TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/18 L526 2169962-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

L526 2169962-1/50E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.01.2020, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das in Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides verhängte Einreiseverbot auf die Dauer von fünf Jahren herabgesetzt wird und Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: „Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch als „BF“ bezeichnet) ist armenischer Staatsangehöriger. Im Jahr 2009 stellt er erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde als unzulässig zurückgewiesen und der BF wurde in die Slowakei ausgewiesen. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Aslygerichtshofes abgewiesen. Ein weiterer Asylantrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Nach erneuter illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellt der BF am 3.7.2010 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz und ist seither legal im Bundesgebiet aufhältig. Zuletzt verfügte er über einen bis 20.2.2018 gültigen Aufenthaltstitel und stellte einen Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“.

I.2. Mit Urteil des LG Klagenfurt, GZ XXXX vom 26.08.2015, rechtskräftig seit 01.09.2015, wurde der BF wegen §§ 142 (1), 143 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 5 Jahren verurteilt. An 30.08.2018 wurde der BF bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren und unter Anordnung der Bewährungshilfe entlassen.

I.3. Im März 2016 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, die nunmehr belangte Behörde (im Weiteren auch kurz „bB“ genannt), ein aufenthaltsbeendendes Verfahren gegen den nunmehrigen BF wegen der zuvor genannten gerichtlicher Verurteilung ein. Mit Schreiben vom 16. März 2016 wurde der BF über die Ergebnisse der Beweisaufnahme schriftlich verständigt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern. Zudem wurde ihm das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Armenien übermittelt. In einer schriftlichen Stellungnahme brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er in seinem Heimatland überhaupt keine Bindungen mehr habe. Im Falle einer Rückkehr wäre er völlig entwurzelt und es wäre seine gesamte Existenz gefährdet. Zudem verwies er auf seine nahezu perfekten Deutschkenntnisse und legte folgende Dokumente vor:

?        Sprachzertifikate und Bestätigungen über den Besuch eines Sprachpflegekurses

?        Zeugnis über eine „Externisten-Prüfung“ an einer neuen Mittelschule

?        Abschlussprüfungen in verschiedenen Gegenständen an der Volkshochschule

?        Bestätigungen über den Besuch von Erste-Hilfe-Kursen

?        Eine Bestätigung über ein Paktikum in einem Senioren- und Pflegeheim vom 19.5.2014 bis 30.5.2014

?        Undatierte Auszüge von Arbeitsverträgen, abgeschlossen mit einem Hotel und einem Fast-Food Restaurant

I.4. Mit Bescheid vom 16.8.2017 wurde gegen den nunmehrigen BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Des Weiteren sprach die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot aus. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wird eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Zudem wird gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt.

Die bB stützte ihre Entscheidung auf die oben genannte Verurteilung und führte im Wesentlichen aus, dass die Verhängung des Einreiseverbotes notwendig sei, um die Rechts- und Wertegemeinschaft der Mitgliedsstaaten vor der von der Person des BF ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen. Eine Abwägung der Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet nach der Haftentlassung und dem öffentlichen Interesse habe ergeben, dass die öffentlichen Interessen überwiegen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes sei die Art und Weise der Tatbegehung, die genaue Planung des Vorhabens, die Rücksichtslosigkeit und Ignoranz jeglicher schützenswerter Güter, die der BF bei der Tatbegehung habe walten lassen, berücksichtigt worden. Auch die Folgen der Tat seien zu berücksichtigen gewesen.

Im Falle der Rückkehr habe der BF nicht mit Repressionen zu rechnen und sei dies auch nicht behauptet worden.

Rechtlich folgerte die bB, dass nicht auszuschließen sei, dass der BF positive Aspekte der weiteren Lebensführung erkennen lassen und nicht in alte Verhaltensmuster zurückfallen werde. Im Zuge der Beweiswürdigung seien jedoch keine Gründe zutage getreten, die gegen eine Entscheidung des Bundesamtes sprechen würden. Unter Bedachtnahme auf die dokumentierte schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die durch das strafbare Verhalten zweifellos erwiesen sei, sowie aufgrund des Umstandes, dass keine positiven Prognosetendenzen zugunsten des BF erkennbar seien, lasse sich ein Wegfall des Grundes für die Verhängung des Einreiseverbotes nicht vorhersehen, sodass die von der Behörde bemessene Dauer angemessen erscheine.

Zum Privat- und Familienleben des BF im Herkunftsland wurde angeführt, dass von einem gewissen Verwandtschafts- und Bekanntenkreis in Armenien auszugehen sei, da nichts darauf hinweise, dass der BF vor seine Ausreise in völliger Isolation gelebt habe. Der BF habe in Österreich einen gewissen Grad an Integration erlangt und komme es durch die Erlassung der fremdenpolizeilichen Maßnahme zweifelsfrei zu einem maßgeblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF. Dieser Eingriff sei jedoch durchaus berechtigt, zumal die wesentliche soziale Komponente durch die vom BF begangene Tat erheblich beeinträchtigt würde. In Anbetracht der Umstände der Tatbegehung und dem Motiv, der offensichtlich tristen finanziellen Lage des BF, wiegen die öffentlichen Interessen an der Ausweisung schwerer als die Interessen des BF an der Fortführung des Privat- und Familienlebens des BF.

I.5. Gegen den oben zitierten Bescheid der bB brachte der BF fristgerecht eine begründete Beschwerde ein und stellte einen Antrag auf aufschiebende Wirkung.

Gerügt wurden die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, der Feststellungen sowie der Beweiswürdigung. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die bB nicht mit der Lage des BF auseinandergesetzt habe und eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden habe. Es sei auch kein Ermittlungsverfahren in Bezug auf das Familienleben in Österreich erfolgt. Auch in Bezug auf die familiären Anknüpfungspunkte in Armenien würden jegliche Ermittlungen fehlen. In diesem Zusammenhang wurde angeführt, dass der BF keine Verwandten in Armenien mehr habe und der BF seit zwölf Jahren auch nicht mehr dort gewesen sei. Die Behörde habe außer Acht gelassen, dass der BF seine Straftat zutiefst bereue und er einen Gesinnungswandel durchlebe. Die Tat sei als „Ausrutscher“ zu sehen. Dem Bescheid sei auch keine Begründung zu entnehmen, weshalb nicht mit einer geringeren Dauer das Auslangen habe gefunden werden können.

Ferner habe das Bundesamt veraltete Länderfeststellungen verwendet und sei der BF auch nur unzureichend zu seiner persönlichen Situation im Falle einer Rückkehr nach Armenien befragt worden. Der BF habe in Armenien keine soziale Lebensgrundlage, was von der belangten Behörde ignoriert worden sei.

