TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/4 VGW-141/081/5524/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

WMG §5 Abs2
NAG 2005 §51 Abs2
NAG 2005 §52 Abs1
NAG 2005 §53a Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Szep über die Beschwerde der Frau A. B., Wien, C.-Straße, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, Region ..., Sozialzentrum ..., vom 20.04.2020, Zahl MA 40 - Sozialzentrum ... - SH/..., mit welchem der Antrag vom 16.04.2020 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) gemäß § 5 Abs. 1 und 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) in der geltenden Fassung abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz - B-VG an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, vom 20. April 2020, Zahl MA 40 – Sozialzentrum ... - SH/..., wurde das Ansuchen der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 16. April 2020 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs abgewiesen. Begründend führte die Behörde zusammengefasst sinngemäß aus, die Beschwerdeführerin sei zwar EWR-Bürgerin und seit 19. März 2010 im Bundesgebiet aufhältig, allerdings wäre sie zu keinem Zeitpunkt in Österreich erwerbstätig gewesen. Da sie weder erwerbstätig sei, noch eine Erwerbstätigeneigenschaft aufweise und auch nicht das Recht auf Daueraufenthalt erworben habe, wären die gesetzlich normierten Voraussetzungen für eine Gleichstellung gemäß § 5 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes nicht gegeben.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte die Rechtsmittelwerberin im Wesentlichen Nachfolgendes aus:

„1.lch,A. B.,erhebe gegen den Bescheid (SH/...) des Ma40 Sozialzentrums ...,Wien vom 20.04.2020 binnen offener Frist Beschwerde und begründe diese wie folgt:

Ich habe am 16.04.2020 ein Antrag auf Gewährung von Mindestsicherung gestellt.Mit dem Bescheid vom 20.04.2020 würde mein Antrag auf Verlängerung abgewiesen.

Die angegebene Begründung weist Mangelhafte Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung.

Ich,B. A.:

1. Habe das Recht auf Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 2010 erworben. Anmeldebescheinigung ausgestellt am 04/10/2010 laut &52 Abs. 1 Z 3

2. Ich bin Familienangehöriger(in Absteigender Linie) einer Gemäß §5 Abs.2 Zi. 2 WMG den österreichischen Staatsbürgerinnen gleichgestellten Person. 

3. Ich bin nicht Erwerbstätig weil ich bin 75 Jahre Alt.

4. Wohne in Österreich seit dem Jahr 2010.

5.Daueraufenthaltsrecht ,gemäß NAG ist seit 09.03.2020 erworben (Daueraufenthalts Bescheinigungs Nummer:MA35-...

2. Aus diesen Gründen richte ich an das Verwaltungsgericht Wien die Anträge:

1. Ich beantrage die Aufhebung des Bescheids.

2. eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durchzuführen.“

Auf Grund dieses Vorbringens und zur Abklärung des tatbestandsrelevanten Sachverhaltes wurde am 15. Oktober 2020 vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher die Beschwerdeführerin, ein informierter Vertreter der belangten Behörde sowie Herr D. E. und Herr F. E. als Zeugen geladen waren. Der Magistrat der Stadt Wien verzichtete auf die Teilnahme an dieser Verhandlung.

In ihrer Einlassung zur Sache führte die Beschwerdeführerin Nachfolgendes aus:

„Die vorgelegten Unterlagen sind Auszüge meines Kontos. Ich weiß nicht warum nicht auf allen Blättern mein Name sichtbar ist. Ich lebe seit fast elf Jahren in Österreich. Ich bin nach Österreich gekommen, weil ich sonst niemanden mehr in meinem Heimatland habe. Mein Mann ist im Jahr 1994 gestorben. Die beiden Zeugen sind meine Söhne. D. lebt seit ca. 16 Jahren in Österreich und mein Sohn F. seit ca. zwölf Jahren. Ich habe niemals in Österreich gearbeitet.

