TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/13 I408 2233874-1

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Veröffentlicht am 13.08.2020
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Entscheidungsdatum

13.08.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §107
StGB §127
StGB §83 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2233874-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. RUMÄNIEN, vertreten durch: RA Mag. Dr. Gregor KLAMMER gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 08.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Das im Zusammenhang mit den zwei strafgerichtlichen Verurteilungen bereits im Juli 2017 eingeleitete Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes konnte nicht abgeschlossen werden, weil der Beschwerdeführer für die belangte Behörde aufgrund einer fehlenden Wohnanschrift nicht greifbar war. (AS 1-7)

Nach einem Aufgriff bei einer Schwarzfahrt mit der U-Bahn am 06.03.2018 (AS 17) erging die erste Ausweisungsentscheidung (AS 51). Er übernahm zwar den Bescheid am 07.03.2018, legte aber keine Ausreisebestätigung vor.

Am 31.01.2019 (AS 134) erließ die belangte Behörde nach einem polizeilichen Aufgriff am 28.01.2019 (AS 114) die nächste Ausweisungsentscheidung. Für eine Rückkehr erhielt der Beschwerdeführer für den 01.04.2019 ein Zugticket nach XXXX in Rumänien (AS 160) ausgehändigt, eine Ausreisebestätigung wurde von ihm aber auch dieses Mal nicht vorgelegt.

Am 09.08.2019 wurde der Beschwerdeführer neuerlich in Wien aufgriffen (AS 162). Zur Sicherung der Abschiebung wurde am nächsten Tag die Schubhaft verhängt (AS 196) und am 15.08.2019 erfolgte die Abschiebung nach Rumänien.

Als er am 05.09.2019 bereits wieder in Wien bei einer Personenkontrolle aufgegriffen wurde, händigte die Polizei über Auftrag der belangten Behörde dem Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus und räumte ihm die Möglichkeit zu einer Stellungnahme ein (AS 226). Darauf erfolgte keine Reaktion des Beschwerdeführers.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 08.07.2020 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und aberkannte einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt III.).

Mit dem am 04.08.2020 der belangten Behörde übermittelten Schriftsatz seines Rechtvertreters bekämpfte der Beschwerdeführer diesen Bescheid in vollem Umfang.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist rumänischer Staatsangehöriger. Er ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nach und wurde in dieser Zeit wiederholt bei Straftaten betreten oder in Zusammenhang mit seinem unsteten Aufenthalt aufgegriffen. Bei all diesen Aufgriffen konnte der Beschwerdeführer keine Geldmittel zur Bestreitung seines Aufenthaltes in Österreich vorweisen, war ohne Beschäftigung und obdachlos bzw. konnte keine Wohnanschrift angeben.

Zudem wurde der Beschwerdeführer immer wieder straffällig.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 20.07.2017, XXXX wurde er zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt, weil er sich am 31.05.2015 eine Packung Cabanossi aneignete, und am 15.04.2016 beim Diebstahl einer Handyhülle sowie am 29.06.2016 beim Diebstahl von Kleidungsstücken betreten wurde.

Kurze Zeit später erfolgte wegen der Vergehen des Diebstahls und der gefährlichen Drohung mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 04.08.2017, XXXX , die nächste Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten.

Am 21.02.2019 wurde er zudem bei einem Ladendiebstahl betreten (AS 190 bzw. 238), das diesbezügliche Strafverfahren ist unter XXXX beim Bezirksgericht XXXX anhängig (AS 180).

Am 07.09.2019 kam es gegenüber dem Beschwerdeführer zu einem polizeilichen Einschreiten wegen eines Diebstahles eines Handys aus einer Tasche und am 09.01.2020 wegen Körperverletzung (AS 239). Deshalb sind auch beim Landesgericht für Strafsachen XXXX unter XXXX bzw. bei der Staatsanwaltschaft XXXX unter XXXX Strafverfahren anhängig.

Mit seinem Verhalten hat der Beschwerdeführer nicht nur behördliche und gerichtliche Abläufe behindert und deutlich gezeigt, dass er wenig Wert auf ein rechtskonformes Verhalten legt. Alle behördlichen Maßnahmen haben beim Beschwerdeführer weder zu einem Umdenkprozess noch zu einer Verhaltensänderung geführt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Integrationsbemühungen in sprachlicher, beruflicher aber auch privater Sicht waren in den letzten Jahren nicht erkennbar.

