TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/4 L501 2217503-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

AlVG §44
AlVG §46
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §15
VwGVG §28 Abs1

Spruch

L501 2217503-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus BRANDNER und Dr. Andreas GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , VSNR XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 12.03.2019, GZ: LGS SBG/2/0566/2019, betreffend Zurückweisung eines Vorlageantrages zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.12.2018 wurde ausgesprochen, dass der beschwerdeführenden Partei (im Folgenden "bP") gemäß § 17 iVm §§ 44 und 46 AlVG das Arbeitslosengeld ab dem 26.09.2018 gebühre.

Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 14.02.2019 im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG ab. Dieser Bescheid wurde per RSb-Brief versandt und nach einem Zustellversuch an der Meldeadresse der bP am 15.02.2019 – nach Einlegen einer Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung – beim Postamt XXXX hinterlegt, wo er ab dem 15.02.2019 zur Abholung bereitgehalten wurde.

Mit E-Mail vom 04.03.2019 (eingelangt bei der belangten Behörde am 04.03.2019 um 15.37 Uhr) erhob die bP "Einspruch" gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 14.02.2019.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 12.03.2019 wurde der als Antrag auf Vorlage der Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.12.2018 gedeutete "Einspruch" gemäß § 15 VwGVG als verspätet zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der bP die Beschwerdevorentscheidung vom 14.02.2019 mit Rückscheinbrief (RSb) an ihre Wohnadresse zugestellt worden sei. Aus dem Zustellnachweis der Post gehe hervor, dass der Bescheid nach einem erfolglosen Zustellversuch am 15.02.2019 beim Postamt XXXX hinterlegt worden sei. Als erster Tag der Abholfrist sei der 15.02.2019 angegeben gewesen. Eine Verständigung über die Hinterlegung sei laut Zustellnachweis in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden.

Die Frist zur Einbringung eines Antrages auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht betrage gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung. Laut dem Zustellnachweis sei die Beschwerdevorentscheidung vom 14.02.2019 am 15.02.2019 hinterlegt und ab 15.02.2019 zur Abholung bereitgehalten worden. Nach § 17 Abs. 3 ZustG sei das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginne mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten werde. Hinterlegte Dokumente würden mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt gelten. Der erste Tag der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist sei daher der Beginn der Abholfrist am 15.02.2019. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist ende somit am 01.03.2019. Der Antrag der bP vom 04.03.2019 auf Vorlage der Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.12.2018 an das Bundesverwaltungsgericht sei daher verspätet erfolgt.

Mit E-Mail vom 08.04.2019 erhob die bP fristgerecht Beschwerde ("Einspruch") gegen den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom 12.03.2019. Darin brachte die bP vor, dass das Schreiben am Freitag, den 15.03.2019 (gemeint wohl: 15.02.2019), eingeschrieben angekommen sei. Die bP sei an diesem Tag bei einem Vorstellungsgespräch gewesen und habe den Brief daher nicht entgegennehmen können. Die Posteinlaufstelle sei bei ihrer Rückkehr bereits geschlossen gewesen. In ihrem Fall sehe die bP daher die zweiwöchige Frist erst ab Montag, den 04.03.2019 gerechtfertigt.

Am 15.04.2019 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Die belangte Behörde führte darin nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges ergänzend aus, dass die Öffnungszeiten des Postpartners XXXX am Freitag von 7:30 bis 13:30 Uhr seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die im gegenständlichen Verfahren ergangene Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 14.02.2019, GZ: LGS SBG/2/0566/2019, wurde per RSb-Brief an die bP versendet. Am 15.02.2019 fand an der Meldeadresse der bP ein erfolgloser Zustellversuch statt und wurde eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung der bP eingelegt. Der Bescheid wurde beim Postpartner XXXX hinterlegt und dort ab dem 15.02.2019 zur Abholung bereitgehalten.

Die bP war bei dem Zustellversuch am 15.02.2019 nicht an der Abgabestelle anwesend, da sie an diesem Tag ein Vorstellungsgespräch hatte. Bei ihrer Rückkehr war der Postpartner an diesem Tag, einem Freitag, bereits geschlossen.