Auf die Frage wovon ich in den letzten Jahren gelebt habe, gebe ich an, dass ich immer Mindestsicherung bekommen habe. Ich brauche das Geld, weil ich auch einige Medikamente benötige. Seit Oktober 2019 bekomme ich keine Mindestsicherung mehr. Ich habe aber etwas gespart und muss dieses Geld jetzt für meine Medikamente ausgeben. Jetzt habe ich kein Geld mehr. Ich habe alles aufgebraucht. Meine Söhne haben keine Mindestsicherung bezogen.

Auf die Frage, ob mir mein Sohn D. tatsächlich Unterhalt geleistet hat, gebe ich an, dass er eine Familie und zwei Kinder hat. Er hat mir daher keinen Unterhalt geleistet. Auf Vorhalt, dass eine derartige Unterhaltsleistung nach dem Akteninhalt des bezughabenden Aktes der MA 35 Grundlage dafür war, dass mir 2010 eine Anmeldebescheinigung ausgestellt wurde, gebe ich an, dass ich nicht behauptet habe, dass er mir Unterhalt leistet. Auch mein Sohn F. hat mir keinen Unterhalt geleistet. Er hat mir aber auch zu essen gegeben. Gelebt habe ich tatsächlich von den Leistungen der Mindestsicherung. Es stimmt nicht, dass einer meiner Söhne für meinen Lebensunterhalt aufgekommen ist. Ich habe wirklich immer nur von der Mindestsicherung gelebt. Mein älterer Sohn hat auch manchmal Mindestsicherung bezogen, wenn er nicht gearbeitet hat. Das letzte Jahr habe ich dann von meinen Ersparnissen gelebt.

Ich habe lediglich eine Woche bei meinem Sohn D. gewohnt.“

Herr D. E. legte im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme Nachstehendes dar:

„Ich lebe seit 2005 in Österreich. Meine Mutter ist nach Österreich gekommen, weil mein Vater gestorben war und die Situation dort nicht sehr gut war. Anfangs hat meine Mutter bei mir gelebt. Ich habe auch für ihren Lebensunterhalt gesorgt. Geld habe ich ihr nie überwiesen. Sie hat für ca. ein halbes Jahr bei mir gelebt, dann ist sie zu meinem Bruder gezogen. Danach hat sie von der Mindestsicherung gelebt. Wenn sie zusätzlich etwas brauchte, hat er ihr das bezahlt. Ich habe damals im Juni 2010 vor der MA 35 bestätigt, dass ich für den Lebensunterhalt meiner Mutter aufkomme. Das war damals richtig. Mindestsicherung hat sie ja erst ab Herbst 2010 bezogen. Seit diesem Zeitpunkt habe ich ihr dann nichts mehr bezahlt.“

Herr F. E. gab im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme Folgendes an:

„Ich lebe seit ca. zehn Jahren in Österreich. Ich habe ein Jahr in Österreich in einem Hotel gearbeitet und dann zog die Bf zu mir. Ich war immer wieder erwerbstätig und auch manchmal arbeitslos. Ich habe selbst immer wieder Mindestsicherung bezogen. Ich habe in den Jahren 2010, 2012, 2013 und 2015 etwa Mindestsicherung bezogen. Meine Mutter hat die letzten zehn Jahre von der Sozialhilfe des Staats gelebt und ich habe sie etwas unterstützt. Wenn ich unterstützt sage, meine ich, dass meine Mutter kein Deutsch spricht und ich sie bei allen Behördenwegen etc. begleitet habe. Sie wohnt auch bei mir. Geld habe ich ihr niemals überwiesen. Sie hat immer von der Mindestsicherung gelebt.“

Abschließend brachte die Beschwerdeführerin Nachstehendes vor:

„Wir haben momentan eine finanziell prekäre Situation. Ich brauche Medikamente. Mein Sohn hat schon Probleme Miete und Strom zu bezahlen. Die Situation ist hier schwierig für mich, aber in Griechenland habe ich gar nichts. Ich kann auch bestätigen, dass ich in Griechenland nichts besitze.“