Die bB stütze ihrer Feststellungen zudem lediglich auf die vorhandene Verurteilung des BF und habe Erschwerungsgründe kreiert, die nicht dem strafrechtlichen Urteil entsprechen würden, wohingegen Milderungsgründe außer Auch gelassen worden seien. Die Beweiswürdigung lasse insgesamt nicht erkennen, wie die Behörde zu ihren Feststellungen gelangt sei. Außer Acht gelassen worden sei auch, dass der BF fließend Deutsch spreche, über ein Familienleben und enge Freundschaften verfüge.

Im Übrigen könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der BF im Falle seiner Überstellung nach Armenien unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK und Art 4 GRC ausgesetzt sein wird, zumal er sich dem Militärdienst entzogen habe.

Die bB habe den Sachverhalt auch rechtlich nicht richtig beurteilt und nicht nachvollziehbar begründet, weshalb der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde und das Einreiseverbotes, vor allem in der im Spruch ersichtlichen Dauer, als angemessen anzusehen ist. Die BF habe sich habe sich vom BF auch keinen persönlichen Eindruck verschafft.

In einem Dienstzeugnis der XXXX vom 4.9.2017 wurde dargelegt, dass der BF nach seine Haftzeit für eine Beschäftigung in Betracht gezogen wird.

I.6. In der Folge wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.7. Am 25.9.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht ein Arbeitsvertrag übermittelt, woraus ersichtlich ist, dass der BF für die XXXX eine Tätigkeit als Metallarbeiter erbringen sollte.

1.8. Am 18.12.2018 teilte der BF mittels E-Mail mit, dass er auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes warte. Mit Schreiben vom 19.12.2018 teilte die Rechtsberatung des BF mit, dass der BF keine Verhandlung beantrage.

1.9. Am 3.5.2019 übermittelte der BF ein Dokument des Berufsförderungsinstitut Steiermark, aus dem hervorgeht, dass der BF an einer „individuellen Schweißausbildung“ teilnehme.

1.10. Am 6.6.2019 wurde der BF aufgefordert, dem Gericht von den in einer Eingabe per E-Mail behaupteten geänderten Lebensumständen in seinem Privatleben näher zu berichten und entsprechende Nachweise vorzulegen. Ferner wurde er eingeladen, dies in Absprache mit seiner Rechtsvertretung zu tun.

1.11. Am 4.9.2019 und 18.11.2019 legte der BF im Wege seiner Rechtsvertretung folgende Dokumente vor:

?        ein Zertifikat über absolvierte Prüfungen im Rahmen einer Ausbildung zum Schweißer vom 3.9.2019

?        Eine Überlassungsmitteilung gemäß § 12 As. 1 AÜG eines Personalvermittlers aus August 2019

?        Zeugnisse über die Abschlussprüfung an der Kärntner Volkshochschule in den Gegenständen Deutsch, Natur und Technik aus dem Jahr 2014

?        Bestätigung über den Besuch eines Kurses „Sprachpflege, Vorbereitungslehrgang für Drittstaatsangehörige“ aus dem Jahr 2014

?        Ablichtungen einer e-card und einer Bankkarte

1.12. Am 25.11.2019 brachte der BF mittels E-Mailnachricht vor, er habe sich vor seiner Flucht aus der Heimat als Wehrdienstpflichtiger im Militärkommissariat gemeldet und werde seitdem in seiner Heimat gesucht. In der Beilage wurde ein Dokument in armenischer Sprache übermittelt.

1.13. Am 26.11.2019 brachte der BF ebenfalls per E-Mail vor, er wisse, dass die Verweigerung des Militärdienstes in Bezug auf sein Einreiseverbot keine Aussagekraft habe, jedoch sei er nun erwachsen und könne nicht mehr dienen, weshalb er in Armenien verhaftet würde.

1.14. Am 2.12.2019 wurde im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung eine Bestätigung übermittelt, wonach der BF einen Verlängerungsantrag für seinen Aufenthaltstitel gestellt habe. Gemäß § 24 Abs. 1 NAG sei der Antragsteller damit weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Eingabe wurde eine Ablichtung einer E-Mailnachricht beigeschlossen, wo dem BF eine Arbeit im Falle einer Arbeitserlaubnis zugesagt wurde.

1.15. Am 2.1.2020 legte die rechtsfreundliche Vertretung die Vollmacht zurück.

1.16. Am 16.1.2020 legte der BF in einem E-Mail zusammengefasst dar, dass er an der anberaumten Gerichtsverhandlung, zu welcher er geladen wurde, nicht teilnehmen könne, da er Panik habe und jetzt etwas Positives in seinem Leben brauche. Er wolle nicht strafrechtlich verfolgt werden. Er wolle lediglich sein Visum verlängern und eine fixe Stelle übernehmen und seine Eltern stolz machen.

1.17. Am 17.1.2020 teilte das Gericht dem BF mit, dass die in seiner Eingabe vom 16.1.2020 dargelegten Gründe keine Entschuldigungsgründe für das Fernbleiben von der Verhandlung darstellen. Am selben Tag gab der BF bekannt, dass er zur Verhandlung erscheinen werde.

I.18. Am 21.1.2019 führte das ho. Gericht eine öffentliche Beschwerdeverhandlung in Beisein des BF, jedoch – aufgrund dessen vorheriger Mitteilung, dass er keinen Dolmetscher brauche – ohne Dolmetscher in der deutschen Sprache durch, deren wesentlicher Verlauf wie folgt wiedergegeben wird:

„[…] RI: Gemeinsam mit der Ladung für die heutige VH wurde Ihnen jedoch ein Merkblatt zugesandt, indem Sie über die Möglichkeit der kostenlosen Teilnahme eines Rechtsberaters in Ihrer Sache informiert wurden. Zur Verhandlung ist kein Rechtsberater erschienen. Ihre Rechtsvertretung hat die Vollmacht niedergelegt. Bitte geben Sie den Grund dafür an.

BF: Ich glaube, dass ich mein Verfahren am besten kenne. Ich sehe mich in der Lage, das heutige Verfahren ohne einen Vertreter zu bewältigen.

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht)? Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

BF: Nein. Ich bin gesund. Ich habe lange auf eine mündliche Verhandlung gewartet und mich vorbereitet. Ich habe auch geschrieben, dass ich Panikattacken habe, das passiert aber plötzlich, z.B. beim Einkaufen und ich vergesse dabei, warum ich einkaufen war. Ich glaube dass das am Stress liegt.