Der gegen die Beschwerdevorentscheidung erhobene Vorlageantrag wurde am 04.03.2019 um 15.37 Uhr per E-Mail bei der belangten Behörde eingebracht.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt des AMS Salzburg. Die getroffenen Feststellungen sind unstrittig und gehen unmittelbar aus dem Akteninhalt hervor.

Die Feststellungen zum Zustellversuch, zur Verständigung und zur Hinterlegung der Beschwerdevorentscheidung vom 15.02.2019 gründen sich insbesondere auf den im Akt erliegenden Rückschein. Die Abwesenheit der bP von der Abgabestelle während des Zustellversuchs aufgrund eines Vorstellungsgespräches ergibt sich aus dem Vorbringen im Rahmen der Beschwerde und besteht kein Grund daran zu zweifeln. Das Vorbringen, der Postpartner habe bei Rückkehr vom Vorstellungsgespräch bereits geschlossen gehabt, ist vor dem Hintergrund der in der Stellungnahme der belangten Behörde vom 15.04.2019 angeführten Öffnungszeiten (Freitag von 7:30 bis 13:30 Uhr) als glaubhaft anzusehen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

II.3.1. Auszug aus entscheidungsrelevanten Rechtsvorschriften

Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018 lautet auszugsweise:

Vorlageantrag

§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

Das Zustellgesetz (ZustG), BGBl. I Nr. 200/1982 idF BGBl I Nr. 104/2018 lautet auszugsweise:

Zustellung an den Empfänger

§ 13. (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. […]

Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Zustellnachweis

§ 22. (1) Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.

(2) Der Übernehmer des Dokuments hat die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift unter Beifügung des Datums und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen. […]

II.3.2. Zum gegenständlichen Verfahren

Die belangte Behörde hat gegenständlich mit Bescheid vom 14.02.2019 eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen. Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werde. Am 04.03.2019 brachte die bP einen als Vorlageantrag gewerteten "Einspruch" bei der belangten Behörde ein, der mit Bescheid vom 12.03.2019 als verspätet zurückgewiesen wurde.

II.3.2.1. Dokumente sind dem Empfänger gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz ZustG grundsätzlich an der Abgabestelle zuzustellen. Gegenständlich wurde von der belangten Behörde eine Zustellung mit Zustellnachweis (RSb) (§ 22 ZustG) verfügt. Gemäß § 22 Abs. 2 ZustG hat der Übernehmer des Dokuments die Übernahme auf dem Zustellnachweis u.a. durch seine Unterschrift zu bestätigen. Da sich die bP während des Zustellversuchs am 15.02.2019 bei einem Vorstellungsgespräch befand und folglich nicht an der Abgabestelle ihrer Meldeadresse anzutreffen war, konnte eine Zustellung an die bP als Empfängerin im Sinne des § 13 ZustG nicht erfolgen.

Kann ein Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst gemäß § 17 Abs. 1 ZustG bei seiner zuständigen Geschäftsstelle. Nach Vornahme des erfolglosen Zustellversuchs am 15.02.2019 wurde die Beschwerdevorentscheidung beim Postpartner XXXX hinterlegt und dort ab dem 15.02.2019 zur Abholung bereitgehalten. Die bP wurde gemäß § 17 Abs. 2 zweiter Satz ZustG durch Einlegen einer Verständigung in die Abgabeeinrichtung von der Hinterlegung verständigt. Anhaltspunkte dafür, dass der Zusteller nicht Grund zur Annahme haben durfte, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (vgl. dazu VwGH vom 19.04.2001, 99/06/0049; vom 29.01.2004, 2003/11/0070), bestehen nicht und ergeben sich solche auch aus dem Vorbringen der bP nicht.