Nach mündlicher Verkündung des verfahrensabschließenden Erkenntnisses wurde die Niederschrift der belangten Behörde und dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit Schreiben vom 15. Oktober 2020 gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG zugestellt und darauf hingewiesen, dass den Parteien das Recht zukommt, binnen zwei Wochen nach Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung der Entscheidung zu verlangen, wobei dies eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt. Mit Eingabe vom 27. Oktober 2020 beantragte die Beschwerdeführerin fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

Es ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Mit Eingabe vom 16. April 2020 suchte die Beschwerdeführerin um Zuerkennung von Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz an.

Die am ... 1944 geborene Rechtsmittelwerberin ist griechische Staatsangehörige und weist seit dem 19. März 2010 durchgehend einen Hauptwohnsitz in Österreich auf.

Die Rechtsmittelwerberin ist verwitwet und hat zwei Söhne, nämlich den am ... 1976 geborenen D. E. und den am ... 1965 geborenen F. E., welche ebenso griechische Staatsangehörige sind. Herr D. E. ist in Österreich seit dem 26. April 2006 mit Unterbrechungen erwerbstätig. Herr F. E. ist im Bundesgebiet seit dem 20. November 2006 mit Unterbrechungen erwerbstätig, wobei er in den Jahren 2010, 2012, 2013 und 2015 teilweise Leistungen der Mindestsicherung bezog.

Im Zeitraum von 19. März 2010 bis 12. April 2010 war die Beschwerdeführerin in der Mietwohnung ihres Sohnes D. E. hauptgemeldet. Seit dem 12. April 2010 wohnt sie gemeinsam mit ihrem Sohn F. E., dabei seit dem 17. August 2015 in seiner Mietwohnung, an der Anschrift Wien, C.-Straße.

Die Rechtsmittelwerberin war in Österreich bislang nicht erwerbstätig.

Der Beschwerdeführerin wurden im Zeitraum von 7. Oktober 2010 bis 30. September 2019 seitens der belangten Behörde durchgehend Leistungen der Mindestsicherung in Höhe des Richtsatzes für alleinstehende, volljährige Personen samt Sonderzahlungen zuerkannt.

Im Zeitraum seit ihrer Einreise nach Österreich bis September 2010 kam Herr D. E. für den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin auf. Darüber hinaus leistete Herr D. E. der Rechtsmittelwerberin keinen Unterhalt. Im Zeitraum von Oktober 2010 bis September 2019 bestritt sie ihren Lebensunterhalt von den ihr zugesprochenen Leistungen der Mindestsicherung. Von Herrn F. E. wurde der Einschreiterin zu keinem Zeitpunkt Unterhalt geleistet.

Der Beschwerdeführerin wurde vom Landeshauptmann von Wien am 4. Oktober 2010 eine Anmeldebescheinigung gemäß § 52 Abs. 1 Z 3 NAG für Verwandte in gerader aufsteigender Linie ausgestellt. Am 9. März 2020 wurde der Einschreiterin auf Grund ihres Antrags vom 25. Februar 2020 eine Bescheinigung des Daueraufenthalts gemäß § 53a NAG ausgestellt.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die getätigten Feststellungen gründen sich auf den insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt sowie insbesondere auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin und der Zeugen D. E. und F. E. im Zuge ihrer Einvernahme im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz -WMG) ist die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.

Gemäß § 3 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes deckt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung den Mindeststandard in den Bedarfsbereichen Lebensunterhalt, Wohnen, Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung ab.

Gemäß § 3 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes umfasst der Lebensunterhalt den Bedarf an Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Energie sowie andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch die soziale und kulturelle Teilhabe zählt. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung umfasst der Wohnbedarf den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen Aufwand an Miete, Abgaben und allgemeinen Betriebskosten.

Gemäß § 4 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes hat Anspruch auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung, wer

1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,

2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,

3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,

4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.

Gemäß § 5 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes stehen Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur volljährigen österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.