RI: Sie haben 14 Tage Frist um Unterlagen betreffend Ihres Gesundheitszustandes dem BVwG vorzulegen.

RI: Sehen Sie sich in der Lage, die Verhandlung auch ohne Rechtsvertreter durchzuführen?

BF: Wie gesagt, ich bin bereit, ehrlich zu sein.

RI erklärt dem BF, dass er vom Gericht manuduziert wird und legt auch dar, dass die RI nicht die Funktion eines Rechtsberaters oder eines Rechtsvertreters übernehmen kann.

RI: Wissen Sie, was in der Beschwerdeschrift steht? Halten Sie den Inhalt der Beschwerdeschrift und die dort gestellten Anträge aufrecht?

BF: Ja sicher.

RI: Sie sind von der belangten Behörde am 1.3.2016 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt worden und Sie wurden gebeten, Fragen zu beantworten und Beweismittel vorzulegen. Sie haben im Wege ihres Rechtsanwaltes eine Stellungnahme abgegeben und Integrationsunterlagen vorgelegt. Kennen Sie dieses Schreiben?

BF: Ich glaube er hat meine ganzen Unterlagen zur Diakonie geschickt, er ist nicht mehr mein Anwalt. Er hat mich in einem Brief darauf hingewiesen, dass ich mich an die Diakonie wenden muss.

RI: Sie haben zwischenzeitig weitere Unterlagen vorgelegt. Haben Sie weitere Beweismittel oder sonstige Unterlagen, die Sie heute vorlegen wollen?

BF: Ich habe alles, was ich gehabt habe, bereits an das Gericht geschickt.

RI: Bitte erzählen Sie etwas über sich. Wann und wo sind Sie geboren? Wo sind Sie aufgewachsen? Seit wann sind Sie in Österreich? Wo wohnen Sie? Welche Ausbildung haben Sie absolviert? Üben Sie einen Beruf aus oder haben Sie einen Beruf ausgeübt?

BF: Am XXXX in XXXX , Armenien. Ich bin seit 9 oder 10 Jahren hier, wir waren aber zuvor schon in Österreich. Wir waren auch zwei, drei Jahren in der Slowakei. Wir sind im Jahr 2007 aus Armenien weggegangen. Bis 2007 habe ich die Schule fertiggemacht. 4 Jahre Grundschule, 6 Jahre Mittelschule, 10 Jahre gesamt. Ich habe dort mit meiner Mutter und meinen Geschwistern gelebt; mein Vater ist davor schon ausgereist. 1988 gab es ein Erdbeben in meiner Stadt, diese wurde zerstört, die Menschen haben dann behelfsmäßige Unterkünfte gebaut. Die Stadt heißt jetzt XXXX , damals hieß sie XXXX (phonetisch). Manche Leute leben auch heute noch in solchen Unterkünften. Ich habe in einer solchen mit meiner Mutter und meinen beiden Geschwistern, zwei Brüdern, gewohnt. In Österreich habe ich Deutschkurse gemacht, habe auch die Abendschule besucht, das war eine Volkshochschule. Ich hatte keine Bestätigung, daher musste ich ein halbes Jahr in die Abendschule gehen. Dann habe ich gearbeitet und dann ist das passiert. Ich meine damit, ich wurde festgenommen. Bis zur Festnahme habe ich bei meinen Eltern gewohnt. Nach der Haft war ich in XXXX , jetzt wohne ich auch noch dort in einer Genossenschaftswohnung. Diese finanziere ich mir selbst.

RI: Welche Sprachen sprechen Sie?

BF: Ich spreche Armenisch, Russisch, Englisch und Deutsch.

RI: Sind Sie verheiratet oder in einer Beziehung? Haben Sie Kinder?

BF: Ich bin nicht verheiratet, ich lebe in einer Beziehung, habe aber keine feste Beziehung, ich will zuerst mein Leben in Ordnung bringen.

RI: Welcher Volksgruppe und welcher Religion sind Sie zugehörig?

BF: Ich kann mich weder einer Volksgruppe zuordnen, noch bin ich religiös.

RI: Sie haben anlässlich der Asylantragstellung im Jahr 2009 vorgebracht der armenischen Volksgruppe zugehörig zu sein, wie auch Christ zu sein.

BF: Ich kann mich dem armenischen Volk nicht zuordnen und ich bin nicht religiös.

RI: Stimmen die Angaben grundsätzlich?

BF: Die Behörde hat das nicht falsch verstanden, vor zehn Jahren war ich aber ein anderer Mensch.

RI: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf?

BF: Im Jahr 2009 sind wir das erste Mal gekommen, dann wurden wir in die Slowakei abgeschoben. Wir waren damals bereits 3 Jahre in der Slowakei. Im Jahr 2011 oder 2012 bin ich erneut eingereist. Danach bin ich immer hier gewesen.

RI: Welchen Aufenthaltstitel haben Sie?

BF: Ich hatte eine Rot-Weiss-Rot Karte plus, diese ist aber bereits abgelaufen. Ich habe bereits einen Antrag gestellt.

RI: Haben Sie einen Reisepass?

BF: Nein.

RI: Haben Sie in einem anderen Land ein Visum oder einen Aufenthaltstitel erhalten? Haben Sie irgendwo einen Asylantrag gestellt?

BF: Nein.

RI: Haben Sie Familienangehörige oder Verwandte hier in Österreich oder in einem sonstigen Mitgliedsstaat der EU?

BF: In Österreich ja. Ich habe hier Mutter, Vater, ein Bruder mit seiner Familie. Mein anderer Bruder wurde nach Armenien abgeschoben, er hatte mehrere Strafen, war mit den Behörden nicht kooperativ. Er ist jetzt im Wehrdienst in Armenien. Er ist an der Grenze zu Karabach stationiert. Er war einen Monat nach der Abschiebung in einem Hospital wegen einer Lungenentzündung.

RI: Warum wurde Ihr Bruder nach Armenien abgeschoben?

BF: Wie gesagt, er hatte mehrere Straftaten. Nachgefragt, er hat ein Einreiseverbot in Höhe von 10 Jahren, er hat aber keine Beschwerde eingebracht.

RI: Haben Sie Bekannte oder Freunde hier in Österreich? Wer sind diese Leute und woher kennen Sie sie?

BF: Meine Freunde, Beziehungen, alles. In XXXX und XXXX wohnen meine Freunde. Sie sind keine asozialen Leute; wir sind normale Leute. Sie arbeiten, sind verheiratet, haben Kinder, Familie.

RI zeigt die Fotos, die mit Eingabe vom 02.12.2019 übermittelt wurden und fragt, um wen es sich auf diesen Fotos handelt.