Nach § 17 Abs. 3 ZustG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte. Die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung vom 14.02.2019 wurde erstmals am 15.02.2019 zur Abholung bereitgehalten und gilt daher grundsätzlich als mit diesem Tag zugestellt. Dies gilt nur dann nicht, wenn die bP als Empfängerin nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

II.3.2.2. Nun abgesehen von der Frage, ob der Gesetzgeber mit § 17 Abs. 3 vierter Satz Zustellgesetz erreichen wollte, dass eine zunächst unwirksame Zustellung zu einem späteren Zeitpunkt doch noch Wirkungen entfalten soll oder ob er den Beginn der Wirksamkeit einer an sich zulässigen Zustellung, von der aber der Empfänger aufgrund einer kurzen Abwesenheit nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte, auf einen späteren Zeitpunkt verschieben wollte, oder ob § 17 Abs. 3 vierter Satz Zustellgesetz beide Fälle erfasst, hat die bP gegenständlich - wie im Folgenden dargelegt werden wird-- jedenfalls rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt:

II.3.2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach mit dem Begriff der "Rechtzeitigkeit" auseinandergesetzt, so im (auszugsweise wiedergegebenen) Erkenntnis vom 25.06.2015, Ro 2014/07/0107:

"'Rechtzeitig im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG ist demnach dahingehend zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden (vgl. dazu unter vielen das hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, 2004/05/0078).

Von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung von der Zustellung durch den Empfänger könne nur dann die Rede sein, wenn diesem die wahrzunehmende Frist ungekürzt oder zumindest nahezu ungekürzt zur Verfügung stehe (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 2007, 2006/07/0101, vom 26. Mai 1998, 98/07/0032, vom 13. April 1989, 88/06/0140, und vom 10. März 1987, 86/07/0212). Davon könne bei einer Verzögerung der Kenntnis von der Zustellung um mehrere Tage nicht mehr die Rede sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1998, 98/07/0032). Noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist wurde bei einer Rückkehr einen Tag nach dem Beginn der Abholfrist (vgl. etwa den Beschluss vom 15. Juli 1998, 97/13/0104, 0168, mwN, und auch das Erkenntnis vom 19. April 2001, 99/06/0049) und bei einer Behebung drei Tage nach der Hinterlegung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. September 1999, 99/17/0303) angenommen.

In anderen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs wurde allerdings argumentativ auch darauf abgestellt, ob der Partei nach den Verhältnissen des Einzelfalles noch ein angemessener Zeitraum für die Einbringung des Rechtsmittels verblieb; dabei wurde bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung des Rechtsmittels von zehn Tagen (bei einer Rechtsmittelfrist von zwei Wochen) noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist gesehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. April 2001, 99/06/0049, vom 24. Februar 2000, 2000/02/0027, vom 18. März 2004, 2001/03/0284, und vom 28. Februar 2007, 2006/13/0178). Erfolgte die Rückkehr an die Abgabestelle jedoch erst sieben Tage nach dem Beginn der Abholfrist konnte nicht mehr gesagt werden, die Partei habe noch 'rechtzeitig' im Sinn des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 2007, 2006/07/0101, und vom 26. Mai 1998, 98/07/0032).

Ein offenkundiger Widerspruch zwischen diesen beiden Judikaturlinien war bisher nicht feststellbar; in den Fällen, in denen bei bis zu vier Tagen nach Beginn der Abholfrist noch von einer rechtzeitigen Zurkenntnisnahme von der Hinterlegung ausgegangen wurde, lag - soweit überblickbar - ein Wochenende zwischen Hinterlegungszeitpunkt und Abholung, sodass kein signifikanter Unterschied zum Agieren des Teils der berufstätigen Bevölkerung erkennbar erscheint, der am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfährt und bedingt durch die Berufstätigkeit die Sendung einige Tage später behebt.

Bei einer angenommenen Abholung von bis zu vier Tagen nach Beginn der Abholfrist verblieb in der Regel auch eine angemessene Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels; in vielen Erkenntnissen wurden und werden daher auch beide Argumentationslinien des Verwaltungsgerichtshofes gemeinsam wiedergegeben und dann einzelfallbezogen entschieden, ob die Kenntnisnahme von Zustellvorgang noch rechtzeitig im Sinne des § 17 Abs. 3 ZustG erfolgte oder nicht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2007, 2006/07/0101, und vom 25. April 2014, 2012/10/0060)."