Gemäß § 5 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern folgende Personen gleichgestellt, wenn sie volljährig sind, sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:

1. Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtige, denen dieser Status nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) zuerkannt wurde sowie Personen, die Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz und Opfer von Menschenhandel, grenzüberschreitenden Prostitutionshandel oder Opfer von Gewalt sind oder die über eine Aufenthaltsberechtigung als Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder als Opfer von Gewalt verfügen (§ 57 Abs.1 Z 2 und 3 AsylG 2005);

2. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;

3. Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ oder deren vor Inkrafttreten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der NAG-DV weiter gilt, sowie Personen mit einem vor dem 1.1.2014 ausgestellten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ oder „Daueraufenthalt – EG“, welche gemäß § 81 Abs. 29 NAG als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ weiter gelten;

4. Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ eines anderen Mitgliedstaates, denen ein Aufenthaltstitel nach § 49 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 4 NAG erteilt wurde,

5. Ehegattinnen und Ehegatten, eingetragene Partnerinnen und eingetragene Partner von Personen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 Z 1 bis 4, die mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt leben und sich rechtmäßig in Österreich aufhalten. Dies gilt nicht für Personen nach Abs. 3.

6. Personen, die sich rechtmäßig in Österreich aufhalten, nicht unter die Bestimmungen des Abs. 3 fallen und für eine minderjährige Person obsorgeberechtigt sind, mit der sie im gemeinsamen Haushalt leben, wenn

a. die minderjährige Person die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder

b. die minderjährige Person einen der in Abs. 2 Z 1 bis 4 genannten Aufenthaltstitel besitzt.

Gemäß § 51 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

Gemäß § 51 Abs. 2 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

Gemäß § 52 Abs. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a)   die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b)   die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

Gemäß § 53a Abs. 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

Anspruch auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung haben somit u.a. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates, wenn sie entweder erwerbstätig sind oder ihnen die Erwerbstätigeneigenschaft gemäß § 51 Abs. 2 NAG erhalten bleibt. Diese Erwerbstätigeneigenschaft bleibt u.a. dann erhalten, wenn der EWR-Bürger wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist oder sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices zu Verfügung stellt. Des Weiteren haben Anspruch auf Leistungen aus der Wiener Mindestsicherung Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates, die das Recht auf Daueraufenthalt gemäß § 53a NAG erworben haben.

Einleitend ist anzumerken, dass der Beschwerdeführerin seitens des Landeshauptmanns von Wien am 9. März 2020 eine Bescheinigung des Daueraufenthalts gemäß § 53a Abs. 1 NAG ausgestellt wurde. Dazu ist vorab festzuhalten, dass bei Freizügigkeitssachverhalten Aufenthaltstiteln (§§ 54, 57 NAG) lediglich deklarative Wirkung zukommt (vgl. VwGH vom 4. September 2006, Zl. 2006/09/0070), zumal das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht auf Grund der durch die Bestimmungen der §§ 51 ff. NAG umgesetzten Freizügigkeitsrichtlinie gewährt wird. Im gegebenen Zusammenhang ist auch klarstellend festzuhalten, dass § 5 Abs. 2 Z 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes die Gleichstellung von Unionsbürgern mit österreichischen Staatsangehörigen nicht etwa von der Vorlage einer Bescheinigung nach § 53a Abs. 1 NAG abhängig macht, sondern explizit normiert, dass solche Unionsbürger gleichgestellt werden, welche das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben. Demgemäß kommt jedoch zweifelsohne der Behörde und somit auch dem Gericht in Sachen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung eine eigenständige Beurteilungskompetenz im Hinblick auf das Vorliegen dieses Rechtserwerbes durch die Hilfe suchende oder empfangende Person zu und ist diese daher an die diesbezügliche Feststellung des Landeshauptmannes von Wien in Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes nicht gebunden.

