TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/10 LVwG-2020/17/0197-1

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Veröffentlicht am 10.11.2020
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Entscheidungsdatum

10.11.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §22

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Luchner über die Beschwerde des AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 15.12.2019, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Vorverfahren und Sachverhalt:

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

„1.      Datum/Zeit:  13.12.2018, 00:00 Uhr-27.12.2018

Ort:       Y, Adresse 2, PI Y

Ihnen (AA) wurde als Fremder (§ 2 Abs 4 Z 1 FPG) mit Verfahrensanordnung des BFA, Zahl: ***, vom 19.09.2018 auferlegt, sich gemäß § 15a Asylgesetz 2005 alle 2 Tage bei der PI Y zu melden. Zum oben angeführten Zeitpunkt wurde am angeführten Ort festgestellt, dass Sie der Verfahrensanordnung des BFA nicht nachgekommen sind.

Sie wurden von Polizisten mehrfach und explizit auf die zweitätige Meldeverpflichtung aufmerksam gemacht. Sie missachteten diese, obwohl sie davon genau wussten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 121 Abs 2 Fremdenpolizeigesetz

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist,  Gemäß      

Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 300,00   4 Tage(n) 4 Stunde(n)    121 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz

0 Minute(n)

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 30,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleiche 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 330,00“

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und in dieser ausgeführt wie folgt:

„*** - Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 25.11.2019

Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit Straferkenntnis vom 25.11.2019, zugestellt am 27.11.2019, wird Herr AA mit einer Geldstrafe von EUR 300,- belegt aufgrund des Vorwurfs, sich vom 13.12.2018 bis zum 27.12.2018 nicht bei der PI Y gemeldet zu haben obwohl ihm mit Verfahrensanordnung des BFA vom 19.9.2019 auferlegt worden sei sich gemäß § 15a AsylG alle zwei Tage zu melden. Gegen dieses Straferkenntnis erhebt Herr AA nunmehr Beschwerde an das Verwaltungsgericht mit den Anträgen auf Einstellung des Strafverfahrens und Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Dies mit der Begründung, dass einerseits ein Dauerdelikt vorliegt welches eine separate Bestrafung für diesen Zeitraum ausschließt und andererseits eine Meldeverpflichtung gar nicht bestanden haben kann, weil § 15a AsylG eine Meldepflicht für jene Personen, die in Grundversorgung des Bundes untergebracht sind, nicht vorsieht. Nun war Herr AA im fraglichen Zeitraum zwar in einem Heim der Grundversorgung des Landes Tirol untergebracht, gemäß § 2 Abs 1 GVG-B hatte er aber Anspruch auf Grundversorgung des Bundes und ist davon auszugehen, dass der Bund dem Land Tirol die Kosten der Unterbringung ersetzt hat, sodass diese dem Bund zuzurechnen ist. Dazu darf noch ergänzt werden, dass eine Verfahrensanordnung wonach er sich alle zwei Tage bei der Polizei in Y zu melden gehabt hätte, überhaupt nur dann hätte erlassen werden dürfen, wenn er nicht in Grundversorgung untergebracht worden wäre. Die Nichtbefolgung einer gesetzeswidrigen Verfahrensanordnung kann daher nicht bestraft werden.“

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

Festgehalten wird, dass mit Erkenntnis des LVwG zu Zahl 2019/17/2609 vom 10.08.2020 die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 25.11.2019 zu Zahl *** betreffend eine Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz als unbegründet abgewiesen wurde.

Tatzeitraum in diesem Verfahren war der 13.12.2018 bis zum 27.12.2018. Der Beschwerdeführer hatte sich der Verfahrensanordnung des BFA vom 19.09.2018, sich alle zwei Tage bei der Polizeiinspektion zu melden, widersetzt, indem er ihr eben vom 13.12. bis 27.12.2018 nicht mehr nachgekommen war.

Es wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis, welches erst am 15.12.2019 ergangen ist, nach dem bereits entschiedenen vom 25.11.2019, erhalten hat. Im erstinstanzlichen Akt liegt eine Verständigung über die Hinterlegung des behördlichen Dokuments, welches vom Beschwerdeführer am 19.12.2019 übernommen wurde.

II.      Rechtliche Bestimmungen:

Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl Nr 52/1991 idG BGBl I Nr 58/2018:

Zusammentreffen von strafbaren Handlungen

§ 22. (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.

III.     Rechtliche Erwägungen:

Im gegenständlichen Fall geht das erkennende Gericht vom Vorliegen eines fortgesetzten Delikts aus. Im Fall eines fortgesetzten Deliktes sind durch die Bescheiderlassung alle bis dahin erfolgten Einzelakte abgegolten, mögen sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses durch die Verwaltungsbehörde. Setzt der Täter nach diesem Zeitpunkt die verpönte Tätigkeit fort, so darf die neuerliche Bestrafung nur die nach der letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen umfassen. Eine neuerliche Bestrafung wegen Tathandlungen, die in den vor der ersten Bestrafung umfassten Tatzeitraum fallen, verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung (siehe VwGH 16.02.2012, 2010/01/0009).

Das Straferkenntnis betreffend den Tatzeitpunkt 13.12. bis 27.12.2018 zur Zahl *** wurde am 25.11.2019 und somit zwar vor dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 15.12.2019 erlassen, allerdings betrifft das später erlassene Straferkenntnis frühere Tathandlungen als das vom 25.11.2019.

Eine Bestrafung der am 05.12. bis 10.12.2018 gesetzten Tathandlung verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Die am 05.12. bis 10.12.2018 gesetzte Tathandlung bildet keine eigenständige Verwaltungsübertretung. Der Beschwerdeführer ist der Verfahrensanordnung des BFA nicht nachgekommen. Diesem Sich-Widersetzen liegt ein einheitlicher Willensentschluss in Form eines zumindest bedingten Vorsatzes des vom Beschwerdeführer gewollten Gesamtkonzepts zugrunde. Die von ihm zu verantwortenden Handlungen treten außerdem aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform, der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände und der zeitlichen Kontinuität zu einer Einheit zusammen. Es liegen fallbezogen alle Voraussetzungen eines fortgesetzten Deliktes vor.

Für die somit gegebene eine strafbare Handlung hätte nur eine – nach § 19 VStG entsprechend zu bemessende – Strafe verhängt werden dürfen (siehe etwa VwGH 24.04.2018, Ra 2017/10/0203).

Aus diesem Grund war das gegenständliche Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG zur Einstellung zu bringen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Luchner

(Richterin)

Schlagworte

Vorliegen eines fortgesetzten Delikts;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.17.0197.1

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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