BF gibt dazu an: Das Foto links oben zeigt meinen Bruder, seine Verlobte und ihre Mutter.

Das nächste Foto rechts ist ein Hochzeitsfoto, auf dem auch Freunde von mir zu sehen sind. Links Mitte sieht man mich bei der Ausbildung beim BFI, Das Foto rechts Mitte zeigt eine Freundin, sie heißt XXXX , sie ist verheiratet und hat ein Kind. Sie wollte in einem Kindergarten arbeiten, sie wollte auch als Dolmetscherin arbeiten, sie spricht gut Deutsch, besser als ich. Links unten sieht man mich und meinen Bruder. Die Schwangere auf dem Foto ist die Verlobte meines Bruders. Ich habe jetzt auch einen Neffen. Rechts unten sieht man mich, das habe ich einfach nur so mitgeschickt.

RI: Wie ist das Verhältnis zu Ihren Eltern und ihrem Bruder?

BF: Ein normal familiäres Verhältnis, wie auch in jeder anderen Familie.

RI: Wenn diese heute hier wären, was würde bspw. Ihre Mutter über Sie sagen?

BF: Meine Mutter lässt mich nicht in Ruhe, sie ruft mich jeden Tag an, sie macht sich Sorgen um mich, wie auch mein Vater sich sorgt. Es nervt auch etwas. Sie fragen mich die ganze Zeit nach der Verlängerung des Visums, sie verstehen nicht, warum ich nur zwei Wochen zum Beispiel bei einer Arbeitsstelle bin. Ich leiste auch Zeitarbeit. Ich habe sie schon einige Monate nicht gesehen, aber wir telefonieren.

RI: Arbeiten Sie derzeit?

BF: Nein, ich bin derzeit arbeitslos, ich beziehe derzeit Notstandshilfe. Ich komme grundsätzlich mit meinem Geld aus, die Eltern wären aber bereit, mir weiterzuhelfen.

RI erörtert Auskunft aus dem Strafregister der Republik Österreich sowie das Gerichtsurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26.8.2015 wegen §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB, rechtskräftig seit 1.9.2015.

RI: Wie stehen Sie heute zu dieser Tat?

BF: Ich war damals dumm und faul. (BF beginnt zu weinen)

RI: Die belangte Behörde hat in Ihrem Fall eine Rückkehrentscheidung und ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Verstehen Sie, was das heißt und wie nehmen Sie hierzu Stellung?

BF: Ich finde das nicht korrekt, denn meine ganze Familie und meine Freunde hier sind. In Armenien habe ich niemanden. Ich weiß für mich selbst, ich bin nicht gefährlich, war ich auch damals nicht. Ich war dumm und faul. Ich hatte Alkohol getrunken, Fußballwetten gemacht. Cannabis geraucht.

RI: Was meinen Sie, wenn Sie sagen „ich bin nicht gefährlich“?

BF: Ich meine, ich habe damals nicht verstanden, was ich machte.

RI: Wie würden Sie das jetzt sehen?

BF: Damals habe ich das wegen Geld gemacht, ich hatte damals wenig Geld. In der Haft musste ich mit wenig Geld auskommen, ich habe dadurch gelernt.

RI erläutert die wesentlichen Feststellungen und Begründungselemente der Behörde und erklärt dem BF die Rechtsfolgen einer derartigen in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung.

RI: Was haben Sie den Argumenten der Behörde entgegenzusetzen?

BF: Mir ist es wichtig, das ich in Österreich arbeiten kann. Ich sehe meine Zukunft in Österreich, nicht in Armenien. In Armenien würde ich bei der Ankunft am Flughafen verhaftet werden.

RI: In Ihrem Fall wurde das reumütige und offensichtlich umfassende Geständnis und ihre bisherige Unbescholtenheit als mildernd gewertet. Zudem wurde auch die Beute sichergestellt, was im weitesten Sinn als Schadenswiedergutmachung gewertet wurde. Haben Sie sonst noch etwas zu bemerken, was für Sie spricht.

BF: Ich habe mich auch persönlich beim Opfer entschuldigt. Das war eigentlich eine milde Strafe, der Strafrahmen ist 5 – 15 Jahre. Ich könnte zwar weitere Gründe anführen, wie etwa, dass ich Stress hatte wegen der Integration, aber das empfinde ich aus heutiger Sicht als Ausrede. Früher habe ich auch Alkohol getrunken, jetzt trinke ich nichts mehr.

RI: Das Gericht hat vor allem die fremdenrechtlichen Aspekte dieser Tat zu bewerten. Die Behörde geht davon aus, dass Sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen. Ihre Gefährlichkeit zeigt sich für mich etwa darin, dass Sie die Tat geplant haben. Wie nehmen Sie Stellung dazu?

BF: Ich kann es nicht rekonstruieren, in welchem Zustand ich damals war. Jetzt finde ich mich diszipliniert und verantwortungsbewusst.

RI: Worin zeigt sich das?

BF: Ich habe mit schlechten Gewohnheiten aufgehört, wie etwa dem Cannabisrauchen, dem Alkohol und den Fußballwetten. Ich war schon bei mehreren Zeitarbeiten tätig, habe meine eigene Wohnung und finanziere meinen Lebensunterhalt auch selbst. Ich habe eine Schweißer-Ausbildung gemacht.

RI: Sie haben die Tat Ende April 2015 begangen, weil Sie einen finanziellen Engpass hatten und erst im Juni 2015 Arbeitslosengeld erhalten sollten. In Ihrer Beschwerdeschrift ist auch zu lesen, dass Sie in beengten Verhältnissen lebten und den Führerschein machen wollten. Weshalb sollte das Gericht davon ausgehen, dass Sie, wenn Sie wieder in eine solche Situation geraten, nicht neuerlich fremdes Eigentum angreifen?

BF: Ich habe eigentlich einen finanziellen Engpass, seitdem ich entlassen bin, jetzt komme ich aber klar, ich habe alles, was ich brauche.

RI: Sind Sie nach Ihrem Haftaufenthalt betreut worden, z.B. durch einen Bewährungshelfer oder haben Sie sonst versucht, Hilfe zu bekommen?

BF: Ich habe einen Bewährungshelfer, ich habe alle zwei Wochen einen Termin.

RI: Könnte der Bewährungshelfer etwas Sie betreffend sagen?

BF: Er sollte etwas an das Gericht geschrieben haben, wie auch mit jemanden am Gericht telefoniert haben. Er heißt XXXX (phonetisch). Ich habe am 24. einen Termin, noch im Jänner.