Seit 18.07.2020 hält sich der Beschwerdeführer wieder in Österreich auf, verfügt erstmals ab 05.08.2020 über eine von ihm veranlasste gemeldete Wohnanschrift und wurde auch von der XXXX als Arbeiter angemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Behördenaktes und sind über die angeführten Bescheide, Urteile oder Strafanträge zweifelsfrei dokumentiert. Hinzu kommen die eigenen Angaben des Beschwerdeführers bei seinen Einvernahmen am 07.03.2020 (AS 44), 17.01.2019 (AS 108) und 10.08.2019 (AS 192) sowie einer schriftlichen Stellungnahme vom 29.01.2019 (AS 124). Hinzu kommen Abfragen aus IZR, ZMR, Strafregister, kriminalpolizeilichen Aktenindex, Personenfahndung und AJ-WEB.

Aufbauend auf dem umfangreichen Behördenakt, die in der gegenständlichen Entscheidung über die jeweiligen Aktenseiten (AS) dokumentiert sind, hat die belangte Behörde umfassend und widerspruchsfrei die entscheidungsrelevanten Feststellungen getroffen und die Beweggründe für Ihre Entscheidung dargelegt, der sich auch der erkennende Richter vollinhaltlich anschließt.

Die Feststellungen der belangten Behörde werden auch in der Beschwerde nicht in Frage gestellt, sind im Behördenakt umfassend dokumentiert und auch aus den niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers kann nichts Gegenteiliges entnommen werden.

Die Beurteilung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers beruht auf den genannten Strafurteilen sowie Anzeigen und Meldungen der Staatsanwaltschaft, die auch im kriminalpolizeilichen Aktenindex, in der Personenfahndung und in der Strafregisterauskunft ihren Niederschlag finden. Den Angaben des Beschwerdeführers in den angeführten Niederschriften ist zudem zu entnehmen, dass er bei allen Aufgriffen obdachlos war und über keine finanziellen Mittel verfügte. So gab er am 07.03.2018 an, „ich habe absolut nichts“.

Die Feststellungen zur derzeitigen Wohnanschrift und dem bestehenden Beschäftigungsverhältnis sind der Beschwerde entnommen und decken sich mit den eingeholten ZMR- und SJ-WEB-Abfragen vom 11.08.2020.

Die Feststellungen zu seiner Obdachlosigkeit und der fehlenden Bereitschaft, bei einem Aufenthalt seine Wohnanschrift ordnungsgemäß zu melden sind der aktuellen ZMR-Abfrage entnommen und entsprechen auch seinen Angaben in den o.a. Niederschriften bzw. Stellungnahme. Daraus resultiert auch die Feststellung zu den fehlenden finanziellen Mitteln zur Bestreitung der Kosten seiner Aufenthalte. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Aussagen des Beschwerdeführers am 07.03.2018 (Mit wie viel Geld sind Sie in Österreich eingereist und wieviel Geld haben Sie? – „Ich habe absolut nichts“) verwiesen. U.e. gab er dabei an, dass „er auf den Arbeiterstrich gehe und auf Arbeit warte“, und bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass es ihm nicht um ein gesetzeskonformes Verhalten geht. Dies ist auch seinen Ausführungen am 17.01.2019, dass er in der Schweiz ein Aufenthaltsverbot bis 30.10.2020 habe, zu entnehmen.

Die Feststellung, dass alle behördlichen Maßnahmen beim Beschwerdeführer zu keinem Umdenkprozess oder Verhaltensänderung geführt haben, ergibt sich aus dem Verfahrensablauf seit 2017. So zeigt der Umstand, dass er kurz nach seiner Abschiebung am 15.08.2019 bereits am 05.09.2019 wieder in Wien aufgegriffen und zwei Tage später am 07.09.2019 bei einem Handy-Diebstahl betreten wurde.

Seine strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug sowie dem im Behördenakt aufliegenden Strafurteil vom 20.07.2017. Die anhängigen Strafverfahren sind den entsprechenden Meldungen der Staatsanwaltschaft entnommen, finden in dem von der belangten Behörde eingeholten Auszug aus der Personenfahndung vom 08.07.2020 Deckung (AS 231) und werden auch über Nachfragen von den Gerichten bestätigt.

Mangels anderslautender aktenkundiger Informationen ist davon auszugehen, dass beim BF keine relevanten gesundheitlichen Probleme bestehen. Die Konstatierungen zu seiner Arbeitsfähigkeit folgen daraus, aus seinem erwerbsfähigen Alter und dem Umstand, dass er aktuell einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Zu seinen privaten Verhältnissen in Rumänien hielt sich der Beschwerdeführer bei seinen Angaben in den niederschriftlichen Einvernahmen bedeckt. Unstrittig aber ist, dass er in den letzten Jahren auch immer wieder in Rumänien war, so zumindest nach seiner Abschiebung am 15.08.2019 sowie zur Ausstellung eines neuen Reisepasses am 27.12.2018 (AS 78).

