Abs1 lita WG 2001 einen Einsatzpräsenzdienst leistet.

(2) Auf die Entschädigung und die Fortzahlung der Dienstbezüge sind die Bestimmung des 6. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen §§50, 51 Abs1, 54 Abs1 bis 5 und 55 anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle der in §44 Abs2 Z1 HGG 2001 genannten militärischen Dienststelle die Zivildienstserviceagentur."

3. Gemäß §76a ZDG treten die eingefügten Bestimmungen (§8a Abs3 zur Gänze) mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Verwaltungsgericht diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn das Verwaltungsgericht Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

3.1. Nach §6a Abs3 ZDG ist der außerordentliche Zivildienst als Einsatz bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen 1. als Einsatz gemäß §21 Abs1 leg cit und 2. als Einsatz gemäß §8a Abs6 leg cit zu leisten. Nach §8a Abs6 ZDG ist der weitere Einsatz von der Zivildienstserviceagentur bescheidmäßig zu verfügen, sofern ein Einsatz nach Abs1 leg cit über die bescheidmäßig verfügte Dauer des ordentlichen Zivildienstes im Sinne des §8 Abs1 leg cit hinaus erforderlich wird; dieser Einsatz gilt als außerordentlicher Zivildienst gemäß §21 Abs1 ZDG. Nach §21 Abs1 ZDG hat die Zivildienstserviceagentur Zivildienstpflichtige bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen (insbesondere in Zeiten, in denen Wehrpflichtige zur Leistung des Einsatzpräsenzdienstes einberufen werden) im personell und zeitlich notwendigen Ausmaß zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes zu verpflichten.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinen Feststellungen aus, dass "[a]uf Grund der aktuellen COVID-19-Pandemie […] das gesamte österreichische Gesundheitssystem vor substanziellen Einschränkungen bzw Anforderungen" stehe. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der genannten Einrichtung diene der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird festgehalten, dass sich die "Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt […] aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde [ergeben]. Die belangte Behörde ermittelte den entscheidungsrelevanten Sachverhalt im behördlichen Verfahren hinreichend und stellte in der beschwerdegegenständlichen Bescheidbegründung diesen nachvollziehbar fest. Es gibt keinen Grund, an der Feststellung der belangten Behörde, wonach die Zuweisung erforderlich ist und keine Zuweisungshindernisse vorliegen, zu zweifeln." Da der Einsatz des tauglichen Beschwerdeführers als Zivildienstleistender auf Grund der aktuellen Situation zur pandemiebedingten Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung erforderlich sei, keine Zuweisungshindernisse vorlägen und der Beschwerdeführer nicht von der Leistung des Zivildienstes befreit worden sei, sei die Beschwerde abzuweisen.

3.3. Das Bundesverwaltungsgericht begründet in seiner Entscheidung an keiner Stelle, auf Grund welcher Erkenntnisse oder Ermittlungsergebnisse die Heranziehung von Zivildienstleistenden zum außerordentlichen Zivildienst für "erforderlich" im Sinne des §8a Abs6 ZDG gehalten wird. Im Bescheid der Zivildienstserviceagentur wird ausgeführt, die durch das COVID-19-Virus ausgelösten Folgen, insbesondere jene im Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung und im Pflegebereich, hätten das Ausmaß eines außerordentlichen Notstandes erreicht. Zahlreiche Einrichtungen des Zivildienstes hätten die Zivildienstserviceagentur informiert, dass viele Beschäftigte, die in Krankenanstalten, im Rettungswesen, in der Sozial- und Behindertenhilfe sowie in der Altenbetreuung zur Betreuung von Klienten eingesetzt gewesen seien, auf Grund einer Erkrankung oder einer behördlichen Anordnung nicht mehr ihren Dienst versehen könnten. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht der Sache nach auch das Fehlen des Vorliegens der "Erforderlichkeit" der Verlängerung gerade seines Zivildienstes im Sinne des §8a Abs6 ZDG geltend gemacht, indem er darauf hingewiesen hat, dass die Zivildienstserviceagentur neben der Verlängerung des Zivildienstes auch "auf freiwilliger Basis ehemalige Zivildiener rekrutiert" habe. Mit Stand 17. März 2020 hätten sich bereits 2500 Freiwillige zum außerordentlichen Zivildienst gemeldet, des Weiteren seien auch ordentliche Zivildiener aus anderen Bereichen versetzt worden und man habe Zivildienstpflichtige, deren ordentlicher Zivildienst erst mit Juli begonnen hätte, auf Mai vorgezogen, wodurch man weitere Hilfskräfte mobilisieren hätte können.

3.4. Das Bundesverwaltungsgericht wäre vor diesem Hintergrund gehalten gewesen, Ermittlungen zu den Grundlagen seiner Entscheidung durchzuführen und auf Grund der Ermittlungsergebnisse seine Entscheidung nachvollziehbar zu begründen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht mit dem maßgeblichen Sachverhalt auseinandergesetzt. Insbesondere fehlen Ausführungen zu den Fragen, auf Grund welcher Tatsachen der (weitere) Einsatz des Beschwerdeführers im Sinne des §8a Abs6 ZDG als erforderlich erachtet wird bzw auf Grund welcher sachlichen Kriterien gerade der Beschwerdeführer für eine Verlängerung ausgewählt wurde. Weder in den Verwaltungs- noch in den Gerichtsakten finden sich Hinweise, dass zu der Frage, ob ein solcher Einsatz erforderlich wäre, Ermittlungen getätigt oder Einsicht in schriftliche Unterlagen genommen worden wären.

4. Indem das Bundesverwaltungsgericht jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidungsrelevanten Punkt unterlassen hat, hat es das Erkenntnis mit Willkür belastet.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen. §34b ZDG ist im vorliegenden Verfahren, dessen Sache die Zuweisung des Beschwerdeführers zum außerordentlichen Zivildienst nach §8a Abs6 ZDG ist, nicht anzuwenden (zur Präjudizialität von Rechtsvorschriften vgl zB VfSlg 11.401/1987, 11.979/1989, 14.078/1995, 15.634/1999 und 15.673/1999).

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Zivildienst, COVID (Corona), Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E1262.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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