RI: Sie haben die Möglichkeit binnen einer Frist von 14 Tagen eine Stellungnahme oder einen Bericht des Bewährungshelfers oder anderer Personen vorzulegen.

RI: Haben Sie ein Anti-Gewalttraining absolviert?

BF: Nein, ich habe damals mit einer Psychologin im Gefängnis gesprochen, sie meinte, dass ich das nicht brauche.

RI: Was hat sich seit Ihrer Haft verändert? Wo leben Sie, wie leben Sie? Arbeiten Sie zur Zeit?

BF: Wie bereits angegeben, lebe ich in XXXX . Ich lebe alleine. Ich bin wegen der Arbeit dorthin gezogen. Derzeit arbeite ich nicht, ich bekomme Notstandshilfe.

RI: Haben Sie Empfehlungsschreiben oder Dienstzeugnisse?

BF: Ich habe glaube ich bereits alle geschickt. Ich habe Arbeitsverträge geschickt. Ich habe ein Schreiben von XXXX .

BF legt vor: Dienstzeugnis der XXXX , vom 13.07.2018 (in Kopie zum Akt genommen)

BF: Nach drei Monaten hat die Firma 24 Mitarbeiter entlassen.

RI: Was würde der Herr XXXX bei einem Anruf zu Ihrer Person sagen?

BF: Ich kann nichts dazu sagen, viele in der Firma wussten, dass ich aus dem Gefängnis kam, daher war ich natürlich nicht sonderlich beliebt.

RI: Wenn ich den Herrn XXXX anrufen würde und ihn fragen würde, ob Sie sich dort etwas zuschulden kommen lassen haben, wie z.B. Übergriff auf fremdes Eigentum, was würde dieser mir sagen?

BF: Sicher nicht, Sie können gerne anrufen, die Telefonnummer steht auf dem Dienstzeugnis.

RI: Sie haben auch bei anderen Arbeitgebern gearbeitet. Was können Sie mir dazu erzählen?

BF: Die XXXX ist ein Überlasser, gearbeitet habe ich für XXXX . Ich habe dort die Bestätigung des Magistrats vorgezeigt, wonach ich legal in Österreich aufhältig bin und einen Verlängerungsantrag gestellt habe. Deshalb hat man mich dort eingestellt, aber sie haben mich dann fast jeden Tag gefragt, was mit meinem Aufenthaltstitel ist. Außerdem wurde ich eingestellt zu einer Zeit, wo in drei Schichten gearbeitet wurde, danach waren nur noch zwei Schichten notwendig.

Zu Harald XXXX gebe ich an, dass ich dort nur einen Tag gearbeitet habe. Sie haben eine Lüftungsanlage gereinigt, einen ganzen Tag lang. Man hat mir gesagt, dass ich angerufen werde, aber die Arbeitsbedingungen waren so, dass ich 38 Stunden pro Woche arbeiten soll.

RI: Was hatte Ihnen daran nicht gepasst?

BF: Als wir fertig waren, es war eine schnelle Arbeit, dann hat man mir gesagt, dass ich nicht mehr gebraucht werde.

RI: Haben Sie sich dort etwas zuschulden kommen lassen?

BF: Nein. Sie können dort anrufen.

RI: Sie haben 14 Tage Zeit dem Gericht Dienstzeugnisse, oder andere Unterlagen die über Ihren Lebenswandel Auskunft geben, beizubringen.

BF: Ich erinnere mich jetzt, dass Mitarbeiter nicht mit mir zufrieden waren, da ich noch nicht so gut Deutsch verstehe.

BF: Ich erlaube hiermit ausdrücklich, dass Sie bei all meinen Arbeitgebern anrufen können.

RI: Sind Sie auch mit dem AMS in Kontakt?

BF: Ja, ich habe am 23. den nächsten Termin. Ich werde auch dort immer wieder wegen meines Aufenthaltstitels gefragt.

BF legt vor: Schreiben des AMS XXXX vom 20.12.2019

RI: Haben Sie jemand, den ich als Zeugen vernehmen kann, z.B. einen ehemaligen Arbeitgeber?

BF: Ich wüsste nicht wen.

RI: Könnte sonst noch jemand etwas Positives über Ihren Lebenswandel und Ihre Persönlichkeitsentwicklung sagen?

BF: Ja, beispielsweise der erwähnte Bewährungshelfer.

RI: Sie haben vierzehn Tage (Einlangen bei Gericht, ab heute) Zeit, weiteren Beweismittel vorzulegen, die geeignet sind, das Gericht davon zu überzeugen, dass Sie keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen.

RI: Haben Sie Verwaltungsstrafen bekommen?

BF: Nein.

RI: Leben Verwandte noch in Armenien?

BF: Zuletzt war noch meine Tante dort, aber sie ist auch schon seit 5, 6 Jahren weg. Ich habe Verwandte in Russland, Amerika.

RI: Ihr Bruder ist jetzt dort.

BF: Ja, das ist richtig.

RI: Haben Sie Kontakt zu diesem oder zu sonst jemanden in Ihrem Heimatland und wenn ja: zu wem und wie telefonisch, schriftlich, elektronisch?

BF: Er ruft ab und zu an.

RI: Sie haben anlässlich Ihrer Asylantragstellung im Jahr 2012 angegeben, dass noch eine Tante und ein Onkel mütterlicherseits in Armenien leben.

BF: Der Onkel hat seinen Hauptwohnsitz in der Ukraine gehabt, die Tante ist wie gesagt seit einigen Jahren weg. Es gibt bei uns keine Arbeit.

RI: Wo haben der Onkel und die Tante gewohnt?

BF: Der Onkel hat eine Frau aus Karabach geheiratet, er hatte dort Dienst gehabt und eine Frau kennengelernt. Er wohnt und arbeitet jetzt in der Ukraine.

Die Tante fliegt ab und zu nach Armenien, da ihre Schwiegermutter dort lebt. Der Onkel heißt XXXX , die Tante XXXX (phonetisch).

RI: Sind Sie damit einverstanden, dass ich in Armenien überprüfen lasse, ob sie noch im Wählerregister eingetragen sind.

BF: Ja.

Die Verhandlung wird um 13:47 Uhr unterbrochen und um 14:04 Uhr fortgesetzt.

RI: Haben Sie eine aufrechte Krankenversicherung im Inland?

BF: Ja, ich weise auf die in Kopie vorgelegte E-Card hin.

RI: Wie ist Ihre wirtschaftliche Lage?

BF: Ich lebe von Notstandshilfe. Ich habe keine größeren Schulden, aber kleinere, insgesamt in Höhe von € 1200. Ich zahle das in Raten ab.