Im gegenständlichen Fall erfolgte die Rückkehr der bP an die Abgabestelle noch am 15.02.2019, also an jenem Tag, an dem die Beschwerdevorentscheidung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde. Eine maßgebliche Verkürzung der Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels ist bereits aus diesem Grund nicht angezeigt. Der Umstand, dass der 15.02.2019 ein Freitag war und der Postpartner bei der Rückkehr der bP von ihrem Vorstellungsgespräch an diesem Tag bereits geschlossen hatte, vermag daran gemäß der zitierten Judikatur nichts zu ändern. Laut Rechtsprechung kommt es nämlich darauf an, ob der Empfänger erst später die Möglichkeit erlang, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu; ein signifikanter Unterschied zu jenem Teil der Bevölkerung, der am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfährt und die Sendung berufsbedingt einige Tage später behebt, ist nicht erkennbar. Gegenständlich liegt zwischen Hinterlegung (Freitag) und erstmaliger (faktischer) Möglichkeit der Behebung (Montag) lediglich ein Wochenende. Gerade in so einem Fall ist nach der Rechtsprechung von einer rechtzeitigen Kenntnisnahmemöglichkeit auszugehen, zumal die Abholung einer am Freitag hinterlegten Sendung am darauffolgenden Montag keineswegs als ungewöhnlich erscheint. Eine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist ist in einem solchen Fall nicht indiziert (vgl. auch die zitierte Rechtsprechung, wonach in einer verbleibenden Dauer zur Ausführung eines Rechtsmittels von zehn Tagen – bei einer Rechtsmittelfrist von zwei Wochen – keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist gesehen wurde). Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem in Rede stehenden Rechtsmittel um einen Vorlageantrag handelt, bei dem eine Ausführung entsprechend anderen Rechtsmitteln nicht geboten ist, da er allein bezweckt, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt werde (vgl. Eder/Martschin/Schmid, VwGVG, § 15, K3). Eine angemessene Frist zur Stellung eines Vorlageantrages wurde der bP auch unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls zuteil. Die Zustellung durch Hinterlegung war damit nicht wegen Abwesenheit von der Abgabestelle im Sinne des § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG unwirksam.

Die Beschwerdevorentscheidung gilt daher mit dem ersten Tag der Hinterlegung, dem 15.02.2019, als zugestellt.

II.3.2.4. Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats (§ 32 Abs. 2 AVG). Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag, ist der nächste Werktag der letzte Tag der Frist (§ 33 Abs. 2 AVG).

Eine nach Wochen bestimmte Frist beginnt an dem Tag um 24.00 Uhr zu laufen, an dem das den Fristenlauf bestimmende Ereignis stattgefunden hat, und endet – abgesehen von den in § 33 Abs. 2 AVG normierten im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangenden Ausnahmen – um 24.00 Uhr jenes Tages, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat (vgl. VwGH vom 17.1.1990, 89/03/0003; vom 20.09.1990, 90/07/0119; vom 18.10.1996, 96/09/0153).

Die für die Stellung des Vorlageantrages gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG geltende zweiwöchige Frist begann somit am Freitag, den 15.02.2019, um 24.00 Uhr und endete am Freitag, den 01.03.2019, um 24.00 Uhr. Der erst mit E-Mail am 04.03.2019 um 15.37 Uhr eingebrachte Vorlageantrag wurde demnach verspätet gestellt. Die belangte Behörde hat den Vorlageantrag sohin zu Recht als verspätet zurückgewiesen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer – auszugsweise auch zitierten – Rechtsprechung zur Zustellung von Dokumenten durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG.

Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30.09.2015, Ra 2015/06/0073, im Falle einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Vorlageantrages ausgesprochen, dass eine solche Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, aus Sicht des Art. 6 EMRK keine inhaltliche Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage oder über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen ist. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen.

Eine mündliche Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall unterbleiben, weil sich Fragen der Beweiswürdigung nicht stellen, der maßgebliche Sachverhalt als durch die Aktenlage geklärt erachtet werden konnte und nicht ergänzungsbedürftig ist. Es wurden für die gegenständliche Entscheidung weder noch zu klärende Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen, noch Rechtsfragen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätten. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier im Sinne der oben zitierten Judikatur auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Schlagworte

Hinterlegung Rechtsmittelfrist Verspätung Vorlageantrag Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2217503.1.00

Im RIS seit

20.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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