Anhaltspunkte für eine Integration des Beschwerdeführers in Österreich sind nicht zutage getreten.

Die beantragte mündliche Verhandlung würde in Bezug auf das Aufenthaltsverbot nichts ändern, weil, wie dargelegt, der Sachverhalt vollständig und umfassend ermittelt ist und auch sein neuerlicher Aufenthalt seit 18.07.2020 daran nichts zu ändern vermag.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der BF ist rumänischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer hat sich weder zehn Jahre im Bundesgebiet aufgehalten noch das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben (das einen fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalt voraussetzt, siehe § 54a NAG). Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden. Die belangte Behörde hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots bejaht, weil sich die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht nur in seinen beiden strafgerichtlichen Verurteilung 2017 und in den weiteren Straffälligkeiten danach, zuletzt am 09.01.2020, manifestierte, sondern auch in seiner permanenten Missachtung behördlicher Maßnahmen und gesetzlicher Bestimmungen, welche die Personenfreizügigkeit innerhalb der Union garantieren und sichern. Über seinen unsteten Lebenswandel und seiner Obdachlosigkeit entzog er sich immer wieder dem Zugriff der einschreitenden Behörden und Gerichte und bestritt seinen Lebensunterhalt über Schwarzarbeit und der Begehung von Vermögensdelikten. Trotz vorgenommener Abschiebung kehrte er unmittelbar darauf wieder zurück und wurde, wie bereits dargelegt, auch gleich wieder straffällig.

Der Beschwerdeführer wird den Wegfall der durch die strafgerichtlichen Verurteilungen und die derzeit anhängigen Strafverfahren indizierten Gefährlichkeit erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens unter Beweis stellen müssen (vgl. VwGH 22.03.2018, Ra 2017/22/0194). Die seit der neuerlichen Einreise vergangene Zeit reicht dafür noch nicht aus, zumal sich der Beschwerdeführer erst den Konsequenzen seiner Straffälligkeiten 2019 und 2020 zu stellen hat.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ist verhältnismäßig, zumal nicht davon auszugehen ist, dass er sich in den letzten Jahren in Österreich in irgendeiner Weise nachhaltig integriert hat.

Das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer ist zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Personenfreizügigkeit innerhalb der Union) dringend geboten. Unter Bedachtnahme auf das Verhalten des Beschwerdeführers seit 2017, insbesondere wie er die Schwachstellen des Systems zu seinem persönlichen Vorteil ausnutzte, und auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, überwiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung sein gegenläufiges persönliches Interesse.

Die von der belangten Behörde mit fünf Jahren bemessene Dauer des Aufenthaltsverbots ist angesichts des geschilderten Verhaltens des Beschwerdeführers sowie der vorliegenden Straffälligkeiten keiner Reduktion zugänglich und erweist sich als angemessen, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen. Während dieses Zeitraums sollte es dem Beschwerdeführer möglich sein, seine Lebenssituation nachhaltig zu stabilisieren und seinen Gesinnungswandel durch die Vermeidung eines neuerlichen Rückfalls zu untermauern.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Nach dieser Bestimmung ist einem EWR-Bürger grundsätzlich ein einmonatiger Durchsetzungsaufschub zu gewähren, wovon nur ausnahmsweise Abstand genommen werden darf (VwGH 12.09.2013, 2013/21/0094).

Wie schon beim Aufenthaltsverbot ausgeführt, zeigen sowohl das straffällige Verhalten des Beschwerdeführers als auch sein laufendes Hinwegsetzen über gesetzliche Regelungen in Bezug auf seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, dass von einem Dursetzungsaufschub Abstand genommen werden kann. Dies ergibt sich auch aus der Kürze seines neuerlichen Aufenthaltes ab 18.07.2020.

Aus dem Gesagten findet auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG ihre Begründung.

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH Ra 2016/21/0233).

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, unterbleibt die beantragte Verhandlung, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist. Die in der Beschwerde beantragte Einvernahme der Lebensgefährtin des BF als Zeugin kann entfallen, weil das BVwG ohnedies den Beschwerdebehauptungen zum gemeinsamen Familienleben in Österreich folgt.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG im vorliegenden Einzelfall an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüberhinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2233874.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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