RI: Haben Sie eine Aufforderung hierzu bekommen oder haben Sie die Ratenzahlung von sich aus begehrt?

BF: Nein, es ist eine Zahlart. Es wurde Ratenzahlung angeboten, das habe ich in Anspruch genommen.

RI: Wovon leben Sie in Österreich und aus welchen Mitteln wollen Sie einen weiteren Aufenthalt finanzieren?

BF: Wie gesagt lebe ich von der Notstandshilfe. Ich möchte arbeiten, ich kann drei Firmen nennen, wo ich anfangen könnte. Eine Zusage habe ich bereits per Mail übermittelt, von der Firma XXXX , eine Aluminiumgießerei.

RI fragt, ob es sich um das Schreiben vom 02.12.2019 handelt. BF bejaht.

BF: Ich war bei einem Vorstellungsgespräch, es handelt sich um keinen kleinen Betrieb, die suchen immer Mitarbeiter. Ich habe zuletzt Gerüstbau XXXX in XXXX ein Vorstellungsgespräch gehabt, es ist gut gelaufen, sie haben alle meine Dokumente kopiert. Nach zwei Tagen erhielt ich einen Anruf, dass man mich noch nicht anstellen kann, da ich zuerst einen Aufenthaltstitel brauche.

RI: Wird Ihnen in Österreich oder in einem anderen europäischen Land finanzielle oder materielle Unterstützung gewährt oder sind Sie von jemandem in dieser Hinsicht abhängig?

BF: Nein.

RI: Unterstützen Sie jemanden finanziell oder materiell? Oder ist jemand auf andere Weise von Ihnen abhängig?

BF: Nein.

RI: Sie haben vorgebracht, dass Sie nicht nach Armenien zurückkehren können, da sie den Militärdienst ableisten müssten. Was genau fürchten Sie?

BF: Ich müsste den Militärdienst nicht mehr ableisten, da ich schon über 27 Jahre alt bin.

RI: Fürchten Sie sich somit noch oder nicht mehr?

BF: Wenn man über 27 Jahre ist muss man eine Strafe zahlen, diese ist relativ hoch. Seit dem neuen Gesetz kann man sich nicht mehr mittels Strafzahlung freikaufen, da die Frist hierfür am 31.12.2019 endete.

RI: Was würde Sie erwarten?

BF: Ich würde verhaftet werden, ich habe gehört, dass ich bis zu drei Jahre im Gefängnis wäre. Ich habe schon viele Termine verpasst, ich bekomme sicher das volle Programm, das heißt drei Jahre. Aber auch wenn nur für einen Monat, ich will nicht mehr in Haft. Ich verweise auch auf die Haftbedingungen in Armenien, diese sind unmenschlich, es steht auch im Länderinformationsblatt und ich weiß das auch, weil ich 17 Jahre in Armenien gelebt habe. Es hat sich seither nicht verändert. Es gibt eine neue Regierung, aber das wird noch lange brauchen bis sich das bessert.

RI: Sie legen mit Schreiben vom 25.11.2019 eine Bestätigung vor, wonach Sie als Wehrdienstpflichtiger im Militärkommissariat XXXX gemeldet sind. Daraus geht nicht hervor, dass Sie vom Militär gesucht werden. Bitte nehmen Sie Stellung dazu.

BF: Das ist automatisch, das man gesucht wird. Meine Tante hat auch erzählt, damals nachdem ich weg war und meine Zeit kam, die Bundespolizei ist gekommen und hat nach mir gefragt, zwei Mal im Jahr.

BF legt das Schreiben vom 25.11.2019 im Original vor

RI sieht das Original ein, die Dokumente werden dem BF wieder zurückgegeben

RI: Gibt es einen Haftbefehl gegen Sie oder einen Nachweis, das nach Ihnen gesucht wird?

BF: Das kann ich leider nicht nachweisen, aber das geht wie gesagt automatisch, dass man dann gesucht wird. Wie gesagt, die Polizei hat bei meiner Tante nach mir gefragt. Ich hatte damals eine Untersuchung in der Schule gehabt, damit wurde man auch registriert.

RI: Sie haben bereits anlässlich ihrer Asylantragstellung im Jahr 2012 angegeben, Sie würden zum Militärdienst eingezogen und das Militär suche nach Ihnen (Ordner I, S. 81). Die Behörde hat keine Gefährdung gesehen und auch begründend ausgeführt, dass Sie sich einem Wehrersatzdienst unterziehen können. Was hat sich seit Erhalt des Bescheides vom 14.12.2012 geändert?

BF: Ich habe damals das Schreiben, das ich jetzt am 25.11.2019 vorgelegt habe, noch nicht vorgelegt.

RI: Daraus geht aber nicht hervor, dass Sie gesucht werden.

BF: Ob ich das beweisen kann oder nicht, jedenfalls würde man mich am Flughafen festnehmen.

RI: Sie sind nicht mehr wehrersatzdienstpflichtig. Laut Informationen des Verteidigungsministeriums soll es für Personen mit legalem Daueraufenthalt im Ausland auf Antrag Befreiungsmöglichkeiten auch im wehrpflichtigen Alter geben: Eine interministerielle Härtefall-Kommission prüft die Anträge auf Befreiung vom Wehrdienst. Haben Sie jemals die armenische Armee kontaktiert und mitgeteilt, dass Sie legal auf Dauer in Österreich aufhältig sind und wenn nein: wieso nicht?

BF: Die Sache ist, dafür muss man zahlen und unter 27 Jahre alt sein. Zahlen kann man auch nicht mehr, die Frist endete mit 31.12.2019, und bin ich auch schon über 27 Jahre alt. Damals, als wir flüchteten, war ich noch minderjährig, es war damals nicht meine Entscheidung zu flüchten. Wir haben viel Zeit in Flüchtlingsheimen verbracht und ich habe für meine Straftat gebüßt. Ich habe für meine Fehler eine lange Zeit im Gefängnis verbracht.

RI führt mit dem BF ein Rechtsgespräch und erklärt diesem insbesondere unter Hinweis auf das Judikat des VwGH vom 31.8.2017, Ra 2016/21/0367-7 den rechtlichen Rahmen dieser Verhandlung.

RI: Haben Sie sonst noch Befürchtungen hinsichtlich Ihrer Rückkehr nach Armenien?

BF: Ich habe kein Zuhause mehr dort, ich habe meine Weltansicht und mein Denken verändert. Ich sehe mich nicht mehr als Armenier.

RI: Werden Sie in Ihrem Heimatland strafrechtlich oder politisch verfolgt?