Fest steht, dass die Beschwerdeführerin in Österreich bislang nicht erwerbstätig war. Ein Anspruch der Rechtsmittelwerberin auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung auf Grund von aktueller Erwerbstätigkeit ist somit nicht gegeben. Mangels jemals bestehender Erwerbstätigkeit in Österreich kommt im gegenständlichen Fall auch kein Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft gemäß § 51 Abs. 2 NAG in Betracht.

Zu prüfen ist daher, ob die Rechtsmittelwerberin auf Grund des Vorliegens einer Aufenthaltsdauer in Österreich von mehr als zehn Jahren das Recht auf Daueraufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 53a NAG erworben hat. Dazu ist festzuhalten, dass die Bestimmung des § 53a Abs. 1 NAG für das Recht auf Daueraufenthalt voraussetzt, dass ein EWR-Bürger fünf Jahre hindurch rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig ist. Die Rechtsmittelwerberin war jedoch – wie bereits dargelegt - weder jemals in Österreich erwerbstätig noch blieb ihr die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten. Des Weiteren verfügte sie auch nicht fünf Jahre hindurch über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz, zumal sie im Zeitraum von 7. Oktober 2010 bis 30. September 2019 durchgehend Leistungen der Mindestsicherung bezog. Letztlich kann sie mangels Unterhaltsgewährung fünf Jahre hindurch durch ihre beiden Söhne, welche ebenso EWR-Bürger sind und in Österreich seit dem Jahr 2006 mit Unterbrechungen erwerbstätig sind, ebenso kein Daueraufenthaltsrecht von diesen ableiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmung des § 52 NAG das Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR – Bürgern dann vorsieht, wenn der EWR-Bürger Verwandter des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ist, sofern ihm von diesem Unterhalt tatsächlich gewährt wird. Aus dieser Bestimmungen folgt somit, dass die Beschwerdeführerin von ihren Söhnen, sofern ihnen ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, nur dann ein Aufenthaltsrecht ableiten kann, wenn ihr von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird. Diesbezüglich befragt legte die Rechtsmittelwerberin jedoch in der mündlichen Verhandlung dar, dass ihr von ihren beiden Söhnen kein Unterhalt geleistet wurde, sondern sie ihren Lebensunterhalt neun Jahre hindurch von den ihr zuerkannten Leistungen der Mindestsicherung bestritt.

Somit ist erwiesen, dass die Rechtsmittelwerberin trotz ihres langjährigen Aufenthalts in Österreich die Voraussetzungen für das Daueraufenthaltsrecht gemäß § 53a Abs. 1 NAG, nämlich das Bestehen eines rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet fünf Jahre hindurch, nicht erfüllt.

Da Erwerbstätigkeit oder zumindest die Erhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft für EWR-Bürger - soweit sie nicht ohnehin ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des § 53a NAG erworben haben, wofür jedoch im Hinblick auf die Beschwerdeführerin, wie dargelegt, keine Anhaltspunkte bestehen – unabdingbare Voraussetzung für die Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern im Sinne des Wiener Mindestsicherungsgesetzes und somit für die Eigenschaft als Anspruchsberechtigter nach diesem Gesetz darstellt, und die Beschwerdeführerin diese Voraussetzung nicht erfüllt, stellt sich die Abweisung ihres Ansuchens durch die belangte Behörde als rechtsrichtig dar und war die dagegen eingebrachte Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Abschließend ist festzuhalten, dass die über einen Zeitraum von neun Jahren hindurch durch die belangte Behörde rechtswidrig vorgenommene Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung an die Einschreiterin diese nicht zum weiteren Bezug dieser Leistungen berechtigt und durch die Behörde – rechtskonform – der rechtlich gesollte Zustand durch die Abweisung ihres neuerlichen diesbezüglichen Ansuchens hergestellt wurde.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mindestsicherung; Anspruchsberechtigter Personenkreis; Gleichstellung; erwerbstätig; Erwerbstätigeneigenschaft; Recht auf Daueraufenthalt; Unterhalt; rechtswidrige Zuerkennung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.141.081.5524.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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