(BF grinst und denkt nach): Nein.

RI: Sind oder waren Sie jemals Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitution?

BF: Nein.

RI: Waren Sie jemals Opfer von Gewalt?

BF: Nein.

RI: In einem dem Gericht vorliegenden Kriminalpolizeilichen Aktenindex ist ersichtlich, dass es ein Körperverletzungsdelikt im Jahr 2016 gab. Was ist da passiert?

BF: Das wurde eingestellt. Ein Junge ist zu uns gekommen, er war stark von Drogen abhängig, er hat den ganzen Tag unterschiedliche Tabletten geschluckt. In meiner Zelle waren ein paar Jungs, die die ganze Zeit trainierten. Wir haben ihn nicht geschlagen, haben nur mit ihm geredet. Nach einer Woche hat die Stockswerkschefin angerufen, ich müsse meine Sachen packen, da er gegen mich eine Anzeige gestellt hat. Der Vorwurf wurde geprüft und fallen gelassen. Er hat sich später dann bei mir entschuldigt, ich habe aber nicht mehr mit ihm gesprochen. Ich weiß nicht warum er mich angezeigt hat, wie gesagt, er hat den ganzen Tag Tabletten geschluckt.

Nach erfolgter Durchsicht des Protokolls merkt BF an, dass der Anzeigeleger dann verlegt wurde.

RI: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

BF: Man würde am Computer sofort sehen, dass ich gesucht werde, man würde mich vor ein Militärgericht stellen und würde ich eine Strafe erhalten. […]“

In der Verhandlung wurden eine Terminkarte des AMS sowie ein Dienstzeugnis der XXXX aus dem Jahr 2018 vorgelegt.

I.19. In der Folge legte der BF ein Dokument vor, aus dem hervorgeht, dass er zur Arbeit auf Probe in einer Hoteltherme vorgesehen sei und führte dazu aus, dass er nach Absolvierung der Probezeit wahrscheinlich wegen des fehlenden Aufenthaltstitels nicht eingestellt worden sei. Ferner übermittelte er eine Nachricht eines Arbeitsvermittlers, der bekanntgab, er könne den BF erst unter Vorlage eines Ausweises einstellen.

I.20. Am 28.1.2020 langte ein Bericht des Bewährungshelfers des BF, wie von diesem in der mündlichen Verhandlung angekündigt, beim Bundesverwaltungsgericht ein, mit welchem dem BF ein positives Zeugnis über seine momentane Lebensführung und seiner Persönlichkeitsentwicklung ausgestellt wird. Unter anderem wird darin ausgeführt, dass der BF bereits in seiner Zeit als Häftling eine Beschäftigung für die Zeit seines Ausganges fand. Eine Weiterbeschäftigung sei aufgrund fehlender Dokumente jedoch nicht mehr möglich gewesen, obwohl der Betrieb „total zufrieden“ mit dem BF gewesen sei. Im Hinblick auf die „Verarbeitung“ des vom BF begangen Deliktes zeige sich dieser „total einsichtig“ und habe die volle Verantwortung übernommen. Er habe schon zu seiner Zeit als Häftling ganz konkrete Vorstellungen gehabt, was er mit seinem Leben anfangen möchte. So sei er nicht mehr zurück zu seiner Familie nach XXXX gegangen, sondern habe sich entschieden, gänzlich neu zu starten. In der Denkweise und Argumentation des BF habe sich schon früh gezeigt, dass er keinerlei prokriminelle Tendenzen mehr habe und aus seinem Leben endgültig etwas machen wolle. Er habe sich fortgebildet und wolle nach Erhalt eines Aufenthaltstitels sofort mit einer Arbeit beginnen. Der BF habe sich mit seinen bescheidenen finanziellen Mitteln gut über Wasser halten können, sei nicht mehr auffällig geworden und habe keinerlei Süchte. Prognostisch sei aus der Erfahrung des Bewährungshelfers eine prosoziale Zukunft des BF zu erwarten. Eine Gefährlichkeit oder andere Störung sehe dieser überhaupt nicht mehr.

I.21. Am 31.1.2020 erteilte ein Vertreter der XXXX – das ist jene Gesellschaft, bei welcher der BF während seiner Haft und auch nach seiner Entlassung aus dieser beschäftigt war – eine schriftliche Auskunft über den BF, woraus zusammengefasst hervorgeht, dass dieser von den ehemaligen Kollegen als ruhig und angenehm empfunden worden sei und auch keine Reibungspunkte oder Konflikte aufgetreten seien. Der BF habe auch seine Aufgabe adäquat ausgeführt, wobei jedoch eine gewisse Lethargie in der Ausübung festgestellt worden sei. Der BF sei insgesamt als guter Kollege, jedoch für seinen Arbeitsplatz als nicht ausreichend befähigt anzusehen gewesen.

I.22. Zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.2.2020 eine Stellungnahme ab, die in der Folge dem BF zum Parteiengehör übermittelt wurde. Darin wies die bB im Wesentlichen auf die Schwere der vom BF begangenen Tat hin und führte zum Schreiben des Bewährungshelfers aus, dass die darin dargelegten Aussagen mitunter nicht nachvollziehbar und die Angaben des BF als Schutzbehauptung zu werten seien. Die Komponente des Familienlebens im Hinblick auf Art. 8 EMRK schienen aufgrund der Ausführungen des BF geschmälert. Die vom BF getätigte Schweißer-Ausbildung stelle keine relevante Integration dar, zumal diese im Zeitpunkt eines sehr unsicheren Aufenthaltsstatus absolviert worden sei. Die seit Erlassung des Bescheides bzw. der Haftentlassung verstrichene Zeit sei auch zu kurz, um eine positive Zukunftsprognose zu stellen. Das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde daher abweisen.

I.23. Am 9.3.2020 langte eine E-Mail Nachricht des BF ein, worin er eine Erledigung seines Beschwerdeverfahrens urgierte und ausführte, dass er keine Mittel vom Arbeitsmarktservice mehr erhalte und eine Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung abgewiesen wurde, wogegen er Beschwerde erhoben habe. Seit Januar habe er kein Einkommen und er könne sein Leben nicht mehr selbständig gestalten und müsse zurück zu seinen Eltern nach XXXX kehren. Er habe sein Leben endlich in Ordnung bringen wollen, jedoch habe er seit seiner Entlassung das ganze Geld ausgegeben, um eine Wohnung zu mieten und einzurichten. Er sei verzweifelt und er wolle jetzt arbeiten.

I.24. Am 19.3.2020 langte eine Stellungnahme des BF zum Vorbringen der bB ein, worin er seine Tat im Wesentlichen bedauerte. Ferner gab er Name und Adresse eines Vereines und einer juristischen Mitarbeiterin an, deren Unterstützung er nunmehr in Anspruch nehme.

I.25. Einer telefonischen Auskunft der zuvor Genannten zufolge, über welche vom Bundesverwaltungsgericht ein Aktenvermerk angefertigt wurde, vertrete weder der Verein noch sie den BF im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

I.26. Am 19.3.2020 wurden Unterlagen über eine Korrespondenz mit dem AMS übermittelt.

I.27. Am 23.3.2020 langte ein Schreiben des Bruders des BF ein, worin zusammengefasst dargestellt wird, dass der BF sich immer um Hilfe an seine Familie wenden könne und die Haftstrafe den BF zu einem verantwortungsvolleren Menschen gemacht habe. Er habe auch sein Leben im Griff und sei emotional stabil. Dem Vorbringen wurden Ablichtungen von Geldanweisungen an den BF übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Die beschwerdeführende Partei

Beim BF handelt es sich um einen armenischen Staatsbürger. Er gehört der dortigen Mehrheits- und Titularethnie an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er spricht die armenische Sprache. Seine Identität steht mangels Vorliegen eines geeigneten Identitätsdokumentes nicht fest.

Im Jahr 2009 stellte der BF zusammen mit seiner Mutter und seinen Brüdern erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde als unzulässig zurückgewiesen und der BF wurde in die Slowakei ausgewiesen. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes abgewiesen. Ein weiterer Asylantrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Nach erneuter illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellt der BF am 3.7.2010 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, aufgrund dessen mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen wurde, dass die Ausweisung aufgrund der im Bundesgebiet vorhandenen familiären und privaten Anknüpfungspunkte auf Dauer unzulässig ist. In weiterer Folge erhielt der BF eine Erstbewilligung „Rot-Weiß-Rot Karte plus“, welche mehrfach, zuletzt bis 20.2.2018, verlängert wurde. Über den aktuellen Verlängerungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde noch nicht entschieden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26.8.2015, Zl. XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechts des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1 und 143 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt. Der Tat lag zugrunde, dass der BF am 30.4.2015 in XXXX eine Angestellte eines Souvenirgeschäftes dadurch, dass er einen Gas-Schreckschuss-Revolver auf sie richtete und dabei die Worte äußerte: „Scheine, große Scheine! Schneller!“, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von EUR 1.890 mit dem Vorsatz abnötigte, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Das reumütige und offensichtlich umfassende Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit wurden als mildernd gewertet. Zudem wurde auch die Beute sichergestellt, was im weitesten Sinn als Schadenswiedergutmachung gewertet wurde. Erschwerend wurde kein Umstand gewertet.

Der BF verbüßte eine Haftstrafe, aus welcher er am 30.8.2018 bedingt für eine Probezeit von drei Jahren und unter Anordnung einer Bewährungshilfe entlassen wurde, und ging danach mehrere Beschäftigungen ein. Seit 4.9.2018 wohnt der BF alleine in einer Wohnung in XXXX .

Vor seiner Inhaftierung stand der BF mehrere Monate in Beschäftigung. Von Mai 2013 bis März 2015 sind Versicherungszeiten im Ausmaß von jeweils vier Monaten, drei Tagen und sieben Monaten bei verschiedenen Dienstgebern verzeichnet. Während seiner Haftzeit wurde der BF von einem Unternehmen beschäftigt, welches beabsichtigte, diesen nach seiner Haftzeit anzustellen und bei welchem der BF nach seiner Haftentlassung auch tatsächlich beschäftigt wurde. Im Zeitraum von September 2018 bis Jänner 2020 sind Versicherungszeiten im Ausmaß von jeweils drei Monaten, neun Tagen und einem Tag bei verschiedenen Dienstgebern verzeichnet. Von Anfang des Jahres 2013 bis Jänner 2020 bezog der BF in den Zeiten, in denen er nicht beschäftigt war, Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe (insgesamt über zwanzig Monate). Ein Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung wurde abgewiesen, wogegen der BF Beschwerde erhoben hat.

Der BF ist bemüht, eine Anstellung zu finden, jedoch konnte bislang keine Zusage in Vorlage gebracht werden.

Der BF steht mit seinem Bewährungshelfer in regelmäßigem Kontakt.

Ein Bruder des BF lebt in Armenien. Auch eine Tante des BF hält sich immer wieder in Armenien auf.

Der BF pflegt eine Beziehung, jedoch keine feste Beziehung. Der BF hat keinen Unterhalt zu leisten. Die Eltern des BF, ein Bruder und dessen Familie leben in Österreich. Zur Zeit hält der BF vorwiegend telefonischen Kontakt zu seiner Familie. Er erhielt von seiner Familie mehrere Zahlungen zur Überbrückung seines momentanen finanziellen Engpasses, er möchte jedoch sein Leben selbständig gestalten.

Der BF spricht fließend Deutsch und hat in Österreich eine Ausbildung zum Schweißer absolviert und an verschiedenen anderen Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen.

Ein vereinsmäßiges oder karitatives Engagement des BF ist nicht feststellbar. Der BF verfügt jedoch über einen Freundeskreis in Österreich.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Armenien in eine seine Existenz gefährdende Notlage geraten würde.

Dem BF droht im Falle einer Rückkehr nach Armenien nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Rückkehr nach Armenien einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden und von staatlichen Organe oder Dritten ausgehenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Der BF ist ein junger, arbeitsfähiger und arbeitswilliger Mensch mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherten Existenzgrundlage.

Der BF ist grundsätzlich gesund und nimmt keine Medikamente.

Dem BF ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens in Armenien möglich und zumutbar.

1.2. Zur Situation in Bezug auf die aktuell vorherrschende Pandemie durch den Corona-Virus werden folgende Feststellungen getroffen:

Am 14.5.2020 waren in Armenien 3.718 Corona-Fälle bekannt, wovon 1.500 Personen wieder genesen sind und 48 Personen verstarben. Aufgrund der durch den Virus bedingten Atemwegserkrankung COVID-19 wurde am 16. März 2020 der Ausnahmezustand in Armenien verhängt. Bis 14.5.2020 wurde der Ausnahmezustand über das Land verhängt. Der Aktionsplan der Regierung umfasste neben den Einreisebeschränkungen beispielsweise auch eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder die Verhängung von Quarantäne für bestimmte Personen.

Quellen:

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/armeniensicherheit/201872; https://am.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/armenien/

1.3. Zur sonstigen asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden weiters folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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